Die Europäer, die anderen und die asymmetrische Evolution

pdf der Druckfassung aus Sezession 26/Oktober 2008

sez_nr_261von Andreas Vonderach

Es gehört zu den elementaren Erfahrungen, daß die Menschen in verschiedenen Erdteilen sich in ihrem Aussehen unterscheiden. Niemand wird einen Norweger mit einem Somali, einem Chinesen, einem Inder oder einem australischen Ureinwohner verwechseln. Solche signifikanten Populationsunterschiede innerhalb einer Art werden Unterarten (lat. Subspezies) oder Rassen (Varies) genannt. Die Menschheit ist eine polytypische Spezies. Bei kaum einer Tierart gibt es so große sichtbare Unterschiede wie beim Menschen. Bei den meisten Tierarten muß man schon sehr genau hinsehen, um die unterschiedlichen Subspezies unterscheiden zu können. In der Regel ist nur ein Experte in der Lage, etwa unterschiedliche Vogel- oder Elefantenrassen auseinanderzuhalten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, daß zum Beispiel bei den Schädelproportionen die Unterschiede zwischen den Menschenrassen fast doppelt so groß sind wie die zwischen den Subspezies anderer Primaten.


Bei sta­tis­ti­schen Unter­su­chun­gen, egal ob mit mor­pho­lo­gi­schen oder gene­ti­schen Merk­ma­len, kann man die Men­schen zu nahe­zu 100 Pro­zent ihren jewei­li­gen Her­kunfts­grup­pen rich­tig zuord­nen. Jüngst ergab eine Unter­su­chung, die die Zuge­hö­rig­keit von 3.636 Ame­ri­ka­nern zu empi­risch ermit­tel­ten gene­ti­schen „Clus­tern” mit ihrer eth­nisch-ras­si­schen Selbst­zu­ord­nung ver­glich, bei nur fünf Indi­vi­du­en (0,14 Pro­zent) eine Nichtübereinstimmung.
Den­noch sind die Popu­la­ti­ons­un­ter­schie­de recht gering, wenn man sie mit er Varia­bi­li­tät zwi­schen den Indi­vi­du­en inner­halb der Popu­la­tio­nen ver­gleicht. Sie tra­gen nur zu etwa 10 bis 15 Pro­zent zur Gesamt­va­ria­bi­li­tät bei, wäh­rend etwa 85 Pro­zent der Varia­bi­li­tät auf den Unter­schie­den zwi­schen den Indi­vi­du­en inner­halb der Popu­la­tio­nen beru­hen. Die­ser Wert von 10 bis 15 Pro­zent ist bemer­kens­wert gleich­blei­bend, egal ob man Blut­grup­pen, ver­schie­de­ne Arten von DNS-Poly­mor­phis­men oder Schä­del­ma­ße betrach­tet. Für eini­ge poli­tisch kor­rek­te Wis­sen­schaft­ler ist das der Grund, zu bestrei­ten, daß es über­haupt Ras­sen beim Men­schen gibt. Aller­dings ist die sta­tis­ti­sche Metho­de des FST-Index, auf der die­ser Wert beruht, durch­aus irre­füh­rend. Denn er ist eben­so ein Maß für die Hete­ro­ge­ni­tät einer Bevöl­ke­rung. Je hete­ro­ge­ner eine Bevöl­ke­rung ist, des­to klei­ner erschei­nen die Unter­schie­de zu ande­ren Bevöl­ke­run­gen. So ergab zum Bei­spiel die Berech­nung des FST-Index auf­grund von Schä­del­ma­ßen süd- und mit­tel­ame­ri­ka­ni­scher Bevöl­ke­run­gen mit 24,2 Pro­zent einen Wert, der um 10 Pro­zent über dem Wert für die Gesamt­mensch­heit liegt. Das heißt in die­sem Fal­le aber nicht, daß die Unter­schie­de zwi­schen den latein­ame­ri­ka­ni­schen Popu­la­tio­nen grö­ßer wären als die zwi­schen den Haupt­ras­sen des Men­schen, son­dern ledig­lich, daß die regio­na­len Bevöl­ke­run­gen in Süd- und Mit­tel­ame­ri­ka in sich homo­ge­ner sind. Neue­re gene­ti­sche Unter­su­chun­gen zei­gen, daß die Ras­sen­un­ter­schie­de erheb­lich grö­ßer sind, wenn man nicht die Gene selbst, son­dern deren Umset­zung durch regu­la­to­ri­sche Gene ver­gleicht (Gen­ex­pres­si­on).

