der Flutrinne an der Dresdner Messe: Als ich gegen 16 Uhr eintraf, waren schon 5000 Leute da, die Fahnen standen in einem kalten Wind, der Richtung Dresden blies. Mit jeder Straßenbahn kamen hunderte weitere Teilnehmer, dazu Demonstrationszüge von den umliegenden Parkplätzen mit Fahnen und Schildern und sehr guter Laune:
Denn von der Brücke aus sah der Kundgebungsplatz imposant aus. Ich sprach mit ein paar Wessis, die zum ersten Mal nach Dresden gekommen waren und ganz erschlagen waren von der Größe und Selbstverständlichkeit der Veranstaltung. Nach Geert Wilders und Tatjana Festerling konnte ich dann meine Rede halten – vor über 20 000 Leuten. Daß der Aufruf zu noch mehr Mut und Standhaftigkeit nicht an der Wirklichkeit vorbeiging, weiß ich durch einige Augenzeugenberichte, die ich heute vormittag erhielt. Ich zitiere mal einen:
Das Durchkämpfen der Antifantenkette, der nahkampfartige Tumult beim Durchbruch und die Schlagstöcke der Polizisten, die um uns herum in die vermischte, undifferenzierbare Menschenmenge hieben, weniger als einen Meter vor unserer Nase, das Entsetzen in den Gesichtern der alten Bürger inmitten des Gewühles, das Gebrüll und die zu Boden gegangene Frau – das war purer Geschichtsunterricht.
Jaja, auch die Pegida in Dresden ist noch lange kein Ponyhof. Hier der Wortlaut meiner Rede:
Vor einigen Wochen habe ich ein Ehepaar aus Zittau kennengelernt. Die beiden fahren Montag für Montag nach Dresden, seit dem 3. PEGIDA-Spaziergang, ohne Unterbrechung. Von ihren Söhnen ist der eine meist mit dabei, seine Freundin auch, und zwar unter der Fahne der Identitären Bewegung, unter der gelben Fahne mit dem Lambda-Zeichen der Spartaner.
Der andere Sohn dieser Familie ist skeptisch. Er ist voller Sorge, ob seine Eltern und sein Bruder auch das Richtige tun. Seine Frage lautet: Woher kommt so plötzlich das Selbstbewußtsein, gegen das, was in Deutschland geschieht, auf die Straße zu gehen, Woche für Woche und gegen den Widerstand aller Parteien, Medien und der beiden großen Kirchen?
Die Familie aus Zittau ist also in Unruhe geraten. Die Gespräche am Küchentisch sind anders, seit es die PEGIDA gibt. Es gibt neue Fragen, es gibt neue Antworten, es gibt Diskussionen und Sorgen, von denen man vor einem halben Jahr noch nichts wußte. Es gibt den einen Sohn, der mitgeht und es gibt den anderen Sohn, der noch nicht mitgeht.
Beide Söhne aber gehören zur Familie und haben an ihren Eltern etwas ganz Neues kennenlernt: den Mut, Montag für Montag nach Dresden zu fahren und den Mut, dies vor den Verwandten, den Freunden, den Kollegen zu bekennen: Denn es ist am Horizont eine neue Möglichkeit aufgegangen, eine politische Morgenröte, und es ist eine Lust, zornig zu sein und der Politik die Zähne zu zeigen.
Mit der PEGIDA, mit unseren Spaziergängen, mit unseren Parolen, mit unseren Fahnen und unseren Reden ist eine große Unruhe in Deutschland ausgebrochen. Es ist dies eine fruchtbare, eine gute Unruhe, und ich fordre Euch auf, noch mehr fruchtbare Unruhe zu verbreiten und nach jedem Montag noch kräftiger und noch konzentrierter zu leben und zu arbeiten als zuvor und auch im Alltag das beste Beispiel abzugeben für unser ganzes Volk! Denn das ist das beste Argument gegen jede Kritik.
Auch aus Leipzig habe ich ein Ehepaar kennengelernt, gute, bürgerliche Leute, die im Hexenkessel des 2. LEGIDA-Spaziergangs dabei waren. Sie sind in diesem Chaos aus linker Gewalt und staatlichem Zynismus plötzlich aufgewacht, politisch aufgewacht. Seither sind die Beiden in Dresden und in Leipzig mit auf der Straße, und sie berichten in ihrem Freundeskreis von dem, was sie erleben. Von diesem Freundeskreis ist nicht viel übriggeblieben: Der neue Blick auf die Dinge, der neue Standpunkt erschreckt die alten Freunde.
