Angela Marquardt zog 1990 durch Greifswald mit der Parole: “Deutschland verrecke!”, und noch 2009 verkündete sie zu Leipzig in der Sprache ihrer Herren: “Still not lovin’ Germany”. Woher der feine Unterschied?
Diese Dame, einst junge Funktionärin der SED-PDS, inzwischen als Spezialdemokratin im Westen angekommen, hat symbolische Qualität: Sie zeigt uns das Gesicht einer nicht nur gendermäßig zerquälten ‘Linken’, die zwar hierzulande die Mediengesellschaft dominiert, in ihrem deutschen Selbsthaß aber immer ahnt: Die authentischen “Loser”, wie’s im provinziellen BRD-Pidgin heißt, sind sie, weltgeschichtlich wie persönlich-existentiell. Am Ende steht stets Margot Honecker in Chile, im Exil nationaler wie internationaler Sozialisten – unfruchtbar, humorlos, verbissen, aber immer im Glauben an den gesetzmäßigen Endsieg: Uns geht die Sonne nicht unter. Was bliebe ihr, dieser deutschen ‘Linken’, auch sonst?
Als Angie 2008 zu den sogenannten Sozialdemokraten übertrat, erschien in einer Berliner Postille (mit Scharnierfunktion zwischen Linksbourgeoisie und Linksextremismus) ein aufschlußreiches Porträt dieser neuen Errungenschaft jener vormals deutschen Arbeiterpartei, das auf die biographische Dimension des ‘linken’ Selbsthasses ein küchenpsychologisch pointiertes Licht wirft und für die mentale Lage dieser verkommenen Söhne & Töchter von Marx & Engels aufschlußreich ist:
Marquardt ist ein echtes Kind der DDR. Geboren 1971 in Ludwigslust, aufgewachsen in Greifswald. Vater Kernkraftwerker, Mutter Lehrerin. Angelas Berufswunsch: Offizier der Nationalen Volksarmee, aus sportlichen Gründen. Sie will Judo-Weltmeisterin werden. Mit 15 Jahren unterschreibt sie, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Stasi arbeiten zu wollen. Ihre Mutter, selbst IM, diktiert der minderjährigen Tochter die Erklärung. (Erst 15 Jahre später wird sich Angela Marquardt mit der Frage auseinandersetzen, ob ihre Mutter sie politisch missbraucht hat.) Auf der Oberschule wird ihr klar, dass die DDR nicht das ist, was sie zu sein vorgibt. / Nach der Wende landet Angela Marquardt über die Punkszene und das Neue Forum bei der PDS. Sie ist jung, unangepasst, trägt schwarze Klamotten. Ihre kurzen Haare stehen nach oben, sie sind grün und gelb gefärbt. Gregor Gysi macht sie zur Vorzeigejugendlichen der PDS. Selbst als Parteivize ist sie noch “Gysis Kleene”. Marquardt eckt an in der PDS, kämpft gegen die Dogmatiker. Nach der Niederlage der Reformer auf dem Geraer Parteitag 2002 zieht sie sich zurück, 2003 tritt sie aus der PDS aus. / Sie studiert Politologie, schreibt ihre Diplomarbeit über die NPD, macht ein Praktikum bei einem Radiosender, wird arbeitslos. Im Jahr 2006 holt sie die SPD-Linke Andrea Nahles als Mitarbeiterin in ihr Bundestagsbüro. Im November 2007 redet SPD-Chef Kurt Beck mit ihr, fragt, ob sie nicht Mitglied werden wolle. Sie denkt ein paar Monate nach – und sagt Ja. “Die SPD ist keine Heimat für mich”, sagt sie. “Aber eine linke Partei.”
Was sind dies alles für gefallene Engel, diese deutschen Lehrerinnen- und Pastorentöchter! Was sich hier aus verständlicher biographischer Verwirrung zu erheben sucht, trifft im einen Fall auf eine verkommene Christdemokratie, im anderen Fall auf eine tatsächlich heimatlose Linke, der in Deutschland noch nie eine Revolution und auch sonst nicht viel gelungen ist.
Hatte der brave Friedrich Ebert gegen alle Widerstände von rechts und links noch versucht, eine deutsche Sozialdemokratie zu etablieren, waren ihr am Ende des ersten parlamentarischen Experiments die Arbeiter davongelaufen, wenn sie auch Günter Grass – Verzeihung: Thomas Mann – als Sympathisanten gewinnen konnte.
Die KPD kroch, nachdem sie Heinrich Brandler und August Thalheimer hatte absägen lassen, mit dem unseligen Thälmann, dem Verführer seiner Klasse, in Moskaus Hintern. Jedem Zucken ihrer Herrn folgte die “deutsche” KP untertänigst und diensteifrig, vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum Großen Vaterländischen Krieg.
Die “Befreiung” Mitteldeutschlands vollzog die Rote Armee, Stalins Stahlbürste, die Gruppe Ulbricht schlurfte hinterher, zimmerte sich danach ihren Selbstbefreiungs-Mythos von Buchenwald und benannte in Halle ein Fußball-Stadion nach einem “antifaschistischen” Päderasten und SS-Kollaborateur. Und dann das Ende mit Erich Mielke: “Ich liebe – ich liebe doch alle – alle Menschen – na ich liebe doch …”
Zur westdeutschen Wohlstandslinken der Joscha Schmierer, Jockel Fischer und anderen Gestalten muß einem alten Polen nichts mehr einfallen – Mao und Pol Pot, Arafat und Ayatollah Khomeini, das ganze Geschrei abgefedert im Sozialstaat und von 1971 an mit BAföG-Unterstützung, die toten Helden der Bewegung von Stasi-Spitzeln erlegt oder von eigener Hand umgebracht.
Was sollte und könnte man als deutsche® ‘Linke®’ da schon lieben? Armes, aber glückliches Kuba! Wenigstens für Linke: Dort war die Revolución siegreich, dort liebt die Linke ihre Heimat bis heute, dort sind Revolutionäre verheiratet, haben viele Kinder und gute Boxer …