Diese fristet trotz (oder vielleicht wegen) ihres hohen Anspruchs allerdings ein eher stilles Nischen- und Geheimtip-Dasein. Die von einem anonymen Redakteur mit glühender Feder geschriebene Auseinandersetzung mit Kurtagic ist jedoch so randvoll mit blitzgescheiten Gedanken, hinreißenden Formulierungen und ergänzenden Bemerkungen, daß sie es verdient, auch auf Sezession im Netz in (fast) voller Länge publiziert und damit hoffentlich einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu werden. (Ein lesenswertes Interview mit Kurtagic gibt es in der aktuellen Jungen Freiheit.) Hier nun der Text aus dem “Funken”:
Gleichmal vorweg: dieses Buch ist eine absolute Pflichtlektüre und mit einer der besten Bände der Serie. Martin Lichtmesz (der auch die Aufsätze ausgewählt hat) vergleicht ihn in seinem Vorwort völlig zurecht mit Armin Mohler und fügt auch eine notwendige Begriffsklärung hinzu. Wenn Kurtagic in der Folge das Konservative dem Traditionalismus gegenüberstellt, sieht er in letzterem die Essenz und die philosophische Basis allen nicht-egalitaristischen, volks- und kulturbezogenen Denkens. Im Konservativismus sieht er hingegen das, was wir vor allem als Neoconservativismus, Rechtshegelianismus und Strukturkonservativismus kennen.
Doch Kurtagics Kritik ist bewusst weit gefasst. Will er damit doch nicht nur ein paar Neocons attackieren, sondern die gesamten rechten, patriotischen Zusammenhänge zum Nachdenken bringen. Er kritisiert typische Missverständnisse, eingefahrene Dogmen und schlechte Gewohnheiten, die in unserem Lager schon viel zu lange grassieren. Da lacht das Herz der Funken-Redaktion.
Wir wollen in der Folge zwei Gedanken aus seinem Buch, die uns als besonders wichtig erscheinen, herausgreifen, ausbreiten und mit Zitaten unterlegen. Wir werden dabei Kurtagics Kritik an der Idee des Konservativismus nur streifen und uns auf andere Aspekte, die uns interessanter erscheinen, konzentrieren.
Kurtagic hat eine bewegte Geschichte hinter sich und seine Wurzeln verzweigen sich nach Spanien und Slowenien. Sein Leben führte ihn durch die verschiedensten Länder und die verschiedensten beruflichen Metiers. Vielleicht ist es genau diese abseitige Stellung, die ihm die Fähigkeit zur genauen Analyse der Zusammenhänge gab, in denen er seit einiger Zeit als Denker wirkt.
Wir erlebten ihn bei der “Identitären Konferenz” in Stockholm als sympathischen, eloquenten und bescheidenen Mann, dessen überlegenes Verständnis vieler Abläufe und Zusammenhänge sich nicht in Arroganz und Zynismus sondern gütigem, wissendem Lächeln ausdrückte. Seinen Roman “Mister” haben einige von uns gleich bei Erscheinen verschlungen. Wir legen ihn auch hier jedem ans Herz, der plastische Schilderungen und bitterschwarzen Humor liebt.
Auf jeden Fall ist Kurtagic ein sehr empfindsamer, künstlerischer Mensch (eine berufliche Etappe von ihm war die Gestaltung von CD-Covers), der eine Antenne für die unsichtbaren, wahren Kraftströme hat, die die Politik leiten und formen. Genau das unterscheidet ihn angenehm von den angelsächsischen Flachköpfen, die großteils sein Publikum bilden und gegen deren positivistisch-empiristischen Wahn er mit spitzer Feder anschreibt. Kaum ein Aufsatz aus diesem Sprachraum kommt ohne wissenschaftliche Studien oder IQ-Tabellen aus. Stets wird mit kühler Ratio auf die Wissenschaft verwiesen, die unsere Weltanschauung stütze und die gegnerische widerlege.
