das zuvor bereits als Einleitung für eine Aufsatzsammlung eines hierzulande kaum bekannten Periodikums diente. „Wider die kapitalistische Ordnung“ lautete der Titel, Rébellion der Name der Zeitschrift.
Dieses zweimonatlich publizierte Organ mit Sitz im südfranzösischen Toulouse versteht sich als „sozialistisch, revolutionär, europäisch“ und sieht sich in der Folge eines „volksnahen Sozialismus“. Als geistige Ahnen werden in der Eigenvorstellung, die in jedem Heft abgedruckt ist, Pierre-Joseph Proudhon, Louis-Auguste Blanqui und die französische Kommune, aber auch der von Armin Mohler als „Regenpfeifer“ geadelte Georges Sorel angeführt. Nicht fehlen darf die Inanspruchnahme des „Nationalbolschewisten“ Ernst Niekisch. Dies ist zugleich die einzige Personalie der revolutionären Jung-Sozialisten, der sich Benoist in seiner Würdigung der Zeitschrift nicht anschließen möchte: der Nationalbolschewismus sei überholt und ginge auf „längst obsolete historische Umstände“ zurück. (Was etwa auf die Pariser Kommune von 1871 wohl ebenfalls zutreffen würde.)
Die Hauptforderungen der Redaktion, die zugleich den Kern der freilich sehr kleinen „Organisation Socialiste Révolutionnaire Européenne“ (OSRE) bildet, beinhalten u. a. ein „starkes Europa“, das sich seiner Wurzeln bewußt sei sowie die forcierte Frontstellung gegen nationalen Zentralismus und zugleich gegen seine „Karikatur“, den „mikronationalistischen“ Separatismus. Letztere unverhüllte Absage an die strikt regionalistische Konkurrenz kommt nicht von ungefähr: Die Equipe der Rébellion stammt wie Teile des Bloc Identitaire aus der Unité Radicale. Bei den Neustrukturierungen nach dem 2002 (aufgrund eines Attentatsversuchs auf Jacques Chirac durch einen mutmaßlichen Sympathisanten) erfolgten Verbot der Unité wurde der linke Flügel durch die sich formierende stärkste Fraktion, die Identitären, ausgeschlossen. Die Linksnationalen verfolgten fortan ihren strikt antikapitalistischen und antiwestlichen Kurs. Berührungspunkte – wenngleich in der Intensität nicht vergleichbar mit einer weiteren linksnationalen Gruppe des Schriftstellers Alain Soral (Égalité & Réconciliation) – gibt es gar mit dem schiitisch-iranisch orientierten Parti Antisioniste. Die Masseneinwanderung, vornehmlich von Muslimen, wird dementsprechend keineswegs thematisiert, wie es der Bloc überspitzt praktiziert. Stattdessen seien beide Seiten, Einheimische wie Zugereiste, Opfer des globalen Kapitalismus und müssten sich als gemeinsam Ausgebeutete gemeinsam gegen die Ausbeuter zur Wehr setzen. Rassismus wird zugunsten eines „differentialistischen Antirassismus“ verworfen; das politische Ziel sei ein sozialistisches, antikapitalistisches, antiimperialistisches und föderal zusammengesetztes Europa, das von unten nach oben durch partizipative Demokratie strukturiert werden müsse.
Diesen Leitlinien gemäß ist die umfangreiche „Bibliothek des Aktivisten“ (Nr. 51, Dez.-Nov. 2011) zusammengestellt. Neben Karl Marx und Karl Polanyi stehen Henri Lefebvre und Kostas Papaioannou, ihnen folgen Theodor Adorno und Jean-Claude Michea. Es überwiegen demnach marxistische Autoren, aber auch „traditionale“ Denker wie René Guénon und Julius Evola werden den Lesern der Zeitschrift empfohlen, ferner die distinguierten Solitäre Nicolás Gomez Dávila und Henry de Montherlant oder Ernst Jünger und Ernst von Salomon in ihrer nationalrevolutionären Phase. Über alledem stehe immer wieder Nietzsche und die antike Philosophie.
