Michael Ley: Der Selbstmord des Abendlandes.

Michael Ley: Der Selbstmord des Abendlandes. Die Islamisierung Europas, Osnabrück 2015, 254 S., 18.90 €

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Unter den libe­ra­len Islam­kri­ti­kern ist der 1955 gebo­re­ne Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Micha­el Ley eine der scharf­sin­nigs­ten Federn. Sei­ne jüngs­te Streit­schrift schließt naht­los an sei­nen düs­te­ren Zukunfts­aus­blick Die kom­men­de Revol­te (2012) an.

Im Gegen­satz zu vie­len Libe­ra­len hat Ley sei­nen Böcken­för­de gele­sen: »Der frei­heit­li­che, säku­la­re Staat lebt von Vor­aus­set­zun­gen, die er selbst nicht garan­tie­ren kann« – und die er aufs Spiel setzt, wenn er Bevöl­ke­rungs­grup­pen auf­nimmt, deren kul­tu­rel­le Prä­gun­gen die­sen Vor­aus­set­zun­gen schroff gegen­über­ste­hen. Der Islam sei essen­ti­ell eine »poli­ti­sche Reli­gi­on«, die antre­ten wird, um die Früch­te der abend­län­di­schen Regres­si­on zu ernten.

Der Gefahr des »Zivi­li­sa­ti­ons-Crash« setzt Ley die »Rück­be­sin­nung auf die Grund­la­gen der euro­päi­schen Kul­tu­ren« ent­ge­gen: der »natio­na­len, eth­ni­schen, reli­giö­sen und kul­tu­rel­len Viel­falt und den euro­päi­schen Wer­ten des Huma­nis­mus und der Auf­klä­rung.« Euro­pa blei­be die Wahl zwi­schen einer »Recon­quis­ta« sei­ner Zivi­li­sa­ti­on oder eben sei­nem »Selbst­mord«. Dem­ge­gen­über sägen ins­be­son­de­re lin­ke Intel­lek­tu­el­le im Namen des Göt­zen »Diver­si­tät« an den Fun­da­men­ten der euro­päi­schen Iden­ti­tät und ver­klä­ren das »Frem­de«, auf mit­un­ter bizar­re Wei­se: »Die aus­schließ­li­che Selbst­kri­tik und die zwang­haf­te Xeno­phi­lie sind Aus­druck einer schwe­ren kol­lek­ti­ven Neu­ro­se und zeu­gen von einer nicht mehr zu über­bie­ten­den poli­ti­schen Narretei.«

Ley hofft, dem Islam mit­tels Reli­gi­ons­kri­tik die Zäh­ne zie­hen zu kön­nen. Dabei beruft er sich auf eine Rich­tung der Islam­wis­sen­schaft, die heu­te etwa von Karl-Heinz Ohlig ver­tre­ten wird: dem­nach hät­te ein Pro­phet Moham­med nie gelebt und wäre der Koran wesent­lich auf syrisch-ara­mäi­sche, christ­li­che Quel­len zurück­zu­füh­ren. Offen bleibt, was die isla­mi­sche Welt von einer sol­chen Dekon­struk­ti­on ihrer Kraft- und Iden­ti­täts­quel­len für einen Gewinn hät­te, vor allem ange­sichts der fata­len Fol­gen, die der »Tod Got­tes« für die euro­päi­sche Zivi­li­sa­ti­on hatte.

Wenn der Agnos­ti­ker Ley »die Her­aus­bil­dung einer selbst­be­wuß­ten euro­päi­schen Zivil­re­li­gi­on, einer wehr­haf­ten Bür­ger­re­li­gi­on auf der Grund­la­ge der Men­schen­rech­te« als idea­les Modell preist, muß gefragt wer­den, ob hier nicht mit his­to­risch über­hol­ten Pos­ten gerech­net wird, deren »Mys­tik« – frei nach Péguy – schon lan­ge ver­pufft ist, und die sich immer­hin ange­sichts eines Glau­bens, der imstan­de ist, Mär­ty­rer her­vor­zu­brin­gen, behaup­ten müß­ten. Das bestehen­de Dilem­ma des Abend­lan­des hat Yeats 1919 in sei­nem apo­ka­lyp­ti­schen Gedicht The Second Coming gül­tig for­mu­liert: »The best lack all con­vic­tion, while the worst / Are full of pas­sio­na­te intensity.«

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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