ich die Chancen für eine Identitäre Bewegung in Deutschland einschätzte. Er setzte, bevor ich antwortete, gleich nach und teilte mir seine eigene Einschätzung mit – wobei er sich als realistisch informierter Beobachter der deutschen “Szene” präsentierte.
Cattin sieht im Wesentlichen drei Hürden:
1. die deutsche Vergangenheit in Form einer Denk‑, Äußerungs- und Handlungshemmung jedweder deutschen Rechten oder identitären Bewegung;
2. eine knallharte, per se provokante ns-nahe Kameradschaftsszene, die mit ihren Strukturen absorbiere, was eigentlich identitär ansprechbar wäre;
3. die konsequente soziale (d.h. vor allem berufliche) Ächtung von Protagonisten, die den virtuellen Raum verlassen und mit offenem Visier agieren würden.
Ich bestätigte seine Einschätzung und beschrieb den “Zwischenraum”, in dem sich das befände, was als “Neue Rechte” in Deutschland bezeichnet werden könnte (mit all den Problemen, die eine solche generelle Bezeichnung auch unter den Protagonisten dieses Milieus aufwürfe). Ich konnte von meinem Verlag, von der Sezession und beispielsweise von einem Großtreffen wie dem “zwischentag” berichten, und auf Cattin machte dies deshalb Eindruck, weil er etwas von der Notwendigkeit von Strukturen und szenehaftem Hinterland versteht.
Danach zählte ich auf, was aus meiner Sicht nun zu tun sei und was ich tun würde, wenn ich jung wäre und DIESE Sache nun zu MEINER Sache machen würde:
+ Kontakt aufnehmen zu allen Gruppen, Internetseiten, virtuellen Initiativen, die sich in irgendeiner Form als “identitär” verstehen; prüfen, wer sich dahinter verbirgt.
+ Eine Organisationsgruppe bilden, die den virtuellen Raum und den “Maskentanzball” verläßt.
+ Inhaltliche und formale Richtlinien festlegen, die für jeden Teilnehmer an einer Veranstaltung oder Aktion zwingend verpflichtend sind (hinein bis in Fragen der Kleidung, der Symbolik usf.).
+ Formulierung eines Manifests (Manifeste sind derzeit wieder “in”), dabei konstruktive Auseinandersetzung mit den Richtlinien, die beispielsweise die Junge Freiheit zum Erscheinen ihrer 1000. Ausgabe formulierte oder die Blaue Narzisse in ihrem nächsten Thesenanschlag.
+ Mit der Organisationsgruppe ein Großtreffen organisieren, das als eine Art Gründungsveranstaltung einer deutschen Identitären Bewegung ausgerufen wird. Inhalte: Grundsatzvortrag über die Notwendigkeit; Grundsatzvortrag über das inhaltliche und formale Konzept; Grundsatzvortrag über die Organisationsform; Erweiterung der Organisationsgruppe um einige brauchbare regionale Führungsköpfe. – Unmittelbar in kleinem Kreis: Planung einer ersten großen Aktion, abgestimmt auf die deutsche Situation, den richtigen Gegner, die eigenen Möglichkeiten, die verwertbaren Bilder.
+ Kontakt zu den “Milieumedien” (JF, Sezession, BN, Zuerst usf.) aufnehmen, mit Vorschlägen zur medialen Begleitung und mit Bitte um strukturelle Unterstützung.
+ Für einen extrem raschen Aufwuchs des eigenen Projekts und die damit verbundene Sog-Entwicklung sorgen, die es möglichen identitären Konkurrenten nahelegt, sich einzuordnen oder zu verschwinden. Dies bedeutet, die Zügel in die Hand zu nehmen, nicht auf basisdemokratische Führungsmodelle reinzufallen, sondern andersherum: unterhalb einer straffen Organisation regionale Kreativität zuzulassen und zu fördern, ohne sich in generelle Streitereien zu verwickeln und Runde Tische zu bilden.
+ Agieren, agieren, agieren: Aktion verbindet, Reden trennt.
+ Sich klar darüber sein, daß das – ernsthaft betrieben – zwei Semester Studium kostet (wie bei Dieter Stein, wie bei mir) und daß man mit dem Kopf durch die Wand muß, soll daraus eine Lebensperspektive entstehen.
+ Sich klar darüber sein, daß es schiefgehen kann, daß der eigene Name danach so oder so einen Stempel trägt und daß es kein Mitleid für gescheiterte “Nazis” gibt (zumindest in Deutschland nicht). Über diese möglichen Konsequenzen gründlich nachdenken und lieber gleich sagen: Das ist nichts für mich.
Soweit. Natürlich stellte ich Cattin noch einige Fragen zum theoretischen Hintergrund des Blocs. Aber die Sprachbarrieren waren für einen differenzierten Austausch zu hoch. Klar ist mir, daß der Bloc bereits Gefahr läuft, seine Anziehungskraft nicht aus einem “Wofür”, sondern aus einem zentralen “Dagegen” zu holen: Der antiislamische Affekt hat die meiste Aufregung hervorgerufen, aber das kann die Frage nach der Identität nicht im geringsten beantworten. Martin Lichtmesz wird sich dieser Frage in seinem nächsten Tagebuch-Eintrag annehmen.
Ernstfall
Ich habe in einem früheren Fall die berufliche Ächtung nur mit Glück vermeiden können, und das für ein Anliegen, bei dem ich dieses Risiko aus reiner Sturheit eingegangen bin, ohne das es irgendetwas gebracht hätte, wenn dieses Anliegen erfolgreich gewesen wäre. Ich kenne einige mittlerweile beruflich und gesellschaftlich einigermaßen etablierte Personen, die solche Risiken unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht bzw. nicht mehr eingehen würden, aber durchaus etwas beizutragen hätten. Sie würden die Risiken vermutlich auf sich nehmen, wenn das Vorhaben durch straffe Führung sicherstellen würde, daß Provokateure jeder Art ferngehalten werden und es bei aller provokativen Deutlichkeit in der Positionierung absolut seriös bleibt. Die erwähnten "inhaltlichen und formalen Richtlinien" wären ein Mittel dazu. Ich werde diese Anregung praktisch aufnehmen und den Identitären entsprechende Erfahrungen aus dem Bereich der strategischen Kommunikation anbieten.