Das Unwesen der Umverteilung

Ernst Nolte erklärte in seinem vielleicht am meisten unterschätzten Meisterwerk Marxismus und Industrielle Revolution (1983),...

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

wie sich seit Mit­te des 18. Jahr­hun­derts die „von Groß­un­ter­neh­mun­gen domi­nier­te Welt­markt­wirt­schaft“ ent­wi­ckel­te. Die­se grif­fi­ge Defi­ni­ti­on des moder­nen Kapi­ta­lis­mus ist bis heu­te gül­tig und unüber­trof­fen, weil sie auf die zwei wesent­li­chen Merk­ma­le unse­rer Wirt­schafts­form auf­merk­sam macht: Sie begüns­tigt Kon­zer­ne und kennt kei­ne Grenzen.

Die­se Ent­wick­lung spiel­te sich aber kei­nes­falls wie ein Natur­vor­gang ab, wie man­che libe­ra­len Theo­re­ti­ker es sug­ge­rie­ren. Ernst Nol­te war es des­halb beson­ders wich­tig, dar­auf hin­zu­wei­sen, „wie wenig die Indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on aus einem Volks­wil­len oder einem Volks­wunsch her­vor­ge­gan­gen war“.

In Eng­land lehn­te das Volk die Umwäl­zung der Pro­duk­ti­ons- und Lebens­ver­hält­nis­se zunächst aus roman­ti­schen bzw. reak­tio­nä­ren Grün­den ab. Zwar gab es eine für Erfin­der und Erfin­dun­gen güns­ti­ge Atmo­sphä­re auf der größ­ten bri­ti­schen Insel. Den­noch sah sich der Staat 1768 sogar dazu ver­an­laßt, ein Gesetz zu ver­ab­schie­den, das die Zer­stö­rung von Fabri­ken, Maschi­nen und Berg­wer­ken mit dem Tod bestraf­te. Ein­hun­dert Jah­re lang dau­er­te die­ser Kampf gro­ßer Tei­le der Bevöl­ke­rung und sorg­te für einen „nahe­zu per­ma­nen­ten Zustand der Span­nung und des Protestes“.

Auf ideo­lo­gi­scher Ebe­ne ver­än­der­ten sich der­weil die Front­ver­läu­fe grund­le­gend. Als Begleit­ideo­lo­gie der tech­ni­schen Groß­in­no­va­tio­nen spal­te­te sich der heu­ti­ge, fort­schritts­trun­ke­ne Libe­ra­lis­mus vom wah­ren, weil frei­heit­li­chen Libe­ra­lis­mus ab. Wäh­rend sich die wah­ren Libe­ra­len auf die Sei­te des Mit­tel­stan­des stell­ten und den auf­kom­men­den Zen­tra­lis­mus ablehn­ten, spiel­ten für die Fort­schritts­trun­ke­nen poli­ti­sche Idea­le kei­ne Rol­le mehr.

Es ging ihnen ein­zig und allein dar­um, an der Spit­ze der Gesell­schaft zu ste­hen. Die Leis­tung des Mar­xis­mus war es nun, die ledig­lich roman­tisch begrün­de­te Ableh­nung der Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on zu über­win­den, aber trotz­dem die so den­ken­den Men­schen zu mobi­li­sie­ren. In wel­che uto­pi­sche Rich­tung das führ­te, ist bekannt.

In die­ser Zeit erschall­te erst­mals der Ruf nach Umver­tei­lung, was des­halb so bedeu­tend ist, weil der Main­stream-Libe­ra­lis­mus dem nichts ent­ge­gen­zu­set­zen hat­te. Libe­ra­le und Mar­xis­ten waren sich viel­mehr einig dar­in, das Poli­ti­sche und Öko­no­mi­sche zu verschmelzen.

