Anderseits kann man immer mit Publicity rechnen, wenn man ins richtige Horn stößt, seien die Einfälle noch so lahm. Mit den Kalauern und Antifasprüchlein des satirischen Modelabels “Storch Heinar” haben es die Macher jedenfalls schon Ende 2008 auf Spiegel Online geschafft. Zuletzt gab es im Dezember 2009 Schützenhilfe, als der originale “Thor Steinar” gegen die Parodisten klagte. Nun hat auch noch die taz darüber berichtet.
Zwar ist die ganze “Storch Heinar”-Linie eher niedlich als lustig oder bissig (“Benito Storcholini”, hihi) und ihre Zielscheiben sind mehr als wohlfeil, aber zweifellos finden sich im Umkreis der ER-Leserschaft genug schlichte und kindliche Gemüter, die das Zeug nicht nur kaufen, sondern auch noch anziehen, sich dabei ungeheuer geistreich vorkommen und dem Projekt damit ein paar Kröten abwerfen.
Als müßte man es noch extra dazusagen (man muß wohl), wird ER-Spiritus rector Mathias Brodkorb mit dem quasi entschuldigenden Satz zitiert, Storch Heinar bliebe “intellektuell weit hinter dem zurück, was wir sonst tun”. Daran anschließend geht der Artikel dazu über, Brodkorb Raum für sein nicht minder cleveres Selbstmarketing und ‑branding zu geben. Da läßt zunächst ein Sound aufhorchen, dessen Abwesenheit ER bisher von anderen Seiten ähnlicher Machart abhob und auch Konservative neugierig gemacht hat:
Sein Engagement hat sich auf die Aufklärung über die Neue Rechte verlagert, hier sieht er eine “Riesenbildungslücke” und eine Gefahr: “Wir sind alle auf Neonazis fixiert und sehen oft nicht, daß es subtilere Möglichkeiten gibt, rechtsextrem und menschenverachtend zu sein.” Viele Stunden widmet er der Lektüre neuer Publikationen und der Jungen Freiheit.
Da klingt wieder das alte Lied von den “subtil getarnten Rechtsextremen” an, gegen das sich JF und sonstige neuen, alten und ex-neuen Rechten seit eh und je wehren, und das nicht zuletzt Brodkorb selbst als einer der wenigen in seinem Lager für sein Publikum zurechtzurücken suchte. Nun ist die “Neue Rechte” offenbar also doch wieder ganz brandgefährlich und “menschenverachtend”, wie das abgedroschene Klingel- und Nonsenswörtchen so geht.
Und was treibt man abgesehen vom Storch sonst noch intellektuell Hochwertiges auf ER? Tatsache ist, daß der Inhalt nun schon seit geraumer Zeit zu über den Daumen gepeilt 90 Prozent aus jenem stinknormalen, ebenso unreflektierten wie merkwürdig akribischen NPD-Watching und ‑Bashing besteht, das man zur Genüge von zig anderen Seiten kennt. Wer dementsprechende Neigungen verspürt und sonst nichts besseres zu tun hat, kann sich dort täglich mit neuen spannenden Kapiteln der NPD-Endlos-Soap-Opera aus der Durchschnittsfeder von Oliver Cruzcampo, Robert Scholz oder Hanka Kliese versorgen, während Brodkorb selbst nur mehr selten in Erscheinung tritt, und wenn, sich dann auch gerne in dem nämlichen öden Genre betätigt.
Nicht, daß ich die Berichterstattung über die “Neue Rechte” und was dafür gehalten wird, auf ER vermissen würde – im Gegenteil sähe ich die Rubrik lieber überhaupt gestrichen, nicht nur, weil sie dort nicht hingehört, sondern weil Seiten dieser Art ohnehin überflüssig sind und nach weltanschaulicher Überwachung schmecken. Aber die taz hebt diesen Aspekt der “Neue Rechte”-Aufklärung nun einmal prominent hervor, was viel über das Image der Seite aussagt.
Als nächstes folgt der Kern der inzwischen schon recht verbreiteten Brodkorb-Legende:
Brodkorb kämpft mit Argumenten, erkenntnistheoretischen, anthropologischen, und plädiert für eine Menschenrechtspädagogik an den Schulen.
Im Gegenteil wird nämlich auf ER so gut wie überhaupt nicht mit “Argumenten gekämpft”. In erster Linie wird sachlich dokumentiert (was in diesen Kreisen schon als große Leistung, mitunter als Provokation gilt), verdaulich zusammengefaßt und zitiert, hin und wieder kritisch oder ironisch kommentiert, aber eine tatsächliche, ernsthafte Auseinandersetzung mit den Begriffen und Positionen der Neuen Rechten (und nebenbei auch der NPD), wie die taz suggeriert, findet nicht statt.
Hier werden stattdessen reine Kartoffelkriege geführt, die den Gegner taktisch umschleichen, sich aber nicht auf das offene Schlachtfeld wagen. Denn dort könnte es wahrhaft ungemütlich werden. Eine politische Diskussion muß auf politischer Ebene geführt werden und nicht auf erkenntnistheoretischer. Das gleiche gilt für die historische Ebene. Und was die Anthropologie betrifft, so hat die Rechte ja gerade hier die gewichtigsten Argumente auf ihrer Seite, auch wenn die Fama der populären Irrtümer das anders wissen will.
Das ist natürlich keine Eigenart von ER: Der Kartoffelkrieg ist das Grundprinzip, der “modus operandi” der Schwafelzone. Das entspringt folgerichtig der (in Richard Wagners Worten) “Leitkultur der Tabuisierung”, in der wir leben.
Brodkorb und ER haben sich der Rechten allenfalls auf einer verkehrspolizeilichen Ebene gestellt: als selbsternannte Durchwinker, als differenzierungsfreudige Käferbestimmer und als Korrektur zu den blindlings drauflosschlagenden, intellektuell überforderten Übereifrigen, die die Kampf-gegen-Rechts-Szene dominieren.
Dem entspricht, daß die politische Position, von der aus auf ER argumentiert und kommentiert wird, insbesondere von Brodkorb selbst, unklar bleibt. Welchen Demos etwa vertritt ein demokratischer Politiker? Wofür und für wen übernimmt er Verantwortung, wen repräsentiert er? Es gibt offenbar auch so etwas wie eine linke “Mimikry”. Damit ist die argumentative Auseinandersetzung schon von Anfang an behindert, wenn nicht verunmöglicht. Denn um was genau streitet man sich eigentlich?
Diese Diffusität des Standorts zieht sich freilich überhaupt quer durch die deutsche Linke, was auch deren übermäßige Fixierung auf “Nazis” und die NPD, den “Kampf gegen Rechts” und das Vorantreiben und Köcheln der Vergangenheitsbewältigung erklärt.
Daß es am Ende ja doch weniger um den argumentativen Kampf und die Dinge selbst geht, sondern um die Behauptung der Selbstevidenz einer spezifischen Ideologie, verrät die von der taz überlieferte Begründung Brodkorbs, warum “Menschenrechtspädagogik an den Schulen” gelehrt werden sollte:
“Ansonsten haben wir keine überzeugten Demokraten, sondern konditionierte Menschen.”
Als true believer ist Brodkorb die köstliche Ironie dieser Stelle wahrscheinlich gar nicht bewußt.
Platon
Schade, dass Brodkorb nun auf einmal versucht, die Neue Rechte in die die "böse" Ecke zu stellen.