das syrische Problem; erwartungsgemäß gab es keine Übereinkunft:
Der Friedensnobelpreisträger beließ es bei klassischen US-Plattitüden (Assad, der „Tyrann“), während Putin eine Abrechnung mit „demokratischer“ Interventions- und Eskalationspolitik im Zuge der Weltordnungskriege vornahm und eine weltweite Anti-Terror-Koalition einforderte.
Es ist – gleich, wie man Putins Innen- und Außenpolitik sonst bewerten mag – das wesentliche Verdienst des russischen Präsidenten, daß die Stimmung in der Weltpolitik allmählich zugunsten jener kippt, die mit guten Argumenten ein Zugehen auf den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad einfordern. Alles andere wäre sowieso unsinnig. Ohne Syriens legitime Regierung ist weder der Krieg in Syrien noch die damit verbundene Flüchtlingswelle zu stoppen.
Soweit, so offenkundig. Doch je stärker führende Politiker verschiedenster Nationen die Notwendigkeit betonen, das offizielle Syrien in die Konfliktlösung einzubeziehen, je stärker Rußland an die unmittelbare Problembehebung geht, je stärker auch in bundesdeutsche Redaktionsstuben vordringt, daß das allzuoft voreilig verkündete Ende des „Regimes“ nicht in Sicht ist, desto stärker die Reflexe der transatlantischen Anti-Assad-Clique von Jungle World, der Springer-Presse (Bild/Welt) und dem Stern bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), deren Protagonisten sich seit 2011 gegenseitig die Bälle zuspielen und keine noch so abenteuerliche Absurdität im Kampf um die Deutungshoheit eines offenkundig außer Kontrolle geratenen Flächenbrands auslassen.
Klaus-Dieter Frankenberger, seines Zeichens verantwortlicher FAZ-Redakteur für Außenpolitik, hat dankenswerterweise all diese besonders kuriosen und falschen Informationen über den Krieg in Syrien zusammengetragen und zu einem einzigen Kommentar verdichtet; er erspart es einem damit, die bellizistischen Ergüsse all der Julian Röpckes und Thomas von der Osten-Sackens im einzelnen zusammentragen zu müssen. Ein Evergreen der Islamisten-Relativierer lautet beispielsweise: Assad tötet sein eigenes Volk. Und Frankenberger:
„Assad, Syriens Machthaber, geht mit unglaublicher Brutalität gegen das eigene Volk vor.“
Wen meint der Amerikanist und Politikwissenschaftler? Die Zehntausenden neofundamentalistischen Terroristen, die sich in Syrien austoben, und die etwa aus Tschetschenien, Dagestan, Turkmenistan oder Europa anreisen? Oder meint er die „Syrer“ mit uigurischem Migrationshintergrund, die internationale Fundamentalistenallianzen im nordöstlichen Syrien dort ansiedeln, wo ehemals syrisch-arabische und syrisch-kurdische Familien lebten? Keine Frage: Assad kann IS, Nusra-Front und all die wahabitischen Terrorverbände auch per Kurier an den Runden Tisch rufen, so wie es den wenigen „gemäßigten“ Gruppen mehrfach seitens der syrischen Regierung vorgeschlagen wurde. Er kann die Terroristen aber auch offensiv bekämpfen, durch russische Hilfe ab sofort vielleicht so effektiv wie noch nie.
Aber Assad ist, weiß Frankenberger zu berichten, der „Hauptaggressor im syrischen Bürgerkrieg“. Obwohl diese Groteske offensichtlich falsch ist, obwohl damit die Barbarei der fundamentalistischen Schlächter verharmlost, ja in die zweite Reihe geschoben wird, meint Frankenberger beinahe im selben Atemzuge:
„Das relativiert die Bestialität der Dschihadisten und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht im Geringsten.“
Und weiter rollt die Verschleierungslawine der bürgerlich-westlerischen Presse:
„Der Westen hat in diesem Konflikt bislang weder entschlossen noch überzeugend gehandelt; seine Politik war erfolglos.“
Nun, erfolglos war die Politik nicht in jeder Hinsicht und nicht aus jeder Perspektive. Ein weiterer widerspenstiger Staat wurde zum failed state gebombt, Waffen und Munition gab es – mal direkt, mal indirekt – an „oppositionelle“ (heißt nicht immer, aber meistens: terroristische) Gruppierungen. Und die Verbände der Nusra-Front, die Christen in ihren Herrschaftsgebieten entweder töten oder unter eine „Schutzsteuer“ stellen, Frauenrechte abschaffen, Kämpfer verfeindeter Milizen enthaupten oder kreuzigen, von gewissen Home-Office-Journalisten des Mainstreams bei twitter aber als “kleineres Übel” gegenüber Assads Truppen verniedlicht werden, dürfen sich wiedermal über US-Waffen freuen. (Wenn die „Rebellen“, die speziell auch die USA ausrüsten, nicht ohnehin direkt mit wehenden Fahnen zu derlei extremistischen Verbänden überlaufen.)
