Klasse profitierenden, widerborstigen Pflänzchen. Der AfD soll – nach dem Willen der Altparteien – der Geldhahn abgedreht werden, außerdem befördert man von dort her das Gerede über eine neuerliche Spaltung und findet unter den Konservativen selbst leider willige Denunziationshelfer. Indes:
Die Lautstärke des Heultons aus der Mitte ist ein untrügliches Kennzeichen dafür, daß aus etwas Beherrsch- weil Einbindbarem ein tatsächlicher Alternativansatz geworden ist, und zwar ein bürgerlicher.
Was uns hier – als Beobachter – weit mehr interessiert: Warum wird nun eigentlich wieder einmal der Begriff “Neue Rechte” in die Denunziationsschlacht geworfen, also: abgefeuert auf das, was anscheinend “übrig geblieben ist” von der AfD? Und warum warnt eigentlich mit der Jungen Freiheit jenes Medium vor einer “Neuen Rechten”, das doch selbst und – in Gestalt Karlheinz Weißmanns mit einer ihrer Edelfedern – Transmissionsriemen dieser Neuen Rechten war und trotz aller Bemühungen dieses Etikett so rasch nicht loswerden wird (siehe Volker Zastrows Artikel in des Frankfurter Allgemeinen vom Sonntag)?
Mit Stein und Weißmann führten wir übrigens vor sechs Jahren ein ausführliches Gespräch über dieses Thema, Stein lehnte den Begriff damals bereits ab, Weißmann verteidigte ihn, und daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben (hier Teil 1 und Teil 2 des Gesprächs).
Aber zurück zum Thema: In dieser Republik hat bisher das rettende Ufer des Establishments nur erreichen können, wer vollständig abgeschworen und im wilden Land jenseits des sprachgeregelten Terrains alles zurückgelassen hat, was die Grenzkontrolle unangenehm machen könnte.
Die “Neue Rechte” gilt zweifelsohne als brisantes Schmuggelgut, aber irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, als nähme die Neigung zu, sich an den recht willkürlichen Grenzen der Sprechordnung ein wenig danebenzubenehmen oder die Grenzkontrollen als solche nicht mehr zu akzeptieren. Die Bewegungsrichtung: vom Etablierten ins wilde Land und wieder zurück mit fetter Begriffsbeute.
Zurück zum wohl wichtigsten Aspekt: Man kann natürlich an der Grenze zum Establishment um Einlaß betteln und sich selbst in Quarantäne begeben, um zu beweisen, daß man nicht mehr ansteckend ist. Aber dieses Herumstehen verhindert doch vor allem eines – den Spaß, den man in der Wildnis des Denkens und Argumentierens haben kann – mithin ziemlich das einzige also, was ein eher intellektuelles Leben zu einem besonders schönen Leben machen kann.
Das Lied, mit dem man den Grenzposten heranpfeifen und von der eigenen Läuterung überzeugen muß, ist gähnend langweilig. Was auch sonst? Wer an der Grenze herumsteht, kann nicht im Café Widerstand sitzen und das Verwirklichen, was die “Neue Rechte” ist: die grundsätzliche und vor allem fröhliche Infragestellung der kulturellen Hegemonie des linksliberalen Establishments (vgl. hier, Minute 7.20ff).
Sie ist damit natürlich nicht umfassend beschrieben, diese “Neue Rechte”, und gerade wir verwenden diesen Begriff sowieso polemisch, also: nicht trennscharf, sondern angriffslustig und nicht ohne Selbstironie.
Und so halte ich das, was wir jüngst aus dem erneuten Kreisen um unseren Platz in der bundesrepublikanischen Welt herausdestilliert haben, tatsächlich für einen glücklich plazierten Wurf: Wo so viele danach fragen, wer oder was die “Neue Rechte” sei, können wir mit Tristesse Droite antworten – mit unserem Gesprächsband, an dem Thorsten Hinz (JF) und Erik Lehnert (IfS) ebenso beteiligt sind wie Ellen Kositza (Sezession), Martin Lichtmesz (Wien) und Raskolnikow (Wildnis, definitiv).
Die “Neue Rechte” – was ist das? Eine ehrlichere und vor allem schönere Antwort als unser Buch gibt es nicht. Und vielleicht – Illusion, Illusion – gibt nach der Lektüre der ein oder andere Grenzsteher auf und setzt sich wieder mit dazu …
Mabuse
Absolute Kaufempfehlung meinerseits - ein tolles, liebevoll erstelltes Werk, das die "Neue Rechte" greifbar macht und aus der teilweise absurden "Mystik" holt. Leider findet das Begriffspaar häufig dieser Tage Verwendung in ganz anderen/falschen Zusammenhängen. Umso wichtiger ist Tristesse Droite, um das Terrain abzustecken.
Bis heute Abend in Dresden. ;-)