Die Euro­pä­er sind Euro­p­i­de. Das heißt, sie gehö­ren zu einer der drei Groß­ras­sen oder Ras­sen­krei­se, in die sich die geo­gra­phi­sche Typen­viel­falt des Men­schen unter­glie­dern läßt. Die Euro­p­i­den sind vor allem durch eine cha­rak­te­ris­ti­sche, reli­ef­rei­che Phy­sio­gno­mie mit im Ver­hält­nis zum Hirn­schä­del klei­nem Gesicht, tief­lie­gen­den Augen, vor­sprin­gen­der schma­ler Nase, klei­nen Wan­gen­kno­chen und tie­fen Wan­gen­gru­ben cha­rak­te­ri­siert. Es besteht eine Ten­denz zur Auf­hel­lung der Far­ben, die aber nicht bei allen regio­na­len Sub­ty­pen der Euro­p­i­den gleich stark aus­ge­prägt ist. Zu den Euro­p­i­den gehö­ren auch die Bewoh­ner Nord­afri­kas und des Nahen und Mitt­le­ren Ostens. Sie unter­schei­den sich deut­lich sowohl von den Negri­den in Afri­ka als auch von den Mon­go­li­den in Asi­en. Zum wei­te­ren Umfeld der Mon­go­li­den gehö­ren auch die Urein­woh­ner Ame­ri­kas (India­ni­de). Außer­dem gibt es eini­ge Grup­pen, die nicht zu den drei Ras­sen­krei­sen gehö­ren, wie die Urein­woh­ner Aus­tra­li­ens (Aus­tral­i­de), die Wed­diden in Süd­asi­en und die Khoi­sa­ni­den in Süd­afri­ka. Die­se Glie­de­rung, die auf den sicht­ba­ren mor­pho­lo­gi­schen Merk­ma­len beruht, ist, trotz gele­gent­lich anders­lau­ten­der Äuße­run­gen von Gene­ti­kern, durch die gene­ti­schen Merk­ma­le nicht nur im Gro­ßen, son­dern viel­fach auch im Detail bestä­tigt worden.
Die Ras­sen­un­ter­schie­de sind nicht nur äußer­li­cher Art. Es gibt Unter­schie­de in der Ana­to­mie des Ske­letts ein­schließ­lich Hän­den und Füßen und ent­spre­chend von Gang und Bewe­gung, der Lage und Grö­ße inne­rer Orga­ne, des Ver­laufs klei­ne­rer Gefä­ße, Mus­keln und Ner­ven, bei phy­sio­lo­gi­schen Para­me­tern wie Hor­mo­nen, Grund­um­satz und Wär­me­regu­la­ti­on, ja selbst in der Furch­ung der Groß­hirn­rin­de. Selbst die Chro­mo­so­men zei­gen unter dem Mikro­skop erkenn­ba­re Unter­schie­de in ihrer Ban­den­struk­tur und Gestalt.