Pana­jo­tis Kon­dy­lis nahm dies in sei­nem Buch über Pla­ne­ta­ri­sche Poli­tik nach dem Kal­ten Krieg (1992) zum Aus­gangs­punkt, die sozi­al­ge­schicht­li­che Ent­wick­lung des mas­sen­de­mo­kra­ti­schen Zeit­al­ters zu skiz­zie­ren. In die­sem kom­me es nicht mehr auf den Sieg von Ideen an, wes­halb alle moder­nen Ideo­lo­gien ohne macht­po­li­ti­sche Kon­se­quen­zen schei­tern dür­fen. Auch spielt die geschichts­ge­stal­ten­de Kraft des Staa­tes kei­ne Rol­le mehr, weil die best­mög­li­che Ver­sor­gung der Mas­sen zum obers­ten Ziel gewor­den ist.

Wirt­schafts­wachs­tum und Wie­der­wahl sind die trei­ben­den Kräf­te die­ses Sys­tems, das sich stän­dig erwei­tern will. Skur­ril­erwei­se begüns­tigt durch die Zer­stö­run­gen im Zwei­ten Welt­krieg gelang es, die­ses Ver­sor­gungs­sys­tem zu per­fek­tio­nie­ren. Durch stän­dig stei­gen­de Ein­kom­men war es den Bür­gern gera­de in der Bun­des­re­pu­blik ein­fach zu ver­mit­teln, einen Teil ihrer Mehr­ein­nah­men direkt wie­der an den Staat abtre­ten zu müssen.

Die­ser ver­wen­det das Geld bis heu­te für eine Dop­pel­stra­te­gie: Zum einen ver­teilt er es der sozia­len Gerech­tig­keit zulie­be nach unten um, was sich in Wäh­ler­stim­men bemerk­bar macht und die unte­ren Schich­ten davon abhält, zu rebel­lie­ren. Zum ande­ren fes­tigt der Staat aber auch sein Bünd­nis mit den Groß­un­ter­neh­men, was ihm völ­lig zu Recht den Vor­wurf des „Neo­li­be­ra­lis­mus“ ein­ge­bracht hat.

Die­ser Neo­li­be­ra­lis­mus funk­tio­niert auf der Basis einer Umver­tei­lung nach oben durch Markt­re­geln, wie Robert B. Reich in sei­nem Buch Ret­tet den Kapi­ta­lis­mus. Für alle, nicht für 1 % resü­miert (Rezen­si­on dazu in Sezes­si­on 74, Okto­ber 2016). Er spricht dabei ins­be­son­de­re die Rol­le des Eigentums‑, Vertrags‑, Kar­tell- und Insol­venz­rechts an. Hier ins Detail zu gehen, ist aber gar nicht nötig.

Man muß sich nur ein­mal anschau­en, wie glo­bal agie­ren­de Kon­zer­ne wie das kana­di­sche Bahn­tech­nik-Unter­neh­men Bom­bar­dier vom Staat behan­delt wer­den. Jah­re­lang erhal­ten sie staat­li­che För­de­run­gen in Mil­lio­nen­hö­he, und wenn dann trotz­dem durch schlech­tes Manage­ment Arbeits­plät­ze bedroht sind, ist der Staat sofort bereit, die­se Feh­ler durch wei­te­re Sub­ven­tio­nen aus­zu­bü­geln, damit die Kon­zer­ne nicht kom­plett den Abflug machen.

Wel­chen Sinn ergibt es jedoch, zugleich nach oben und nach unten umzu­ver­tei­len? Zunächst ein­mal ist dies nur für die staat­li­che Büro­kra­tie von Vor­teil. Viel­leicht ist es aber auch unge­recht, die­sen Vor­wurf zu äußern, weil die Poli­ti­ker der Mas­sen­de­mo­kra­tie ver­mut­lich viel ein­fa­cher gestrickt den­ken. Sie wol­len es ein­fach allen recht machen. Des­halb bekom­men alle ein Stück Kuchen, und hof­fent­lich fällt es nie­man­dem auf, daß unterm Tisch noch jemand mitißt.