Politischen Visionen oder bewussten, utopischen Phantasien begegnet man in diesen nüchternen Gefilden mit Abscheu oder Arroganz. Ein plumpes Verständnis von Politik und Macht, das dem englischen Krämergeist so tief inne wohnt, ließ die andere Seite jenseits des Kanals und Atlantiks zur metapolitischen Wüste werden. Kurtagic schreibt gegen all das tapfer an. Sein Text ist ein Plädoyer für die Vision, die bewusste Utopie, den Traum und die Metapolitik. In seinen eigenen Worten:
Deshalb kann man mit einiger Berechtigung sagen, dass der Tagträumer, der die Fähigkeit hat, andere mit seinen Träumen anzustecken, ein größerer Pragmatiker ist als der selbsternannte, pragmatisch orientierte Rationalist, der andere über Vernunft zu überzeugen versucht. Der erste versteht nämlich die Irrationalität der menschlichen Natur und spielt mit ihr, während letzterer von abstrakten Menschen träumt, die stets aus rational begründeten Eigeninteressen heraus handeln.
Die Unfähigkeit zu verstehen, dass Mythen und Ideen ihr Eigenleben haben und Menschen ganz und gar erfassen können, drückt sich auch in Deutschland im ewigen Verschwörungsdenken und der Schelte der Re-education aus. Anstatt eine Idee und ihre Wirkung auf andere zu verstehen und sie emotional und rational zu überwinden, sucht man, ewig personalisierend nach den Hintermännern und sieht als einziges Gegenmittel durch Gewalt am Tage X die Macht über die Medien in die Hand zu bekommen.
Auch der Holzweg des Revisionismus gehört zu diesem falschen Pragmatismus. Abgesehen davon, dass er unleugbare Realitären ausblendet, verkennt er, dass wir es mit einem fanatisch-religiösen Kultus der eigenen Schuld zu tun haben, der die schwarze Blüte eines jahrtausendealten universalistischen Traumas ist. (Das erklärt auch, warum er nicht nur in den Verliererstaaten des 2. Weltkriegs auftritt.)
Kurtagic widerlegt diesen antiintellektualistisch-antikünstlerischen Affekt mit anschaulichen Beispielen. Würden die Menschen eher auf rationale Argumente reagieren, so schreibt er, würde die Werbung im Fernsehen im nüchternen Ambiente von seriösen Schlipsträgern mit vernünftigen Argumenten präsentiert. Doch stattdessen zielt die Werbung fast ausschließlich auf die Emotionen ab. Dass ihr Ziel, die immer neue Erweckung von massivem, sinnlosen Konsum, kein gutes ist, ändert nichts an ihrem durchschlagenden Erfolg. Kurtagic wiederholt noch einmal:
Die Intensität mit der Werte verinnerlicht werden, hat überhaupt nichts mit logischer oder wissenschaftlich korrekter Präsentation zu tun, sondern allein mit kunstvollen, attraktiven und ästhetisch ansprechenden Formen der Vermittlung, die bei den Rezipienten starke emotionale Bewegungen auszulösen imstande sind. Und jeder, der ein Gespür für Populärkultur hat, weiß daß ihre Macht, extreme Gefühle auszulösen und die Massen zu mobilisieren bis zu einem Grade an dem sie gewalttätig, irrational und wider ihre vernunftgemäßen Eigeninteressen handeln – nicht unterschätzt werden darf.
Genau hier liegt der Schlüssel zu jener Wende, die man seit Jahrzehnten herbeisehnt. Sie hängt von einem mobilisierenden Mythos ab, einem Traum, der zur Tat ruft.
Kurtagic beschreibt plastisch und eindringlich, wie stark Menschen von den popkulturellen Strömungen geprägt werden. Über peer groups gelangen sie in bestimmte Gedankenwelten, die sie als nostalgische Jugendträume bis zum Ende ihres Lebens prägen.
Die einzigen Erfolge nationaler Kreise in Europa hängen ironischerweise genau von diesen, unbewusst vollzogenen, metapolitischen Akten ab, die sich am Rande strategischer und theoretischer Irrwege abspielten. Eine bewusste und gezielte metapolitische Arbeit wurde aus dem von Kurtagic beschriebenen falschen Pragmatismus und der dogmatischen Fixierung auf den Nationalsozialismus stets unterlassen.
Auch der vor allem in den Krämernationen England und USA grassierende Biologismus und Materialismus spielte in der Verachtung der Ideen, Visionen und Träume eine wesentliche Rolle. Der eigene Kampf wurde als genetisch determiniert aufgefasst und verzweifelt wartete man darauf, dass die Überfremdung den genetisch programmierten, xenophobischen Abwehrreflex im Volk auslösen würde.
