… der sich in Berlin in eine Demonstrations-Blockade “gegen Nazis” einreihte. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung stellten sich 10.000 (!) Zivilcouragierte, darunter eine erkleckliche Anzahl von Autonomen und Linksextremisten, einem Bataillon (SZ: “Aufmarsch”) von 500 (!) rechtsextremen Demonstranten entgegen.
Das ist also nach Adam Riese ein Verhältnis von 1:20. Und so nehme ich einmal an, daß es in solch einer Lage nicht allzuviel “Mut und Courage” (Zitat von Thierses Netzseite) kostet, pressewirksam den schneidigen Widerständler gegen die braune Gefahr zu spielen. Entscheidend ist indessen, daß sich Thierse hier offen an einem Rechtsbruch und einem Verstoß gegen das Grundgesetz beteiligt hat.
Was dieses Jahr in Dresden im großen Stil, und ebenfalls unter Beteiligung bürgerlicher, aber weniger prominenter Politiker inszeniert wurde, hat noch einigermaßen Beifall von den Medien bekommen. Daß nun aber eine repräsentative Figur wie Thierse, der übrigens ohnehin ein recht laxes Verhältnis zum Rechtsstaat pflegt, derart ungeniert eine Grenze überschreitet, war nun nicht mehr zu beschönigen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat seinen Rücktritt gefordert, Parteigenossen wie Ehrhart Körting und Fritz Felgentreu haben Kritik geübt, und auch die Pressekommentare sind vorwiegend negativ ausgefallen.
Nun aber meine Prognose: Thierse wird die Chose durchsitzen und sie wird letztendlich keine gröberen Konsequenzen haben für ihn. Denn jemand wie er würde an so einer Veranstaltung nicht teilnehmen, wenn er nicht insgeheim wüßte, daß er ohnehin zu den immer oben schwimmenden Fettaugen gehört. Und mit der dicken, selbstverliehenen Superdemokraten-Medaille um den Hals, im satten, selbstgerechten und irgendwie auch komischen Vollgefühl der eigenen Gutmenschlichkeit, das für ihn so penetrant kennzeichnend ist, fühlt sich der antifaschistische Heliumballon ohnehin unverwundbar. Dieses Kalkül hegt er wohl zu Recht: denn auf lange Sicht hin wird ohnehin niemand ein (auch wohlverstandenes) Interesse haben, die Angelegenheit ernsthaft zu ahnden. Mehr als ein eher müde, eher pro forma, eher streberhaft erhobener Zeigefinger wird da vermutlich nicht drinnen sein.
Ganz anders erging es da einem kleinen Partei-Bauern, dem langjährigen Leiter der Dortmunder Feuerwehr Klaus Schäfer. Nachdem bekannt wurde, daß er an einer Mai-Demo von “Freien Nationalisten” teilgenommen hat, wurde er ruckzuck vom Dienst suspendiert. Nun soll auch ein Parteiausschlußverfahren in Gang kommen. Wie man das von der Partei so gewohnt ist, spucken ihm die Dortmunder Genossen eifrig nach, so etwa die Bürgermeisterin Birgit Jörder (SPD), die mit dem anzüglichen Satz zitiert wird, Schäfer habe ja immer schon “sehr an seiner Uniform gehangen”. Das einzige inhaltliche Statement, das bisher von diesem selbst überliefert wird, ist, daß ihn das Motto “Für deutsche Arbeitsplätze und für gerechte Löhne” angesprochen hätte.
Im Gegensatz zu Thierse hat Schäfer keinen Rechtsbruch begangen, sondern hat völlig legal von seinen Grundrechten Gebrauch gemacht, deren Ausübung sein in der Parteihierarchie weit über ihm stehender Genosse andernorts behindern half, im Verein mit radikalen (“extremistischen”), gewaltbereiten Gruppierungen. Ist die fristlose Suspendierung des Feuerwehrschefs nicht auch ein Verstoß gegen das GG? Wir erinnern uns: “Niemand darf wegen (…) seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.” Im Gegensatz zu Thierse hat Schäfer für sein “Gesicht zeigen” umgehend einen hohen Preis bezahlt. Im Gegensatz zu Thierse ist er kein repräsentativer Politiker, der ständig von “Mut und Courage” faselt, sondern, jetzt mal schlicht gesagt, ein Feuerwehrmann. Ein Feuerwehrmann soll Brände löschen, ein Schornsteinfeger Schornsteine fegen, ein Bäcker Brötchen backen. Seine politische Einstellung ist, im Gegensatz zu einem Berufspolitiker und selbsternannten Hüter der öffentlich politischen Moral, reine Privatsache.
Ja, Thierse! Es macht in der Tat einen Unterschied, “ob man Demokratie verteidigt oder ob man Demokratie angreift.”
Ich für meinen Teil denke hier wieder an den Satz von Armin Mohler: “Was ich den Liberalen nicht verzeihe, ist, daß sie eine Gesellschaft geschaffen haben, in der ein Mensch danach beurteilt wird, was er sagt – und nicht danach, was er tut.”
Doey
Hallo,
kleine Korrektur:
Die Demonstration in Dortmund war nicht von der NPD oder wie woanders behauptet von Autonomen Nationalisten angemeldet sondern von (Partei-)Freien Nationalisten.
Ich komme zufällig aus Dortmund und habe auch an besagter Demonstration teilgenommen. Glücklicherweise habe ich nicht so einen hohen Bekanntheitsgrad wie Herr Schäfer, ansonsten würde gegen mich wohl auch eine Hetzkampagne gestartet werden, wie gegen Herrn Schäfer momentan.
Grüße aus Dortmund
Kommentar M.L.: Danke, wurde korrigiert!