Dresden im Rahmen der PEGIDA-Kundgebung auftreten. Wir begannen am Freitag ein Gespräch, dessen Veröffentlichung auf heute gezirkelt war. Nun ist Dresden abgesagt – das Interview erfuhr also gestern Abend noch Ergänzung:
SEZESSION: Sehr geehrter Herr Dr. Proebstl, Sie sollten heute Abend vor Tausenden Teilnehmern des PEGIDA-Abendspaziergangs sprechen. Was wollten Sie den Dresdner Bürgern mitteilen, was sollte hängenbleiben?
DR PROEBSTL: Weiter so und jetzt erst recht! … genau das sollte für’s erste reichen. Denn nicht das Beginnen wird belohnt, sondern nur das Durchhalten. Derzeit emanzipiert man sich auf Sachsens Straßen wieder einmal vom „Alleinerziehenden Mutterland“ – und das kostet erfahrungsgemäß eine Menge Kraft! Da wirkt guter Zuspruch oftmals Wunder! Vielleicht kann ich die Spaziergänger von Dresden dabei etwas unterstützen. Aber wir wissen auch: Nicht jeder Zuspruch spricht an! Diese Erfahrung machte unlängst die „alleinerziehende” Kanzlerin nach ihrer Neujahrs-Ermahnung.
SEZESSION: Es hat sich ein Spalt aufgetan zwischen dem, was oben gesagt und dem, was unten erfahren wird. Oder präziser: Der Spalt besteht schon länger, aber jetzt bekommen die Leute ein Wahrnehmungsorgan dafür. Der Keil, den Sie in diese notwendige Entfremdung treiben, kommt als Humor daher. Warum haben Sie sich für diese Form entschieden?
DR. PROEBSTL: Nach aristotelischer Auffassung ist Kommunikation nicht das, was Du sagst, sondern wie es Dein Gegenüber auffaßt. Ganz im Sinne des Theorems: Wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand dabei steht um es zu hören, macht der Baum dann immer noch ein Geräusch? Übertragen auf die PEGIDA würde ich das so formulieren: Wenn der gesunde Menschenverstand auf die Straße geht, und kein Spezialdemokrat ist zugegen, um es zu hören, hat der Spaziergänger dann immer noch unrecht?
Gerade die Menschen in Sachsen haben ein seismographisches Gespür dafür, wann es Zeit ist, den Neurosen des Establishments eine Therapie zu empfehlen. Für mich ist dabei Humor der Knopf der verhindert, daß einem der Kragen platzt. Die Billigsegmente der Betroffenheitserotik und Gratisempörung sind ja schon erfolgreich besetzt. Bisher bestand der Eindruck, daß Humor nicht in die Politik gehört. Ich bin da ganz anderer Meinung, denn wenn das Publikum lacht, dann hat es etwas verstanden. Netter Nebeneffekt: Der Gutmensch haßt es, wenn über ihn gelacht wird.
SEZESSION: Über die Karikaturen der Witzbolde von „Charlie Hebdo“ haben vor zwei Wochen nur Leute gelacht, die – wie die Zeichner – keinerlei Respekt vor dem haben, was einem anderen heilig sein kann. Seit den Attentaten gelten Zeichnungen für die Speerspitze der Meinungsfreiheit halten, auf denen Gott mit Jesus und dem Heiligen Geist kopuliert. Wo verläuft die Grenze des Humors? Gibt es bei Ihnen selbst eine? Oder darf es keine geben?
DR. PROEBSTL: Für mich hat der Humor eine Nord/Südtrennung. Alles unterhalb der Gürtellinie ist mir zu preiswert. Da wirkt eine kopulierende Sandwich-Dreifaltigkeit auf mich etwas penälerhaft. Die säkulare Notdurft sollte lieber privat verrichtet werden. Tabubruch und Humor sind dabei komplett unterschiedliche Sujets.
SEZESSION: Was vertritt der Gutmensch, über den Sie heute Abend Zigtausende zum Lachen bringen wollten? Was vertritt im Gegensatz dazu Dr. Proebstl?
