Eine nicht unpopuläre Gruppe ist in den vergangenen Tagen ausgetreten und hat diesen Schritt unter anderem mit dem großen Einfluß begründet, den das eigentümlich freie Umfeld ausübe.
LICHTSCHLAG: Viele von denen kenne ich nicht, und von einigen Ausgetretenen hätte ich gar nicht erwartet, daß sie in einem liberalen Club Mitglied gewesen sein könnten. Grob kann man sagen, daß die Ausgetretenen aus dem politischen Establishment der Republik oder aus den Universitätsapparaten stammen: die “Professorenriege”, wie man so schön sagt. Wir können sie auch als ausgewiesene Nettostaatsprofiteure bezeichnen. Echte Unternehmer, die ja auch zur Gesellschaft gehören, sind meines Wissens zum Beispiel gar nicht unter den Flüchtigen. Mit eigentümlich frei hat der Bruch allenfalls ganz am Rande zu tun, in der Form, daß Frau Horn uns nicht mag und das nebenbei auch in der Auseinandersetzung betonte.
SEZESSION: Karen Horn war immerhin die Vorsitzende der Gesellschaft. Was bedeutet „nicht mögen“ in diesem Fall?
LICHTSCHLAG: Frau Horn wollte die inhaltliche Spannbreite, die immer sehr groß war, stark in eine ausschließlich linksliberale Richtung verengen. Sie forderte die schon sprichwörtliche »Abgrenzung nach rechts«, denunzierte entsprechend Andersdenkende und ist am Ende mit diesem Putsch von oben, mit dem auch, wenn wir das einmal salopp so bezeichnen wollen, ein Griff nach der Kasse verbunden war, gescheitert. Danach ist sie mit ihren Freunden öffentlichkeitswirksam ausgetreten, beabsichtigt eine Konkurrenzgründung und bezichtigt den verbliebenen Teil – 85 Prozent sind nach jetzigem Stand geblieben – als »pöbelnd« und »rechtsversifft«. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?
SEZESSION: Lucke ist mit seinen Freunden öffentlichkeitswirksam ausgetreten, beabsichtigt eine Konkurrenzgründung und bezichtigt den verbliebenen Teil – 85 Prozent sind nach jetzigem Stand geblieben – sinngemäß als pöbelnd und rechtsversifft. Was sind das für Sortierungsvorgänge? Wir beobachten sie allerorten.
LICHTSCHLAG: Das Establishment und seine Hilfstruppen grenzen sich ab von denen, die grundsätzliche Systemänderungen wollen und die Mächtigen also in ihrer Position ernsthaft herausfordern. Interessant ist in dem Zusammenhang, daß sowohl Lucke als auch Horn ungefähr im Dezember letzten Jahres mit massiven Angriffen gegen Andersdenkende, mit Aus- und Abgrenzung in der eigenen Organisation begannen oder diese Politik jedenfalls deutlich forcierten. Gerd Habermann, der Sekretär der Hayek-Gesellschaft, der von Frau Horn entmachtet werden sollte, sagt, daß er die Frau seitdem gar nicht mehr wiedererkannte, sie sei wie ausgewechselt gewesen. Nun frage ich Sie: War da was im Dezember letzten Jahres? Ich meine jetzt nicht das Weihnachtsfest.SEZESSION: Ich habe das Instrumentarium der Herrschaftssicherung innerhalb einer Pfründedemokratie am Beispiel der Bürgerbewegung PEGIDA vor Monaten beschrieben und als intensiv beteiligter Spaziergänger hautnah miterlebt: Wer sich der Einbindung verweigert, wird isoliert und denunziert. Darauf spielen Sie an, oder?
LICHTSCHLAG: Ja, PEGIDA stand im Dezember im Zenit. Zehntausende marschierten durch Dresden gegen die Maulwerker in der Politik und deren Freunde von der “Lügenpresse”. Erinnern Sie sich? Für einen historischen Moment waren die somit Herausgeforderten sprach- und ratlos. Sie hatten es erst mit Totschweigen, dann mit massiver Denunziation versucht, dieselbe Methode wie immer also, aber es wurden jeden Montag nur immer mehr Menschen in Dresden, die sich anschlossen und das System herausforderten.