Obwohl alle Ras­sen einer ein­zi­gen Art des Homo sapi­ens ange­hö­ren, haben sie sich nicht alle in glei­chem Maße vom archai­schen Homo sapi­ens der Alt­stein­zeit ent­fernt. Mensch­heits­ge­schicht­lich alte, arche­mor­phe Merk­ma­le – frü­her nann­te man sie pri­mi­ti­ve Merk­ma­le -, wie all­ge­mei­ne Kno­chen­grob­heit, ein gro­ßer Gesichts- und im Ver­hält­nis dazu klei­ner Hirn­schä­del, eine nied­ri­ge, flie­hen­de Stirn, beton­te Über­au­gen­wüls­te, mas­si­ge Wan­gen­kno­chen, Pro­gnathie des Unter­ge­sichts oder gro­ße Zäh­ne fin­den sich in unter­schied­li­cher Häu­fig­keit auch noch in heu­ti­gen Popu­la­tio­nen. Arche­mor­phe Merk­ma­le haben sich vor allem in Rand­la­gen und Rück­zugs­ge­bie­ten erhal­ten, wie zum Bei­spiel bei den Aus­tral­i­den, die die am stärks­ten arche­mor­phe rezen­te Grup­pe dar­stel­len. Der Schä­del eines aus­tra­li­schen Urein­woh­ners, in Euro­pa aus­ge­gra­ben, wür­de in die jün­ge­re Alt­stein­zeit vor mehr als 10.000 Jah­ren datiert wer­den. Ver­su­che, den Homo sapi­ens sta­tis­tisch auf­grund von Schä­del­ma­ßen bei Aus­schluß aller Nean­der­ta­ler- und Homo erec­tus-Fun­de zu defi­nie­ren, schei­ter­ten dar­an, daß dabei neben prä­his­to­ri­schen Ver­tre­tern des Homo sapi­ens auch die rezen­ten Aus­tral­i­den aus­ge­grenzt wur­den. Außer den Aus­tral­i­den, die ein­deu­tig die arche­morphs­te Ras­se dar­stel­len, gehö­ren die ihnen nahe­ste­hen­den Mela­ne­si­den, die Ainui­den, die Wed­diden, die Eski­mi­den, die Fue­gi­den (Feu­er­land­in­dia­ner) und die Khoi­sa­ni­den zu den alter­tüm­li­che­ren Menschenformen.

Allen die­sen Grup­pen ist gemein­sam, daß sie auf sehr alten kul­tu­rel­len Ent­wick­lungs­stu­fen ver­harr­ten und schon vor Aus­brei­tung der Euro­pä­er von ihren kul­tu­rell und bio­lo­gisch pro­gres­si­ve­ren Nach­barn in unwirt­li­che Regio­nen abge­drängt wor­den sind. Die Aus­tra­li­er, die Feu­er­land­in­dia­ner, die Wed­da auf Cey­lon, die Negri­tos auf den Anda­ma­nen und die afri­ka­ni­schen Busch­män­ner leb­ten als nicht seß­haf­te Jäger und Samm­ler noch bis vor weni­gen Gene­ra­tio­nen in tie­fer Altsteinzeit.
Die all­ge­mei­nen Ent­wick­lungs­ten­den­zen des Homo sapi­ens, die die­sen von sei­nen stam­mes­ge­schicht­li­chen Vor­gän­gern, dem Nean­der­ta­ler und dem Homo erec­tus unter­schei­den, wie die Zunah­me der Schä­del­ka­pa­zi­tät, die all­ge­mei­ne Gra­zi­li­sie­rung des Kno­chen­bau­es, die Ver­klei­ne­rung von Kie­fer und Gebiß und die Abnah­me des Sexu­al­di­mor­phis­mus, haben sich bei den ver­schie­de­nen geo­gra­phi­schen Popu­la­tio­nen in unter­schied­lich star­kem Maß fort­ge­setzt. Dabei sind neo­mor­phe For­men ver­mehrt in den Bevöl­ke­run­gen der gro­ßen Kon­ti­nen­te auf­ge­tre­ten, wo schon auf­grund der grö­ße­ren Men­schen­zahl das Auf­tre­ten vor­teil­haf­ter Muta­tio­nen wahr­schein­li­cher war. Auch zwi­schen den drei Groß­ras­sen gibt es in die­ser Hin­sicht Unter­schie­de. Wäh­rend die Euro­p­i­den und die eigent­li­chen Ost­asia­ten, die Sini­den, sich am wei­tes­ten von den stam­mes­ge­schicht­lich alten For­men ent­fernt haben, wei­sen die Palä­mon­go­li­den in Süd­ost­asi­en und die Negri­den Afri­kas ver­gleichs­wei­se mehr arche­mor­phe Merk­ma­le auf. Die zei­gen sich zum Bei­spiel in grö­be­ren Pro­por­tio­nen und mor­pho­lo­gi­schen Beson­der­hei­ten des Gesichts­ske­letts wie gro­ßen Wan­gen­kno­chen, Pro­gnathie, fla­chen Wan­gen­gru­ben und gro­ßen Zäh­nen. Auch die Hirn­schä­del­ka­pa­zi­tät ist kleiner.
