die Denkbewegung, die er vollzog, nachdem er erstmals vom Massaker an der Redaktion der französischen Satire-Zeitung “Charlie Hebdo” und einem mehr als wahrscheinlichen islamistischen Hintergrund dieser Tat erfuhr. Dabei kamen mir längst vergessene Bilder von der Erschießung der FAZ-Redaktion in den Sinn:
Sie stammen aus dem Filmprojekt “Deutschland 09”, das dreizehn Kurzfilme vereint. In dem Stück “Fraktur” spielt Josef Bierbichler einen österreichischen Transport-Unternehmer, der den Anblick der Layout-Reform seiner FAZ nicht ertragen kann: Im Oktober 2007 verschwand die typische Fraktur aus den Überschriften auf der Titelseite und den jeweils ersten Seiten der anderen Rubriken.
Bierbichler lenkt seine LKW-Flotte komplett nach Frankfurt um, läßt unterwegs restlos jede FAZ aufkaufen und inszeniert eine Verbrennung der Auflage im Hof vor dem Redaktionsgebäude. Dann dringt er mit seiner Jagdflinte in das Konferenzzimmer ein und beginnt sein Massaker.
Sollte sehr lustig sein, damals im Kino, und der Täter war ja einer dieser autoritären Charaktere aus einem reaktionären, latent immer noch oder andauernd nazistischen Volk, dessen Aggressionen beim kleinsten Anlaß in ein Blutbad münden können. Wie hieß es doch neulich über die PEGIDA-Spaziergänger? Man sei dort mit jenem Kleinbürger konfrontiert, der, von Abstiegsängsten getrieben, seinem Rassismus und seiner Fremdenfeindlichkeit Raum geben wolle, endlich? “Raum” – reicht das nicht vom Sprechchor und dem kleinen Transparent über Schlägertrupps bis hin zur Erstürmung eines Redaktionsgebäudes?
Berthold Kohler also: Er dachte nach den Morden von Paris von Anfang an vernutzend. Er war (wie wir selbst auch) ganz sicher weder schockiert, noch trauert er seither – wie auch? Berthold Kohler war weder mit den Karrikaturisten und Redakteuren befreundet, noch waren ihre Arbeiten für ihn zentraler Bestandteil seines Lebens. Und darum nahm er den Anschlag als Hebel wahr, der die Berichterstattung über die Islamisierung Europas und die deutsche Protestbewegung PEGIDA würde verändern können.
Kohler begann – als einflußreicher Mitherausgeber der FAZ – sofort nach einer Verknüpfung zu suchen, mit der die radikale Tat der Mörder und die radikale Einstellung der PEGIDA als Äußerungen des selben Ungeistes dargestellt und wahrgenommen werden könnten. Martin Lichtmesz hat diese Argumentation gestern auseinandergenommen.
Einer der Kommentatoren hat in unserem Netz-Tagebuch Kohlers Auslassungen und flankierende Varianten treffend als “Paradigmenpflege” beschrieben und kommt zu deprimierenden Schlüssen:
Die Wirklichkeit wird sprachlich der beabsichtigten Utopie angepasst. Das System muss heucheln um das Paradigma zu retten. Die Täter von heute sind reaktive Wortmeister, zu „Taten“ fähig sind sie schon lange nicht mehr. Sie sind Getriebene der Wirklichkeit, die sie nicht anerkennen können, weil es ein Schuldeingeständnis wäre. Lieber lassen sie sich weiter treiben bis zur Wand. Scheinheiligkeit ist kein Fehler, sondern die Lösung, um überhaupt bewegungsfähig zu bleiben, und wenn das System nach seiner Bewegungsfähigkeit bewertet wird. Auch Getriebene bewegen sich schließlich.
Die Fähigkeit des Systems zur Paradigmenpflege, zur organisierten Heuchelei macht es so illusorisch auf irgendein Ereignis zu hoffen, das das System zum Aufwachen bewegt. Es gibt diese Ereignisse ständig: Kirchweyhe, Garbsen, Rotherham, Paris. An seiner Scheinheiligkeit wird das System nicht zerbrechen, im Gegenteil. Scheinheiligkeit schmiert noch ein wenig Glanz auf die Fäulnis. Selbst wenn die Anderen uns den Bürgerkrieg erklärten, brächten die Paradigmenhüter der Diversity noch Verständnis dafür auf. Das rhetorische Rechtfertigungsfundament wurde doch schon gelegt: Ausgrenzung, Ungerechtigkeit, Rassismus, Repression. Wenn es der Gerechtigkeit dient, dürfen sie uns vergewaltigen (Rotherham), unsere Symbole verbrennen (Garbsen), töten (Paris). Die Anderen haben den Freifahrtschein schon in der Hand, sie werden diesen Trumpf auch ausreizen.
Das ist in knappen Sätzen auf den Punkt gebracht, was unser Paradigma seit Jahren ist: Wir behaupten, als Konservative die Wirklichkeit besser beschreiben zu können als jeder Utopist; wir beschreiben den Zynismus und die Scheinheiligkeit der meinungsführenden und politisch herrschenden Elite im Umgang mit ebendieser Wirklichkeit: Sie rührt seit Jahrzehnten Suppen an, die sie selbst nicht auslöffelt; wir unterstellen dieser Elite Volksverrat; wir geben nicht besonders viel auf die Mündigkeit der Bürger, die nicht gewillt sind, klarer zu sehen, das Richtige zu lesen und das politisch Notwendige zu tun und zu wählen; wir sinnieren über die Aussichtslosigkeit des Protests und der Parteiarbeit; wir stehen skeptisch (und schwer von Erfahrung) vor jedem Aufbruch, heißt er nun Identitäre Bewegung, AfD oder PEGIDA.