Nicht einmal reden wollten sie mit Politik oder Medien, sie haben einfach den Gehorsam verweigert. Und nun müssen Sie sich in die Lage des früheren Weltbank-Beraters Lucke oder der früheren FAZ-Journalistin Karen Horn versetzen, die beide seit vielen Jahren in Berlin und Washington bestens vernetzt sind und dort in Kreisen verkehren, in denen Redakteuren der Sezession oder von eigentümlich frei der Champagner eher selten ausgeschenkt wird. Diese Leute haben dann erschreckt festgestellt, daß PEGIDA gewissermaßen auch schon in ihren eigenen Läden tobt, in der Form, daß auch in der AfD oder der Hayek-Gesellschaft zum Beispiel das Schuld- und Scheingeldsystem oder der Genderwahn oder der menschengemachte Klimawandel in Frage gestellt wurden, also das, was heute den Herrschenden hoch und heilig ist und womit Milliarden umverteilt werden. Und nun haben sie reagiert. Sie wollten diese Systemoppositionellen hinausdrängen und brandmarken. Und interessanterweise haben beide Alles-oder-nichts gespielt, das heißt, als sie verloren hatten, sind sie selbst gegangen, quasi auf eigene Kosten. Wichtiger als der Sieg war die Trennung.
SEZESSION: Die Sortiervorgänge finden ja quer durch die Weltanschauungslager hindurch statt, ich erinnere nur an die Gräben, die sich innerhalb der sogenannten Neuen Rechten entlang der Linie Lucke-PEGIDA aufgetan haben.
LICHTSCHLAG: Ja, das ist richtig beobachtet. Ich glaube sogar, daß diese Sortierung die alte Links-Rechts- beziehungsweise Fortschrittlich-Konservativ-Sortierung sowie die alte Freiheitlich-Unfreiheitlich- beziehungsweise Marktliberal-Staatzentriert-Sortierung um eine dritte Ebene ergänzt, eine Ebene, die sicher auch eine psychologische Komponente hat zwischen Mitläufer- und Karrieretypen einerseits und Widerständlernatur andererseits. Und diese dritte Ebene ist jetzt sehr relevant geworden und führt deshalb zu Brüchen wie jetzt in der AfD oder bei Hayek. Es führt aber auch zu neuen Gemeinsamkeiten von bisher Gegensätzlichem.
Jetzt kommt es zu einer wilden Gemengelage, zu Unübersichtlichkeiten und Überraschungen, an die wir uns alle erst gewöhnen müssen. Ein Beispiel: Ich habe als Libertärer ja nach wie vor mit Frau Horn auf der Ebene Marktliberal-Staatzentriert sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als zum Beispiel mit Ihnen. Dennoch würde sie mir vermutlich kein Interview geben, ich Ihnen aber schon. Wir leben diesbezüglich ja in verrückten Zeiten. Noch vor 30 Jahren hätte jeder jedem ein Interview gegeben, warum auch nicht. Wenn man etwas zu sagen hat, freut man sich doch, wenn man danach gefragt wird.
Ich habe dann lange geglaubt, daß die Linke mit der Kontaktverweigerung ihre Macht gegen die Rechte ausspielt, eine Ebene, die mich weniger trifft als Sie, ein wenig aber auch und immerhin. Inzwischen glaube ich nicht mehr, daß hier das Hauptkampffeld zu suchen ist. Ich wage die Behauptung: Wenn es Linke geben würde, die in entscheidenden Punkten unser System kritisieren, dann würden die Nettostaatsprofiteure auch ihnen den Kontakt verweigern. Wenn Frau Horn heute der taz ein Interview gibt, dann ist das normal. Wenn sie Ihnen eins geben würde, wäre das schnell ein Skandal, weil Sie ein Systemoppositioneller sind und die großen alternativlosen Fragen eben nicht als alternativlos anerkennen.SEZESSION: War es am Ende Zufall, daß Lucke und Horn ihren Putsch von oben verloren haben?
LICHTSCHLAG: Ich denke, in gewisser Weise ja! Damit war jedenfalls zunächst so nicht zu rechnen, beide waren doch völlig unangefochtene Vorsitzende. Aber dann haben beide sehr viele taktische Fehler gemacht, und im genau richtigen Moment – ein bißchen eben auch zufällig, was diesen glücklichen Moment betrifft – wurden dann beide von mutigen Männern herausgefordert. Die haben den Job des Königsmörders übernommen, den einem normalerweise niemand dankt. Dafür muß die AfD Höckes und Poggenburgs Flügel ewig dankbar sein, auch wenn mir andere in der neuen AfD-Führung politisch näher stehen. Und die Hayek-Gesellschaft müßte eigentlich alle 25 Unterzeichner der Rücktrittsforderung an Karen Horn mit der Hayek-Medaille auszeichnen, so sehr haben die sich verdient gemacht. Wären diese Gegenbewegungen nicht gewesen, wäre der Putsch von oben in beiden Fällen geglückt.
