Sezession: Auf einem Treffen der Deutschlandbewegung, das war vielleicht 1995, traf ich einen trotzkistischen Nationalisten und einen nationalen Autarkisten. Können Sie sich auch mit zwei Wörtern politisch verorten?
Baunack: Hm, ich kenne die beiden wahrscheinlich, aber wenn nicht, hätte ich mit den zwei Wörtern keine persönliche Vorstellung von ihnen. Friedrich von Spee und Konrad von Marburg haben sich beide im Christentum verortet, aber jener befeuerte die Menschenquälerei, dieser schrieb dagegen an. Was bringen also solche Verortungen? Ich bin freier Deutscher. Doch wäre das nicht ein weißer Schimmel? Eijeijei, was sag ich bloß Ihrer akademischen Leserschaft? Also: volkslustiger Träumer.
Sezession: Das ist doch schon mal was für die akademische Leserschaft. Aber was heißt das ins Leben übersetzt? Daß Sie sich heftig für das deutsche Volk eingesetzt haben und es immer noch tun?
Baunack: Ach nein, das klingt nach heldenhafter Selbstlosigkeit, aber diese Hose wäre mir Hungerhaken viel zu weit. Das deutsche Volk ist nichts außerhalb von mir, ich trage es doch in mir, es ist Teil von mir, und ich bin Teil von ihm. Es ist meins, und ich suche nur mein Eigenes, das natürlich auch unser Eigenes ist, zu bewahren, zu pflegen und zu schützen. Es muß furchtbar sein, keinem Volk anzugehören, da das uns vereinsamte, atomisierte, tötete. Wir sind ja nicht Verlorene am Rande eines kalten Universums, sondern, indem wir einem Volk zugehören, »Gedanken Gottes«. Ist das nicht wunderbar? Durch ihren Takt, ihre Sprache, Sagen, Träume, Bräuche, Trachten, Lieder, Harmonien und Muster sind Völker lebendige, eigen-artige Weisen, die Schöpfung wahrzunehmen, die sich im Menschen ihrer selbst bewußt wird, aber so vielgestaltig ist, daß eine einzige Sicht sie nicht fassen könnte. Da das Leben eine Lust ist (nicht umsonst entspringt es ja der Lust), sind auch die Völker Ausgeburten eben nicht der Hölle, sondern der Lust am Leben, der Freude an der Schöpfung, am Selbst- und doch nicht Vereinzeltsein.
Sezession: Sie predigen.
Baunack: Nein, ich beschreibe. Nicht umsonst leuchten bei fast jedem Menschen die Augen, wenn er die Frage nach seiner Volkszugehörigkeit beantwortet. Immer wieder habe ich das bei meinen Reisen verwundert und bewundernd erlebt – und dabei einen Stich gespürt: Die ahnen, fühlen zumindest, was das Eigene ist – aber ich? Was war mein Eigenes? Und da sind wir beim Traum und Träumer: Wir Deutschen haben eine wunderbare Sprache und großartige Musik, aus beidem geboren: einen der größten Volksliedschätze der Erde, der wiederum Enkelkind eines sehnsüchtigen Traumes ist, nämlich des von der Heimat – nicht nur einer des Ortes, sondern auch der Zeit. Dreimal wurden wir vom »geschichtlichen Gewordensein, von mythischer Zeit« (wie Botho Strauß im »Anschwellenden Bocksgesang« schreibt) abgeschnitten: erst durch die Zerstörung fast aller heidnischen Zeugnisse im Zuge der blutigen Christianisierung, dann durch unsere ungeheuerliche Dezimierung im ersten Dreißigjährigen Krieg und schließlich durch die psychische und physische Vernichtung im zweiten Dreißigjährigen Krieg. Aber immer noch gibt es uns »Wanderer zwischen den Welten«, nie lassen wir uns unterkriegen und immer suchen und manchmal finden wir. Da huscht ein Gedanke, ein Ton, ein Geruch, eine Ahnung vorbei. Das ist, wie wenn Sonne durch den Waldnebel bricht und einen Dom aus Licht bildet – glückhafte Augenblicke, in denen wir frei und wir selbst sind. Ich wollte mit keinem Volk der Erde tauschen!
Sezession: Ich will nun keine Debatte darüber anfangen, ob das deutsche Volk nicht doch auf die Wahrheit des christlichen Glaubens gewartet hatte. Lassen Sie uns lieber auf Ihre eigene Arbeit einer Lust am »Wir selbst« zu sprechen kommen. Sie haben Lieder geschrieben, CDs gemacht und an den letzten Ausgaben einer Zeitschrift mitgearbeitet, die ebendiesen Titel trug: wir selbst.
Baunack: Nichts für ungut, aber über »die Wahrheit des christlichen Glaubens« maße ich mir doch gar kein Urteil an. Es geht, ging nie um »Wahrheit«, sondern immer um den Zwang, diese zu glauben. Vielleicht hat das deutsche Volk ja auf diese Wahrheit gewartet, nur warum dann diese Art der Missionierung? Die hat uns innerhalb einer Generation von unseren Wurzeln abgeschnitten.
Sezession: Bitte, wir wollten über wir selbst reden und: Keine Predigten, nur noch Sätze wie Kanonenschläge!
Baunack: Aber ich spreche die ganze Zeit über uns selbst …
Sezession: Nein, ich meine die Zeitschrift.
