Mit einem sogenannten “social spot” wollte man an die goldenen Zeiten vor zwanzig Jahren erinnern, als “eine halbe Million Münchener mit Kerzen, Fackeln und Lampions ein Zeichen gegen Fremdenhass setzten”.
Es geht um eine schlichte, aber wichtige Botschaft, es geht – wie damals bei der Lichterkette – darum, zu reagieren und statt weg‑, hinzuschauen: München schaut hin!
Typische, von der Seite verbreitete Parolen sind:
Bei Gewalt nicht wegsehen! Verbündete suchen. Und den Opfern gemeinsam helfen. … Gemeinsam sind wir stärker. Wenn Gewalt droht, solidarisieren Sie sich. Lenken Sie die Täter ab.
Wohin genau man da nun schauen soll, zeigt also das augenscheinlich ziemlich aufwendig produzierte Video unter der Regie von Marcus H. Rosenmüller.
Die Szenerie: Ur-münchnerisches Ambiente auf der Wiesen mit Bier, Humtatamusik, Dirndln und Trachtenjankern. Ein argloser, schmächtiger Milchkaffeepigmentierter kommt des Weges und wird von zwei dahergelaufenen, höhnisch lachenden Dunkelblondlingen grundlos angerempelt, was er mit einwandfreiem Bayrisch (“Sog amol, spinnst du?)” quittiert. Stolpernd landen seine Pratzn auf der Schulter einer Brünettgelockten, die gleich meint, sie werde angegrapscht. Alles entschuldigen hilft nichts, der Freund der belästigten Frau, ein hünenhafter Schlägertyp mit weißem Hemd und Kürzesthaar, packt den Täter am Krawattl: Der Neger muß aufs Maul kriegen!
Soweit aus dem prallen Alltagsleben gegriffen, doch dann: als der Brutalo zum Schlag ausholt, saust die Kamera wie von einer Alarmsirene getrieben über Münchener Stock und Stein, um an allen Ecken und Enden der Stadt wie vom Donnerschlag gerührte, jäh “hinschauende” Menschen aufzusammeln: von der Mutter zum Kleinkind, von der Kellnerin bis zur Tai-Chi-Gruppe im Englischen Garten, vom Oberbürgermeister Ude im Bürosessel bis zur Garagenband, von der Gemüsefrau bis zur Lehrerin, vom Polizisten bis zum Surfer, vom Pfarrer (mitten in der Trauungszeremonie) bis zum Maschinenarbeiter, vom U‑Bahn-Reisenden bis zum Talkshow-Moderator, vom Touristen bis zur steinernen Bavaria selbst läßt ganz München alles stehen und liegen, um sich wie ein Mann gegen den rassistischen Frevler zu erheben.
Ehe dieser dann seine vor Haß zitternde Faust entsichern kann, steht plötzlich die versammelte, vor “Zivilcourage” aus allen Nähten platzende Volksgemeinschaft vor ihm wie ein eherner Block, mit verschränkten Armen und vorwurfsvollen, finsterernsten Mienen. In der ersten Reihe übrigens ausschließlich Frauen zwischen dreißig und vierzig plus ein besonders exponiert ins Bild gerückter Priester. 99% der versammelten Köpfe sind weißwurstfarben und blond wie Semmeln. “Migrantische” Gesichter muß man in der Menge mit der Lupe suchen; in den Nahaufnahmen sind sie gar nicht vertreten.
Nein, ich habe das alles nicht erfunden. Oder vielleicht doch, falls die Macher des Meisterwerks auf diesem Blog mitlesen und Spaß an Satire haben. Im Februar letzten Jahres hatte ich nämlich angesichts einer als Staatsakt getarnten Schwarzen Messe (siehe hier, hier und hier) ähnliche Visionen:
Deutschland, 23. Februar 2012, Punkt 12 Uhr. Während die Kirchenglocken die Mittagsstunde einschlagen, erheben sich die Menschen in Deutschland, von der Waterkant bis zu den Alpen, vom Rhein bis an die Oder von ihren Sitz- und Stehplätzen, halten inne in ihrem Tun und Werken, in ihren Gedanken, Worten und Taten, schließen sich besinnend die Augen oder wenden sie gen Himmel.
Putzfrau putzt nicht mehr, Verkäuferin verkauft nicht mehr, Kindergärtnerin kindergärtnert nicht; Rauchfangkehrer rauchfangkehrt nicht mehr, Bäcker bäckt nicht mehr, Pfarrer pfarrt nicht mehr, Bauarbeiter baut nicht, Lehrer lehrt nicht. Landesweit klappen Schulklassen behutsam ihre Rechenhefte und Lesebücher zu, erheben sich von den Sitzbänken und verharren in schweigender Andacht. Die Preßlufthämmer und die Motoren der Busse stehen still.
