Variante FAZ, Variante Brodkorb

"Die Zeichen mehren sich", meint Karlheinz Weißmann, und ich meine, ein paar weitere entdeckt zu haben.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

In der FAZ wur­de unlängst unser all­seits belieb­ter Meis­ter Brod­korb mal wie­der als eine Art Licht­ge­stalt und Intel­li­genz­bes­tie jen­seits des grü­nen Klees ange­harft. Anläß­lich des juris­ti­schen End­sie­ges Brod­korbs über “Thor Stei­nar” refe­riert der Ver­fas­ser des­sen bis­he­ri­ge Wer­ke und Taten, vom Stor­chen­kalau­er bis zur Tota­li­ta­ris­mus­theo­rie, in einem Ton­fall, der eher sym­pa­thi­sie­ren­de Zustim­mung als kri­ti­sche Distanz erken­nen läßt.

Neh­men wir den Brod­korb selbst ein­mal bei­sei­te, und tun wir ein­mal ver­suchs­wei­se so, als wäre er nur der Vor­wand, um auch in der FAZ unge­straft bestimm­te The­sen zu lan­cie­ren, so kann man, wenn man will, zwi­schen und in den Zei­len u. a. fol­gen­des herauslesen:

* eine demo­kra­ti­sche Rechts­par­tei ist legitim.

* die SPD begeht einen Feh­ler, wenn sie alles, was rechts von Mer­kel steht, ausgrenzt.

* die CDU ins­ge­samt ist stark nach links gerutscht und kaum noch als kon­ser­va­ti­ve Par­tei zu bezeichnen.

* ein “rech­ter CDU-Mann” an der Regie­rung ist bes­ser als ein Linksextremer.

* die Jun­ge Frei­heit ist kei­ne rechts­extre­me Zeitung.

* Es gibt eine kla­re Trenn­li­nie zwi­schen NPD und JF.

* für die JF zu schrei­ben ist auch für CDU-Leu­te legi­tim, die Aus­gren­zung der betrof­fe­nen Übel­tä­ter (Bei­spiel Krau­se und Roh­bohm) unzulässig.

* Thors­ten Hinz ist eine “rech­te Edel­fe­der” und einer respekt­vol­len Aus­ein­an­der­set­zung würdig.

* die NPD ver­tritt zum Teil, etwa in geschichts­po­li­ti­scher Hin­sicht, “durch­aus legi­ti­me Inter­es­sen”,  die von ihr aller­dings “rechts­ra­di­kal besetzt werden”.

Das ist ja schon eine gan­ze Menge.

Inzwi­schen hat auch der links­li­be­ra­le Wie­ner Stan­dard den neu­en Star der Kampf-gegen-Rechts-Sze­ne ent­deckt und inter­viewt. Ich erlau­be mir, auch hier­aus ein paar Punk­te her­aus­zu­pi­cken und sie zuge­spitzt umzu­for­mu­lie­ren, mög­lichst ohne dabei den Kon­text zu verfälschen:

* die Teil­nah­me an einer Anti-Nazi-Blo­cka­de bedeu­tet einen Rechts­bruch und ist mit einem demo­kra­ti­schen Rechts­staat nicht zu vereinbaren.

* “Es ist schwie­rig, wenn eine ein­zel­ne Grup­pe fest­le­gen will, wer Ver­fas­sungs­feind ist, wenn in die­ser Grup­pe selbst Ver­fas­sungs­fein­de sind.”

* Intel­li­gen­te, sinn­su­chen­de jun­ge Men­schen wen­den sich nicht sel­ten nach Rechts.

* “Die Men­schen­rech­te” sind “zu einer Art Ersatz­re­li­gi­on gewor­den (…), an die man glaubt, die man aber nicht begründet.”

* Die über­mä­ßi­ge Fixie­rung auf Ausch­witz hat eine nega­ti­ve Beschrei­bung der eige­nen Iden­ti­tät zur Folge.

* Bezüg­lich des Rechts­extre­mis­mus sei “Alar­mis­mus nicht ange­mes­sen, auch wenn es in eini­gen Regio­nen sicher sehr pro­ble­ma­ti­sche Zustän­de gibt.”

