jedoch erst seit einigen Monaten voll zur Entfaltung kommt: die berechnende Unterstellung. Diese mit dem Anspruch auf Rechtfertigung auftretende Sprachform ist das Feld derer, die mit sekundärem Intellekt operieren. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Publizistin Liane Bednarz.
Liane Bednarz nennt sich selbst “liberal-konservativ”. Sie betreibt einen Twitter-Account und veröffentlicht auf den Internet-Seiten theeuropean.de (sehr selten), carta.info (max. 500 Leser) und starke-meinungen.de (noch weniger), mithin vor ungefähr einem Zwanzigstel des Publikums, das wir mit jedem gewöhnlichen Netz-Tagebuch-Eintrag erreichen.
Es ist Liane Bednarz in den vergangenen Jahren nicht gelungen, publizistische Bedeutung über diese niedrige Schwelle hinaus zu erlangen. Es gibt keinen originellen Gedanken aus ihrer Feder, keine Kontur ihrer liberal-konservativen Selbstverortung, keine gewichtige Prognose, die sie selbst gestellt und nicht von einem anderen übernommen hätte.
Typisch für Köpfe, die solchermaßen auf der Stelle treten und das Primäre nicht beherrschen, ist die Suche nach sekundärem Profil. Billige Münze verspricht die warnende Interpretation konservativer oder rechtsintellektueller Entwürfe und deren unterstellte Verklammerung mit der radikalen Straße. Der ebenfalls wenig luzide Publizist Christoph Giesa ist auf dieser Schiene unterwegs, und jüngst auch der Tagesspiegel-Schreiber Christian Schröder: Beide haben ihr Quentchen Bedeutung im Chor der viel zu vielen Leute, die “irgendwas mit Medien” machen, allein dadurch ergattert, daß sie sich im weitesten Sinne mit uns beschäftigen.
Denn es gibt für die wenig Anspruchsvollen die Möglichkeit der Bewirtschaftung unseres Milieus: etwas behaupten, etwas unterstellen, vor etwas warnen, etwas miteinander verknüpfen, etwas schon immer gewußt, geahnt und gesagt haben.
Für Liane Bednarz ist die Lage insofern noch etwas jämmerlicher, als sie die Stufe des echt Sekundären noch nicht erklommen hat: Bedeutung hat sie nur dadurch, daß sie sich an den seinerseits bereits sekundären Giesa hängte und mit ihm immerhin bei Hanser ein Buch über unser Denkmilieu veröffentlichte. Daß Hanser sich dafür hergab, sagt viel über den Verfall dieses Hauses aus – Jo E‑Ländle wird der neue Verlagschef branchenintern genannt, sein legendärer Vorgänger Michael Krüger hätte die Gefährlichen Bürger von Giesa-Bednarz nicht auf dieser Niveaustufe ins Programm genommen. Und natürlich:
Das Buch ist ein Flop. Auf Twitter verkündet Bednarz zwar jede Erwähnung, jede Lesung, jedes Radiogespräch und klatscht virtuell in die Hände, wenn sie es in einer Schaufensterauslage entdeckt. Aber allein die Verkaufsränge bei amazon.de sind so beschämend fünf- und sechsstellig, daß bisher (meine kleine Hochrechnung) nicht viel mehr als 1000 Exemplare an den Mann gebracht sein können. Es lohnt den Kauf nicht, wirklich.
Hemmungslose Selbstbespiegelung, Unterstellungen, Twitter-Sprechstunde: Ungebeten wurden beispielsweise Dieter Stein und Felix Krautkrämer öffentlich von Liane Bednarz befragt, wie ihre Haltung zum von der JF ungeliebten Björn Höcke und seinen gemeinsam mit Gauland gestern veröffentlichten “Grundsätzen für Deutschland” sei. Diese Frage ist ja nun recht eigentlich eine berechnende Unterstellung: Bednarz weiß, daß sich Stein in jüngster Vergangenheit scharf gegen Höcke geäußert hat und zwingt ihn nun in ein Dilemma, sollte er die Fragestellung annehmen: Denn seit gestern gilt, daß auch Gauland trifft, wer nach Höcke schlägt.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Technik, andere Köpfe zu loben, ihnen zu schmeicheln und auf “Retweets” zu hoffen. So betonte Frau Bednarz mehrere Male, wie gut ihr der Briefwechsel gefalle, den der Soziologe und Kursbuch-Herausgeber Armin Nassehi mit mir führte und in seinem jüngsten Buch veröffentlichte. Frau Bednarz lobt diese Auseinandersetzung als gelungene Demontage rechtsintellektuellen Denkens und buhlt damit um die Aufmerksamkeit Nassehis.
In einem Gespräch mit Nassehi erwähnte ich dies, er winkte ab, sieht unseren Dialog selbstverständlich nicht als Demontage der einen oder der anderen Seite an und freut sich darüber hinaus auf Schnellroda: Wir werden Anfang März Armin Nassehi auf unserem nächsten Kongreß zu Gast haben, das Thema lautet: “Links denken, rechts leben – die gesinnungsethische Gesellschaft”. Professor Nassehi und ich werden bei dieser Gelegenheit unseren Dialog fortsetzen.
Liane Bednarz übrigens ist angefragt als Teilnehmerin an der Podiumsdiskussion. Thema: “Im Netz auf der Lauer”. Wir wollen dabei über Aspekte einer Zerstörung der Gesprächskultur durch hemmungslose Sekundärintellektuelle diskutieren und dabei die tragische Entwicklung schiefer Denkebenen beschreiben: Ich glaube nicht, daß Liane Bednarz wirklich dort landen wollte, wo sie nun ist. Sie rutscht in Richtung jener Christoph Giesas, die genau wissen, wie wertvoll eine Liberalkonservative für ihn sein kann, die um ein wenig Aufmerksamkeit buhlt.
Gerhard Vierfuß
Ausgezeichnet, dieser erneute Brückenschlag nonkonformer Denker von links und rechts. Nassehi in Schnellroda - Sie werden Ihre räumlichen Kapazitäten ausbauen müssen. Und denken Sie an die Akkreditierungen für die Presse!