Die Säge verharrt auf halbem Wege im Holz, der Span in der Luft. Der Kaffeebecher in der Hand des Zeitungsredakteurs stockt kurz vor der sonst so zynisch-kessen Lippe. Die Hand des Paketausträgers, dessen gespitzter Finger sich der Türklingel nähert, erstarrt jäh, als die Mittagsglocke ihr „Gedenk O Mensch“ erklingen läßt. Der Sezessionist, der gerade ein Buch über Massenwahn und kollektive Psychosen liest, hält inne in seiner frivolen Lektüre. Der Nahverkehr der großen Städte ruht, als hielte auch er den Atem an vor Erschütterung und Trauer, Betroffenheit und Empörung. Jedes einzelne angehaltene Rad und Zahnrad schreit es zum Himmel: Nie wieder!
Es gibt heute einfach keinen Kitsch mehr, vor dem die einschlägigen Propagandisten zurückschrecken würden. Wie soll man da noch Satiren schreiben? Produkte wie der “Lichterketten”-Spot sind das zeitgenössische Äquivalent zum “sozialistischen Realismus”.
Immerhin zeichnet sich ab, daß immer weniger Leute darauf hereinfallen: es verging kaum ein Monat, ehe sich die Macher des Videos gezwungen sahen, die Kommentarfunktion auf ihrem Youtube-Kanal zu deaktivieren: die Anzahl der negativen und sarkastischen Kommentare war offenbar so hoch, daß ihnen die Sache allmählich peinlich wurde. Das können natürlich nur alles “Rechtsextreme” und “islamophobe” Finsterlinge gewesen sein!
Unser Spot zeigt die Vision einer Stadtgesellschaft, die bei gewalttätigen Übergriffen hin‑, nicht wegschaut. Nach einem Hinweis in einem einschlägigen Internetforum lesen wir hier Kommentare, die dem Spot Einseitigkeit vorwerfen. Sie wären dann gerechtfertigt, wenn es in Deutschland keine Gewalt mehr gegen Menschen mit Migrationshintergrund gäbe.
Wahrscheinlich gänzlich unbemerkt von den “hellen” Köpfchen der Macher ist das eine entlarvende und widersprüchliche Stellungnahme. Sie sollten ihren Slogan wohl lieber in “Selektiv hinschauen!” umändern. Ginge es primär um Gewalt: warum sorgen sich die Aktivisten der “Lichterkette” dann so exklusiv um “Menschen mit Migrationshintergrund” und nicht um alle Opfer “gewalttätiger Übergriffe”? Gerade, wenn der Fall “Gewalt gegen Deutsche” heute viel häufiger auftritt? Warum rechtfertigt “Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund”, daß man über Gewalt gegen Menschen “ohne Migrationshintergrund” schweige und sie unverhältnismäßig relativiere? Warum haben die einen Lichterketten verdient, die anderen aber nicht?
Es ist ja nicht gerade so, daß es diesbezüglich in München nichts zu sehen gäbe. Landesweit Schlagzeilen machte der Fall des 76jährigen Rentners, der von “Jugendlichen” als “Scheißdeutscher” beschimpft und verprügelt wurde. Aber das ist bei weitem nicht der einzige Vorfall. Die Internetseite deutscheopfer.de listet für 2012 unter anderem auf:
18-Jähriger lebensgefährlich verletzt, mindestens einer der drei Täter Südländer… Afrikaner beleidigt 18-Jährigen mit „Du Scheiß-Nazi“ , danach wird der Beleidigte zusammengeschlagen… Türkischer Serienvergewaltiger festgenommen… Serbe schlägt 34-Jährigen bewußtlos.… Thaibox-Weltmeister Besim Kabashi wegen Wiesn-Schlägerei vor Gericht… Ausländische Jugendliche gehen auf Deutsche los…
Hier ist offenbar Wegschauen geboten, denn sonst würde deutlich werden, daß es sich hier nicht um “Einzelfälle”, sondern längst um ein strukturelles Problem handelt.
Das Lichterkettenfilmchen ist also ähnlich schmählich abgesoffen und an der Realität gescheitert, wie die unsägliche “Kony 2012”-Kampagne vor einem Jahr (erinnert sich noch jemand?), die nach einem raschen viralen Boom ins Nichts abstürzte. In beiden Fällen ist allerdings die Psychologie interessant, die sich in den Videos ausdrückt. Sie appellieren an Gefühle, die man in den USA nach einem populären satirischen Blog ironisch in die Sparte “stuff white people like” einreiht.