Der hier vor­ge­stell­te his­to­ri­sche Abriß von der Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on bis zum neo­li­be­ra­len Umver­tei­lungs­staat soll­te als Grund­la­ge genü­gen, um zu einer Rei­he von Ein­sich­ten vor­zu­sto­ßen, die bei der Gestal­tung einer Poli­tik für das Volk als Lebens­ge­mein­schaft ele­men­tar sind:

  1. Mit Kon­dy­lis gespro­chen: „Die bei­den Aspek­te der Öko­no­mi­sie­rung des Poli­ti­schen – also die Daseins­ver­sor­gung von gro­ßen Mas­sen auf hoch­tech­ni­sier­ter Basis und durch hoch­ent­wi­ckel­te Arbeits­tei­lung und die Umver­tei­lung der Güter zum Zwe­cke der Mate­ria­li­sie­rung von for­mel­len Rech­ten – grün­den ideell im men­schen­recht­li­chen Uni­ver­sa­lis­mus, der allen Indi­vi­du­en unab­hän­gig von jeder ande­ren Zuge­hö­rig­keit, Eigen­schaft oder Bin­dung glei­che Wür­de zuspricht.“ Kon­dy­lis befürch­tet daher im 21. Jahr­hun­dert einen „pla­ne­ta­ri­schen Ver­tei­lungs- und Umver­tei­lungs­kampf“. Selbst wenn es gelän­ge, die Umver­tei­lung auf die natio­na­le Ebe­ne zu beschrän­ken, was auf­grund der glo­ba­len Ver­net­zung aller­dings der­zeit aus­sichts­los ist (wer pro­fi­tie­ren will, muß auch zah­len), hät­ten wir immer noch das Pro­blem der sozia­len Ato­mi­sie­rung zu lösen. Statt mehr Geld für die Armen zu for­dern, soll­te es des­halb um ihre sozia­le Ein­bin­dung gehen. Hier ist selbst­ver­ständ­lich der Staat gefordert.
  2. Sozia­le Poli­tik muß die Umver­tei­lung nach oben abschaf­fen und dafür Anrei­ze set­zen, daß das Geld der Rei­chen in ein­hei­mi­sche, jun­ge Unter­neh­men inves­tiert wird. Schon 50 000 Deut­sche arbei­ten im Sili­con Val­ley. Der Haupt­grund: In Deutsch­land erhal­ten sie kein aus­rei­chen­des Start­ka­pi­tal für ihre Ideen. Hun­dert­tau­sen­de Arbeits­plät­ze gehen dadurch verloren.
  3. Es gibt eine Alter­na­ti­ve zur von Groß­un­ter­neh­men domi­nier­ten Welt­markt­wirt­schaft, die der Staat durch Sub­ven­tio­nen auf­recht­erhält: Wir könn­ten statt des­sen vor­ran­gig auf klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men set­zen, die dem Ein­zel­nen übri­gens viel mehr Frei­hei­ten gewäh­ren und hei­mat­ver­bun­de­ner sind. In Der Wohl­stand der Natio­nen von Adam Smith fin­det sich ein Kapi­tel über den „natür­li­chen Fort­schritt zum Reich­tum“. Er schil­dert dar­in, wie das umlie­gen­de Land von pro­spe­rie­ren­den Städ­ten pro­fi­tie­re. Die­ses Pri­mat der Nähe, das heu­te nur noch in Rudi­men­ten gilt, sah auch Smith schon bedroht. Es gegen öko­no­mis­ti­sche Bestre­bun­gen zu ver­tei­di­gen, ist Auf­ga­be des Staates.
  4. Was aber tun, wenn selbst bei den bes­ten Rah­men­be­din­gun­gen die Rei­chen nicht mit­zie­hen? Max Weber beton­te, die Aske­se, die den euro­päi­schen Reich­tum erst ermög­lich­te, sei eine Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Über­mä­ßi­ger Besitz führt zu unend­li­chen Ver­su­chun­gen. Die­ses Böse muß man aber in Kauf neh­men, weil sonst die durch­aus pro­duk­ti­ve Moti­va­ti­on erlischt, über­haupt erst ein­mal das Gute anzustreben.
  5. Die zwei pri­mä­ren Auf­ga­ben des Staa­tes betref­fen aber Sicher­heit und Bil­dung. Die bes­te Wirt­schafts- und Sozi­al­po­li­tik besteht folg­lich dar­in, den „inne­ren Staat immer von neu­em in immer neu her­an­wach­sen­den Indi­vi­du­en auf­zu­bau­en“ (Hel­mut Kuhn). Da dies neben einer neu­en Iden­ti­täts­po­li­tik in der Erzie­hung ein „Strengt euch an!“ beinhal­ten wür­de, ist die Umset­zung einer sol­chen Agen­da im mas­sen­de­mo­kra­ti­schen Zeit­al­ter aller­dings äußerst unwahr­schein­lich – es sei denn, das Ver­sor­gungs­sys­tem kol­la­biert doch frü­her als gedacht an Überdehnung.
Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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Kommentare (8)