Die Aktionen, die Putin jetzt überraschend furios vorantreibt, um all dem destruktiven Irrsinn Einhalt zu gebieten, schmecken freilich Publizisten wie Frankenberger nicht:
„Der Gedanke ist mehr als unangenehm, dass man den, der das Land weitgehend zerstört hat, jetzt quasi um Mithilfe bittet.“
„Unangenehm“ ist vor allem, daß westliche Staaten, die der NATO angehören, ein vormals stabiles Land wie Syrien von außer Kontrolle geratenen dschihadistischen Söldnern in Schutt und Asche legen lassen haben, und „unangenehm“ ist es, daß Frankenberger und Co. an ihren liebgewonnenen Propagandafloskeln – gegen jeden Realitätscheck – festhalten. „Unangenehm“ ist es auch, mit welcher Impertinenz Journalisten des Westens für sich beanspruchen, vom kriegsfernen Schreibtisch aus festlegen zu dürfen, wer am Wiederaufbau eines künftigen Syrien mitwirken dürfe.
Fast überflüssig zu erwähnen, daß der „Nordamerika-Forscher“ Frankenberger für derartige Loyalität zum Großen Bruder prämiert wurde, etwa mit dem Medienpreis der Steuben-Schurz-Gesellschaft. Die „älteste deutsch-amerikanische Freundschaftsorganisation“ stellt sich so vor: „Deutschlandweit aufgestellt als Plattform für Pro-Amerikanismus“. In derlei illustrer Runde übersieht man dann gerne, daß es die dutzenden „Rebellen“-Verbände waren, die Syrien unter den Augen und unter tätiger Mithilfe des Westens zerstörten und 11 Millionen Menschen zur Flucht zwangen.
Die 7,5 Millionen syrischen Binnenflüchtlinge suchen im übrigen meist – das sei am Rande vermerkt, weil Frankenberger und Co. dieses Faktum tunlichst verschweigen – den Schutz der Syrisch-Arabischen Armee und ihrer (kurdischen, libanesischen, drusischen etc.) Verbündeter. Vor dem importierten Krieg gab es ohnehin kaum syrische Flüchtlinge, denn im Land herrschte – trotz zweifellos vorhandener Mißstände – keinerlei direkte Not (mehr dazu bei Karin Leukefeld, Flächenbrand).
Von Menschenmassen, die in Gebiete der Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Sham, der „FSA“ oder anderer sunnitisch-fundamentalistischer Terrormilizen flüchten, ist indes – trotz transatlantischer Kriegsapologie, die derlei Gruppen dem europäischen Medienkonsumenten als notwendige Bodentruppen gegen die syrische Armee verkaufen – auch in der Presse des Westens eher weniger die Rede. Einmal mehr stellen ihre Akteure mitsamt ihrer unsäglichen Verschleierungsberichterstattung über Syrien unter Beweis, daß sie nichts anderes als die „bellizistische Vorhut“ (Werner Pirker) der Eskalationspolitik des Westens und der mit ihm verbundenen Golfstaaten sind.
Die Flüchtlingsströme sind dabei einkalkulierte Begleiterscheinungen des westlichen Verständnisses vom „Krieg als Fortsetzung der Globalisierungspolitik zur Dezimierung unabhängiger Nationalstaaten“ (erneut Pirker). Man kann nur hoffen, daß die Pläne Putins, mit Syrien, Iran und anderen Akteuren eine Allianz gegen Terroristen und ihre mittelbaren und unmittelbaren Helfer zu schmieden, Früchte tragen. Der Schaum vorm Mund der transatlantischen Einheitsfront legt nahe, daß angesichts des unerwarteten Assad-Comebacks die Nerven regelrecht blank liegen.
________________
Nachtrag: Nach Abfassung des Beitrages hat Klaus-Dieter Frankenberger tatsächlich noch nachgelegt, und wie; er wirft Assad die längst widerlegte Lüge vor, “Chemiewaffen” gegen das eigene Volk eingesetzt zu haben. Auch die Mär von den “moderaten” Rebellen – die es schlicht und ergreifend nicht mehr gibt, vielleicht auch nie gab – wird erneut aufgetischt. Sein zynischer, ungeheuerlicher Vorschlag: Assad solle aufhören, Krieg zu führen. Was Frankenberger fordert, wäre in der Konsequenz also nichts anderes als die bedingungslose Kapitulation vor IS, Nusra- und Islamischer Front sowie der ebenfalls islamistisch geprägten “Freien Syrischen Armee”, die weder frei noch syrisch ist. Was das für Millionen von Christen, Alawiten, Drusen, Schiiten und säkulare Sunniten bedeuten würde, ist klar. Nur wann hat fanatische Transatlantiker auf ihrem Weg zum Ziel schon die Sicherung von Leib und Leben interessiert?
Volker Spielmann
In Syrien lauert auf Rußland ein zweites Baktrien
So sehr es auch verständlich ist, daß Rußland versucht die syrische Regierung an der Macht zu halten, weil sonst die Karawane der mohammedanischen Glaubenseiferer auf den Kaukasus weiterziehen würde und zudem der Schutz der morgenländischen Christenheit zu den Steckenpferden Rußlands gehört. So kann doch Rußland diesen Krieg nicht für Syrien kämpfen, schon allein deshalb, weil die VSA Rußland in der Ukraine in schwere Gefechte verwickelt haben und nun mit ihren Hilfsvölkern an der russischen Westgrenze aufmarschieren. Ein unmittelbares Eingreifen Rußlands mit eigenen Truppen würde zudem von den VSA mit Sicherheit dazu verwendet werden, um dort Rußland ein zweites Baktrien zu bescheren, wo sich die VSA an den Russen für deren Beistand an die Vietnamesen dadurch gerächt haben, indem sie die Russen zum Einmarsch verleitet und dann die mohammedanischen Glaubenseiferer auf diese gehetzt haben. Dies dürften die VSA in Syrien wieder tun, falls Rußland dorthin eine Armee entsenden sollte.