Es ist offen­sicht­lich, daß eine enge Kor­re­la­ti­on zwi­schen der bio­lo­gi­schen Dimen­si­on Arche­mor­phie-Neo­mor­phie und der kul­tu­rel­len Ent­wick­lungs­stu­fe besteht, die die Völ­ker der ver­schie­de­nen Welt­re­gio­nen vor der Aus­brei­tung der Euro­pä­er erreicht haben. Die pro­gres­sivs­ten For­men fin­den sich dort, wo die Men­schen schon früh eine agra­ri­sche Lebens­wei­se ange­nom­men und auf die­ser Grund­la­ge auto­chtho­ne Hoch­kul­tu­ren ent­wi­ckelt haben, wie im Nahen und Mitt­le­ren Osten, in Euro­pa und in Chi­na. Auch zeit­lich läßt sich anhand von Ske­lett­fun­den nach­voll­zie­hen, wie sich die Men­schen in den Hoch­kul­tur­re­gio­nen schon vor Jahr­tau­sen­den ver­än­der­ten, wäh­rend in jenen Welt­re­gio­nen, wo sie ihre alten Lebens­wei­sen bei­be­hiel­ten, sie weit­ge­hend unver­än­dert blieben.
Vor die­sem Hin­ter­grund erscheint die Dis­kus­si­on über psy­chi­sche Ras­sen­un­ter­schie­de in einem ande­ren Licht. Es ist bekannt, daß Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten und der IQ in einem beträcht­li­chen Maß durch gene­ti­sche Ein­flüs­se bedingt sind. Wenn aber auch psy­chi­sche Struk­tu­ren eine gene­ti­sche Basis haben, unter­lie­gen sie eben­so den popu­la­ti­ons­ge­ne­ti­schen Geset­zen wie ande­re Merk­ma­le und sind der Wir­kung von Selek­ti­on und Gen­drift aus­ge­setzt. Aus die­sem Grund besteht eine sehr gro­ße theo­re­ti­sche Wahr­schein­lich­keit für die Exis­tenz von gene­tisch beding­ten psy­cho­lo­gi­schen Popu­la­ti­ons­un­ter­schie­den. Schon die Wir­kung des Zufalls­fak­tors Gen­drift schließt aus, daß die an der Aus­prä­gung psy­chi­scher Merk­ma­le betei­lig­ten Geno­ty­pen in jeder Bevöl­ke­rung gleich häu­fig vor­kom­men. Außer­dem besteht eine gro­ße Wahr­schein­lich­keit dafür, daß gera­de die psy­chi­schen Merk­ma­le eine gro­ße Bedeu­tung für das Über­le­ben und den Fort­pflan­zungs­er­folg gehabt haben.

So zwin­gend die Annah­me von Ras­sen­un­ter­schie­den bei psy­chi­schen Eigen­schaf­ten auch ist, so schwie­rig ist der kon­kre­te Nach­weis. Prak­tisch über­all, wo Bevöl­ke­rungs­un­ter­schie­de vor­lie­gen, gibt es auch kul­tu­rel­le Ein­flüs­se, die als Erklä­rung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen. Einem Nach­weis kom­men wohl die Unter­su­chun­gen von Dani­el G. Freed­man an Neu­ge­bo­re­nen ver­schie­de­ner Ras­sen am nächs­ten. Er und sei­ne Schü­ler haben seit den spä­ten sech­zi­ger Jah­ren in San Fran­cis­co mit Babys unter­schied­li­cher ras­si­scher Her­kunft in den ers­ten 48 Stun­den nach der Geburt Ver­hal­tens­tests durch­ge­führt. Um prä­na­ta­le Beein­flus­sun­gen aus­zu­schlie­ßen, wähl­ten sie Müt­ter aus, die gleich­alt­rig waren, gleich vie­le Gebur­ten hin­ter sich hat­ten, der­sel­ben Sozi­al­schicht ange­hör­ten, die­sel­be Schwan­ger­schafts­be­ra­tung und wäh­rend der Ent­bin­dung die glei­chen Medi­ka­men­te erhal­ten hat­ten. Freed­man fand erheb­li­che Ver­hal­tens­un­ter­schie­de. Die Neu­ge­bo­re­nen chi­ne­si­scher Her­kunft erwie­sen sich als pas­si­ver und weni­ger leicht erreg­bar als die euro­päi­scher Herkunft.