Das ist die schmerzliche Erfahrung, die viele PEGIDA-Gänger machen: Man sieht die politische Wirklichkeit, man gewinnt einen ungetrübten Blick auf die Gefährdung unseres Volkes, auf die Gefährdung unserer Nation und unserer Zukunft – und dann stellt man fest:
Ein Teil der alten Freunde hat an diesem neuen Standpunkt, an diesem Ende der Bequemlichkeit kein Interesse.
Wohin nun mit der Wut, wohin mit dem Zorn? Jeder von Euch hier hat eine Antwort auf diese Frage oder er sucht noch danach. Diese Antwort kann einfach oder kompliziert ausfallen, aber die Fragen sind doch immer wieder dieselben: Wie steht es um die Zukunft Deutschlands? Und was kann ich für eine gute Zukunft meiner Heimat tun?
Gibt es einen besseren Grund, um auf die Straße zu gehen? Gibt es einen besseren Grund, um mutig zu sein und immer noch mutiger zu werden? Seid mutig! Ich fordere das heute von Euch. Bekennt Euch zu Eurem Mut und zu Eurer Überzeugung! Ihr seid diejenigen, die unser Volk vertreten, Ihr seid der mutige Kern unseres Volkes. Seid ein Vorbild für diejenigen, die noch nicht mutig genug sind!
Dieser besondere Mut, diese ganze Einsatzbereitschaft hat in der deutschen Geschichte immer ihre Träger gefunden, und man liest erstaunt in den Berichten vom Dresdner Mai-Aufstand aus dem Jahr 1849: Diese wenigen blutigen Tage waren das späte Ergebnis einer enttäuschten Hoffnung: die Dresdner Bürger, die Sachsen hatten – wie so viele Deutsche – auf die Liberalisierung der Verhältnisse gehofft: Kampf der Willkür, Kampf der arroganten Obrigkeit!
Beteiligt an diesem Dresdner Maiaufstand waren neben vielen anderen tapferen Bürgern auch der Baumeister Gottfried Semper und der Komponist Richard Wagner und zwar an vorderster Front, und ich will kurz vom Tun dieser beiden mutigen Männern berichten:
Als am 3. Mai die ersten Schüsse durch die Straßen knallten, hatte Gottfried Semper eine der Hauptbarrikaden zu verteidigen – die Barrikade an der Wilsdruffer Straße. Er besah sich das Ding und ließ es sofort fachgerecht umbauen. Nach diesem perfekten – und vermutlich architektonisch sehr gelungenen – Vorbild wurden dann auch die anderen Barrikaden in der Stadt umgebaut.
Richard Wagner hatte seinerseits kurz vor den Aufständen seine Oper “Lohengrin” vollendet, er hat an ihr unter anderem in Graupa bei Pirna gearbeitet – dort hat vor einigen Jahren eine Gedenkstätte neu eröffnet. Wagner jedenfalls kletterte am 5. Mai 1849 im Turm der Kreuzkirche bis zu den Glocken hinauf, um sie zu läuten und um die Truppenbewegungen der Preußen auszuspähen und zu melden.
Beide – Richard Wagner und Gottfried Semper – wurden nach der Niederschlagung des Aufstands steckbrieflich gesucht und mußten Hals über Kopf Sachsen verlassen. Wir müssen uns solche Taten vor Augen führen, wenn wir von Mut und Zorn und Widerstand und persönlicher Konsequenz sprechen.
Unsere Formen sind heute natürlich andere, keine Sorge, Lutz, keine Sorge, Tatjana, keine Sorge Siggi: Niemand hat die Absicht, eine Barrikade zu errichten. Aber auch wir müssen etwas wagen und Vieles in Kauf nehmen dabei. Es geht um unser Vaterland, und das ist unseren ganzen Einsatz wert.
Es gibt von Astrid Lindgren einen schönen Satz, er steht in dem Kinderbuch “Die Gebrüder Löwenherz”, das zur Lieblingslektüre meiner Kinder gehört. Der jüngere Bruder Löwenherz (der noch nicht dabei ist) stellt dem älteren Bruder Löwenherz (der wieder und wieder aufbricht, um mutig zu sein) folgende Frage: Warum müssen wir mutig sein? Die Antwort ist unser Motto: Es gibt Dinge, die muß man tun, selbst wenn es gefährlich ist. Man ist sonst kein Mensch, sondern nur ein Häufchen Dreck.
Ich grüße Euch, Ihr mutigen Menschen! Glänzt in Eurem Mut, die ganze Woche über, damit alle es sehen!