… daß sich vielleicht die Richtigen angesprochen fühlten. Allerdings: Da die Geburtenrate und die Zuwanderung nunmal besorgniserregende Ausmaße angenommen haben, ist die Gegenrede durchaus berechtigt.
Denn wir leben in einer ungewöhnlichen Phase der deutschen Geschichte. Es ist auch mir nicht entgangen, daß deutsche Frauen nur noch so wenige Kinder zur Welt bringen, daß die nächste Generation in Westdeutschland um ein Drittel und in Ostdeutschland knapp um die Hälfte kleiner sein wird, als ihre Vorgänger-Generation. Ich weiß auch, daß die Bevölkerung in Deutschland bis 2050 auf knapp 75 Millionen Menschen schrumpfen wird – wenn jährlich 200.000 Menschen zuwandern.
Ohne Zweifel werden der Geburtenrückgang und eine derartige Zuwanderung das Volk verändern. Aber das wissen wir ja nicht erst seit gestern. Der aufmerksame Leser neurechter und rechtskonservativer Medien weiß das doch spätestens seit den 90ern. Nur: Wie lange sollen wir uns denn noch verdutzt und empört die Augen reiben? Wie lange soll man denn noch daran kaputt gehen, daß Deutschland ethnisch nicht so homogen sein wird, wie man es gerne hätte. In dieser Hinsicht geht es vielleicht tatsächlich um die Aufrechterhaltung dessen, was als Etikett bezeichnet wird, was aber durchaus auch die Bezeichnung „Kultur“ oder „kulturelle Leistungen“ verdient hätte. Und in dieser Hinsicht gilt es nun mal zu retten, was zu retten ist. Und da geht noch einiges, das ist einfach so.
Da wir nunmal unsere Kinder in diese Welt setzen, ist es – auch bei wütender Trauer – unsere Verantwortung, dem gemischten Volk, welches das Deutsche ablösen wird, ein deutsches Gesicht zu geben. Denn vieles von dem, was wir mit Gerechtigkeit verbinden (zum Beispiel Umverteilung, politische Teilhabe, Rechtssicherheit, Strafverfolgung) hängt am Staatlichen. Und damit in Deutschland am Deutschen. Natürlich ist auch hier die Gegenrede möglich, in Schlagworten: EU, Volkscharakter, NATO, Dekadenz, die Liste ist ohne Ende. Nur wären wir da wieder beim Jammern.
Insofern hätte die Botschaft des Textes nicht „Klagt nicht, es ist doch alles in Butter“ lauten sollen. Die Botschaft sollte vielmehr heißen „Klagt nicht, sondern versucht etwas zu ändern“. Diese Aufforderung provoziert natürlich die Gegenfrage „Ja was denn, bitteschön?“
Dies sei hiermit zur Debatte gestellt.
Alexander
Selbstredend müssen 'Jammerrechte' sich in erster Linie selbst ändern - zumindest in den Augen jemandes , der 'sich gedanklich multipliziert und sagt: Stellt uns neben die Jungmänner aus der Türkei, dem Libanon, Nigeria – wir bieten ihnen eine Identität, die sie nicht abschlagen können', dem es in erster Linie um ein subjektiv empfundenes Wohlbefinden geht, der findet, die Zuwanderer entsprächen 'moralisch, ästhetisch und ökonomisch' durchaus unserem arithmetischem Mittel.
'Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben' spricht der Stoiker und blinzelt. Was ist schon Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?. 'Können wir und nicht auch in einem Melting Pot den Bauch noch recht ordentlich vollschlagen?' fragt der deutsche Jungmann, winkt seine darob angeekelten Landsmänner zu den Futtertrögen und wundert sich herablassend stirnrunzelnd über deren Starrsinn.
Aber: Für die Konservation unerträglicher Zustände sind diese sich nunmal zu schade. Die von Ihnen, Herr Böcker, hingenommene, absehbare ethnische und kulturelle Zukunft Deutschlands wirkt auf weniger erlebnisorientierte, sondern in größeren Zusammenhängen denkende junge deutsche Männer, mit einem sich von Ihrem sehr unterscheidenden ästhetischen Empfinden, lähmend.
Ich mutmaße, Sie betrachten den Wunsch eines Rechten nach Erhalt ethnischer Homogenität unter gegebenen Umständen als den 'tyrannische[n] Wille[n] eines Schwer-Leidenden [...], welcher das Persönlichste, Einzelnste, Engste, die eigentliche Idiosynkrasie seines Leidens noch zum verbindlichen Gesetz und Zwang stempeln möchte und der an allen Dingen gleichsam Rache nimmt, dadurch daß er ihnen sein Bild, das Bild seiner Tortur aufdrückt, einzwängt, einbrennt.'
Mir jedoch geht es lediglich darum, dass ich meinen Kindern die Möglichkeit - nur die Möglichkeit - geben möchte, so zu leben, wie es mir nach meinem ästhetischen Empfinden überhaupt erträglich erscheint. Deshalb bin ich von das von Herrn Kubitschek durch den Titel dieses Magazins suggerierten Fernziels einer Sezession gerade so sehr angetan. Dass man die sich uns aufgedrängten Massenzuwanderer nicht ohne weiteres wieder los wird, ist wohl jedem bewusst. Aber warum sollte man Zufriedenheit über diesen Zustand kommunizieren, statt eine, möglicherweise unrealistische, aber gerechtfertigte Maximalforderung zu stellen?
Übrigens spricht die von Ihnen gutgelaunt-unreflektiert hingeworfene Verabsolutierung Ihres eigenen ästhetischen Empfindens Bände.
Dass Sie jedoch die Ästhetik überhaupt als Kriterium des Wertes oder Unwertes möglicher Zukünfte erkannt haben, lässt hoffen. Bis Ihnen klar wird, dass es nicht 'ein', sondern 'das' Kriterium ist, würde ich an Ihrer Stelle hier zumindest bis Sie mit Ihrem Studium fertig sind, mehr lesen als Schreiben. Gegen Konsum haben Sie doch nichts?