Er hatte eine erschütternde Wirkung auf mich, und sprach mit einer berückenden Klarheit aus, was mir selbst schon lange auf der Seele gelegen war. Besonders die Formel “Sie verwechseln das Vaterland mit der Republik” trifft präzise die Lage und bietet auch den Schlüssel, um zu verstehen, was in Deutschland vor sich geht.
Hier müßte man sagen, “Sie verwechseln das Grundgesetz mit dem Vaterland”, und das Grundgesetz wiederum mit dem “überspitzten utopischen Humanismus” der Menschenrechtsideologie. Das zweite starke Bild des Artikels ist das von den “Einsiedlerkrebsen”, die in naher Zukunft die verlassenen Gehäuse dieser ausgestorbenen Spezies namens “Franzosen” bewohnen werden.
Raspails Thesen finden zur Zeit tagtäglich Bestätigung für den, der offenen Auges auf das Tamtam um die Fußball-WM blickt. Mir wurde wegen eines polemischen Blogbeitrags zu dem Thema vorgeworfen, mal wieder den Spielverderber spielen zu wollen. Vielleicht hat Dieter Stein die Diskussion dort mitverfolgt, und daran gedacht, als er in seinem Leitartikel in der aktuellen JF schrieb: “Ich gebe zu, daß mich das intellektuelle Naserümpfen über die patriotische Begeisterung des Volkes abstößt.”
Die Sache, um die es hier geht, hat allerdings weder etwas mit “Naserümpfen” noch mit Intellektualismus zu tun. Gerade für uns Konservative sollte es die vordringlichste Aufgabe sein, auch in solchen Lagen, in denen scheinbar alles endlich so läuft, wie wir es immer ersehnt haben, einen kühlen Kopf und die Beine auf dem Boden zu bewahren. Das bedeutet auch den Mut zum Unpopulären, und sich unempflindlich gegen den Vorwurf des “Spielverderbertums” zu machen.
Niemandem soll das Vergnügen an der WM benommen sein, und selbstverständlich ist es zu begrüßen, wenn die Nation von großen Teilen des Volkes wieder positiv erlebt wird. Diese Gefühle und Erlebnisse sind ohne Frage unentbehrliche Grundlagen des Patriotismus, und schon die WM 2006 brachte einen deutlichen Sinneswandel mit sich. Die Frage ist nur, wie tragfest und verbindlich dergleichen Gefühlswallungen sind, wenn die Party erst vorbei ist, und etwa der Ernstfall eintritt, in dem Patriotismus wirklich gebraucht wird.
Was mich, wie gesagt, am Schwarz-Rot-Gold-Overkill der letzten Wochen am meisten frappiert, ist die bizarre Diskrepanz zwischen dem äußeren frenetischen Fahnengeschwenke und der faktischen inneren Desertation der Deutschen und ihrer führenden Eliten, die sich weiterhin politisch so verhalten, als hätten sie unsere Zukunft längst aufgegeben.
Was das “Volk” betrifft, sofern es noch als solches ansprechbar ist, so benennt “desertieren” hier die allgemein verbreitete lethargische “Nach-mir-die-Sintflut”-Attitüde, meint den mangelnden Wille, sich zu ehren, zu wehren und zu vermehren. Erst wenn nach dem etwaigen deutschen WM-Sieg die deutschen Geburtenraten in die Höhe schnellen, dann bin ich vielleicht bereit, all das Tamtam optimistischer zu sehen.
Genauer hinzusehen empfiehlt sich auch angesichts der Flaggen-Farce von Neukölln. Die größte Deutschlandfahne Berlins haben die arabischen Brüder Bassal an ihrem Laden angebracht, und daraufhin prompt Ärger mit Antifanten bekommen, die die Fahne wieder abgerissen haben. Was die Araber nicht entmutigen konnte: „Die deutsche Fahne hängt, und wir werden sie verteidigen”. Alle mal kurz gelacht über einen Schwank, wie er so nur in der Bundesrepublik stattfinden kann. Denken wir nicht darüber nach, wieso eigentlich weit und breit kein deutscher Ladenbesitzer eine solche Fahne aufgehängt hat, und wie es ihm ergehen würde, wenn er mit solchen Sprüchen käme.
Die besagten Araber jedenfalls können mit den Sympathien der meisten Deutschen rechnen, denn es ist ja so, daß diese sich, wenn sie nicht gerade Antifanten, sondern normale Menschen sind, in der Regel über integrierte Ausländer aufrichtig freuen, und als Prügelknaben der Welt wohl auch froh darüber sind, wenn ihre Fahne von den anderen zur Abwechslung mal geliebt wird und man mit ihnen zusammen über die Fußballsiege jubelt. (Man wird indessen wohl auch nicht daran zweifeln, daß diese Aktion dem Geschäft der Bassals nicht gerade geschadet hat.)
Was hier allerdings geschehen ist, ist eher ein Akt der Okkupation als der Integration, denn:
Die Flagge hänge dort „nicht wegen des Zweiten Weltkriegs, sondern wegen der deutschen Mannschaft: Weil die deutsche Mannschaft ja nicht mehr richtig deutsch ist; das ist ja Multikulti, wir gehören dazu”, erläuterte Bassal gegenüber der JF.