Baunack: Na, ich doch auch, das war doch ihr Anliegen, herauszufinden, was das ist: wir selbst! Zeitschrift für nationale Identität hieß sie im Untertitel. Wir überlegten sogar, ob nicht »Zeitschrift für nationale Identitäten« passender wäre, weil der erste Punkt unserer (ich sage »unserer«, obwohl ich leider erst spät dazustieß) »Fünffachen Revolution« die Erhaltung der Vielfalt der Völker war. Nur die Gemeinsamkeit selbstbewußter Völker, die auf ihre Freiheit pochen, kann heuer der Planierung der Erde durch das supranationale Kapital entgegenwirken. Zweitens: Volksherrschaft, nicht Parteienherrschaft, die jene in Wirklichkeit verhindert, rumms! Drittens: Der dritte Weg, Humanwirtschaft – das Gegenteil der heute grassierenden Privatisieritis, die nichts anderes ist als illegitimes Verhökern von Volkseigentum, rumms! Viertens: Bewahrung der Mutter Erde, viel mehr als Ökologie, nämlich ganzheitlicher Lebensschutz, rumms! Fünftens: Kulturelle Erneuerung, Stärkung von landsmannschaftlichen Eigenarten, eine neue Volkslied- und ‑tanzkultur, entsprechend feierten wir auch im Jahre 2000 »Liedg(l)ut«, unser rauschendes Tanz- und Musikfest zum zwanzigjährigen Bestehen der Zeitschrift. Was Siegfried Bublies mit der wir selbst auf die Beine gestellt hatte, ist bis heute einzigartig, rummspardauz!
Sezession: Ich weiß genau, was Sie meinen. wir selbst war nicht abstrakt, sondern beseelt, knüpfte an die rechten Wurzeln der grünen Bewegung an, hatte mit Henning Eichberg einen der wichtigen, frühen Theoretiker des jungen Nationalismus an Bord und hielt größtmögliche Distanz zu dem, was wir Sezessionisten ziemlich abschätzig »beschwichtigungskonservativ« nennen – staatstragend, CDU-nah, zahnlos. Warum aber ist dieses Projekt eingegangen? Basierte es zu sehr auf der »Liebe zum eigenen Volk«, wo ein kühler Rechner sich um Abonnements und Verwaltung hätte kümmern müssen?
Baunack: Nein, für so ein aufwendig gestaltetes Blatt fehlte damals die Basis. Vielleicht war es einfach zuviel Arbeit für zu wenige, die sich selbst ausbeuteten. Mit einigen Mann der alten Truppe haben wir ja später noch den Versuch mit der volkslust gemacht. Der Name war Programm und einfach klasse! Die wir selbst wollte rechte und linke Patrioten an einen Tisch bringen, weil beide, wie die Enden eines Hufeisens, gleichweit von der Mitte entfernt waren und auf der Grundlage der Liebe zum Land – nicht zum Apparat – streiten und nach Lösungen suchen müßten. volkslust versuchte bald, sich von der Rechten etwas abzusetzen und mehr nach links zu orientieren. Dort war aber nichts, weshalb das ins Leere lief. Ich bin ziemlich am Anfang schon raus und jetzt mit Freude bei der Halbjahresschrift hier&jetzt. Da schreibe ich nur und genieße diesen Luxus. Die andere Arbeit macht das Bildungswerk für Heimat und nationale Identität um Arne Schimmer, einem ganz feinen Menschen. hier&jetzt beobachtet das politische Geschehen genau, ohne – wie andere – jammernd daran klebenzubleiben. Und wer weiß, vielleicht werden wir auch mal zu Ihrem »zwischentag« eingeladen? Wie sang Gerhard Gundermann so schön: »… aber eines tages da tauch ich aus dem dschumm / und die schärfsten weiber drehn sich nach mir um«.
Sezession: Sind Sie wirklich noch so voller Hoffnung, ich meine jetzt: in bezug aufs Ganze, nicht für Sie selbst?
Baunack: Aber klar! Sie selbst machen es doch auch vor: Raus aus dem Gewimmel, ein kleines großes Reich gründen, am Rand leben – mit der Erde, vielen Kindern und Gott- oder Göttervertrauen. Jedes System lebt durch seine innere Wahrhaftigkeit oder stirbt an seiner Falschheit. Das Leben unterliegt eigenen, uralten Gesetzen und bricht sich seine Bahn. Fürchten Sie wirklich, eine Statthalter-Clique könnte daran etwas ändern? Freilich: Nichts gefährlicher als Eiferei und Eitelkeit im Schatten der Macht, auch wenn diese Paarung fruchtlos bleibt. Also wachsam sein, aber sich nicht daran abarbeiten. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen und Möglichkeiten – wir haben unsere. Andere hatten mit anderem, Schlimmerem zu kämpfen. Heute gilt es, das Eigene freizukratzen, zu leben, zu bewahren und weiterzugeben. Weitergeben: Das ist das Entscheidende. Ein Volk lebt in seinen Kindern! Alles, was uns wert ist, müssen wir aus uns selbst heraus sein – jeden Tag und in allem Tun. Kein Führer wird’s richten, kein Wahlergebnis, kein Recht und erst recht kein Befreier. »Wer jetztig Zeiten leben will, / muß haben tapfers Herze«. Fassen wir uns eines.