Die euro­p­i­den Säug­lin­ge unter­la­gen in ihren Stim­mun­gen grö­ße­ren Schwan­kun­gen und reagier­ten stär­ker auf Stö­run­gen ihres Wohl­be­fin­dens oder auf akus­ti­sche oder opti­sche Rei­ze. Negri­de Säug­lin­ge waren ähn­lich reiz­bar wie die euro­p­i­den, zeig­ten aber vor allem stär­ker ent­wi­ckel­te moto­ri­sche Fähig­kei­ten, vie­le von ihnen konn­ten schon bei der Geburt den Kopf hoch­hal­ten. Die Ergeb­nis­se Freed­mans wur­den durch wei­te­re Unter­su­chun­gen spä­ter auf ande­re eth­ni­sche Grup­pen aus­ge­wei­tet. Bei negri­den Säug­lin­gen in Afri­ka sind die Cha­rak­te­ris­ti­ka ame­ri­ka­ni­scher Negri­der – die bis zu 30 Pro­zent euro­p­i­de Gene auf­wei­sen – noch aus­ge­präg­ter. Säug­lin­ge aus­tra­li­scher Urein­woh­ner haben dage­gen ein ganz eigen­stän­di­ges Merk­mals­pro­fil, zu dem eben­so gro­ße moto­ri­sche Fähig­kei­ten gehö­ren wie bei den afri­ka­ni­schen Negri­den, aber auch eine ähn­li­che Pas­si­vi­tät wie bei den sini­den Mon­go­li­den. Japa­ni­sche Neu­ge­bo­re­ne und die nord­ame­ri­ka­ni­scher Nava­jo-India­nern zei­gen ein ähn­li­ches Ver­hal­ten wie die chi­ne­si­schen Säug­lin­ge, letz­te­re über­tref­fen die­se sogar an stoi­schem Temperament.
Die Welt­ver­tei­lung des IQ zeigt bekannt­lich erheb­li­che Unter­schie­de. Der durch­schnitt­li­che IQ der auto­chtho­nen Bevöl­ke­rung (ohne ein­ge­wan­der­te Euro­pä­er) beträgt in Ost­asi­en 105, in Euro­pa 100, in Süd­ost­asi­en 90, in Nord­afri­ka, dem Mitt­le­ren Osten, Süd­asi­en und Ame­ri­ka 85, in Schwarz­afri­ka 67 und ist am nied­rigs­ten bei Aus­tra­li­ern (62) und afri­ka­ni­schen Busch­män­nern (56). Die­se Dif­fe­ren­zie­run­gen wer­den übri­gens durch die metho­disch ganz anders gear­te­ten Ergeb­nis­se der kul­tur­ver­glei­chen­den Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gie nach Jean Pia­get bestätigt.
