das kindliche Verhalten beeinflussen, und zwar negativ. Dieser Einfluß eines “heimlichen Lehrplans” wirke sich schon in diesem Lebensabschnitt auf die Karrierechancen von Frauen aus.
Der Ausschuß möchte diesem Zustand entgegenwirken, indem spezielle pädagogische Programme und Lernmaterialien, im speziellen Schulbücher, eingeführt werden sollen, die nicht die “traditionellen Rollen” von Männern und Frauen aufzeigen.
Diese Meldung aus der Daily Mail weist noch nicht drauf hin, daß sämtliche Schulbücher, die per Bild oder Rechenaufgabe mit verdächtigen Mann-Frau-Stereotypen operieren, eingestampft werden. Wieso auch? Es hagelt zwar einerseits schon seit geraumer Zeit klagen über solche „Gender-Stereotypen“, es gibt akademische Schul- und Kinderbuchanalysen, die ein reaktionäres Geschlechterbild im Anschauungsmaterial für unsere Jüngsten nachweisen wollen, allein: Ich sehe nur das Gegenteil. Heißt: Die Sache regelt sich auch ohne staatlichen oder supranationalen Eingriff.
In den Kinderbüchern, nach denen meine Kinder in der Bücherei greifen, sind Jungs oft wahnsinnig ängstlich und dürfen auch weinen. Man denke nur an Christine Nöstlingers Klassiker, etwa an die dutzenden Franz-Geschichten von dem schmächtigen Knaben mit der Piepsstimme und der knallharten Gabi! Und wenn es im zeitgenössischen Bilderbuch um die „Baustelle“ geht, arbeiten auf dem Dach Frauen mit einer Quote von 80%, bei den Architekten sind sie knapp in der Überzahl, wohingegen die Putzkräfte, die für die wirklich schlüsselfertige Übergabe sorgen, halbe/halbe aus Männlein und Weiblein bestehen.
Wo „Genderstereotypen“ gescholten werden, ist der Vorwurf der „Heteronormativität“ nicht weit. Im Staatsfunk beklagten sie jüngst, es gäbe „viel zu wenige Kinderbücher“, die „Familienbilder jenseits des Vater-Mutter-Kind-Klischees“ zeigten. Ein „Klischee“ ist eine „überholte Vorstellung“, und wer sind dann wohl diejenigen auf der Überholspur? Klar, die Regenbogenfamilien, gleichgeschlechtliche Eltern.
Beklagt wurde im Beitrag die Resistenz der Verlage, die die Zielgruppe als zu klein einschätzten. Dabei gehörten doch 15 Millionen Kinder in Deutschland zur „Zielgruppe“! Die same-sex-Liebe sei ein „alternatives Lebensmodell für alle Kinder“!
Gesetzt, dem wäre so, dann können all diese Kinder auf der Suche nach sexuellen Alternativen, anders als die Autorin behauptet, sich durchaus einen stattlichen regenbogigen Bücherschrank zusammenstellen. Das allseits gelobte Kinderbuch König &König über ein schwules Prinzenpaar steht weißgott nicht allein. Man darf es bei Bedarf neben Eberhard, die schwule Sau, Zwei Papas für Tango, Luzie Libero und der süße Onkel, Komm, ich zeig dir meine Eltern (mit einem Vorwort von „Volks“musikstar Patrick Linder, Autor ist sein Verflossener) und dutzende andere (zum großen Teil von Müntes Tochter Mirjam Müntefering verfaßte) Werke stellen.
Was? Dennoch seien solche Bücher eine Minderheit? Schon. Weil sich Kinder normalerweise gar nicht schwerpunktmäßig für sexuelle Orientierungen interessieren. Wer allein nach Rollenbruch-Literatur für Kinder sucht, wird noch reicher beschenkt, oft tragen die Bücher die Botschaft bereits im Titel, Paul und die Puppen, Ich hasse rosa usw.
Das moderne Kind im Buch ist fast zwangsläufig ein Rollenbrecher. Mädchen im „überholten Sinne“ sind kein Gegenstand der Kinderbuchliteratur, allenfalls reüssieren zickige, dauerverliebte, tendenziell leicht abgebrühte girls als Protagonistinnen. Die letzten wirklich reaktionären Mädchenbücher, deren ich habhaft wurde, war die Vorkriegs-Bände der Pucki-Reihe von Magda Trott (die bei wikipedia aus unerfindlichen Gründen als Frauenrechtlerin firmiert.)
Und wie sieht es bei den Schulbüchern aus, der Pflichtlektüre gewissermaßen? Da gemäß progressivem Lehrplan heute mit Kopiervorlagen und effizienten, kostenträchtigem Arbeitsheftmassen gelehrt wird, ist die letzte Fibel in unserem Haushalt reichlich angejahrt (2002). Dennoch ist bereits sie von allfälligen Stereotypen gesäubert: Oma hockt am PC, die Klasse ist kunterbunt und aus aller Welt, Mama kommt später heim, Papa kocht.
Im Lesebuch für die frühe Gymnasialstufe ist unter „Familie leben“ ein man of colour, so heißt es wohl korrekt, abgebildet, der am Herd fuhrwerkt, im Hintergrund seine weiße Frau, dazwischen zwei Kinder, klar, of light colour.
