Die Wellen, die das JF-Interview des stellvertretenden Vorsitzenden der Piraten, Andreas Popp, geschlagen hat, sind in ihren Ausläufern noch immer aktiv und haben gestern zu zwei bemerkenswerten Reaktionen geführt.
Zum einen hat Telepolis, das Online-Magazin des Heise-Verlags, in deutlichen Worten den “McCarthyismus des 21. Jahrhunderts” angeprangert. Das hysterische Medienecho, das dieses Interview auslöste, legt für den Autor, Peter Mühlbauer, den Schluß nahe,
dass es Zensurextremisten nicht nur in der Union gibt. Gerade in der SPD schützten in der jüngsten Vergangenheit Politiker wie Sebastian Edathy und Brigitte Zypries immer öfter den Bequembegriff “rechts” vor, wenn es um die Rechtfertigung von Grundrechtseinschränkungen ging. Das praktische an diesem Begriff ist, dass er in den letzten Jahren so inflationär verwendet wurde, dass sich mittlerweile politisch Unliebsames fast jeder Richtung mit ihm bedenken lässt.
Der neue McCarthyismus geht dabei ähnlich vor wie der alte in den 1950er Jahren: Über teilweise beeindruckend lange Beziehungsketten steht jeder Angegriffene irgendwann einmal mit dem in Verbindung, was grade als das absolute Böse gilt: Im Amerika der 1950er Jahre war das der Kommunismus. Und damals war es der Begriff “pinko”, mit dem unter anderem Bürgerrechtlern eine Nähe zu Moskau unterstellt wurde.
Die Piraten, die sich den Schutz des Grundrechts auf “informationelle Selbstbestimmung” auf die Fahnen geschrieben haben, lassen sich also recht einfach fremdbestimmen und legen für Gesetzlose und Freibeuter doch eine recht demütige Haltung an den Tag:
Doch gerade angesichts von derart dreist zur Schau gestellter Dumm- und Grobheit ist beziehungsweise wäre es keineswegs verabscheuungswürdig, wenn Grundrechtsschützer so viel Abstraktionsvermögen aufbringen, dass sie auch den eigenen Feinden das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit nicht absprechen, sondern es stattdessen verteidigen – in jedem Medium, das ihnen die Möglichkeit dazu bietet.
Zum anderen hat Jürgen Elsässer den allseits bekannten und dennoch sehr wirksamen Mechanismus auf den Punkt gebracht: Bereits das Zeigen der Instrumente, das wissen wir aus den Zeiten Inquisition, kann einem auf die Sprünge helfen – es müssen nur die richtigen sein. Und das beste ist und bleibt die “Nazikeule”:
Man versucht, Euch vor der Bundestagswahl in die rechte Ecke zu drängen, weil eure aufsteigende Kurve – 0,4 Prozent im Frühjahr; 0,9 Prozent bei den Europawahlen; 1,9 Prozent in Sachsen-Anhalt – Euch bei den Bundestagswahlen in bedrohliche Nähe zur 5‑Prozent-Hürde bringen kann. Also wird die Nazi-Keule rausgeholt …
Eure Opponenten firmieren unter antifa – aber Achtung, das sind keine Antifaschisten, sondern bloß Antifanten: die pawlowschen Hunde der Neuen Weltordnung, die jeden als rechts oder Nazi verbellen, der dieser Ordnung, wie Ihr, gefährlich werden könnte. Und laßt Euch nicht davon verunsichern, dass auch anständige Linke sich von dieser political Correctness haben anstecken lassen: Ich habe fast zwei Jahrzehnte in linken Redaktionen gearbeitet und weiß, wie verheerend diese Gehirnfäule gewütet hat und immer weiter wütet.
Elsässer, der seine Erfahrungen unter anderem bei der linksextremistischen, antideutschen konkret gesammelt hat, zeigt mit einem schönen Vergleich, welche Schlagseite die Toleranz in diesem Land mittlerweile hat:
Schon wieder eine Grenzüberschreitung: Der Politiker gab sich naiv und fand gar nichts dabei, dem Blatt ein Interview zu geben. Dabei war gerade diese Publikation so etwas wie das Zentralorgan des Rassismus, hetzte in beinahe jeder Ausgabe gegen Moslems und ganz allgemein den „Islam-Faschismus“, wünschte Sunniten wie Schiiten bei jeder Gelegenheit amerikanische Bomben auf den Kopf. Auch Gewalt, ja Terrorismus wird in dem Blatt befürwortet, sofern der politische Gegner aufs Korn genommen wird. Wie kann eine Partei, die frischen Wind bringen will, sich einem solchen extremistischen Medium als Gesprächspartner andienen?
Ist hier die Rede von Andreas Popp, dem Vizevorsitzenden der Piraten, und seinem Auftritt in der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT? Gerade nicht. Es geht vielmehr um das Interview von Martin Sonnenborn, des Vorsitzenden des Titanic-Spaßproduktes DIE PARTEI, in der Monatszeitung KONKRET. Dieses erschien in der August-Ausgabe und war dem Mainstream keinen Skandal Wert, obwohl sich die Hamburger Publikation in Sachen Antiislamismus höchstens noch von anderen Blättchen aus dem linken Spektrum wie Jungle World und Bahamas übertrumpfen lässt. Das geht durch, weil die Hetze antifaschistisch verkauft wird: Im Kampf gegen den Islamo-Faschismus ist jedes Mittel Recht.
Aus diesen beiden Artikeln wird, wie immer, gar nichts folgen. Die “Nazikeule” bleibt die beliebteste politische Waffe (die vorzugsweise im eigenen politischen Lager eingesetzt wird), die Piraten bleiben in allen wesentlichen Belangen fremdbestimmt und das linke Kartell aus Politik und Medien, das von der CDU/CSU bis zur LINKEN und (mindestens) vom Spiegel bis konkret reicht, bleibt Schiedsrichter und Spielführer in Personalunion.