DR. PROEBSTL: Der Gutmensch ist Gewinner der großen deutschen Bildungsreform. An den Hochschulen hat der Knecht gelernt, wie sein ehemaliger Herr zu sprechen. Der gesellschaftliche Deal: Den daraus resultierenden wirtschaftlichen Upgrade bezahlt der Gutmensch gerne mit geistigem Gehorsam und bekennt sich prinzipiell unschuldig-schuldig! Der Gutmensch ist ein exzellent ausgebildeter Untertan, trennt sorgfältig den Müll und erfreut sich am Realitätsdesign der Lizenzmedien und Mutter Staat. Das Ergebnis: Spießigkeit, die sich lässig gibt.
Für mich selbst gilt: Wer der Herde hinterhertrottet, läuft meist nur Ärschen hinterher. Seit geraumer Zeit vertraue ich meinem Menschenverstand mehr als politisch korrekten Fertiggerichten. Im Wort Meinung steckt ja nun auch schon das Wort „Mein“ – sonst würde sie ja „Deinung“ heißen.
SEZESSION: Die Kunstfigur Dr. Proebstl wienert und wirkt insgesamt wie jemand, der die Bälle ins Ziel stolpert – das aber mit größter Treffsicherheit. Warum haben Sie sich für diese Aura entschieden und nicht für einen coolen Kerl oder einen Autoschlosser von nebenan?
DR. PROEBSTL: Ich nehme an, dass Sie mit meiner rhetorischen Stolperbewegung auf den Fußball anspielen. Eines konnte ich vom Fußball wirklich lernen: Ab der Halbzeit wird in die andere Richtung gespielt. Wer das nicht versteht, fängt plötzlich an, Eigentore zu schießen. Darüber sollte man in Berlin einmal nachdenken! Meine seltsame Wesensart ist jüdisch‑K&K‑liches Schicksal. Wissen’s ich hatte vor ein paar Jahren einmal einen heftigen Traum. Darin war ich sehr, sehr fleißig und habe ganz fest an das Nirwana des Wohlstands geglaubt, bis mir klar wurde, dass das Ziel dieses Spieles darin besteht, dass man es nicht gewinnen soll. Als ich dann schweißgebadet aufwachte, hatte ich mich in Dr.Alfons Proebstl verwandelt. Und da hatte ich sogar noch großes Glück. Andere wachen auf und finden sich als gigantische Kakerlake wieder.
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SEZESSION: Die Strichlein markieren den Strich, den Ihnen wahlweise ein islamistischer Tweet oder eine wachsweiche Politik durch die Rechnung gemacht hat: Sie werden heute Abend nicht kalauern, denn PEGIDA ist abgesagt. Man kommt sich – um bei Kafka zu bleiben – vor, wie in einem Prozeß, in dem es keine Zuständigen gibt. Kann man, können Sie über eine solche Situation noch Witze reißen oder sind Sie mit Ihrem Humor am Ende?
DR. PROEBSTL: Es ist geradezu platt, trifft dennoch zu: Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Ich muß gestehen, daß auch mich angesichts der Attentatswarnungen eine gewisse Duldungsstarre überkommt. Treffer versenkt! Die andere Seite hat es klug geschafft, ein Grundrecht auszuhebeln. Das ist an sich schon eine besondere Pointe. Sieht man sich die Situation aus der Distanz an, so hat sich nichts verändert: Die Wahrheit darf nicht benannt werden. Das erinnert mich an eine Gartenparty, bei der ein vierhundert Kilo schwerer Berggorilla in der Hollywoodschaukel sitzt, aber keiner darf darüber reden. Einer der Gäste tut es schließlich doch und wird mit den Worten gerüffelt: „Ruhe, sonst knallt’s“! An dieser Stelle der Geschichte befinden wir uns in Deutschland gerade. Zugegeben: Das hat eine gewisse Komik!
SEZESSION: Ihre Prognose für nächsten Montag? Wie geht es weiter?
DR. PROEBSTL: Ich hoffe, die Menschen gehen wieder spazieren, denn bekanntlich verhindert frische Luft gefährliche Gärprozesse. Dagegen verursacht die konsequente Unterdrückung von Gefühlen und Emotionen meist fatale Eruptionen. Und dann macht der Spaß eine Kurve!
gert friedrich
Oh Wunder in der Printausgabe der BILD von heute mokiert sich der
Kommentator über das staatlich verfügte Demonstrationsverbot.
Es könne nicht angehen,daß das im GG garantierte Grundrecht auf Demonstration einfach ausgehebelt werde.
Merkt BILD, das man vorher in der Hetze gegen Pegida übers Ziel hinausgeschossen ist?