des “Fjordman” Peder Jensen machen. Dieser hat seit Oktober 2011 wieder zu schreiben begonnen, und es in den letzten Wochen geschafft, gleich mehrere Artikel in norwegischen Mainstream-Blättern wie Verdens Gang, Aftenposten und Dagbladet zu publizieren (einen beinah kompletten Index seiner Texte gibt es hier), die allerdings zum Teil an entscheidenden Stellen “gekürzt” wurden.
Zu Hilfe kamen Jensen dabei norwegische Pressegesetze, die ein Recht auf Gegendarstellung einräumen. So hat er nun zumindest teilweise die Chance erhalten, sich gegen schwere Anwürfe zu verteidigen. Diese werden allerdings unvermindert erhoben, und die Presse versucht den Autor weiterhin als Schreibtischtäter zu brandmarken.
Insbesondere Verdens Gang, für die Jensen in Prä-“Fjordman”-Zeiten gelegentlich schrieb, legt sich dabei mächtig ins Zeug. Und Anders Breiviks Anwalt, nebenbei Mitglied der sozialistischen “Arbeiter”-Partei, versucht zur Zeit, Jensen zumindest teilweise für den Doppelanschlag von Oslo und Utoya verantwortlich zu machen.
Dazu muß man erneut festhalten, daß die Phrase vom “Vordenker” oder (noch abgedroschener) “Stichwortgeber” rein faktisch nicht richtig ist: Breivik hat sich in seinem Manifest zwar zum “Fan” erklärt, aber nie behauptet, von Fjordman kausal beeinflußt zu sein, erst recht nicht, was seine Wahnsinnstat betrifft. Weiters berichtet er, daß sowohl seine Weltsicht als auch seine nach eigenen Angaben seit 2002 gehegten Attentatspläne bereits voll ausgebildet waren, ehe er auf die Essays seines etwa gleichaltrigen Landsmanns stieß, der indessen niemals zu Gewalt aufgerufen hat, und sich über die Taten Breiviks ebenso entsetzt zeigte wie jeder andere normale Mensch auch. Darüberhinaus hat Breivik unzählige weitere Autoren und Politiker zitiert, unter ihnen auch Winston Churchill, John Stuart Mill und Angela Merkel.
Der Druck, der nun auf Jensen lastet, ist ungeheuer, und im Hintergrund steht freilich der Versuch, die Islam- und Liberalismuskritik überhaupt zu ächten. Dies geschieht wie immer in erster Linie durch bloße “ad hominen”-Attacken ohne jegliche Argumente. Wir befinden uns hier wieder mitten im Schlachtfeld der bewährten Mechanismen und Strategien, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.
Jensen schreibt:
Vom Standpunkt der Mainstream-Medien ist es wichtig, einen gründlichen Rufmord an mir zu begehen. Sie wissen, daß ein großer Teil der Bevölkerung meine Ansichten in vielen Punkten teilt, und wir müssen zum Schweigen gebracht werden.
Seit den ruhmreichen Tagen des Vorsitzenden Mao gibt es eine besonders wirksame Methode, abweichende Meinungen im Keim zu ersticken. Man nimmt ein paar exemplarische Individuen und zerquetscht sie vor den Augen der Öffentlichkeit, damit niemand wagt, etwas ähnliches zu sagen.
Nebenbei: genau dieses “scapegoating” geschieht gerade auch in England mit der “Tram Lady” Emma West, an der ebenfalls ein öffentliches Exempel statuiert wurde (momentan wurde sie bis zu ihrer Gerichtsverhandlung wieder auf freien Fuß gesetzt).
Jensen weiter:
Ich werde nicht schweigen. Ich werde weiter schrieben und die Wahrheit sagen über den Islam, die EU, den Multikulturalismus und die Masseneinwanderung in die westliche Welt. Die Einschüchterungskampagne wird scheitern.
Diese Verpflichtung zur Wahrheit ist es auch, die letztlich Kleine-Hartlage, Kubitschek und mich bewogen hat, die Texte trotz aller Bedenken zu veröffentlichen. Man muß jetzt sprechen, solange man noch kann. Diese Dinge sind zu wichtig, als daß man schweigen dürfe.
Wenn ich mir ansehe, wie die Mechanismen der öffentlichen Meinungsmache funktionieren, ohne Rücksicht auf Anstand und das Ethos der Wahrheitssuche, frage ich mich manchmal, ob die Edition nicht ein Fehler war. Lese ich Jensens Essays wieder, dann weiß ich, daß wir richtig gehandelt haben. Sie sind wahre Augenöffner, sachlich in der Argumentation und von einem aufklärerischen Geist getragen. Sie verlangen nach einer ernsthaften Auseinandersetzung und keiner leichtfertigen Abstempelung durch Schlagworte. Das von den Medien verbreitete Bild vom “Haßblogger” ist falsch und bewußt irreführend.