Man erkannte nicht, dass die biologischen Unterschiede der Menschen selbst eine viel geringere Rolle spielen als die politische Bedeutung, die man ihnen beimisst. Anders gesagt: der Mythos der alleinigen genetischen Determination ist es, der diese Leute antreibt, nicht die Genetik selbst. Dass der Mensch sich auch gegen seine Triebe und gegen die von der Natur indizierten Fakten entscheiden kann, zeigen die Millionen Europäer, die heute freiwillig und lustvoll auf Fortpflanzung und Revierverteidigung verzichten. Sie tun das, weil eine giftige Idee von ihnen Besitz ergriffen hat und ihren Geist besetzt hält.
Dies ist das Schlachtfeld der Metapolitik, das viele Rasserealisten als Kinderei, als belanglose soft-science abtun. Ihre Pragmatik ist eine Illusion, weil sie die Macht von Illusionen nicht anerkennt. Ihnen fehlt ein tiefer Schluck aus dem Brunnen Nietzsches, um so zu denken wie Alex Kurtagic oder Guillaume Faye. Mit der Erkenntnis, dass jede Wahrheit letzlich eine Illusion ist und dass wir hier nur gute, notwendige lebenssteigernde und weltverneinende, dekadente, schlechte Illusionen unterscheiden können, ändert auch die politische Agitation total.
Anstatt auf die magische Kraft der eigenen empirischen Daten zu vertrauen, sich an IQ-Tabellen und genetische Analysen zu klammern, bedenkt man in erster Linie deren psychologische Wirkung beim Gegenüber.
Anstatt krampfhaft und im schlechtesten Sinne konservativ an bestimmten Symbolen, Strategien und nationalen Mythen festzuhalten, erkennt und bejaht man ihre Geschaffenheit und Zeitgebundenheit. Heroisch-subjektivistisch erzählt man sie weiter oder schafft sich neue Geschichten, so Kurtagics Appell zur bewaffneten Ästhetik:
Ich behaupte, daß die mangelnde Glaubwürdigkeit unsere Werte und Ideale außerhalb unseres unmittelbaren Milieus zum Teil mit dem Mangel an professionell ausgeführten ästhetischen Konzepten zu tun hat, die unseren metapolitischen Ideen eine adäquate Form geben und unsere Ideen auf eine lebendige, zeitgemäße und (da die Menschen Hoffnung und Veränderung brauchen) vor allem eine zukunftsgerichtete Weise neu formulieren.
Getreu dem Titel seines Buches ortet Kurtagic das wahre Problem in den eigenen Reihen und umreißt eine bestimmte – leider allzu häufige – Figur des Konservativen als Hauptgrund für unser Scheitern. Ein pragmatischer, materialistischer Flachkopf, voll antireligiöser und antiintellektualistischer Ressentiments, der mit Inbrunst glaubt, Macht käme nur aus den Gewehren, Kultur nur aus den Genen, Metapolitik sei Firlefanz und Multikulti müsse man naturwissenschaftlich widerlegen; diese Losertypen sind es, die niemals zum wahren Kern unserer Weltanschauung vorgedrungen sind und mit ihrem Dogmatismus die Bewegung in einem toten Holzweg festnageln.
Ihre Geringschätzung von Visionen und Ideen erkennt Kurtagic klar als Krankheitssymptome der Moderne. Lange bevor die “Identitäre Bewegung” das Licht der Welt erblickte, schrieb er:
Man wird nach sinnstiftenden Symbolen suchen, nach utopischen Tagträumen, nach neuen Formen der Romantik, nach etwas, das Ordnung und Kraft ausstrahlt, das sich aus dem Chaos heraushebt und dem Einzelnen das Gefühl gibt, Teil von etwas Kraftvollem und Mächtigem zu sein. Diese Vision mag nun übertrieben klingen aber ihre Anfänge liegen näher als man glaubt: In der Tat beginnen sie mit Stift und Papier, mit Pinsel und Leinwand, mit Gitarre und Plektrum; sie gründen auf der Fantasie, die diese Utensilien mit Leben erfüllt.
