Bitte, ich will da nicht mehr mitmachen

von Claus Wolfschlag

Ellen Kositza hat sich in ihrem Beitrag dem Mobbing von Normalbürgern gewidmet, die als Leser oder Freunde von Presseerzeugnissen...

der poli­ti­schen Rech­ten, spe­zi­ell Jun­ge Frei­heit und Sezes­si­on, in Erschei­nung getre­ten sind. Eigent­lich woll­te ich nur einen klei­nen Kom­men­tar dazu abge­ben, aber nun ist doch ein gan­zer Tage­buch-Ein­trag dar­aus geworden.

In Kositz­as Bei­trag kam die Fra­ge auf, wer, wann und war­um Opfer von beruf­li­cher und sozia­ler Aus­gren­zung wird. Schließ­lich bemerkt man ja schon im eige­nen Umkreis unter­schied­li­che Inten­si­tä­ten sol­cher Erfah­rung. Man­che Leu­te bekom­men davon gar nichts mit, ande­re offen­bar sind etwas här­ter von sol­chen Din­gen betroffen.

Das alles ist natür­lich ein altes The­ma. Und eini­ge Fäl­le aus unse­rer frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Gesell­schaft sind ja bereits in diver­sen Büchern, Bro­schü­ren und Arti­keln gut doku­men­tiert (auch wenn das aus doku­men­ta­ri­schen Grün­den noch bei wei­tem nicht aus­reicht). Indes, es wäre ein guter Gegen­stand einer gesell­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chung, war­um bestimm­te Kam­pa­gnen oder Mob­bing-Aktio­nen zu bestimm­ten Zei­ten star­ten und war­um sie dann bestimm­te Per­so­nen treffen.

Ich kann dazu nur eine nicht empi­risch beleg­te The­se bei­steu­ern. Es trifft heu­te wohl pri­mär zwei Grup­pen von Leu­ten (es gibt dane­ben natür­lich noch Sonderfälle):

Die Opfer sind zum einen Leu­te, die sich sozi­al ten­den­zi­ell unten bewe­gen. Hier greift bei der Beschrei­bung der Täter das alte Bild des ewi­gen Spieß­bür­gers, der nach oben buckelt und nach unten tritt. Er nimmt die Paro­len von oben auf, macht den Knicks vor irgend­wel­chen Lei­tern von beruf­lich-sozia­len Insti­tu­tio­nen oder Poli­ti­kern. Nach unten aber tritt er, wenn er mit­be­kommt, daß irgend­ein Müll­wa­gen-Fah­rer der Stra­ßen­rei­ni­gung irgend­ein “rech­tes” Blätt­chen auf dem Bei­fah­rer­sitz lie­gen­ge­las­sen hat. Oder wenn ein Dach­de­cker beim Schlep­pen von Schin­deln einen „rech­ten“ Anste­cker an der Jacke getra­gen hat. Oder wenn eine Kin­der­gärt­ne­rin irgend­ei­ne ent­fern­te „rech­te“ Ver­wandt­schaft hat. Dann erwacht im Spieß­bür­ger die Lust, sich auf­zu­spie­len und den Gut- und Macht­men­schen her­aus­hän­gen zu las­sen. Es ist im Grun­de wie­der ein­mal Fromms alter „auto­ri­tär-maso­chis­ti­scher Cha­rak­ter“, nun unter den Bedin­gun­gen eines geis­ti­gen Anti­fa-Über­baus in der Gesamtgesellschaft.