Man darf als erfahrener, politisch denkender Beobachter der Lage durchaus pessimistisch sein, zumal, wenn man konservativ denkt. Aber weil wir trotzdem (oder gerade deshalb) das Unsere tun wollen, waren wir am Montag zum 5. Mal in Dresden und werden kommende Woche wieder unterwegs sein. Wir empfehlen darüber hinaus jedem, der es irgend einrichten kann, sich an einem der Montagsspaziergänge zu beteiligen – die einzelnen Städte sind auf unserer Deutschlandkarte aufgelistet: Nichts feit gegen die Berichterstattung mehr als die eigene Anschauung, nichts reißt stärker mit als das eigene Beispiel, und nie in den vergangenen Jahren war es wichtiger, die in den Kommentarspalten aller Zeitungen längst zu unseren Gunsten gekippte Stimmung auf der Straße zu demonstrieren.
Das Unsere: Das ist – neben den Gängen durch Dresden und Leipzig, Kassel und Würzburg, Berlin und Düsseldorf – vor allem das Erstellen und Verkaufen von Büchern. Das, was geschieht und was notwendig eintritt oder ausbleibt, ist durch uns und unsere Autoren längst beschrieben und gedanklich vorbereitet worden. Uns kommt es hart an, daß ab und zu jemand schreibt, er sähe es nicht gern, wie wir aus politischen Umbrüchen Kapital schlügen – und meint damit unsere Hinweise etwa auf Houellebecqs Roman “Die Unterwerfung”, den die Ereignisse schlagartig ins Zentrum der literarischen Wahrnehmung katapultiert haben.
Wie nun? Sollen wir als Verleger und Versandbuchhändler gerade jetzt nicht jene Bücher und Analysen anbieten und verlegen, die den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen weiter aufzudrücken helfen? Sollen wir vornehm sein in unserer Zurückhaltung (vornehm auf der Straße, im Internet, in unserem Sortiment), während der bürgerliche Berthold Kohler (der keinen blassen Schimmer von den Rahmenbedingungen hat, unter denen ein Martin Lichtmesz, ein Manfred Kleine-Hartlage oder ein Thorsten Hinz zu publizieren haben) keine Hemmungen hat, zusammenzukneten, was nicht zusammengehört?
Hat jemand, der das Geschäft nicht kennt, eine Ahnung davon, welcher Stundenlohn unter dem Strich steht, wenn Manfred Kleine-Hartlage sein “Unwörterbuch” abschließt oder Martin Lichtmesz “Das Heerlager der Heiligen” von Raspail neu übersetzt und zuvor anderthalb Jahre lang der Frage nachgegangen ist, ob nur ein Gott uns retten kann?
Sie sehen, wir verkaufen schon wieder, und wir gehen diesmal sogar einen Schritt weiter: Sie alle, liebe Leser, lesen seit Jahren in diesem Netz-Tagebuch ohne finanzielle Schranken. Andere – etwa das libertäre Magazin “eigentümlich frei” – verlangen mittlerweile Geld von denen, die im Netz weiterlesen wollen.
Wir haben nun unten die Bankverbindung des Instituts für Staatspolitik notiert. Wir bitten Sie, in die Tasche zu greifen gegen Kohler, für unsere Autoren, also dafür, daß Vordenker wie Lichtmesz endlich einmal einigermaßen angemessen honoriert werden können für ihre großartige publizistische Arbeit.
Institut für Staatspolitik
Postbank Leipzig
IBAN: DE20 8601 0090 0110 9709 09
BIC: PBNKDEFF
Überweisungen ab 25 € werden mit einer abzugsfähigen Spendenquittung bedacht. Wir bitten jeden Leser, seine Lektürebegeisterung an diesem Netz-Tagebuch aus den letzten Jahren zu bedenken und eine Art Nachzahlung zu leisten. Wir bitten, dies jetzt, unmittelbar zu tun – stellen Sie sich einen selbstbewußten Bettler vor, der die Züge Ihres Lieblingsautors trägt und Ihre solidarische, großzügige Seite weckt.
Damit genug der Aufdringlichkeit: Nichts anderes aber machen die Spendenprofis jeden Tag mit Ihnen, nur beschreiben sie die Führungsschiene vom Kopfkino bis zur Überweisung nicht so offen wie wir eben. Also, wir sind gespannt: Bitte schreiben Sie in den Betreff “Gegen Kohler”. Jeder Euro geht ohne jeden Abzug direkt an unsere Autoren.
Harald de Azania
Verehrter Herr Kubitschek,
Ohne Verpflegung keine Bewegung. Wie der Mampf so der Kampf :-)
JETZT ist Zeit zu investieren, Geld, Zeit, Muehe, Hirn etc etc
Aus ZA dauert die Ueberweisung etwas laenger, aber Geld macht sich auf den Weg....
Wenn man daran denkt, was wir "gut-buergerlich' alles fuers Geniesssen ausgeben, sollte fuer Hunderttausende schon mal etwas Geld locker sein:
Z.B>: 300,000.00 x 100 = 30 Mille
Seht ihr's Freunde, seht das Licht ...
HdeA