Vielleicht auch aus einer verqueren Dankbarkeit heraus. Kein Hinz- und kein Weissmann-Artikel schafft es, mich mit einer solchen widerstandswütigen Inbrunst auf die Barrikade zu treiben wie die Knaller Herzingers.
Seine raison d’être ist die Apologie des “Westens”, was bei ihm letztlich auf die Identifizierung einer “universalistischen”, “demokratischen” amerikanischen Weltordnung als dem summum bonum und absolut Guten auch im ethischen, will fast schon sagen metaphysisch-teleologischen Sinne hinausläuft. Daß Herzinger von diesem “Guten” glaubensritterartig überzeugt ist, gibt seinen Pamphlete ihre besondere Würze.
Alle Fragen sind bei ihm schon im Voraus dogmatisch entschieden, er hat es nicht mehr nötig, irgendetwas oder irgendwen sachlich zu widerlegen, und darum schwingt in allem, was Herzinger schreibt, eine unterschwellige Drohung mit: wer auch nur entfernt das, was er unter “westliche Werte” versteht, in Frage stellt, kritisiert, Alternativen zu denken wagt, ist tendenziell oder faktisch ein “Anti-Westler” und damit zweifellos ein verblendeter, schlechter, böser Mensch, irgendwo in der Nachbarschaft von Antisemiten, Antidemokraten, Nazis, Rassisten, Nationalbolschewisten, Fundamentalisten und was weiß ich noch. Das Sahnehäubchen dieser Art Schreibe ist natürlich, daß Herzinger dabei stets im Vollgefühl eines Mannes schreibt, der weiß, daß er ganz obenauf schwimmt und genauso wenig in Gefahr ist unterzugehen, wie das Fettauge in der warmen Suppe.
Ein Meilenstein auf dem Weg meiner politischen Bildung war der Band “Endzeitpropheten” (1995) von Richard Herzinger und Hannes Stein mit einem unvergeßlichen Abschnitt, in dem die Autoren das tendenziell “rassistische” rustikale gallische Dorf von Asterix und Obelix (böse) dem “kosmopolitischen”, tendenziell “multirassischen” urbanen Entenhausen Disneys gegenüberstellten (gut, erstens amerikanisch, und zweitens leben dort immerhin Mäuse, Enten, Hunde und andere Tiere ganz ohne Speziesdiskriminierung friedlich mit- und durcheinander).
Reaktionär und rückständig fanden die Autoren auch die sture Verbissenheit, mit der sich Asterix und Obelix den Segnungen der römischen (=“westlichen”) Zivilisation verweigern. Sie bunkern sich lieber in ihrer Festung Bretagne ein und feiern Gelage mit Wildschweinbraten, statt sich gefälligst erobern zu lassen. (Karlheinz Weißmann weist übrigens in der aktuellen JF darauf hin, daß in den Sechziger Jahren Asterix’ Befreiungskampf auf der Linken mit dem Vietcong assoziiert wurde.)
Mit anderen Worten: ein Liberaler, ein “Universalist”, ein “Pro-Westler”, ein “Pro-Amerikaner” zu sein, heißt soviel, wie beim Lesen von Asterix zu den Römern zu halten! Das ist genial. Ein besseres, griffigeres Totschlag-Argument gegen diese ganze “Westen”-, USA- und Universalismus-Denke gibt es eigentlich gar nicht, es sei denn, man ist genauso eine minusbeseelte Kanaille, wie die meisten Liberalen es nun mal sind.
Herzinger vereint all deren prosekutorische Niederträchtigkeiten , autohypnotische Selbstgerechtigkeiten und hartnäckige Apperzeptionsverweigerungen mit einer Vollständigkeit, die seine Texte fast schon als Selbstparodien erscheinen läßt.
Um im Bild zu bleiben, ist er selbst nichts weiter als ein unterworfener, kolonialisierter Germane, wie der “kulturassimilierte” Dorfchef Augenblix aus dem Band “Kampf der Häuptlinge”, der Toga trägt und sich einen Säuleneingang vor das Haus hat bauen lassen. Ein Mann, dessen Lebenszweck offenbar darin besteht, in der Springer-Presse hofschranzenartige Hymnen auf seine “Befreier” zu schreiben, und sie endlos dafür zu preisen, daß sie ihn aus dem finsteren teutonischen Wald geholt und in eine weiße “demokratische” Toga gesteckt haben.
Zum 50. Jubiläum des Gallier-Comics hat Herzinger nun in der Welt seine alte These wieder aus der Versenkung geholt, und fordert einen “Schluß mit dem Kult um die Asterix-Comics”. Was in “Endzeitpropheten” noch einigermaßen augenzwinkernd formuliert wurde, kommt nun ganz dicke, ganz bierernst (mit ein paar verkrampften “lustigen” Einsprengseln), und mit der schwersten Keule überhaupt im Gepäck, nämlich dem “Rassismus“vorwurf. Das ist tatsächlich erschütternd und bedenklich und ideologisch gefährlich protonazistisch, daß in Uderzos ethnisch homogenem gallischem Dorf nur blonde, hellbraune und rothaarige Kelten herumrennen. Von Gobineau zu Goscinny sei es nur ein Sprung gewesen:
In ganz Europa, nicht zuletzt in Frankreich, waren im späten 19. Jahrhundert weite Teile der akademischen und intellektuellen Öffentlichkeit von der Idee eines Ariertums besessen, das seine Überlegenheit seiner Nicht-Vermischung mit fremden „Rassen“ und seiner Bodenverwurzelung verdanke.
Vorformen dieser Ideologie waren schon im Vorfeld der Französischen Revolution im Umlauf – durch die Vorstellung, es handele sich bei der herrschenden Aristokratie um eine fremde, dekadente Rasse, die das unverbildete französische – „gallische“ – Volk einst überfallen und versklavt habe.
Ganz in diesem Sinne leistet das kleine gallische Dorf um Asterix und Obelix den Okkupationsgelüsten des römischen Reiches Widerstand, dessen Repräsentanten freilich durchweg als ebenso schwächliche und feige wie hinterhältige Trottel erscheinen.
Trotzig verschanzen sich Asterix & Co. gegen jeden „zersetzenden“ Zivilisationseinfluss von außen. Starr hält die ethnisch homogene Dorfgemeinschaft an ihren archaischen Stammesstrukturen fest…
Und nun aber festhalten für die Pointe, in der Herzinger durchblicken läßt, was er denn eigentlich hier so besorgt verteidigt:
Heute wärmt der Gallier-Comic der Anti-Globalisierungsbewegung das Herz, die das Heil in der Abkoppelung autarker Volkswirtschaften vom bösen „Empire“ des Kapitalismus und der Hochtechnologie sehen. Wenn man daran denkt, kann einem das Lachen freilich schon vergehen.
Hat man noch Worte, braucht man noch Beweise? Deswegen will uns Herzinger die Lektüre von Asterix vermiesen?? DU, Richard Herzinger bist der Böse, der Böseste vom Bösen! WIR sind die Guten! Écrasez l’infâme! Und ich trete jetzt, wiedermal dank Ricardus Redeflus Destructivus militant aufgeputscht, der Volksinitiative Jürgen Elsässers bei… vorausgesetzt, daß dort mehr Asterix statt Negri/Hardt gelesen wird, damit diese nationalstaatlinken Holzköpfe endlich den Sinn des Ethnopluralismus begreifen.