Zum ande­ren sind es Leu­te, die einen Kar­rie­re­sprung vor sich haben. Das trifft meist jün­ge­re, gebil­de­te Leu­te, die einen neu­en Beruf anstre­ben, eine Beför­de­rung erhal­ten oder in eine Posi­ti­on gelan­gen, bei der sie Ein­fluß, z.B. auf ande­re jün­ge­re Men­schen, neh­men könn­ten (Erzie­hungs­we­sen usw.; gera­de Leh­rer wur­den ja in die­sem Bei­trag ange­spro­chen). Hier tref­fen zwei Moti­ve der Täter zusam­men. Zum einen Angst vor einer dif­fus-bedroh­li­chen Macht, die nun in eine höhe­re Ein­fluß­po­si­ti­on gelan­gen könn­te, zum ande­ren purer Sozi­al­neid. Über das Mob­ben kann man schließ­lich die eige­ne sozia­le Posi­ti­on oder die von engen Freun­den ver­tei­di­gen. Auch ein uraltes The­ma. Und gera­de im Erzie­hungs­sys­tem lau­fen die­se Mecha­nis­men natür­lich ganz schnell heiß, denn hier gibt es grü­nes Licht von „oben“. Die Leu­te von „oben“ ver­su­chen schließ­lich stets ihre eige­nen Macht­po­si­tio­nen durch die Indok­tri­na­ti­on Jugend­li­cher auch für die Zukunft abzusichern.

Ansons­ten haben die von Ellen Kositza geschil­der­ten Ein­zel­fäl­le einen aus­ge­spro­chen skur­ri­len Cha­rak­ter. Sind die Auf­pas­ser Leu­te mit einem IQ unter 70? Was ist denn das für eine omi­nö­se „Haus­ge­mein­schaft“, die sich dar­um küm­mert, wel­che Zei­tung ein Mit­mie­ter im Gar­ten liest? Und die­ser komi­sche Ver­mie­ter? Leben die­se Leu­te alle in Nord­ko­rea? Und die­ser Kin­der­gar­ten? Will man bei sol­chen Cha­rak­te­ren über­haupt sein Kind einen hal­ben Tag las­sen? Und die­se Mit­ar­bei­ter, die mit einer jun­gen Dok­to­ran­din, mit der sie sich ja offen­bar vor­her gut ver­stan­den, kein Wort mehr reden? Hat die­se Dok­to­ran­din aus­ge­rech­net bei der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung oder bei indy­me­dia gearbeitet?

Nun zur Reaktion:

1. Natür­lich ist die Fra­ge nach dem „War­um“ ein ers­ter Schritt. Zum einen bie­tet sie kom­men­den Dok­to­ran­den gute The­men für sozi­al­psy­cho­lo­gi­sche Unter­su­chun­gen, zum ande­ren hat sie einen so schön zur Gegen­wart pas­sen­den dada­is­ti­schen Klang.

2. Eine zwei­te Idee, die ich ja schon lan­ge pro­pa­gie­re, ist der schritt­wei­se Auf­bau einer Hilfs- und Bera­tungs­in­sti­tu­ti­on für Opfer von „Poli­ti­cal Cor­rect­ness“. Nichts poli­tisch Ein­sei­ti­ges wie die „Rote Hil­fe“, son­dern eine eher poli­tisch neu­tra­le Anlauf­stel­le nach der Struk­tur des „Wei­ßen Rings“. Juris­ten, Psy­cho­lo­gen, Kri­mi­no­lo­gen und Sozi­al­be­treu­er, denen man der­ar­ti­ge Fäl­le schil­dern kann und die Hil­fe anbie­ten. Hil­fe zuerst ein­mal für alle Men­schen, die auf­grund poli­ti­scher Mei­nun­gen oder Bekannt­schaf­ten dis­kri­mi­niert, gemobbt usw. wer­den. Eine Insti­tu­ti­on, die, ähn­lich wie “amnes­ty inter­na­tio­nal”, auch die Urhe­ber – d.h. bestimm­te Unter­neh­men und Ein­rich­tun­gen, die ver­ant­wort­lich für der­ar­ti­ge Dis­kri­mi­nie­run­gen sind – öffent­lich macht. Das ist noch Zukunfts­mu­sik. Und über solch ein lang­fris­tig ange­leg­tes Pro­jekt wird noch sicher viel debat­tiert wer­den müs­sen. Eine Vor­stu­fe kann sicher­lich ein Mehr an gegen­sei­ti­ger Hil­fe sein. Viel­leicht geht es ja z.B., daß sich “Sezession”-Leser regio­nal inso­fern ver­net­zen, daß sie irgend­wann auf den “frei­en Kin­der­gar­ten” pfei­fen, son­dern im Rota­ti­ons­prin­zip auf die Kin­der des ande­ren auf­pas­sen, daß sie eige­nen Freun­den die Woh­nung ver­mie­ten usw. Die Ur-Chris­ten z.B. haben auch durch sol­che Soli­da­ri­tät über­lebt, nicht durch die Gna­de der römi­schen Mehrheitsgesellschaft.