Philip Stein

3. Februar 2017 11:14

Lieber Felix,

ein Beitrag, den ich mit Gewinn gelesen habe. Gewissermaßen verstehe ich ihn als eine seichte (kompromissbereite? liberale?) Variante des Kaiser'schen Vorgängers; keineswegs jedoch als direkte Entgegnung. 

Eine Frage, die sich mir noch stellt, und die du vielleicht beantworten kannst: Welche (vom Staat nicht finanzierten) Projekte/Ideen sind denn mit diesen 50.000 Personen gen Silicon Valley abgewandert? Ohne es zu wissen, könnte ich mir nämlich durchaus vorstellen, dass darunter zahlreiche Projekte sind, die aus ethischen oder datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten in Deutschland nicht verwirklicht werden konnten/durften. Hast du hierzu Informationen?

silberzunge

3. Februar 2017 17:44

Die Leute mühen sich noch redlich ab, den Beitrag von Herren Kaiser zu kommentieren, schon schießen Sie, Herr Menzel, den nächsten nach. Ich kann es nur begrüßen. Zu lange haben sich - im Übrigen auch die Identitären, Herr Sellner wird mir Recht geben - die Rechten um diese Frage gedrückt. Man sieht es auch an der AfD oder der FPÖ; man ist beschämt, als nationale, rechte Parteien quasi eine "linke", weil sozialistische, Wirtschaftspolitik zu vertreten. Der NS-Hammer lässt grüßen (oder es ist ehrliche Überzeugung).

Ich bin einmal dankbar, dass Sie vom scheinbaren "Naturereignis Kapitalismus" (ich nehme hier Globalisierung gleich dazu) sogleich wegtreten. Im Volk erwuchs niemals diese turbolibertäre Einstellung, die heute zu sozialen Verwerfungen führt (inkl. "Flüchtlings"krise). Bescheidenheit und Maßhaltung, das sind Werte, die schon lange in der Wirtschaft überhaupt nichts mehr zählen. Wer nur noch den Sinn für blinde Vermehrung von Reichtum hat und vergisst, woher er stammt und wo er hingehört, ist ein erklärter Feind. Dies ist auch ein wichtiger Punkt, es geht nicht bloß um finanzielle Zuwendungen für unser Volk, sondern vor allem um eine soziale Eingliederung. Es muss aufhören, diese Verächtlichmachung der "unteren Schichten", was gerade von linker Seite (welch' Ironie!) veranstaltet wird. Dass sich auch die Bürgerlichen bisweilen despektierlich gegenüber den oft genannten "Globalisierungsverlierern" äußern, ist ebenso eine Frechheit. Hier gilt es, die gemeinsame Abkunft, die ethnische Komponente als zentrales Band zwischen allen zu sehen.

Roland W.

3. Februar 2017 17:48

Danke für diesen tollen Beitrag.

