Deutschland – eine Auswahl:
1. Gruppe unterwegs. Es beginnt zu regnen. Regen wird stärker. Keine Unterstandmöglichkeit. Da, ein leerstehender Carport im Wohngebiet! „Wir klingeln lieber und fragen.“ Dame des Hauses: „Was, unterstellen? Also. So doll regnet es nun auch nicht. Und Du hast doch einen Hut? Da paßt doch wohl deine Freundin auch noch drunter. Eine muß halt naß werden. Ist ja nicht Winter. Nee, seh ich wirklich nicht ein. Da könnte ja jeder kommen!“
2. Nach vierstündiger Wanderung durch Felder und Wälder sind die Trinkvorräte erschöpft. Man klingelt, fragt höflich, ob man am Wasserhahn schnell auffüllen dürfe. „Sagt mal, Mädels, wißt ihr eigentlich, wie teuer Wasser heute ist? Also nee, eine Frechheit.“
3. Klingeln beim Nachbarn: „Wasser? Niemals! Was denkt Ihr Euch? – Haha, kleiner Scherz, kommt rein. Frühstückstisch ist eh noch nicht abgeräumt, haut rein.“
4. Kind und Freundin werden nachts am Waldrand schlafend von Niederschlag überrascht. Stolpern ins nächste Dorf, finden dort eine überdachte Bank mit Tisch, legen sich mit Poncho drunter. Werden um 7:30 von Dorfarbeitern/Motorsensen geweckt. Großes Hallo. Die Männer verkünden, daß sie eine Stunde motorlos arbeiten werden. Um kurz nach neun tritt einer der Arbeiter heran: „Hier, fünf Sorten Eis am Stiel. Zum Frühstück. Sucht Euch was raus, der Rest ist für uns.“ Und: „Schwimmbad ist keins in der Nähe, aber wenn ihr Euch am Pool erfrischen wollt, sag ich meiner Frau Bescheid. Ich sag nur: acht mal drei Meter!“ Von halb zehn bis halb zwölf ist also Poolzeit. Tochter & Freundin zum Abschied dankbar: „Allerherzlichsten Dank!“ – „Gern geschehen. Und immer dran denken: Es gibt sie noch, die guten Deutschen!“
Die Älteste hat Europa zu einem Viertel betrampt und war grad am Polarkreis. Sie sagt: „Ausländer halten eigentlich immer. Bist du zu zweit oder zu dritt unterwegs, gibt es bei Deutschen, die man an der Raststätte anspricht, oft ein Problem, weil noch ein hängender Anzug mittransportiert werden muß. Der braucht Platz. Oder weiß nicht – vielleicht die Angst, daß sie während der Fahrt überwältigt werden von uns?“
Die Großen haben gute Selbstverteidigungskurse absolviert. Ihr Können uns Eltern vorführen mögen sie nicht. Zum Papa: „Das ist Ernstfalltraining. Da geht es im Fall der Fälle gleich ins Eingemachte. Also laß mal lieber. Oder willst Du, daß ich Dir nur kräftig was vorschreie?“
24. Juli 2015
Ich hör im Auto neuerdings nicht mehr so oft Staatsfunk. Liegt vor allem an den Kindern. Wenn Deutschlandfunk lief, haben sie im „voräffenden“ Ton antizipiert, was jeweils zum Thema (ob Griechenland, ob Asyl, ob Betreuungsgeld etc.) gesagt werden wird; und sie lagen immer richtig. Lief Deutschlandradio, verfuhren sie voräffend genauso und kommentierten zudem die dort prominenteren Musikeinlagen mit äffischen Gesten und passendem Gesang.
Oft lasse ich jetzt im Auto einen einigermaßen guten regionalen Pop-Sender laufen. Subtil-naiver Kommentar einer Tochter zum vielgespielten Lied Alles brennt von Johannes Oerding: „ Klingt irgendwie auch gruselig. Ich stell mir das als Soundtrack zu irgendeiner Aktion von irgendwelchen aggressiv gewordenen Leuten vor, die völlig frustriert vor solche Heime ziehen und dann mit Sachen zu schmeißen anfangen…“. Hm. Sie ist jedenfalls keine unaufmerksame Zuhörerin. Bißchen Grusel ist schon:
Komm steh’ auf, komm steh’ auf, sag ich mei’m Verstand
und gibt es keine Tür, dann geh’ ich halt durch die Wand.Das alles muss weg, das alles muss neu.
Steine schmelzen, Scherben fliegen, g’radeaus auf neuen Wegen,
durch den FeuerregenAlles was bleibt, sind Asche und Rauch.
Doch zwischen schwarzen Wolken
seh’ ich ein kleines bisschen Blau
ich halt die Luft an, lauf über die Glut.
Alles wird gutUnd wenn es wieder in mir brennt, dann weiß ich es genau
dass man Feuer mit Feuer bekämpft.
Alles brennt, alles geht in Flammen auf,
alles was bleibt, sind Asche und Rauch.
Ich finde das unerhört.
25. Juli 2015
Sentimentale Urlaubskarte von Raskolnikow aus dem alten deutschen Osten: „(…)Vielleicht liegt die Zukunft Europas im Osten!(…)“ – Ja, vielleicht! Vielleicht auch erstmal im neuen deutschen Osten.
Dieses Gefühl hatte ich auch, als wir gerade das Traumhaus besichtigten, daß bisher urbane Freunde von uns im bundesdeutschen, ländlichen Osten zu erwerben beabsichtigen. Ein Haus, das im Westen der Republik etwa das Drei- oder Vierfache wert wäre. Die Freunde flüchten gerade.
In ihrem bisherigen Wohnviertel soll eine Asylunterkunft errichtet werden. Auf der Informationsveranstaltung dazu zeigte sich, daß mehr „persönliche Paten“ zur Verfügung standen, als Flüchtlinge ankommen werden. Der Saal war brechend voll, es wurde großer Unmut geäußert, daß den Ankünftlingen keine Privatwohnungen (statt Gemeinschaftsunterkunft) bereitgestellt wurden. (“Wie bitte? Die kriegen nicht mal Fahrräder gestellt??!”) Eine Frau habe mittendrin zurückhaltend zu fragen gewagt, wie sich eigentlich für die bisherigen Einwohner das Wohnumfeld verändere, wenn über hundert nichtdeutschsprachige Fremde zuzögen. Sie sei verbal schier gelyncht worden.
„Niemand hat mehr gewagt, dieser Frau Rückendeckung zu geben. Auch wir nicht. Etwa ein Dutzend Leute haben die Veranstaltung kopfschüttelnd verlassen.“
Sie ziehen weg. Ich halte sie für Avantgarde. Könnte mir vorstellen, daß die Immobilienpreise Osten/ländlich künftig eher steigen.
jak
Wenn sich die Herrschaften da mal nicht täuschen. Gewiss, so kauft man sich Zeit. Überall entstehen ja derzeit Zeltstädte. Spannend wird es im nächsten Winter werden. Wo werden die Neubürger dann wohl untergebracht werden? Kretschmann hat ja unlängst angedeutet es gebe im Osten noch viel ungenutzten Wohnraum. Und für den Typus Kahane ist Mitteldeutschland eh noch viel zu weiß...