Der weiße, westliche Linksliberale sieht sich eben gern in der Rolle des Priesters und Missionars universaler Werte, und des generösen Retters und Beschützers ärmerer, schwächerer, unterdrückter, unterprivilegierter, “diskriminierter” farbiger Menschen. Er berauscht sich an seinem eigenem Edelmut und – auf Neudeutsch gesagt – “Gutmenschentum”, wie man auch an den häufig so satt-selbstzufriedenen Schafsgesichtern sehen kann, die die “Lichterketten” bevölkern und denen auf der Stirn geschrieben steht, wie gern sie für ihre guten Absichten prämiert werden wollen.
Der brave Linksliberale merkt nicht, daß in seinem ganzen angeschwollenen Humanitarismus auch ein gutes Stück Herablassung steckt, daß sein “white guilt”-Syndrom als Kehrseite immer noch den insgeheimen Stolz des “white man’s burden” in sich trägt. Seine Wertvorstellungen und Selbstbilder sind derart in bequem verfügbare Instant-Klischees eingefroren, daß am Ende das genaue Gegenteil seiner Absichten herauskommt: “Zivilcourage” heißt dann, wie das Video zeigt, Arm in Arm mit einem Massenbulldozer zu marschieren, und “Hinsehen”, die Augen eben dort zu verschließen, wo heute wirklich der Mut des Einzelnen gefordert wäre. Sein “Humanismus” ist ein geteilter, der höher- und minderwertige Opfer unterscheidet, dies aber nicht offen zugibt. Es ist genau diese feige und verlogene Heuchelei, die aus dem “Gutmenschen” eine so verächtliche Figur macht: hinter dem Schafsgesicht lauert oft eine Niedertracht, die umso schlimmer ist, als sie sich selbst nicht erkennen kann und will.
Aber dies ist wohl psychologisch gesehen nicht alles, was diesen Typus umtreibt. Es geht ihm vielleicht auch darum, sich die Illusion einer Machtposition zu erhalten, die er längst verloren hat. Er lebt letztlich in dem naiven und ihm wohl kaum bewußten Glauben, daß er und seine ethnisch-kulturelle Gruppe, die er ständig verrät und denunziert, eben doch noch fest im Sattel sitzt. Denn trotz seines ganzen Gejammers genießt er ja weiterhin ihre “Privilegien” und beißt ständig die Hand, die ihn füttert, wofür er auch noch gestreichelt wird.
Geradezu belustigend an dem “München”-Video ist, wie kerndeutsch und durchaus nicht “bunt” das Volk ist, das da geschlossen aufsteht, um dem schwarzen Schaf das Handwerk zu legen. Was man hier sieht, ist in der Tat eine klassenübergreifende “Volksgemeinschaft” par excellence, mögen die Macher dafür auch andere Worte finden.
Angeführt von einem Priester wird der zivilreligiöse Charakter der Botschaft unterstrichen: was hier zu sehen ist, ist im Grunde ein Ritual eines pseudoreligiösen Glaubens, dem mit Fakten kaum beizukommen ist. “Hinsehen” und “Zivilcourage” sind dann nur noch Schlagworte, die Weihrauch verbreiten sollen, aber jeglichen konkreten Inhalts beraubt sind. Opiate aus einer Riechflasche, auf der “Moral” und “Widerstand” nur mehr draufstehen.
Die Wirklichkeit wird auf den Kopf gestellt: in der vordersten Front des zivilcouragierten Mobs stehen ein paar “starke” Frauen, die hier also antreten, um einen wehrlosen dunkelhäutigen, “migrantischen” Mann vor einem aggressiven weißen, einheimischen Mann zu beschützen. Das ist derart offenkundig absurd, daß ich mir eine nähere Erläuterung wohl sparen kann.
Eine besondere Pointe ist auch, daß die im Video gezeigte “Volksgemeinschaft” offenbar nur über den “Antirassismus” zu einer enthusiastischen Einheitsbekundung zu bewegen ist. In der Wirklichkeit sind die Deutschen als Solidargemeinschaft zersplittert, haben nur mehr ein geringes Zusammengehörigkeitsgefühl, und würden im Falle einer Gewaltandrohung nicht einmal (oder: gerade) für einen der ihren derart entschlossen zusammenstehen, was indessen für andere ethnische Gruppen der Normalfall ist.