Eigentlich könnte man mit diesen programmatischen Worten diese Rezension beenden. Doch noch ein wichtiger Gedanke, den Kurtagic in einem weiteren Aufsatz aufführt, verlangt es, vorgestellt zu werden. Es geht um die Frage der Moral und die Frage des Guten, die zuletzt eine Frage der Religion ist. Der Typ des falschen Pragmatikers und konservativen Losers versteht nicht, dass die Menschen nicht auf dröge Fakten, sondern auf Emotionen und Ästhetik reagieren.
Aufgrund seines fehlenden Gespürs für Ideen und Metapolitik erkennt er auch das wahre Wesen der herrschenden Ideologie nicht. Sie ist eine Zivilreligion, die ihre fanatischen Gläubigen, ihre saturierten Hohepriester und ihre gelangweilten Taufschein-Kirchgänger hat.
Ihre Grundidee ist der totale Egalitarismus, der sich in einem globalistischen Universalismus äußert. Ungleichheit, Grenzen, Bewahrung und Verteidigung des Eigenen sind dieser Religion ein Gräuel. Jede exklusive organisch gewachsene Gemeinschaft ist für sie das manifestierte Böse.
Diese Grundhaltung ist es, mit der die meisten Bürger so gut wie auch alle Intellektuellen ihre Wahrnehmung filtern. Sie bildet die metapolitische Schwerkraft, von der wir so oft schreiben. Die Begriffe “gut” und “böse” sind die Pole dieses Kraftfeldes und die Herrschaft über sie gehört unseren Gegnern. Deshalb sind wir immer in die Defensive gedrängt, deshalb ist jeder Schritt von uns ein Kraftakt gegen eine feindliche Steigung. Gegen den Panzer der egalitaristischen Grundmoral prallen alle Fakten, alle Tatsachen, alle Statistiken und rationalen Argumente ab wie Sandkörner.
Der geistige Kampf um den Westen dreht sich also nicht um Wahrheit oder faktische Genauigkeit, sondern um die Basisüberzeugungen und Wertvorstellungen, die unsere Interpretationen und Wirklichkeiten formen. Es geht nicht um Fakten sondern um Gefühle, die die Fakten in uns auslösen und die Gründe, warum die Menschen so fühlen und nicht anders. Genau hier liegt unser eigentliches Schlachtfeld.
Bevor man mit rationaler Argumentation kommen kann, muss man den Panzer der Ideologie geknackt haben. Man muss erkannt haben, warum und wieso das Gegenüber nicht WILL, dass die Welt so ist wie sie ist. Bevor man diesen giftigen Stachel nicht erkannt und herausgezogen hat, ist jede Überzeugungsarbeit sinnlos und bohrt ihn oft nur noch tiefer ins Fleisch. Man muss das ideologische Schwerezentrum des Gegners orten und attackieren, erst dann wird er zugänglich für die empirische Unterfütterung.
Dieser Gegner, von dem Kurtagic spricht, ist die intellektuelle Elite, die liberalistisch, universalistisch und egalitaristisch ist. Sie pflegen, erhalten und erneuern den egalitaristischen Mythos und mit ihm die metapolitische Schwerkraft. Sie ziehen, weil sie als die Guten und Intellektuellen gelten, ihrerseits ehrgeizige, begabte und kritische Jugendliche an. Allein durch ihre moralische Hegemonie ist die herrschende Ideologie unumgänglich für alle, die einen hohen sozialen Status erreichen wollen. Kurtagic schreibt:
Verhalten, das als unmoralisch wahrgenommen wird, führt zur Abwendung von Familie und Freunden, zur Abwendung von sozialen Individuen mit Hochstatus, zum Verlust der sozialen Stellung, zu Schuldgefühlen, Scham und Zorn. Die Folge davon ist, daß man das Spiel mit den Fakten nicht gewinnen kann.
Der Kampf dagegen ist in erster Linie eine Attacke auf ihre Idee von Moral und Wahrheit. Man muss die feindliche Weltanschauung durchleuchten, begreifen und als falsch, schlecht, unmoralisch, dumm und vor allem lächerlich entlarven. Das erreicht man aber nicht durch plumpe populistische Hetzkampagnen ala “Gegen Kinderschänder”, “Gegen Türkengangs”, usw. Man erreicht es nur, indem man die eigene Idee als die eigentlich wahre und gute aufweist.
