Asterix gegen Ricardus Redeflus

Auf seine eigene originelle Art ist Richard Herzinger von der Welt (erst neulich Thema in diesem Blog) ein Genie. Ich könnte mich endlos über das faszinierende Schaffen dieses Mannes auslassen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Viel­leicht auch aus einer ver­que­ren Dank­bar­keit her­aus. Kein Hinz- und kein Weiss­mann-Arti­kel schafft es, mich mit einer sol­chen wider­stands­wü­ti­gen Inbrunst auf die Bar­ri­ka­de zu trei­ben wie die Knal­ler Herzingers.

Sei­ne rai­son d’êt­re ist die Apo­lo­gie des “Wes­tens”, was bei ihm letzt­lich auf die Iden­ti­fi­zie­rung einer “uni­ver­sa­lis­ti­schen”, “demo­kra­ti­schen” ame­ri­ka­ni­schen Welt­ord­nung als dem summum bonum und abso­lut Guten auch im ethi­schen, will fast schon sagen meta­phy­sisch-teleo­lo­gi­schen Sin­ne hin­aus­läuft.  Daß Her­zin­ger von die­sem “Guten” glau­bens­rit­ter­ar­tig über­zeugt ist,  gibt sei­nen Pam­phle­te ihre beson­de­re Würze.

Alle Fra­gen sind bei ihm schon im Vor­aus dog­ma­tisch ent­schie­den, er hat es nicht mehr nötig, irgend­et­was oder irgend­wen sach­lich zu wider­le­gen, und dar­um schwingt in allem, was Her­zin­ger schreibt, eine unter­schwel­li­ge Dro­hung mit:  wer auch nur ent­fernt das, was er unter “west­li­che Wer­te”  ver­steht, in Fra­ge stellt, kri­ti­siert, Alter­na­ti­ven zu den­ken wagt,  ist ten­den­zi­ell oder fak­tisch ein “Anti-West­ler” und damit zwei­fel­los ein ver­blen­de­ter, schlech­ter, böser Mensch, irgend­wo in der Nach­bar­schaft von Anti­se­mi­ten, Anti­de­mo­kra­ten, Nazis, Ras­sis­ten, Natio­nal­bol­sche­wis­ten, Fun­da­men­ta­lis­ten und was weiß ich noch. Das Sah­ne­häub­chen die­ser Art Schrei­be ist natür­lich, daß Her­zin­ger dabei stets im Voll­ge­fühl eines Man­nes schreibt, der weiß, daß er ganz oben­auf schwimmt und genau­so wenig in Gefahr ist unter­zu­ge­hen, wie das Fett­au­ge in der war­men Suppe.

Ein Mei­len­stein auf dem Weg mei­ner poli­ti­schen Bil­dung war der Band “End­zeit­pro­phe­ten” (1995) von Richard Her­zin­ger und Han­nes Stein mit einem unver­geß­li­chen Abschnitt, in dem die Autoren das ten­den­zi­ell “ras­sis­ti­sche” rus­ti­ka­le gal­li­sche Dorf von Aste­rix und Obe­lix (böse) dem “kos­mo­po­li­ti­schen”, ten­den­zi­ell “mul­t­iras­si­schen” urba­nen Enten­hau­sen Dis­neys gegen­über­stell­ten (gut, ers­tens ame­ri­ka­nisch, und zwei­tens leben dort immer­hin Mäu­se, Enten, Hun­de und ande­re Tie­re ganz ohne Spe­zies­dis­kri­mi­nie­rung fried­lich mit- und durcheinander).

Reak­tio­när und rück­stän­dig fan­den die Autoren auch die stu­re Ver­bis­sen­heit, mit der sich Aste­rix und Obe­lix den Seg­nun­gen der römi­schen (=“west­li­chen”) Zivi­li­sa­ti­on ver­wei­gern. Sie bun­kern sich lie­ber in ihrer Fes­tung Bre­ta­gne ein und fei­ern Gela­ge mit Wild­schwein­bra­ten, statt sich gefäl­ligst erobern zu las­sen. (Karl­heinz Weiß­mann weist übri­gens in der aktu­el­len JF dar­auf hin, daß in den Sech­zi­ger Jah­ren Aste­rix’ Befrei­ungs­kampf auf der Lin­ken mit dem Viet­cong asso­zi­iert wurde.)

Mit ande­ren Wor­ten: ein Libe­ra­ler, ein “Uni­ver­sa­list”, ein “Pro-West­ler”, ein “Pro-Ame­ri­ka­ner” zu sein, heißt soviel, wie beim Lesen von Aste­rix zu den Römern zu hal­ten! Das ist geni­al. Ein bes­se­res, grif­fi­ge­res Tot­schlag-Argu­ment gegen die­se gan­ze “Wes­ten”-, USA- und Uni­ver­sa­lis­mus-Den­ke gibt es eigent­lich gar nicht, es sei denn, man ist genau­so eine minus­be­seel­te Kanail­le, wie die meis­ten Libe­ra­len es nun mal sind.

Her­zin­ger ver­eint all deren pro­se­ku­to­ri­sche Nie­der­träch­tig­kei­ten , auto­hyp­no­ti­sche Selbst­ge­rech­tig­kei­ten und hart­nä­cki­ge App­er­zep­ti­ons­ver­wei­ge­run­gen mit einer Voll­stän­dig­keit, die sei­ne Tex­te fast schon als Selbst­par­odien erschei­nen läßt.