3. Kann eine Ände­rung natür­lich nur ein­tre­ten, wenn man Urhe­ber auch bekannt macht. Mit Berich­ten über irgend­ei­ne Dok­to­ran­din, irgend­ei­nen Ver­mie­ter, irgend­ei­ne Fami­lie, irgend­ei­nen Kin­der­gar­ten usw. ist nie­man­dem gehol­fen. Also, bit­te kon­kret. Und mit ein klein wenig mehr Mut und Kon­flikt­be­reit­schaft der Opfer. Was es braucht, sind Namen, Ort und Datum. Und zwar nicht nur der Opfer, son­dern auch der Täter. Was ist das für ein Ver­mie­ter, der Leu­ten ein­fach so kün­digt, obwohl sie sich offen­bar nichts zuschul­den haben kom­men las­sen? Was für eine Ver­gan­gen­heit, z.B. in ande­ren poli­ti­schen Sys­te­men, hat­te die­ser Mann viel­leicht? Was ist das für eine Arbeits­stel­le, in der einen Kol­le­gen von einem Tag zum ande­ren mob­ben? Wel­che Macht­struk­tu­ren herr­schen dort? Was ist das für ein frus­trier­ter Mit­mie­ter, der sich damit beschäf­tigt, was ande­re Leu­te im Gar­ten für Lek­tü­re lesen? Das geht ihn näm­lich über­haupt nichts an, egal ob man “Sezes­si­on” oder “Spie­gel” oder “Neu­es Deutsch­land” oder – wenn es denn unbe­dingt sein muß – “Bild-Zei­tung” liest. Schließ­lich fragt auch zu Recht nie­mand nach den Por­no­heft­chen in sei­ner Nachttischschublade.

In der Regel wer­den die­se Leu­te ganz klein mit Hut, wenn man auch ihre Namen mal öffent­lich macht. Sie ver­ste­cken sich näm­lich hin­ter der Anony­mi­tät. So wie einst die­je­ni­gen, die ach so bereit­wil­lig Juden denun­zier­ten, um sich irgend­wel­che Vor­tei­le zu ver­schaf­fen, oder die ihre Nach­barn ein­fach mal so in den Gulag schick­ten, damit die grö­ße­re Neben­woh­nung für sie sel­ber frei wird.

Mit sol­chen Diede­rich Heß­ling-Visa­gen kann doch kein Mensch, der noch ein biß­chen Cha­rak­ter, Frei­geist und Huma­ni­tät bewahrt hat, län­ger als zwei Stun­den zusam­men woh­nen und oder arbei­ten. Nein, dann bit­te lie­ber obdach‑, arbeits- und kin­der­gar­ten­los, lie­ber im Sozi­al­block auf der Matrat­ze her­um­lie­gen, als auch nur eine Minu­te mit sol­chen kran­ken Gestal­ten zu tun haben zu müs­sen. Des­halb lau­tet die pro­gram­ma­ti­sche Über­schrift die­ses Bei­trags bewußt nicht „Du machst nicht mehr mit“, son­dern „Bit­te, ich will da nicht mehr mitmachen“.

Reagie­ren kann man auf zwei­er­lei Art: Ein­fach mal eben­so zurück­plär­ren (ein lus­ti­ges Sozi­al­ex­pe­ri­ment). Oder die Tech­nik, die mir ein­mal die Lei­te­rin eines Medi­ta­ti­ons­kur­ses erzählt hat­te. Immer wenn sie einen nega­ti­ven Men­schen mit schlech­ter Aura spürt, so sag­te mir die net­te Dame, dann stellt sie sich eine anthra­zit­graue Wand vor, die zwi­schen ihr und die­sem ande­ren Men­schen nach oben wächst. So mache ich das seit­dem auch manch­mal. Und bis dann wie­der der Mau­er­fall ein­setzt, hat sich die­ses Gegen­über längst weggefurzt.

Foto: Ulrich Kroes, pixelio.de

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