Da die rechten Zusammenhänge der letzten Jahrzehnte zwischen dogmatischer NS-Verklärung und weltanschauungslosem Rechtspopulismus bewegten, änderte sich auch hier nichts. Die politische Moral ist in Stein gemeißelt. Man findet sich entweder mit der Rolle des Bösen ab und genießt sie, oder man unterwirft sich indirekt der moralischen Hegemonie der universalistischen Ideen indem man sie als gut-konservativer Realist als “schöne Utopie” abtut, die “leider” nicht zur verwirklichen wäre.
Nein, wir müssen weiter gehen! Wir müssen mit Oswald Spengler sagen lernen: Die Idee der einen Welt, der einen Menschheit, des Weltfriedens, des einen Menschentypus, des einen Weltmarktes, des einen Weltstaates und der einen Weltkirche ist ein Traum – und nicht einmal ein schöner!
Kurtagic beschreibt die herrschende liberalistische Moral als Säkularisierung des judäochristlichen Menschenbildes. (Der Universalismus der Vernunft, der sich in einer konformistischen Revolte dialektisch gegen den Universalismus der Religion aufbäumte. Weltkirche wurde zur Weltrepublik. Statt dem weltfernen einzigen Gott der Offenbarung und seiner internationalistischen Herde wurde das weltferne abstrakte Individuum [das ens cogitans] und das Menschheitskollektiv zum Subjektiv der Geschichte)
Sie hat einen rechtskonservativen und einen linksprogressiven Strang, die um die Grundidee der Freiheit als totale Bindungslosigkeit des Einzelindividuums kreisen. Die Entwicklung dieser Grundidee in der Zeit bildet ihre gemeinsame lineare Geschichtsbetrachtung, um deren Deutungshoheit sie sich streiten. Neocons und Marxisten gehen hier Hand in Hand, in Zwietracht vereint auf ein gemeinsames Ziel zu. Beide gemeinsam schließen alle, die kein egalitaristisches Menschenbild, kein lineares Zeitverständnis, keinen universalistischen Wahrheitsbegriff und keine Ambitionen auf Welthegemonie haben, als böse aus.
Kurz alle, die an exklusiven und einzigartigen Gemeinschaften und ihren Kulturen festhalten und sie zentral für ihre Weltanschauung machen, sind indiskutable Hetzer; rückständig, dumm, unaufgeklärt und unmenschlich. Bei ihnen stellt sich nicht die Frage, ob sondern wie man sie am besten bekämpfen soll. (Als mediales Paradebeispiel für die Bösartigkeit dieser Idee und als unschlagbare Superwaffe der herrschenden Ideologie gegen sie dient das Gespenst des NS, das ein fixer Bestandteil im Gruselkabinett der Moderne geworden ist. Mit ihm wird allen, die nach einem Ausweg suchen, eine Scheinlösung angeboten, die strategisch und theoretisch tot ist. Er ist die Attrappe eines Notausgang aus der Moderne, die eigentlich eine Falltür in eine ihrer verdrängten Ausbuchtungen ist.)
Wir müssen, so Kurtagic, aus dem moralischen Spiel des Westens aussteigen und auf künstlerische, mitreißende Art und Weise zeigen, dass unsere Weltsicht der Vielfalt, der tausend Welten, Plateaus und Kulturen, schöner, abenteuerlicher, wahrer und besser ist. Wir müssen zeigen, warum das universalistische Projekt nicht nur an der Realität vorbeigeht, sondern auch in sich unlogisch und seine Utopien nicht wünschenswert sind.
Wir müssen den letzten Stachel des Universalismus, des Hasses auf Unbestimmtes, Mythisches, auf den Tod und den Schmerz und damit einen Teil der Welt ziehen. Wir müssen auf den Selbsthass und den Schuldkult eingehen und ihn in einer Art metapolitischen Volkstherapie heilen und überwinden. “Trotzdem Ja zum Leben sagen” – das ist die Botschaft, die wir unseren vom Universalismus und Ethnomasochismus zerfressenen Schicksalsgenossen bringen müssen; ihnen das Schlechte und Bösartige ihrer Ideologie bewusst zu machen.
