Und wir hätten es getötet, wenn es wirklich in dem Zustand wäre, den wir herbeizittern: harmlos, wehrlos, alt.
Wie trösten wir uns – wir, die wir totreden, was nur totzureden geht?
Die Nation fällt dem Prozeß der Verwesung dann anheim, wenn ihre Vertreter sich einhellig als Opfer stilisieren. Damit sind nicht die politischen Repräsentanten gemeint, vielmehr die Nationalstolzen. Letztlich sollen doch sie das Rückgrat sein. Versailles, die Vertreibung, Dresden, die “Befreiung”. Fürwahr schrecklich, fürwahr erniedrigend, fürwahr aber das, was wir selbst auch schon konnten.
Trotz dieser großen Stürze hat sich das Volk in einem atemberaubenden Tempo erholt, friedlich wiedervereinigt und ist schon lange wieder das mächtigste in Europa. Denn Macht definiert sich ohne Zweifel über die Ökonomie und die Schlauheit der Politischen. Was hat also die Physikerin in Paris verloren? Was hat der Blonde gegen Erika Steinbach? Die Antwort ist einfach: Ich versteh’s nicht. Drauf geschissen. Das sind Erscheinungen an der Oberfläche. Die Größe der Nation liegt doch ganz woanders, in den Kräften, die in der Tiefe walten.
Diese ganze Larmoyanz, das Wühlen in Erniedrigungen und Gebietsverlusten, der permanente Selbstbeweis der eigenen Wunden löst da doch eifrig Widerwillen aus. Freilich gepaart mit Mitleid, so sind es doch die geistig Verwandten, die da jammern und trinken.
Es geht aber nicht nur um das Verhältnis zu den Nachbarn. Denn das sind nun mal unsere Brüder, und wir schätzen auch den Polen, den Angelsachsen und den Franzmann. Zumal sie mit ähnlichen Problemen kämpfen, wie wir. „Überfremdung“ heißt das Reizwort, das letztlich doch nichts anderes aussagt, als dieser Satz eines nordrhein-westfälischen Ministeriums: „Zuwanderung ohne Integration ist riskant für alle Beteiligten und deshalb ist Integration unverzichtbar.“ Die Wertung ist freilich eine andere.
Doch auch hier scheinen die Tränen des Selbstmitleids das nationale Selbstbewußtsein zu trüben. Damit soll nicht bezweifelt werden, daß einige Gegenden (scheinbar unrettbar) verloren sind. Der fehlende Respekt vor der deutschen Kultur, das Bestreben, sie durch die eigene zu verdrängen, ist mehr als nur ein Symptom, es ist schon eine Bedrohung. Aber durch wen? Wohl kaum von einer durchorganisierten, vom Eroberungswillen getriebenen Geheimorganisation von Islamisten. Die, die hier wohnen und als Bedrohung empfunden werden, sind selbst nur auf der Suche nach Identität. Ihnen diese zu geben, sie damit zu integrieren, wird doch wohl möglich sein.
Daher grenzt es an Defätismus, schon jetzt den Bürgerkrieg herbeizureden, schon jetzt von der mitteldeutschen Lösung zu träumen oder sich in politisch nicht durchsetzbaren Planspielen über die Abwanderung von Ausländern um Kopf und Kragen zu schreiben.
Deutschland verändert sich. So ist es immer schon gewesen. Im Bewußtsein über die Größe unserer Nation, der Stärke dieses Volkes verliert die Zuwanderung an Schrecken. Denn – gutmenschlich relativiert – der Fremde, der Zugewanderte ist ja nicht per se böse, häßlich und unrentabel. Moralisch, ästhetisch und ökonomisch entspricht sein arithmetisches Mittel durchaus dem unseren. Mit einem gelassenen nationalen Selbstbewußtsein und der daraus resultierenden Fähigkeit zur Konsequenz, kann Deutschland den Zugewanderten die Identität bieten, die sie ja selbst suchen.
Denn nicht der Fremde bedroht die Substanz, das Gegenteil ist der Fall. Bedrohlich ist also nicht nur der Selbsthaß von links, sondern auch das Selbstmitleid von rechts.
Schluß damit!
kolkrabe
Vielleicht sollte man Nietzsche endlich einmal ernst nehmen: Gott ist tot -- und die Entwertung der obersten Werte (wie z. B. die Entleerung des Wertes der "Nation") weder aufzuhalten noch gar rückgängig zu machen. Der "Nihilismus" ist keine Meinung oder Lehre, sondern mit Heidegger als seinsgeschichtliche Notwendigkeit zu begreifen. Da müssen wir eben durch. Ernst Jünger urteilte nüchtern, dass alle Versuche des 20. Jahrhunderts, auf den Mythos zurückzugreifen (Italien, Deutschland, Japan), scheitern mussten.
Vielleicht müssen wir weiter zurück - ins Anfängliche, Ursprüngliche, Vormythsiche, zu den Wurzeln des Menschseins - um neue Gestaltungskraft zu gewinnen. Anstatt weiter in der erloschenen Glut des Mittelalters und des 19. Jahrhunderts herumzustochern, sollten gerade wir Substanziellen nach Ansätzen Ausschau halten, die es erlauben, die Zukunft aus diesem Anfänglichen heraus neu zu gestalten. Verabschieden wir uns lieber vom frommen Selbstbetrug der Konservativen und der Poesiealbumslyrik vom Weiterreichens der Glut. Auch wenn der Schmerz unmesslich sein wird: Wir müssen da durch.
Hier treffen sich - ebenfalls frei nach Jünger (Die Schere) - die Aufgaben der Religion und der Kunst.