beiden Mutterziegen striegeln, damit die losen Haare später nicht in den Melkeimer fallen. Dann das Schwierigste: die Ziegen so voneinander und von ihren Jungen trennen, daß Friede herrsche, während jeder zu seinem Recht kommt. Und doch: Bei aller Ruhe am Melkstand zu viel Gerumpel und Geblöke von draußen.
Am Telefon und im Büro viele Gespräche über die Nachwehen des Parteitags der AfD, der am vergangenen Wochenende in Essen tobte und auf dem ich mich natürlich nicht herumtrieb, noch nicht einmal als Journalist.
Ehrliche Hoffnung: Jetzt könnte Friede einkehren in diese junge, wichtige Partei. Zu groß sind die existentiellen Nöte im Land, zu deutlich sichtbar die Hilflosigkeit der etablierten Politiker, als daß sich eine “Alternative” durch Querelen selbst lähmen, beschädigen und dem Spott preisgeben dürfte.
Es scheint nun seit Essen besser zu stehen als noch vor Monaten, das ist leicht einzusehen. Denn die AfD ist nur dann eine Alternative, wenn sie den Bewegungsspielraum, den ihr der etablierte Politikbetrieb zumißt, nicht akzeptiert, sondern seine Ausweitung hin zu einer Politik FÜR Deutschland fordert und erkämpft. Lucke, Henkel und Konsorten hatten diesen Gründungsimpuls zweifelsohne verraten und haben nun die Quittung dafür bekommen.
In den Fragen Einwanderung und Entgrenzung (v.a. TTIP), kurz: in der ökonomiefördernden Verdinglichung des Menschen, vertrat die bisherige Führung das Gegenteil dessen, was die Parteibasis mit großer Mehrheit für richtig hält.
Man muß sich in derlei Fragen übrigens abgewöhnen, den Details nachzuspüren. Man kann schlicht grundsätzlich gegen den großen Austausch ganzer Bevölkerungsteile und gegen die ungehemmte Verschiffung von Menschen und Gütern quer über den Planeten argumentieren und in diesem Zuge jedes retardierende Moment stärken: Rasende Veränderung ist begründungsbedürftig wie jedes Experiment am lebenden Objekt, punktum. Dies gilt vor allem dort, wo kurzfristige ökonomische Interessen den Kurs diktieren.
Ruhe im Innern also für diese Partei! Sie soll ohne Querschüsse die unübersichtliche Lage im Land analysieren und die Alternative zur Politik der Hilf- und Ratlosigkeit formulieren und sich gegen die großen Gesellschaftsexperimente wenden können: Das ist größte Herausforderung für Frauke Petry und ihren neuen Vorstand, und wenn sie von außerhalb der Partei nun aufgefordert wird, sie möge einen “Rechtsaußenflügel” innerhalb der AfD in die Schranken weisen, dann steckt in dieser hoffentlich gutgemeinten Warnung leider bereits wieder jene denunziatorische Absicht, mit der in Deutschland seit Jahrzehnten jedes erfolgversprechende Projekt rechts der Mitte bekämpft wird.
Man möchte denjenigen, die Petrys größte Herausforderung im parteiinternen Kampf gegen rechts sehen, gern die Frage stellen, wo genau denn inhaltlich die Gräben verlaufen:
- Soll der große Austausch unseres Volkes gefördert, hingenommen, moderiert, verzögert oder verhindert werden?
- Ist die permissive, die durchlässig-duldsame Gesellschaft wünschenswert, ein notwendiges Übel, eine Kopfgeburt, eine Verteidigungsschwäche oder eine perfide Theorie?
- Und die Auflösung der natürlichen Geschlechterordnung? Begrüßen, akzeptieren, hinnehmen, ablehnen oder bekämpfen?
“Die Alternative wird kaum als Alternative funktionieren, wenn ihre Spitze sich den Snobismus der Altparteien gönnt, das heißt immer ein Stückchen weiter links als die Basis steht”, warnte Karlheinz Weißmann vor Wochen in der Jungen Freiheit. Und vor vier Jahren schrieb er in diesem Netz-Tagebuch: “Es geht um die Alternativen Kapitulation, Kollaboration oder Guerilla. Da bin ich dann zugegebenermaßen für Guerilla – also den kleinen Krieg. Dazu gehört Beweglichkeit, Deckung nutzen, Angriffslust und selbstverständlich Provokation des Gegners.” Kürzer ausgedrückt hat es der konservative “Flügel” innerhalb der AfD: “Es gibt keine Alternative im Etablierten.” Das ist die Leitlinie.