Wie man leicht sehen kann, geht es in dem Spot nicht eigentlich um “Gewalt”, sondern um “Rassismus”: würden Täter und Opfer die Rollen tauschen, wäre die Botschaft “faschistisch”, wären beide Ausländer oder beide Deutsche, wäre sein ganzes Pathos witzlos. Nichts scheint nun nach dem Wunschbild der Macher so wichtig zu sein, wie der Einsatz für das summum bonum des “Antirassismus”, für das man pronto alles, aber auch wirklich alles stehen und liegen lassen muß. Das folgt den Dogmen der auch von Merkel immer wieder verkündeten “Globalismusreligion” (“Ideologie” ist wohl noch zu schwach ausgedrückt), die das Dach einer postnationalen-nationalen Einheit und quasi “totalen Mobilmachung” bilden soll.
Merkel etwa im Februar 2012:
Der Kampf gegen Vorurteile, Verachtung und Ausgrenzung muss täglich geführt werden – in Elternhäusern, in der Nachbarschaft, in Schulen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, in religiösen Gemeinden, in Betrieben.
In diesem Lichte ist auch Joachim Gaucks honeckereske Weihnachtsansprache zu sehen, in der dasselbe Bild wie in dem “München schaut hin”-Video beschworen wurde:
Sorge bereitet uns auch die Gewalt: in U‑Bahnhöfen oder auf Straßen, wo Menschen auch deshalb angegriffen werden, weil sie schwarze Haare und eine dunkle Haut haben.
Der heute allen Großstädtern vertraute häufigere Fall, daß die Gewalttäter in den U‑Bahnhöfen eher “schwarze Haare und eine dunkle Haut” haben (womit nebenbei ihre Andersartigkeit auf bloße Äußerlichkeiten reduziert wird), bereitet also auch Gauck keine “Sorge”: denn auch er spricht hier nicht im realen Interesse der Bürger, sondern im Namen der Zivilreligion, zu deren Glaubensartikeln diese Art “Sorge” gehört. Und diese Ideologie ist im Endeffekt eben so gelagert, wie das im englischsprachigen Netz verbreitete “Mantra” ausdrückt:
Anti-racist is a code word for anti-white.
Die hyper-moralische, quasi-sakrale Aufladung des Wortes “antirassistisch” verstellt den Blick auf diesen Sachverhalt: es ist eben eines dieser Gummiwörter, wie “Menschheit” usw., mit denen man “betrügen will” und Machtinteressen kaschieren. Auch “Lichterkette e.V.” geht es nicht primär um “Gewalt” an und für sich, was in der aktuellen Stellungnahme ja auch indirekt zugegeben wird; ihre Anprangerung bezieht sich nur auf eine bestimmte Opfergruppe und dient vor allem der propagandistischen, pro-multikulturalistischen Auswertung, d.h. der stetigen Kolonisations-Arbeit daran, daß die Deutschen die Kontrolle über die Identität und Einheit ihres Landes verlieren.
Was freilich gut getarnt wird: Das “Lichterketten”-Video zeigt ein Deutschland, um das man sich ethnisch-demographisch und kulturell (Wie sauber/christlich/urig dort alles ist! Wie fleißig alle arbeiten! Wie solidarisch alle sind! Wie friedlich alles ist!) keine Sorgen machen müßte. Bekanntlich, und das ist eine harte Tatsache, ist das Gegenteil der Fall: auch die Münchener Weißwürste werden bei laufender Entwicklung bald in der Minderheit sein.
Wie anders würde nun die “Vision der Stadtgesellschaft” aussehen, wenn der antirassistische Mob von “diversity” durchsetzt wäre und ein realistischeres Abbild der ethnischen Zusammensetzung vieler Städte zeigen würde! Ich glaube, selbst dem überzeugtesten braven Gutmenschen würde hier ein wenig mulmig zumute werden. Sobald es daran geht, die diffuse Utopie, nach deren süßlicher Musik wir alle tanzen und aufmarschieren sollen, konkret sichtbar zu machen, bleibt eben nur die Wahl zwischen Dystopie und Kitsch, und letzterer ist verräterisch und unglaubwürdig genug, wie das Beispiel des “Lichterketten”-Videos zeigt.
Bilder: Screenshots/Youtube
Kurt Schumacher
Mein Gott! Wenn man eine Satire auf Gutmenschen drehen wollte, könnte man kein besseres Video machen. Wie gehirngewaschen müssen diese Lichterketten-Heinis sein, um bei ihrem Propagandavideo nicht selbst laut loszulachen?!