Überdeutlich antidiskrimierend ist die Absicht in den Grundschulbänden des Englischbuchs Bumblebee, dort werden nicht nur Geschlechterstereotype vermieden, es gibt auch etliche dunkelhäutige Schüler und einen Rollstuhlfahrer. In Cornelsens Englischbuch für die Unterstufe sind die Mädchen zwar langhaarig (bereits kritisch zu bewerten?). Die Briten, die die deutschen Schüler hier durch ihr Alltagsleben führen, heißen dann aber Ananda, Hassan und Asif und haben eine relativ dunkle Hautfarbe. Latishas Instrument ist die Steel Drum, und sie spielt Fußball für die U 14- Mädchen.
Und in den anderen Schulbüchern, die hier im Haushalt aktuell verwendet werden, rund 50 an der Zahl? Gibt´s bedenkliche Rechenaufgaben („Herr Schulz verdient 2300 Euro, seiner Frau teilt er monatlich ein Viertel für den Haushalt und ein weiteres Siebtel als Taschengeld zu…“), sind überhaupt in der Überzahl Männer abgebildet? Nein. Wo mal nur Vater & Sohn abgebildet sind (wiederum Englischbuch), schnippelt Dad Gemüse. Vielleicht sind sie in England bereits weiter.
Dann wär doch alles in Ordnung und hübsch realistisch? Mitnichten.
Auf dem Pädagogenportal Lehrer-online.de zeigt man sich besorgt und gibt Ratschläge, wie „tradierte Geschlechterrollen“ aufgebrochen werden können.
„Thematisieren Sie es, wenn in den Schulbüchern Geschlechterstereotype auftauchen (Autorinnen und Autoren, handelnde Personen und deren Rollen, Inhalte et cetera) oder entscheiden Sie sich für ein anderes Schulbuch, das weniger Vorurteile produziert…“
Und, weil Mädchen rein sozialisationsbedingt in wenigen Fächern etwas hinterherhinken:
„Gerade in den Naturwissenschaften ist es wichtig, auch Wissenschaftlerinnen und Erfinderinnen vorzustellen, da diese oft hinter ihren männlichen Kollegen verschwinden. Stellen Sie bedeutende Naturwissenschaftlerinnen, Mathematikerinnen, Informatikerinnen et cetera vor und schaffen Sie so auch weibliche Vorbilder für Ihre Schülerinnen und Schüler.”
Ein generell wichtiger Aspekt sei, „auf eine gendergerechte Sprache zu achten. Durch den Gebrauch von Bezeichnungen wie “Sekretärin” und “Ingenieur” entstehen Vorstellungen im Kopf, die einen Einfluss auf Berufsbilder haben.“
Das Problem der Heteronormatitvität ist von diesem Einwand freilich noch nicht betroffen. Melanie Bittner, Soziologin und Autorin der Studie Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, sieht bezüglich aller Aspekte von LSBTI*, sexueller Identität und Gender im schulischen Bereich dringenden Handlungsbedarf . Machtverhältnisse und Diskriminierung würden nicht angemessen thematisiert und seien verbreitet noch immer ein Tabuthema. Auch Gendertheorien, die von der Binarität des Geschlechtersystem – also der ausschließlichen Zweigeschlechtlichkeit – abweichen und Geschlecht als Konstrukt behandeln, fänden kaum Einzug in die untersuchten Schulbücher.
Florian Urschel-Sochaczewski hatte jüngst im Tagesspiegel nachgefragt, wie “Lehrerinnen und Lehrer auf diese Befunde reagieren“ sollten? „Sollten sie die oft antiquierten Schulbücher aus dem Unterricht verbannen und stattdessen Materialien aus Zeitschriften und aus dem Internet verwenden? Im Alltag könnte das zu aufwendig sein, bekundet der Deutschdidaktiker Marcus Schotte: Schulbücher müssten sukzessive von alten Klischees befreit werden.“
Wie wird es wohl aussehen, wenn sich der EU-Ausschuß und all diese Klageautoren durchsetzen und den vielgeschmähten „heimlichen Lehrplan“, der reaktionäre Rollenbilder unterschwellig reproduziere, endgültig abschaffen? Man könnte es sich witzig ausmalen, aberwitzig. Lesbische Lebensformen in Afrika fürs Geobuch, Swingerpraktiken im Biobuch, Beziehungsknatsch zwischen Büsra und Hatice in Englisch, Tarifsorgen der Kindergärtners Günter in Sozialkunde, Mia liebt Pia, na und als Deutschlektüre?
Eine übertriebene Vorstellung? Ach wo. Wie hochproblematisch es sein kann, allein ein genderkonformes Pixibuch auf den Markt zu bringen, zeigt dieses bereits etwas ältere kurze Video.
nino
Man könnte in der Tat im Biologie-Buch einmal darstellen, wie sich Franz und Peter fortpflanzen, was eine Schwangerschaft für Peter bedeutet und wie Hans ihn dabei unterstützt.
Abgesehen davon, sind ja Geschlechter und Rassen nur soziale Konstrukte. Solange mir also niemand beweisen kann, dass Rapunzel kein afrodeutscher Mann ist, der mit dem Prinzen eine gleichgeschlechtliche Liebe eingeht, wird die Geschichte auch weitererzählt.