Was den nimmermüden,peinlichen parteiinternen und- externen Warnern vor “rechten Flügeln” fehlt, ist das Gespür für die Deckung. Nichts unzuträglicher als vom soeben neu zusammengesetzten Werkstück die Decke wegzureißen und den Bolzenschneidern des Establishments Ansatzstellen zu zeigen.
Woher dieses mangelnde Grundvertrauen in die Integrationskraft echt konservativer, grundsätzlich orientierter, idealistischer Persönlichkeiten? Wir reden hier nicht von Narren, Hitleristen oder der Artgemeinschaft. Gauland, Höcke, Poggenburg, Tillschneider, Lichert, Baum, Ciresa, Möller, Muhsal, Kalbitz, Wolf, Frohnmaier, Wiese – von denen oder über diese habe ich gelesen, ich kenne mich weiter gar nicht aus in dieser Partei: Muß man diese Leute den “Rechtsaußenflügel” nennen? Das ist doch ziemlich geballte Kraft, und deren Integrationspotential wird durch denunziatorischen Warnung aus beleidigter Richtung nicht stärker.
Wer jetzt also schon wieder Unfriede stiftet, obwohl er es besser weiß, sollte in sich gehen: Die Alternative kann nun wieder eine Alternative sein. Ist das nicht Grund genug, ein bißchen Ferien vom Ich zu machen?
Der Gutmensch
Also, ich weiß nicht, ob ich die Traute gehabt hätte, den Matthias unter dem Text abzubilden ... aber jedenfalls habe ich mal wieder gelacht, also Danke.
Zweifellos muss es immer jemanden geben, der eine Alternative parat hält; also den gesichtswahrenden Ausstieg erlaubt. Alles andere ist ein ziemlich selbstmörderischer Kurs. Und richtig ist zweifellos, dass die „Warnungen“ ziemlich abgegriffen sind und im Stil schäbig daherkommen.
Was mich allerdings zunehmend sorgt, ist die Tatsache, dass ich immer weniger tatsächlichen Spielraum für Alternativen sehe. Sie können mich deswegen gerne kleinmütig schimpfen; jemanden, der sophistisch den Einzelheiten nachspürt. Aber sehen Sie - es hat ja nicht jeder Ziegen. Und ich habe leider ganz erbärmlichen Schiss, dass es die kleinen Leute hier noch härter trifft; mich selber natürlich mit.
Und mit diesem Schiss bin ich nicht allein, wie´s ausschaut. Die Verhandlungen zu TTIP beispielsweise werden nicht zum Kaleika geführt, sondern damit man weiß, was dort besprochen wird. Denn wir sind nicht alleine auf der Welt. Das ist - Achtung, Explosionsgefahr - „alternativlos“. Auch die Griechenlandgeschichte - so eklig und abgeschmackt sie ist - war, nachdem sie uns der Schröder einmal eingebrockt hat, leider ein schlimmer Teufelskreis: Schon 2008 drohten uns die Geschäftsbanken schlicht und ergreifend mit dem Aussetzen des elektronischen Zahlungsverkehrs, wenn wir hier nicht ganz hurtig spuren! Genau das ist es, was nun wieder vor der Tür steht; mit allen schlimmen und noch schlimmeren Konsequenzen und - lt. der Bundeskanzlerin - „in wenigen Tagen“. Denn selbstverständlich wird man den Bürgen der Griechen faktisch zur Verantwortung ziehen; es würde ja auch nichts bringen, sich an der kleinen griechischen Volkswirtschaft zu vergreifen (deshalb wollten die auch partout keine Ordnung in die Bücher bringen und wiesen den deutschen Finanzbeamten lieber die Tür).
Die Alternative wird sich also daran zu messen haben, für wen sie hier überhaupt noch irgendwelchen Spielraum aufspürt? Auf der Straße wird sie bei der Suche nach Lösungen ganz sicher nicht fündig werden, da muss man leider verdammt gut drüber nachdenken. Es geht eben nicht mehr um´s verkaufen - sondern um Planspiele und Risikoabschätzung, also darum, von einer politischen Rechtfertigung für unsere Züge nun zu einer militärischen zu gelangen, aber schnell!
Das gilt im übrigen ganz und gar unabhängig von den Intentionen, die Handlungen unserer Politiker bislang geleitet haben mögen; das ist nun rum wie num ein ganz gewaltiges Problem, vor dem wir stehen und vor dem niemand bei Verstand seine Augen verschließen darf. Die „Alternative“ wird also entweder eine hochintelligente, jeder Erfahrung weit überlegene sein - oder sie könnte sich sehr rasch als eine verdammt harte herausstellen.
Der Gutmensch.