Damit liegt Bassal durchaus im Trend. Nicht nur Christian Wulff möchte eine “buntere Republik”, der ganze mediale Tenor läuft darauf hinaus, über die WM-Schiene den Patriotismus immer stärker in Richtung Multikulturalismus zu verschieben. Dies ist letztlich die mal ausgesprochene, mal unausgesprochene Generalklausel, unter der dieser überhaupt zugelassen wird.Vermutlich war bereits die auffällig überproportional “multikulturelle” Zusammensetzung der Nationalmannschaft in diese Richtung motiviert. Auffälligstes Indiz ist der übertriebene Kult, der um Mesut Özil getrieben wird, der auch für die in die Deutschland lebenden Türken als Identifikationsanker dient. Davor dürfen die Konservativen vor lauter Schwarz-Rot-Gold-Taumel nicht die Augen verschließen.
Ein Blick in den aktuellen Stern zeigt deutlich, wohin der Hase läuft: “Özil & Co” lautet die Titelstory, “Wie Migrantenkinder das WM-Team beflügeln – ein Modell für Deutschland” (ohne Fragezeichen). Der Text dazu klingt so:
Mit herzerfrischendem Spiel erfreut ein junges deutsches Team die ganze Nation. Daß in seinen Reihen die Kinder türkischer, tunesischer oder polnischer (Anm.: und wir fügen hinzu: ghanesischer, brasilianischer, bosnischer, nigerianischer, spanischer) Eltern den Takt vorgeben (sic), zeigt, wie schön im Sport Integration funktionieren kann… Gleich 11 der 23 Spieler haben ihre Wurzeln außerhalb Deutschlands – der Geist des Teams könnte die Nation verwandeln.
Dabei ist es nicht so, als ob hier etwas zur Wahl gestellt würde: es wird als ausgemachte Sache gehandelt, daß Deutschland in Zukunft sich immer mehr in einen “Vielvölkerstaat” (wie Robert Hepp schon vor fast dreißig Jahren formulierte) “verwandeln” wird und soll. Die Nationalelf dient hier durchaus als Symbol für das Ganze, für die Nation, und suggeriert wird vor allem, daß es ohne die “Migranten” nicht mehr ginge, wenn “wir” vorankommen wollen, daß sie begabter, energievoller, sportlicher, jünger, “herzerfrischender” seien als die müden Eingeborenen, nicht nur was den Fußball betrifft. Ja, “politisch” ist der “WM-Patriotismus” in der Tat, aber kaum à la “Wunder von Bern”, sondern eher in die von Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn benannte Richtung zusteuernd – der Erfolg der migrantischen Spieler sei
… ein Märchen – noch sind gelungene Eingliederung und Anerkennung bei Einwanderern alles andere als selbstverständlich. Fußball aber zeigt beiden Seiten, was möglich ist – und könnte so durchaus ein Modell für ein neues Deutschland sein.
Damit Widerspruch gegen diese Trends – und sei es nur auf rein emotionaler und affektiver Basis – schon im vorhinein plattgemacht wird, geistern durch die Medien seit einiger Zeit hämische, auf Internetforendemoskopie basierende Berichte darüber, wie “Rechtsextreme” und “Nazis” wegen der “Cacaus, Boatengs und Özils” nun “ernsthafte Identitätsprobleme” hätten (taz vom 24.6.2010).
Hier dienen die “Nazis” natürlich wieder einmal mehr als praktischer Popanz, um auch in die andere Richtung wirksame Drohsignale auszusenden: Wer nämlich angesichts dieser Entwicklung Unbehagen, Enttäuschung und eine Trübung der Freude am Spiel verspürt, das ja als repräsentativer nationaler Wettstreit konzipiert ist, der ist wohl selber so ein häßlicher und verkrampfter “Nazi” oder “Rechtsextremer”. Und das ist das Letzte, was irgend jemand sein will. Dabei sind es aber vermutlich sehr viele Deutsche, die insgeheim so empfinden, wofür auch das lautstarke Gedöns spricht, mit dem allerortens vorgeschrieben wird, wie sehr man sich über die “Integration” als primären Gewinn der WM freuen soll.
Ob “Integration” zur “Desintegration” wird oder gar plötzlich die Stoßrichtung wechselt, ist aber vor allem eine Frage von Quantitäten. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo der Begriff schon längst nicht mehr bedeutet, was er bedeuten soll, und eines Tages wird man auch den Deutschen abverlangen, sich so farbenblind zu stellen wie die Franzosen. Und dann darf unser alter Freund Dany “die Zerrissenheit, den Haß und den Neid dieser Gesellschaft”, die er selber mit eingebrockt hat, auch in Deutschland beklagen.
drieu
Passend dazu ein Zitat aus dem Drama "des Teufels General" von Carl Zuckmeyer, auch verfilmt mit Curd Jürgens, welches dem
Fliegeras Ernst Udet von Zuckmeyer gewidmet wurde, wo es um Probleme mit dem "Ariernachweis" eines Kameraden geht:
"Vom Rhein - noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor - seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant - das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt - und - und der der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und - ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt - wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein - das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann - und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost."
Im Fußball sind es wirklich die Besten, die kommen und mitspielen wollen. Auf den Rest der Gesellschaft angewandt ist die Nationalmannschaft dadurch wirklich ein wichtiges Vorbild.