Um im Bild zu blei­ben, ist er selbst nichts wei­ter als ein unter­wor­fe­ner, kolo­nia­li­sier­ter Ger­ma­ne, wie der “kul­turas­si­mi­lier­te” Dorf­chef Augen­blix aus dem Band “Kampf der Häupt­lin­ge”, der Toga trägt und sich einen Säu­len­ein­gang vor das Haus hat bau­en las­sen. Ein Mann, des­sen Lebens­zweck offen­bar dar­in besteht, in der Sprin­ger-Pres­se hof­schran­zen­ar­ti­ge Hym­nen auf sei­ne “Befrei­er” zu schrei­ben, und sie end­los dafür zu prei­sen, daß sie ihn aus dem fins­te­ren teu­to­ni­schen Wald geholt und in eine wei­ße “demo­kra­ti­sche” Toga gesteckt haben.

ave caesar

Zum 50. Jubi­lä­um des Gal­li­er-Comics hat Her­zin­ger nun in der Welt sei­ne alte The­se wie­der aus der Ver­sen­kung geholt, und for­dert einen “Schluß mit dem Kult um die Aste­rix-Comics”.  Was in “End­zeit­pro­phe­ten” noch eini­ger­ma­ßen augen­zwin­kernd for­mu­liert wur­de,  kommt nun ganz dicke, ganz bier­ernst (mit ein paar ver­krampf­ten “lus­ti­gen” Ein­spreng­seln), und mit der schwers­ten Keu­le über­haupt im Gepäck, näm­lich dem “Rassismus“vorwurf. Das ist tat­säch­lich erschüt­ternd und bedenk­lich und ideo­lo­gisch gefähr­lich pro­to­na­zis­tisch, daß in Uder­zos eth­nisch homo­ge­nem gal­li­schem Dorf nur blon­de, hell­brau­ne und rot­haa­ri­ge Kel­ten her­um­ren­nen. Von Gobi­neau zu Gos­cin­ny sei es nur ein Sprung gewesen:

In ganz Euro­pa, nicht zuletzt in Frank­reich, waren im spä­ten 19. Jahr­hun­dert wei­te Tei­le der aka­de­mi­schen und intel­lek­tu­el­len Öffent­lich­keit von der Idee eines Arier­tums beses­sen, das sei­ne Über­le­gen­heit sei­ner Nicht-Ver­mi­schung mit frem­den „Ras­sen“ und sei­ner Boden­ver­wur­ze­lung verdanke.

Vor­for­men die­ser Ideo­lo­gie waren schon im Vor­feld der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on im Umlauf – durch die Vor­stel­lung, es han­de­le sich bei der herr­schen­den Aris­to­kra­tie um eine frem­de, deka­den­te Ras­se, die das unver­bil­de­te fran­zö­si­sche – „gal­li­sche“ – Volk einst über­fal­len und ver­sklavt habe.

Ganz in die­sem Sin­ne leis­tet das klei­ne gal­li­sche Dorf um Aste­rix und Obe­lix den Okku­pa­ti­ons­ge­lüs­ten des römi­schen Rei­ches Wider­stand, des­sen Reprä­sen­tan­ten frei­lich durch­weg als eben­so schwäch­li­che und fei­ge wie hin­ter­häl­ti­ge Trot­tel erscheinen.

Trot­zig ver­schan­zen sich Aste­rix & Co. gegen jeden „zer­set­zen­den“ Zivi­li­sa­ti­ons­ein­fluss von außen. Starr hält die eth­nisch homo­ge­ne Dorf­ge­mein­schaft an ihren archai­schen Stam­mes­struk­tu­ren fest…

Und nun aber fest­hal­ten für die Poin­te, in der Her­zin­ger durch­bli­cken läßt, was er denn eigent­lich hier so besorgt verteidigt:

Heu­te wärmt der Gal­li­er-Comic der Anti-Glo­ba­li­sie­rungs­be­we­gung das Herz, die das Heil in der Abkop­pe­lung aut­ar­ker Volks­wirt­schaf­ten vom bösen „Empire“ des Kapi­ta­lis­mus und der Hoch­tech­no­lo­gie sehen. Wenn man dar­an denkt, kann einem das Lachen frei­lich schon vergehen.

Hat man noch Wor­te, braucht man noch Bewei­se? Des­we­gen will uns Her­zin­ger die Lek­tü­re von Aste­rix ver­mie­sen?? DU, Richard Her­zin­ger bist der Böse, der Böses­te vom Bösen! WIR sind die Guten! Écra­sez l’in­fâ­me! Und ich tre­te jetzt, wie­der­mal dank Ricar­dus Rede­flus Des­truc­ti­vus mili­tant auf­ge­putscht, der Volks­in­itia­ti­ve Jür­gen Elsäs­sers bei… vor­aus­ge­setzt, daß dort mehr Aste­rix statt Negri/Hardt gele­sen wird, damit die­se natio­nal­staat­lin­ken Holz­köp­fe end­lich den Sinn des Eth­no­plu­ra­lis­mus begreifen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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