Ich meine, der Nachdruck sollte auf 2. liegen:

"Soziale Politik muß die Umverteilung nach oben abschaffen und dafür Anreize setzen, daß das Geld der Reichen in einheimische, junge Unternehmen investiert wird. Schon 50 000 Deutsche arbeiten im Silicon Valley. Der Hauptgrund: In Deutschland erhalten sie kein ausreichendes Startkapital für ihre Ideen. Hunderttausende Arbeitsplätze gehen dadurch verloren."

Sven Jacobsen

3. Februar 2017 18:48

Der Ruf nach Umverteilung kam meines Wissens nicht erst im fortgeschrittenen Verlauf der Industriellen Revolution auf, sondern besonders seit dieser (tatsächlich sind Umverteilungsforderungen weit vorher nachweisbar, waren aber eher begrenzt bedeutsam oder ein regionales Phänomen). Das ist hier aber unwichtig im Vergleich zu den von Felix Menzel so bezeichneten „Einsichten“ am Ende seines Artikels. Zum zweiten, wichtigen Punkt bspw. wäre zu sagen, dass Unternehmer durch eine recht restriktive Politik des Staates in die entsprechende Richtung gedrängt werden könnten. Das provoziert aber eine Abwehrhaltung, die auf Dauer den Staat als Gegner dastehen lässt, den man austricksen möchte. Man kann den entscheidenden Schritt deshalb in der Einstellung der Unternehmer selbst vermuten, vor Ort investieren zu wollen (!). Eigentlich sind die Bedingungen dafür auch recht günstig, von der Rechtssicherheit bis hin zu stabilen finanziellen Rahmenbedingungen. Mir hat ein Unternehmer jedenfalls mal erläutert, es sei eine Mode, ins Ausland zu verlagern, da alle es so machen würden und viele Nacheiferer dann feststellen, dass es sich nicht zwingend rechne oder die Qualität leide.

Radistschew

3. Februar 2017 20:08

Über diesen Artikel bin ich wirklich enttäuscht. Ich sehe kaum Hoffnung auf Entwicklung hinzu einer vernünftigen und friedlichen  Gesellschaft, wenn das der letzte Stand der rechtsintellektuellen Erkenntnis sein soll.

Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Auf welchen Referenzen, Theorien und politischen Praktiken stützen Sie Ihren Befund, Herr Menzel?

Ich habe eindeutig belegt und unumstößlich hergeleitet, dass der Schutz der Schwachen und Benachteiligten zu einem humanen und vernünftigen Staatswesen gehört. Sowohl auf staatlicher wie überstaatlicher Ebene. Das umfasst den Ausgleich, die Umverteilung durch staatliches Handeln, nicht nur materiell, aber eben auch durch Sozialleistungen. Selbstverständlich Gebührenfreiheit von Schule, Studium und Ausbildung, sowie qualitativ-gleichwertige medizinische Versorgung für alle Staatsbürger. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Dazu nimmt man den Multimillionären und finanziert diese öffentlichen ausgaben.

Wer das ernsthaft in Frage stellt, ist für politische Aufgaben und Fragen nicht zu gebrauchen und sollte sich im Hintergrund seiner Stammkneipe halten aber sonst möglichst nicht die ernsthafte öffentliche politische Auseinandersetzung stören!

Das meine ich wirklich ernst. Und nach Wiesberg und Menzel zeige ich der Sezession hier die rote Karte:

Da gibt es seid Jahrhunderten Überlegungen wie ein gerechtes und freiheitliches Staatswesen zu machen sei. Es ist nicht notwedig das Rad neu zu erfinden. Allerdings ist die Rolle der Technologien zu berücksichtigen. Und die Funktionsweise des real existierenden Finanzsystems. Denn mal ehrlich: Wer kennt das, wer wüsste das zu beschreiben?

Balduin B.

3. Februar 2017 20:13

Ich vermute, Umverteilung ist so alt wie die Menschheit; es war nicht nur Arbeits- und Gewinnteilung. Mit wachsender sozialer Kompetenz wurde sicher schon früh in der Menschheitsgeschichte die Erfordernis gesehen, nicht arbeitsfähige Gruppenmitglieder oder Verwandte zu unterstützen.