Diese Mammutaufgabe ist ein metapolitisches Projekt, das auf dem Feld der Literatur, der Kunst, der Philosophie und des politischen Aktivismus ausgefochten wird. Es ist die Schaffung einer neuen Moral, einer neuen Bestimmung von Wahrheit, Zeit, Mensch und Welt. In einem bemerkenswerten Absatz beschreibt Kurtagic die absolute Notwendigkeit dieser geistig-moralischen Grundlagem für jede politische Bewegung:
Jede Bewegung, die soziale Veränderung bewirken will, operiert auf verschiedenen, hierarchisch gegeliederten Ebenen, die ein notwendiges Ganzes bilden. An der Spitze stehen die Denker, denn diese beeinflussen die Strategen, die wiederum die Organisatoren beeinflussen, und diese wiederum die Akivisten, die sich an den Mann auf der Straße wenden.
Ein Slogan auf einem Plakat, ein überzeugendes Schlagwort, ja sogar ein Molotowcocktail und ein konkretes physisches Ziel haben allesamt eine Theorie hinter sich, destillieren sich aus komplexen Konzepten und Wertvorstellungen, die einer abstrakten Ebene entstammen.
Millionen Worte werden geschrieben, ehe ein Spruchband ausgerollt wird, ein Schlagwort in einer Diskusson auftaucht, oder eine Flasche mit Benzin gefüllt wird. Der Randalierer mit der Sturmmütze auf dem Kopf versteht vermutlich kein einziges Wort der theoretischen Texte, die die intellektuelle Basis seiner politischen Bewegung bilden. Dennoch wird er durch die in seinem Milieu absorbierten Worte, Gefühle und Haltungen instinktiv wissen, welches Ziel sein Molotowcocktail treffen soll, und warum es genau dieses und kein anderes sein muss.
Der Autor kommt allen üblichen Einwänden gegen Theorie, Strategie und Metapolitik zuvor. Dass keine Zeit für einen Marsch durch die Institutionen und langwieriges Theoretisieren sei, weil Selbstabschaffung und Ethnozid des Westen so schnell vonstatten gingen, weist er zurecht zurück.
Diese Argumentation ist bekanntlich das Steckenpferd der antistrategischen, dauerpathetischen Tag-X-Fraktion, deren jahrzehntelange strategische Ignoranz erst die Umstände zugelassen hat, die sie heute mit noch mehr Ignoranz bekämpfen wollen. Das ist so, als würde man bei einem Schiff, das tagelang ohne Steuermann und mit gerefften Segeln trotz unkoordiniertem Herumgerudere auf ein Riff zugetrieben wäre, im Angesicht des Riffs nicht sofort das Steuer herumreißen und die Segeln setzen, sondern noch verbissener weiterpfuschen.
Den Einwand, dass Metapolitik eine unnötige Neuerfindung des Rades wäre, kontert Kurtagic mit einer Attacke. Freimütig gesteht er – und wir pflichten ihm bei: Nichts anderes sind Metapolitik und Kultur. Es ist die immer neue Anknüpfung an die ethnokulturelle Identität, das ewige Kreisen um den gleichen Kern.
Das ist kein Argument gegen, sondern eines für die schöpferische Zerstörung und Erneuerung. Auch in jedem Fernsehkrimi geschieht im Grunde immer wieder das Gleiche. Doch die erzählerische Ausgestaltung erschafft jedes Mal aufs Neue Spannung und fesselt die Zuseher.
Das ganze Büchlein ist im Grunde ein Aufruf, unseren politischen Kampf wie eine Geschichte zu erzählen und wie ein Abenteuer zu leben. Diese Erzählung muss so mitreißend, so tiefgründig, so professionell vermittelt und so ästhetisch ausgedrückt sein, dass sie alle in ihren Bann zieht und jeder wissen will, wie sie weiter geht. Nur auf diese Art schaffen es auch unterdrückte und an den Rand gedrängte Ansichten, wie unsere, eine breite Wirkung zu erzeugen.
Die konservativen Loser, die Kurtagics Aufsätze treffen wollen, sind neben den Neokonservativen und Mitte-Rechtsparteien, jene Flachköpfe, denen das künstlerische Gespür für die Metapolitik fehlt und die der Geburt eines neuen Mythos im Wege stehen. Seine Worte klingen im heutigen Licht wie eine prophetische Beschwörung der Identitären Bewegung.