* Extre­mis­ti­sche Ent­wick­lun­gen kann man “auch als Pro­blem­an­zei­ger sehen.”

* Von die­sen “Pro­ble­men” ist das gra­vie­rends­te die­ses: daß der jet­zi­ge libe­ra­le demo­kra­ti­sche Staat kei­ner­lei spi­ri­tu­el­le oder geis­ti­ge Inhal­te anbie­ten kann, die den Men­schen Halt und Ori­en­tie­rung geben. “Wir dis­ku­tie­ren nicht über den Sinn des Lebens, über Glück, über den Tod, also über all’ die­se fun­da­men­ta­len The­men, die uns Men­schen bewegen.”

* Die “moder­ne Welt ist im Rah­men eines glo­ba­li­sier­ten Kapi­ta­lis­mus – wo an die Stel­le von Sinn der Kon­sum tritt – (…) sinn­ent­leert… Jeder, der ein­mal kurz nach­denkt, spürt, daß wir die­ses Pro­blem haben.”

* “Volks­ver­het­zungs­pa­ra­gra­fen” sind nutz­los. “Denn die sind so unprä­zi­se for­mu­liert, daß sie einen gro­ßen Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum bieten.”

* “Am rech­ten Rand” wird das “zuläs­si­ge Den­ken sehr viel enger und rigi­der beur­teilt, als das am lin­ken Rand zuläs­si­ge Den­ken – auch wie­der auf­grund unse­rer Ver­gan­gen­heit. Wir haben eine Art Links­ver­schie­bung in der Repu­blik, sonst wäre Frau Mer­kel nicht Bundeskanzlerin.”

Abwei­chen­de Wer­tun­gen, Gewich­tun­gen, For­mu­lie­run­gen und etwa­ige dar­aus gezo­ge­ne Kon­se­quen­zen abge­rech­net, sind all das The­sen, die tag­täg­lich von der JF, der Sezes­si­on und in der inzwi­schen schon statt­lich ange­wach­se­nen und wei­ter wach­sen­den kon­ser­va­ti­ven Blogo­sphä­re ver­tre­ten werden.

Impli­zit gibt Brod­korb auch zu, daß die Lin­ke auf die­se Pro­ble­me, vor allem die Sinn- und Iden­ti­täts­fra­ge, kei­ne Ant­wort zu geben imstan­de ist. Alles, was er selbst anzu­bie­ten hat, ist der Glau­be an die ver­meint­lich voll­kom­me­ne Ratio­na­li­tät der Men­schen­rech­te (zu denen er ein bei­nah scho­las­ti­sches Ver­hält­nis pflegt) als auch poli­ti­sches summum bonum. Das wird theo­re­tisch nicht zu hal­ten sein und prak­tisch nicht aus­rei­chen. Auf­grund sei­ner vor­wie­gend abs­trakt-mathe­ma­ti­schen Den­kungs­wei­se fehlt Brod­korb der Sinn für das Poli­ti­sche als “kon­kre­tes Ord­nungs­den­ken”, eben­so wie für his­to­ri­sche Kon­kre­tio­nen und die natio­na­le Fra­ge über­haupt. (Denn wer sind denn etwa “wir”, die wir, also offen­bar auch er, “unse­re” Iden­ti­tät via “Ausch­witz” nega­tiv beschreiben?)

Ent­ge­gen der Brod­korb-Legen­de in eige­ner Sache steht eine wirk­lich argu­men­ta­ti­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit dem kon­ser­va­ti­ven Lager jen­seits von flei­ßi­gem Reader’s Digest­ing und eher ver­ständ­nis­lo­sen Ober­flä­chen­be­trach­tun­gen noch aus.  Was bis­her an Signa­len von Klo­novs­ky, Bolz, und nun auch Brod­korb gekom­men ist, sind erst­mal nichts wei­ter als grü­ne Lich­ter, die Schran­ken frei­zu­ge­ben, um die Dis­kus­si­on end­lich zu eröff­nen. Die­se Öff­nung ist über­fäl­lig, denn inzwi­schen haben aus purer Not­wen­dig­keit schon genug Güter die immer durch­läs­si­ger wer­den­de Gren­ze passiert.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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