SEZESSION: Ich bitte Sie um eine Prognose: Wie wird das nun weitergehen in den kommenden Wochen und Monaten für die Hayek-Gesellschaft und für die AfD? Marginalisierung oder Schwung aufgrund der Möglichkeit zur echten Grundsätzlichkeit?
LICHTSCHLAG: Sowohl in der AfD als auch in der Hayek-Gesellschaft gibt es ein weit verbreitetes Gefühl der Befreiung und damit Anlaß zu neuem Schwung. Darauf hoffe ich vor allem bei der Hayek-Gesellschaft, wo ich ja Mitglied bin. Es gibt in beiden Fällen auch Mahner, die nun aber »in der jetzigen schweren Situation« – sie meinen die andauernde Denunziation durch die Ausgetretenen – zur besonderen Vorsicht und Leichtfüßigkeit raten. Wenn sich das durchsetzt, hätten Lucke und Horn am Ende doch noch gewonnen.
Nicht jeder versteht, daß er am Nasenring durch die Manege gezogen wird, sobald er sich einmal auf die Vorgaben einläßt. Aber ich bin in beiden Fällen optimistisch und will gleich noch eine Idee ins Spiel bringen: Wenn das Establishment nun auf breiter Front die Systemoppositionellen zu Unberührbaren erklärt und jeden Kontakt abbricht, dann könnte man diese Waffe vielleicht wie einst PEGIDA in ihrer Erfolgszeit auch umgekehrt einsetzen: Wir alle sollten dann jedes Gespräch mit der Herrscherkaste verweigern. Dort machen sich längst Angst und Panik breit, wir dürfen durchaus ein wenig optimistisch sein.
SEZESSION: Die Hayek-Gesellschaft war der Aufhänger für unser nun sehr grundsätzliches Gespräch. Was will sie eigentlich genau?
LICHTSCHLAG: Nachdem mir gerade womöglich auch mal ein politisch unkorrektes Wörtchen entfleucht ist, zitiere ich zum Schluß sicherheitsbewußt aus dem “Brief der 25”, den ich erwähnte: »Die Hayek-Gesellschaft ist ein Ort der Begegnung und des Austauschs für Liberale mit durchaus unterschiedlichen Stilen, Temperamenten und Ansichten. Ordoliberale in der Tradition Walter Euckens, konservative Liberale in der Tradition Wilhelm Röpkes, christliche Liberale in der Tradition von Lord Acton, Libertäre in der Tradition von Ludwig von Mises, staatskritische Liberale in der Tradition von Henry David Thoreau oder Liberale, die von der Erfahrung der Unfreiheit in der DDR und ihrer erfolgreichen Überwindung entscheidend geprägt wurden – uns alle verbindet die Bereitschaft zum kritischen Gedankenaustausch, zum Lernen durch das bessere Argument und zum Respekt füreinander im offenen Gespräch.«
Ein gebürtiger Hesse
Das richtige Gespräch zur rechten Zeit. Lichtschlag hat eine gute Nase für die Psychodynamik der Lage und spricht Wesentliches an.
Aber was genau schwebt ihm vor wenn er sagt:
Wenn das Establishment nun auf breiter Front die Systemoppositionellen zu Unberührbaren erklärt und jeden Kontakt abbricht, dann könnte man diese Waffe vielleicht wie einst PEGIDA in ihrer Erfolgszeit auch umgekehrt einsetzen: Wir alle sollten dann jedes Gespräch mit der Herrscherkaste verweigern.
Wann gibt es denn solche Gelegenheiten, wo die Herrscherkaste auf die Systemoppositionellen zugeht und letztere ein "Gespräch" überhaupt ausschlagen könnten? Denkt er an den Fehler, den PEGIDA mit Kathrin Oertels Auftritt in der Jauche-Sendung gemacht hat? An der Stelle wäre eine Verweigerung fraglos besser gewesen. Aber ansonsten, seither? Welche Gelegenheiten böten sich überhaupt? Ich würde doch vielmehr sagen, daß die Herrscherkaste es höchst zufrieden ist, wenn die Ausgrenzung und Stigmatisierung, die sie so hysterisch betreibt, jegliche Konfrontation (auf egal welchem Podium) von vornherein unterbindet. Welche "Angebote" ließen sich hier noch ausschlagen?
antwort kubitschek:
gibts nicht oft, diese gelegenheit, aber neulich gabs sie, und es war schön zu sehen, daß alle angefragten nicht-mainstream-medien und -politiker unisono und vor allem ohne absprache abweisend reagierten.