Sein Ruf nach einer professionellen, zeitgemäßen Verbreitung und nach Bezügen auf die aktuelle Popkultur wurde von ihr in nie dagewesener Form beantwortet. Und sein (und unser) zentrales Anliegen, die herrschende Moral zu brechen und eine Neubewertung der Idee der Vielfalt zu erreichen, scheint auch in zentrales Anliegen dieser jungen Bewegung zu sein.
Ohne große Theorie und Überlegungen ist die Parole “Wir sind die Guten!” (natürlich leicht ironisch gebrochen wie es zum Stil der IB gehört) oft im Umfeld der IB zu hören. Vor allem aber macht ihr plötzliches Auftreten, ihre Neuartigkeit in Inhalt und Symbolik Lust darauf zu erfahren, wie es mit ihr weitergeht. Zu einer traditional-wertekonservativen Haltung kommt bei ihr eine gehörige Prise Witz, Revolution und Pop. Loser sehen anders aus und wir dürfen gespannt sein. Jedem Identitären und jedem, der es werden möchte, sei hiermit dieser Kaplaken-Band eindringlich ans Herz gelegt. Wer in Zukunft über Metapolitik mitreden will, sollte ihn gelesen haben.
Innerer Exilant
Hm, so interessant und analytisch der Text auch sein mag, es fallen ein paar Kritikpunkte auf. Der deutlichste dürfte sein, dass man im Grunde genommen einen Irrationalismus predigt, den man beim Gegner als verwerflich betrachtet, jedoch selbst gerne Nutzen würde. Und, auch wenn ich mir damit hier vielleicht keine Freunde mache, ist der historische Nationalsozialismus nicht (von der Form, nicht zwingend vom Inhalt) genau diese Art irrationaler, antimoderner, antiintellektualistischer Bauchgefühlaffekt gewesen ? Popkulturell begeisternd (weil aus reichlich "metapolitischer" Vorarbeit schöpfend), hochemotional, gut beworben etc. Ich verstehe durchaus den traditionalistischen Geist dem die obige Analyse entspringt, aber sie malt ihn nicht aus, sie definiert die zu erhaltende, ethnokulturelle Identität nicht, gibt es sie überhaupt noch außerhalb der Idealvorstellungen eines kleinen Kreises von Häretikern ? Zu konservieren gibt es gegenwärtig nur die Lebenswelt der 68er und ihrer Epigonen, daher müsste man als "Traditionalist" im Grunde genommen eine Restauration anstreben, aber von was und auf welche personelle Basis gestützt ? Ist nicht allein schon der hohe intellektuelle, dem Normalbürger kaum verständliche Analysetext ein, wie Spengler wohl sagen würde, Produkt des ziviliserten, blutleeren Großstadtmenschen, der Endphase quasi ?
Desweiteren macht der angelsachenfeindliche Ton ein wenig zu schaffen, (ganz ehrlich, die "Krämerseele", ist wohl weniger ein kulturtypisches, sondern ein individuelles Phänomen) das schlägt in die hässliche Kerbe des kulturlosen Amerikaners, was schlichtweg bullshit ist. Jeder der anderer Meinung ist, soll mal in die Südstaaten reisen und sich beispielsweise von der Lebendigkeit wirklicher, traditioneller Volksmusik überzeugen, vorallem auch bei der jungen Generation. Oder vom Gruppenzusammenhalt innerhalb der, auch religiös unterfütterten, "ethnokulturellen Gemeinschaft". Es ist immer ein gutes Zeichen wenn man Dinge lebt und sie nicht abstrakt umschreiben muss, mangels Füllmasse. Manchmal habe ich das Gefühl dort wurde mehr vom "alten Europa" konserviert als wir übrig haben.
Ansonsten (und das sage ich nicht gern, da mir der "gelbe Rosen" Artikel vorzüglich gefallen hat) prätentiöser, selbstgefällig/pseudoavantgardistischer Tonfall wie man ihn aus dem besetzten Haus die Straße runter kennt, wenn auch analytischer. Diese Arroganz dem "flachköpfigen Pragmatiker" gegenüber hat noch keine "Bewegung" vorangebracht, ist im Grunde genommen intellektuelle Selbstbeweihräucherung.