Dieser Mechanismus der Akzeptanz von Umverteilung, wird in unserer Gesellschaft bis zur Zerreißgrenze ausgedehnt. Der Zweck ist natürlich nicht mehr die Absicherung nicht Arbeitsfähiger und damit der Erhalt eines sozialen Gefüges, sondern die Ruhig Stellung der Massen.

Längst haben korrupte Politiker erkannt, daß der „satte Konsument“ nicht aufbegehrt, egal wie die Gesellschaft von oben umgestaltet wird. Selbst an regelmäßig stattfindende Terroranschläge gewöhnt sich der Konsument schnell. Gerade zu beobachten in Deutschland: Fast Niemand geht auf die Straße, wenn Landsleute auf dem Weihnachtmarkt von LKW Reifen zermalmt werden.

Erst wenn das Geld nicht mehr für einen Glühwein auf dem mittlerweile aufgeräumten Weihnachtsmarkt reicht, hört der Spaß auf. Sind die Portemonnaies leer, ist Schluss mit Lustig. Dann versteht der Konsument keinen Spaß, und wir erleben die Massendemonstrationen, die wir schon jetzt bräuchten um Reste unserer Kultur und Lebensweise zu retten.

Pommer

5. Februar 2017 09:51

"Zum anderen festigt der Staat aber auch sein Bündnis mit den Großunternehmen, was ihm völlig zu Recht den Vorwurf des „Neoliberalismus“ eingebracht hat.

Dieser Neoliberalismus funktioniert auf der Basis einer Umverteilung nach oben durch Marktregeln, wie Robert B. Reich in seinem Buch Rettet den Kapitalismus. Für alle, nicht für 1 % resümiert (Rezension dazu in Sezession 74, Oktober 2016). Er spricht dabei insbesondere die Rolle des Eigentums-, Vertrags-, Kartell- und Insolvenzrechts an. Hier ins Detail zu gehen, ist aber gar nicht nötig."

Sehr richtig. Und das ist eben der Punkt, die großen Verwerfungen, die Blasen und die Quasimonopole sind eben kein Naturereignis, also mit marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Deshalb sind diese Probleme auch nicht etwa durch Umverteilung aufzulösen, was einer Behandlung der Symptome gleich käme, sondern durch einen klaren Stop der strukturellen und steuerlichen Bevorzugung von Großkonzernen, bestenfalls durch Vereinfachung und Verringerung der Steuern für Mittelstand und untere Schichten.

Abseits davon finde ich den Ruf nach Sozialleistungen von rechter Seite immer etwas merkwürdig. Denn wir sind doch diejenigen, die natürliche Bindungen anerkennen und den Menschen nicht als völlig frei und ungebunden sehen und die seine Gewachsenheit erhalten wollen. Wie kann man dann eine Praxis befürworten, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass alle Solidargemeinschaften unterhalb des Staates ausgedorrt, überbrückt und überflüssig gemacht werden? Dass anstelle der Familie, des Dorfes, der Gemeinde eine unpersönliche Beziehung Inidviduum-Staat tritt, wobei Staat, wie wir heute sehen, nicht immer deckungsgleich mit Volk sein muss. Die soziale Frage mit staatlichen Maßnahmen lösen zu wollen, hieße aus unsrer Perspektive doch, den Glauben an die jahrhunderte- und jahrtausendealten Sitten und Traditionen und Institutionen verloren zu haben. Dabei müsste es uns doch eher darum gehen, diese alten Bindungen wieder freizulegen und zur Geltung zu bringen. Weg also von der Notlosigkeit des Liberalismus, hin zur Notwendigkeit der gefügten, gewachsenen Gemeinschaft.

Gustav

5. Februar 2017 10:32

Lesetipp:

https://sezession.de/wp-content/uploads/2009/02/hoof_letzte-ausfahrt-weiter-hinten.pdf

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