Das Buch ist gut geschrieben und läßt es an eindeutigen Urteilen nicht fehlen. Einleitend weist er auf die Diskrepanz zwischen der NSWeltanschauung und dem, wofür der Kaiser steht, hin, so daß die in diesem Bereich üblichen Gleichsetzungen gleich als absurd entlarvt sind.
Der Leser weiß also, was ihn erwartet, wenn Pintschovius das Leben des Kaisers bis zur Abdankung detailliert nachzeichnet. Ein besonderes Verdienst sind die Schilderungen der Umstände, in denen der Kaiser regierte. Wenn Röhl beispielsweise genüßlich den Eulenberg-Skandal ausbreitet, in dem es um Homosexualität und Patronage ging, weist Pintschovius auf zwei Tatsachen dieses Falles hin, die gern vergessen werden: das Ausmaß der Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz: »Einflußnahmen oder auf die Berücksichtigung einer gebotenen Staatsraison drängende ministerielle Beeinflussung der Staatsanwaltschaft waren, durchaus im Unterschied zu heutigen Gegebenheiten, undenkbar.« Die Friedensliebe des Kaisers wird durch seine preußische Erziehung verdeutlicht: Bereitschaft zum Krieg fordern, ohne diesen zu suchen. Diese Haltung, und das könnte man als die Tragik Wilhelms bezeichnen, entfremdete ihn erst von den neuen Eliten und schließlich vom eigenen Volk.
(Joska Pintschovius: Der Bürger-Kaiser. Wilhelm II. Berlin: Osburg 2008. 534 S., 26.90 €)