Diese genannten Köpfe, die nur ein Drittel der Lesehinweise verkörpern, stecken den bunten Rahmen der graphisch wie textlich mitunter überladen wirkenden Zeitschrift ab. Interviews gibt es mit zeitgenössischen Linksintellektuellen ebenso wie mit dem „Eurasier“ Alexandr Dugin (Nr. 53, März-April 2012), der seine „Vierte Theorie“ vorstellt und die Reziprozität Antikapitalismus–Traditionalismus beschwört. Die Linke wird beständig für ihre „volksfeindliche“ Haltung getadelt (etwa Nr. 55, Juli-Aug. 2012), die Rechte für ihre „neoliberale“ Agenda. Allen Heften gemein sind die Leitthemen „Antikapitalismus“ und „Globalisierungskritik“, die sich entsprechend bis in die Auswahl der Rezensionen ziehen. Besprechungen, oft auch von CDs, nehmen nach den Interviews und den recht kurzgefaßten Grundlagenartikeln den größten Platz ein. Im jüngsten Heft (Nr. 56, Nov.-Dez. 2012; Sept.-Okt. fiel aus) findet sich ferner eine mit „Polemik“ überschriebene Auseinandersetzung mit Richard Millets essayistischen Veröffentlichungen der letzten Jahre, die in deutscher Übersetzung im Frühling vom Verlag Antaios herausgegeben werden. Unter Berufung auf Alain de Benoist, der, einen ähnlichen Ausspruch Karl Marx’ aktualisierend, von den zahlreichen Immigranten der unteren Gesellschaftsschichten als der „Reservearmee des Kapitalismus“ spricht, wird Millets Kritik der französischen Gesellschaft in seine Bestandteile zergliedert. Zustimmung erfährt Millet in seiner grundsätzlichen Ablehnung von Masseneinwanderung und den Sprachregulierungen der Political Correctness. Allerdings verstünde der begnadete Schriftsteller nicht, daß seine Kritik just vor dem „liberalen System“ als Fundament halt mache und sich dessen Kulturkampfthese zwangsläufig zu eigen mache, wenn er die antiislamische Stoßrichtung westlicher Neoliberaler übernehme und islamkritisch argumentiere. Michel Thibault, einer der wenigen Autoren der Rébellion, der seine Artikel mit Namen zeichnet, honoriert demgemäß Millets Kritik der globalen Massenentwurzelung der Völker, um aber Millet falsche „Feindbestimmung“ vorzuwerfen:
Was die französische Kultur heute zerstört ist eben nicht der Islam, sondern die amerikanische Subkultur, die durchs Fernsehen, das Kino und die Zeitschriften verbreitet wird.
Thibault fügt an, daß Immigrantenkinder, die nach einem über die Medien vermittelten Ideal von teuren Markenklamotten und „westlichem“ Lifestyle streben, ebenso Opfer der US-amerikanischen „Unterhaltungsindustrie“ seien wie alle anderen, die im „neoliberalen“ Einzugsgebiet wohnen, auch.
Die Zeitschrift ist also für jene politisch und ökonomisch Interessierten lohnenswert, die sich mit „Antikapitalismus“ und Globalisierungskritik aus unkonventioneller Sicht beschäftigen, die neuste entsprechende Literatur komprimiert zusammengefaßt bekommen wollen und im „Westen“ das Grundproblem zu entdecken meinen. Andere dürften aufgrund der redundanten Häufung von Zuschreibungen wie „neoliberal“, „imperialistisch“ oder „kapitalistisch“ die Lesefreude rasch verlieren.
Zu beziehen ist die Zeitschrift über Rébellion c/o RSE BP 62124 31020 – Toulouse Cedex 2 – France. Sechs Ausgaben im Jahr kosten 20.00 €, ermäßigt 15.00 €. Für Nichtfranzosen kommt Porto hinzu. Bestellungen sind auch via Mail möglich; weitere Informationen gibt es im Netz. Die nächste Ausgabe (Nr. 57) erscheint Mitte Februar.