Dar­an, daß hier auch kul­tu­rel­le und sozia­le Fak­to­ren eine Rol­le spie­len, kann kein Zwei­fel bestehen. Die Fra­ge ist aller­dings, ob die­se Unter­schie­de aus­schließ­lich auf kul­tu­rel­len Ursa­chen beru­hen, wie die poli­tisch kor­rek­te Mei­nung dazu ist, oder ob auch die Gene dabei eine Rol­le spie­len. Es ist offen­sicht­lich, daß es eine ein­deu­ti­ge Kor­re­la­ti­on sowohl zur bio­lo­gi­schen Dimen­si­on Arche­mor­phie-Neo­mor­phie als auch zum kul­tu­rel­len Ent­wick­lungs­ni­veau vor Aus­brei­tung der Euro­pä­er gibt. Unter­schie­de bestehen auch bei den ver­schie­de­nen Teil­kom­po­nen­ten der Intel­li­genz. So zei­gen sowohl die ame­ri­ka­ni­schen als auch die afri­ka­ni­schen Negri­den eine stär­ke­re ver­ba­le als räum­lich-visu­el­le Intel­li­genz. Bei den Ost­asia­ten ist es dage­gen umge­kehrt, die räum­lich-visu­el­len Fähig­kei­ten sind bes­ser aus­ge­prägt als die ver­ba­len. Bemer­kens­wert ist nun, daß die India­ni­den daßel­be Intel­li­genz­pro­fil auf­wei­sen wie die ost­asia­ti­schen Mon­go­li­den, mit stär­ker räum­lich-visu­el­ler als ver­ba­ler Intel­li­genz. Für die Betei­li­gung gene­ti­scher Fak­to­ren spricht, daß auch bei den Reak­ti­ons­zei­ten ent­spre­chen­de Unter­schie­de zwi­schen Sini­den Mon­go­li­den, Euro­p­i­den und Negri­den bestehen. Die sind ein Maß für die neu­ro­lo­gi­sche Fähig­keit des Gehirns, ein­fa­che Rei­ze zu ver­ar­bei­ten. Die Mon­go­li­den haben die kür­zes­ten und die Negri­den die längs­ten Reaktionszeiten.

Die Psy­cho­lo­gen Richard Lynn und Edward M. Mil­ler sehen in den Anfor­de­run­gen, die das Eis­zeit­kli­ma stell­te, die Ursa­che für die höhe­re Intel­li­genz der Sini­den und der (west­li­chen) Euro­p­i­den. Das Leben in den nörd­li­chen Brei­ten­gra­den unter­lag einem grö­ße­ren Selek­ti­ons­druck als in den tro­pi­schen oder sub­tro­pi­schen Regio­nen. Wäh­rend in den war­men Regio­nen Afri­kas und Süd­asi­ens die Men­schen mehr Samm­ler als Jäger waren, stan­den sie in den nörd­li­chen Regio­nen vor den kogni­ti­ven Pro­ble­men, die die Jagd auf gro­ße Säu­ge­tie­re im offe­nen Gras­land stell­te. Eben­so waren hier die Erfor­der­nis­se und Schwie­rig­kei­ten bei der Her­stel­lung von Behau­sung und Klei­dung und der Ent­fa­chung und Hütung des Feu­ers grö­ße­re. Archäo­lo­gen haben gezeigt, daß Jäger und Samm­ler in tro­pi­schen und sub­tro­pi­schen Regio­nen mit nur etwa 10 bis 20 Werk­zeu­gen aus­ka­men, wäh­rend die in nörd­li­chen Regio­nen zwi­schen 25 und 60 benö­tig­ten. Im Nor­den waren schon die Jäger und Samm­ler dar­auf ange­wie­sen, Lebens­mit­tel zu bevor­ra­ten, um den Win­ter zu über­le­ben. Alle die­se Anfor­de­run­gen erzeug­ten einen ver­stärk­ten Selek­ti­ons­druck in Rich­tung auf kogni­ti­ve Fähigkeiten.
