Oppositionsgruppen: Das sind im Kontext des Kriegs gegen Syrien vor allem salafistische Mörderbanden und ihre zahlenmäßig vernachlässigbaren Lakaien der “Freien Syrischen Armee” (FSA), selbst der Fundamentalistenführer Mohammed Alloush (Jaish al-Islam) war in die Schweiz geladen (nicht aber die kurdischen Konfliktparteien!).
Jetzt, mit dem Vormarsch der syrischen Armee und verbündeter Milizen nördlich der Millionenstadt Aleppo gegen ebendiese vom Westen und der Erdogan-Türkei hofierten Terrorgruppen, sind die Gespräche vom UN-Syrien-Beauftragten Staffan de Mistura bis Ende Februar ausgesetzt worden. Einflußreiche Vertreter der bundesdeutschen Presse lassen indes wieder jede Maske fallen.
Immer wieder hervor sticht dabei ebenjener Journalist, der bereitwillig zugibt, nicht von Konfliktschauplätzen, sondern von Deutschland aus zu berichten, weil es ihm dort, wo es etwas zu recherchieren, zu berichten gäbe, zu gefährlich ist. Julian Röpcke, Home-Office-Journalist und Bild-Propagandist, sympathisiert – daran läßt er die Öffentlichkeit auf seinem twitter-Profil teilhaben – mit jeder Kriegspartei, solange sie nur offensiv gegen Baschar al-Assad, die regierungsloyale Bevölkerungsmehrheit sowie vermeintliche oder tatsächliche Iran- und Rußland-Stellvertretermilizen vorgeht. Brutalität spielt im Kampf gegen das absolut Böse keine Rolle; Opfer gibt es stets nur auf der einen Seite.
In seiner bemerkenswert grotesken, die Wirklichkeit leugnenden Liebe zur überwiegend sunnitisch-fundamentalistischen “syrischen Opposition” ging Röpcke nun in den direkten Dialog mit einem Extremisten (hier im Screenshot eines Assad-Loyalisten). Dieser junge FSA-Anhänger klagte, er wolle angesichts des Vorrückens regierungstreuer Kräfte in Nordsyrien als Selbstmordattentäter gegen die Ungläubigen (die syrische Armee) sterben, weil er mit diesem Schmerz (des Erfolges Assads) nicht leben könne. Röpckes Antwort, und man erfährt aus ihr viel über die Denkweise bundesdeutscher Meinungsmacher: Ob er sich nicht lieber ein Refugium in Deutschland vorstellen könne. Man halte sich dies vor Augen: Ein offensichtlicher Unterstützer terroristischer Vereinigungen wird von einem “Reporter” der größten deutschen Tageszeitung gefragt, ob er nicht lieber nach Deutschland kommen wolle, als sich just in diesem Moment in die Luft zu sprengen. Als ob Deutschland, als ob Europa weitere tickende Zeitbomben mit der potentiellen Bereitschaft zum Selbstmordattentat benötigen würden.
Freilich: Es handelt sich um die Bild, aber die Geisteshaltung findet sich auch in anderen Medien des bundesdeutschen Establishments, und es spielt in der Stoßrichtung der einfältigen wie grundfalschen Argumentation (“Faßbomben!”, “Schlächter!”, “Rußland tötet Zivilisten!”) nur eine untergeordnete Rolle, ob man sich die Syrien-Berichterstattung der Bild, der Süddeutschen, der FAZ oder der Zeit vornimmt. Ihnen allen ist gemein, daß sie – mit unterschiedlicher Qualität der Sprache – die Agenda des westlichen Interventionismus vertreten, daß sie über Kriege berichten, die von jenen Nationen und Politikern geführt oder zumindest materiell am Leben gehalten werden, denen die transatlantische Einheitspresse huldigt.
Wenn diese in trauter Eintracht von Jungle World bis Bild-Zeitung über “ungeheuerliche” Taten und massenmörderische Chemie-Waffen der syrischen Regierung phantasiert, hilft nur die knappe Entgegnung des bereits verstorbenen Marxisten Werner Pirker, der auf solche Neocon-Phraseologie rund um angebliche syrische Verbrechen schon am 15. Dezember 2012 in der jungen Welt die passende Antwort fand:
Ungeheuerlich sind die Kriegslügen, die Washington zur Rechtfertigung seiner kriminellen Angriffskriege in die Welt setzt, wie jene über die bis heute nicht aufgetauchten irakischen Massenvernichtungswaffen. Ungeheuerlich ist auch die amerikanische Kriegsführung, die zu einem großen Teil auf dem Einsatz international geächteter Waffen beruht.
