die im Bereich Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin tätig sind – wirft in seiner Presserklärung Thilo Sarrazin vor, “grundlegende genetische Zusammenhänge falsch verstanden” zu haben und Halbwissen zu verbreiten, “das nicht dem Stand der Forschung entspricht”.
Schaut man sich aber diese Pressemitteilung einmal genauer an, stößt man auf das Märchen, der Mensch habe sich in den letzten 50 000 Jahren nicht mehr verändert. Offensichtlich haben die Wissenschaftler vom VBiO die Entwicklung in der Humangenetik der letzten zehn Jahre verschlafen. Dort hat man nämlich das ebenfalls herausgefunden, was die Anthropologen schon lange wissen: Die Menschheit ist eine polytypische Spezies.
Die Unterschiede zwischen ihren Rassen und Populationen sind erheblich größer, als bei den meisten Tierarten. Das weiß jeder, der Augen im Kopf hat. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Vogel- oder Elefanten r a s s e n kann dagegen in der Regel nur ein Fachmann erkennen. Nach einer Untersuchung beträgt die größte morphologische Distanz zwischen zwei Schimpansen a r t e n 20,0 und zwischen zwei Gorillasubspezies, bei denen es sich möglicherweise um A r t e n handelt, 24,7, während die größte Distanz zwischen menschlichen Populationen 46,0 beträgt (Sarich u. Miele, Race. The reality of human differences, 2004, S. 170 ff.).
Die menschlichen Rassentypen sind in der Regel nicht älter als 10 000 Jahre. Tatsächlich kann man an den Skelettfunden sehen, wie die Menschen sich gleichzeitig mit der zivilisatorischen Entwicklung verändert haben, sie wurden graziler, und archaische Merkmale wie starke Überaugenwüllste, große Wangenknochen oder große Zähne reduzierten sich. Populationen, die bei der altsteinzeitlichen Lebensweise als Jäger und Sammler blieben, wie die australischen Ureinwohner, behielten dagegen auch morphologisch ihren archaischen Habitus bei. Ein Australneger, in Europa ausgegraben, würde in das Jungpaläolithikum vor mehr als 10 000 Jahren datiert werden.
Die Behauptung, es habe in den letzten 50 000 Jahren keine Evolution mehr gegeben, zeugt also von Unkenntnis. Zum Glück haben inzwischen viele Humangenetiker erkannt, daß das Unsinn ist. So haben die Untersuchungen von John Hawks, Eric T. Wang, Gregory Cochran, Henry Harpending und anderen gezeigt, daß sich im menschlichen Genom Zeichen dafür finden, daß die Evolution sich in den letzten 40 000 Jahren und vor allem in den letzten 10 000 Jahren rasant beschleunigt hat. Etwa 7 % des menschlichen Genoms haben sich in dieser Zeit verändert.
Es gibt dabei starke Hinweise darauf, daß diese Veränderungen bei den Populationen, die sich auch zivilisatorisch und morphologisch am weitesten entwickelt haben, nämlich den Europäern und Ostasiaten, am größten waren. Dabei sind vier Fünftel der evoluierten Gene rassenspezifisch, und nur ein Fünftel findet sich bei allen Menschen. Besonders brisant ist dabei, daß ein besonders großer Teil der in den letzten Jahrtausenden durch Selektion evoluierten Gene das Gehirn und das Nervensystem betreffen! Ich habe in meinem letzten Blog-Beitrag auf die für die menschliche Psyche wichtigen Gene für das Dopamin-Rezeptor-Gen 4 (DRD4) und das Serotonin ‑Transporter-Gen (SERT) hingewiesen. Bei beiden Genen bestehen sehr große Bevölkerungsunterschiede, und die psycho-genetischen Befunden lassen sich gut mit den jeweiligen kulturellen Besonderheiten in Zusammenhang bringen.
Von alldem scheinen die Biologen der VBiO keine Ahnung zu haben. Indem Thilo Sarrazin sich auf die Forschungsergebnisse von Gregory Cochran und Henry Harpending beruft, ist er auf einem sehr viel aktuelleren Stand der Humangenetik als die Damen und Herren von der VBiO, die offensichtlich in den letzten zehn Jahren geschlafen haben.
Verweise:
Beitrag von Andreas Vonderach in der Sezession
https://www.pnas.org/content/104/52/20753