In der Fol­ge wird der erst ein­mal erreich­te kul­tu­rel­le Fort­schritt selbst die Evo­lu­ti­on kogni­ti­ver Fähig­kei­ten begüns­tigt haben. Er ermög­lich­te, daß der stän­di­ge Selek­ti­ons­druck in Rich­tung Robus­ti­zi­tät abnahm und sich gra­zi­le­re Typen durch­setz­ten. Das häu­fi­ge Vor­kom­men klei­ner kör­per­li­cher Defek­te wie Kurz­sich­tig­keit, Farb­seh­stö­run­gen und Defor­ma­tio­nen der Nasen­schei­de­wand in der euro­päi­schen und ost­asia­ti­schen Bevöl­ke­rung bezeugt das Nach­las­sen des Selek­ti­ons­dru­ckes, den der Zwang zum Über­le­ben unter natur­na­hen Bedin­gun­gen aus­ge­übt hat­te. Dif­fe­ren­zier­te­re arbeits­tei­li­ge Sozi­al­struk­tu­ren erlaub­ten die Erhal­tung von Son­der­be­ga­bun­gen. Der Fort­pflan­zungs­er­folg belohn­te zuneh­mend ein Sozi­al­ver­hal­ten, das an eine kom­ple­xe Gesell­schaft ange­paßt war. Der Ver­lust moto­ri­scher Fähig­kei­ten bei Mon­go­li­den und Euro­p­i­den erscheint so als das Ergeb­nis der nach­las­sen­den natür­li­chen Selek­ti­on. Gleich­zei­tig liegt es nahe, die Fried­fer­tig­keit und gerin­ge Pro­vo­zier­bar­keit sowie den hohen IQ der ost­asia­ti­schen Mon­go­li­den als Anpas­sun­gen an das Leben in einer zivi­li­sier­ten Groß­ge­sell­schaft zu inter­pre­tie­ren. Eben­so dürf­te die soma­ti­sche und psy­cho­lo­gi­sche Ent­se­xua­li­sie­rung der Euro­p­i­den und Sini­den gegen­über den Negri­den (Hor­mon­spie­gel, Hoden­grö­ße usw.) nicht, wie der kana­di­sche Psy­cho­lo­ge J. Phil­ip­pe Rush­ton glaubt, auf unter­schied­li­chen sozio­bio­lo­gi­schen Fort­pflan­zungs­stra­te­gien im Sin­ne der r- und K‑Strategie, son­dern auf der durch den kul­tu­rel­len Fort­schritt ver­än­der­ten sexu­el­len Selek­ti­on beru­hen (Beklei­dung, Heiratsregeln).
Jüngs­te gene­ti­sche Unter­su­chun­gen haben im mensch­li­chen Genom Hin­wei­se dar­auf gefun­den, daß sich die Selek­ti­on in den letz­ten 40.000 Jah­ren und vor allem seit der letz­ten Eis­zeit vor etwa 10.000 Jah­ren erheb­lich ver­stärkt hat. Es gibt wei­ter­hin Hin­wei­se dar­auf, daß die Ver­än­de­run­gen bei Euro­pä­ern und Ost­asia­ten stär­ker waren als bei Afri­ka­nern. Dabei sind vier Fünf­tel der evo­lu­ier­ten Gene ras­sen­spe­zi­fisch, und nur ein Fünf­tel fin­det sich bei allen Men­schen. Ein gro­ßer Anteil der durch die Selek­ti­on ver­än­der­ten Gene betrifft das Gehirn und das Ner­ven­sys­tem. So zum Bei­spiel das Mikro­ce­pha­lin-Gen und das ASPMGen, die bei­de die Hirn­ent­wick­lung steu­ern. Bei­de zei­gen eine deut­li­che geo­gra­phi­sche Kor­re­la­ti­on mit der Gehirn­grö­ße und dem IQ. So fin­det sich zum Bei­spiel das pro­gres­si­ve Mikro­ce­pha­lin-Allel bei Negri­den mit nur 22 Pro­zent erheb­lich sel­te­ner als bei Euro­pä­ern und Ost­asia­ten (unter 80 Prozent).
Bis­lang wis­sen wir nicht, wie groß der Bei­trag der Gene zu den kogni­ti­ven Bevöl­ke­rungs­un­ter­schie­den wirk­lich ist. Es ist mög­lich, daß er nur eine unbe­deu­ten­de Rol­le spielt. Aber auch das Gegen­teil ist mög­lich. Erst die Auf­klä­rung über die mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Grund­la­gen der kogni­ti­ven Fähig­kei­ten wird uns Klar­heit ver­schaf­fen. Spä­tes­tens dann wird es nicht mehr aus­rei­chen, das The­ma zu tabui­sie­ren, und es stellt sich die Fra­ge, wie eine frei­heit­li­che und der Men­schen­wür­de ver­pflich­te­te Gesell­schaft mit die­sem Wis­sen umgeht.

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