SiN-Kommentator “Raskolnikow” hat in der Diskussion zu einem anderen Syrien-Beitrag allerdings zurecht darauf hingewiesen, daß es hier um größere internationale Zusammenhänge geht als “nur” um Syrien (auch wenn gerade dort sicherlich ein geopolitischer Schlüsselkonflikt ausgetragen wird). Raskolnikow schrieb weiter:
Dass in Syrien zufaellig ein sympathischer und beliebter Praesident Assad gegen die Amerikaner und ihre Hilfstruppen kaempft, kann uns freuen, sollte aber nicht den nuechternen Blick trueben.
Das trifft den Punkt. Denn der Krieg gegen Syrien, der entgegen der Mär vom “Präsidenten, der sein eigenes Volk tötet”, wesentlich von außen ins Land getragen wurde, ist Teil eines größeren Kampfes gegen souveräne Staaten, der letztlich in ihren Folgen alle betrifft. Durch die Moralisierung der Berichterstattung gelang es indes den Medien, davon abzulenken, daß weder Rußland, noch der Iran, oder gar Assads Syrien Angriffskriege führen. Dies ist Sache des Westens und der „Außenposten des westlichen Kapitals“ (Slavoj Žižek) namens Saudi-Arabien (bald direkte Besatzungspartei, nicht “nur” Terrorfinanzier?) oder Katar. Dennoch wird mittels der Berichterstattung über Syrien die Stimmung erzeugt, man diskutiere hier als Drittpartei über die Hegung eines außer Kontrolle geratenen Konflikts. Vergessen wird, daß es traditionellerweise NATO-Staaten sind, die wesentlich Krieg führen und dabei Völkerrecht mit Mißachtung strafen.
Es ist wiedermal die marxistische Tageszeitung junge Welt, die einen beachtenswerten Beitrag zur Problematik der Weltordnungskriege liefert. Vor etwas über einer Woche publizierte Domenico Losurdo dort einen erweiterten Vortrag, den er auf einer antiimperialistischen Tagung hielt. Der italienische Philosoph verweist auf die letzten fatalen Interventionskriege des Westens in Afghanistan, im Irak, in Libyen; und in bezug auf die derzeitigen Verhandlungen um Syrien gilt es, folgende Quintessenz hervorzuheben:
Schon 2003 haben die US-amerikanischen Neokonservativen den »Regime-Change« in Syrien befürwortet und geplant. Man kann über Baschar Al-Assad urteilen, wie man will: Es bleibt Tatsache, dass ein Krieg, der fast ein Jahrzehnt im voraus und Tausende Kilometer entfernt programmiert worden ist, kein Bürgerkrieg, sondern in erster Linie ein imperialistischer Aggressionskrieg ist.
Exakt diese Konklusion sowie der eherne Grundsatz der liberaldemokratischen One-World-Ideologen – Bastionen gegen die kapitalistische “NWO” sollen fallen, koste es so viele Angriffskriege und Menschenleben, wie es wolle – sollte immer wieder in Erinnerung gerufen werden, wenn in Genf über die Zukunft Syriens debattiert wird, von Akteuren, die keine Syrer sind, aber vorgeben, deren Interessen besser zu kennen als die Syrer selbst – die im übrigen weiterhin zuvorderst innerhalb Syriens in jene Gebiete flüchten, die von Regierungstruppen gehalten werden. Außer natürlich solche delikaten “Oppositionellen”, die Julian Röpcke um ihr Kommen bittet.
hubschrauberpilot
Gut so - raus aus der Nabelschau. Žižek ist zwar alles andre als ein Systematiker, haut aber immer mal wieder auf die richtige Stelle. Siehe auch seine Ausführungen zu Soros & Cie: https://www.openculture.com/2010/08/good_capitalist_karma_zizek_animated.html