Jensens Aufsätze schärfen den Blick, die Sprache und die Taten der herrschenden politischen Klassen im richtigen Kontext zu sehen. Wenige Leute kapieren wahrscheinlich, was für ungeheuerliche Implikationen es hat, wenn ein Armin Laschet fordert, “angesichts des demographischen Wandels” müsse Deutschland „offensiv für mehr Zuwanderung werben“: „Wir brauchen einen viel größeren Wurf.” “Viel größer” als was? Um was zu erreichen? Und was bedeutet hier eigentlich: “angesichts”?
Diesen “größeren Wurf”, dieses “big picture” gilt es in seinen vollen Konsequenzen zu verstehen. Sie reichen weiter und tiefer, als sich die meisten Durchschnittsmedienkonsumenten momentan überhaupt vorstellen können. In einem seiner jüngeren Artikel antwortet Jensen auf eine Multikulturalismus-Ideologin, die ihn im Dagbladet angegriffen hat:
Meiner Meinung nach sind die Anhänger der Masseneinwanderung aus nicht-europäischen Ländern die eigentlichen Extremisten – und nicht etwa ihre Gegner. Oder ist es etwa nicht extrem, die einheimische Bevölkerung durch eine andere zu ersetzen, wie es heute in vielen Teilen Europas geschieht?
Es gibt kaum eine radikalere Ideologie als jene, die darauf abzielt, über einen ganzen Kontinent hinweg den indigenen Bevölkerungen das Recht auf ihre Heimatländer zu nehmen, und anschließend jeglichen Widerstand gegen eine solche Politik zu unterdrücken.
Marie Simonsen schrieb im Frühling 2007, daß für jeden Menschen auf der Welt das universelle Recht gelten sollte, hinzuziehen, wo er will. Wenn wir davon ausgehen, daß die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten um Milliarden anwachsen wird, und daß das Bevölkerungswachstum eines einzigen Landes, Pakistan, ausreichen würde, um ein winziges Land wie Norwegen in nur wenigen Jahren zu zerdrücken, dann muß man annehmen, daß Simonsen nicht will, daß die Norweger eine Zukunft als Volk haben.
Da ihr, soviel ich weiß, damals kaum jemand in den Mainstream-Medien widersprochen hat, scheint es, daß diese Ansicht unter Presseleuten weit verbreitet ist. Wenn das der Fall ist, haben wir ein Problem.
Zu diesem epochalen, “radikalen” Vorgang findet auch ein Spezialist des “Radikalismus”, kein Geringerer als Ernst Nolte, in seinem eben erschienen Buch “Späte Reflexionen” harte Worte:
… wenn nicht nur Fremde “aus aller Herren Länder” ohne ernsthafte Kontrollen einwandern, sondern wenn einem selbstbewußten und geburtenfreundlichen Volk das Gebiet eines liberistischen (Noltes Begriff für die heutige Entartungsform des Liberalismus. – M. L.) Volkes zur Verfügung gestellt wird: dann vollzieht sich die Selbstauslöschung in relativ kurzer Zeit.
An einer anderen Stelle fällt Nolte ein schweres ethisches Urteil:
Unter der Flagge des scheinhumanistischen Kampfes gegen “Fremdenfeindlichkeit” vollzieht sich möglicherweise eines der großen Verbrechen der jüngsten Zeit, nämlich die Zulassung der ungeregelten Massen- und Armutsimmigration in dichtbevölkerte Gebiete.
“Eines der großen Verbrechen der jüngsten Zeit”! Eine solche Warnung aus dem Munde eines Mannes, der sein Leben lang über die “großen Verbrechen” und blutigen Eskalationen des vergangenen Jahrhunderts nachgedacht hat, sollte sehr ernst genommen werden.
Noch ein paar Worte zu Breivik. Wer nach allen deutlichen Worten der Herausgeber noch immer nicht verstehen will, daß die Fjordman-Ausgabe der Edition Antaios trotz und nicht wegen Breivik publiziert wurde, hat wohl gute Gründe für sein absichtliches Mißverstehen, die auf ihn zurückfallen.
Ich für meinen Teil hatte vor etwa eineinhalb Wochen einen triumphierenden “Ich hab’s von Anfang an gesagt” – Moment, als verlautbart wurde, daß Breivik laut einem offiziellen Gutachten für “paranoid-schizophren” und “nicht zurechnungsfähig” erklärt wurde. Damit wäre auch endlich die Diskussion beendet, wo die eigentliche Wurzel des Bösen an ihm zu suchen wäre, und dann wäre auch der Überschätzung des politischen Gehalts der Untat ein Riegel vorgeschoben.
Auf den zweiten Blick bin ich mir aber nicht mehr so sicher, wie ich darüber denken soll. Die Diagnose überraschte mich nun doch etwas. Daß Breivik stark pathologische Züge hat, ist unverkennbar, aber nach meinem bescheidenen Laien-Urteil schien mir hier eher eine narzißtische Persönlichkeitsstörung als eine handfeste Schizophrenie oder gar Psychose vorzuliegen: dazu sind nicht nur die autobiographischen Teile des “Manifests” zu kohärent, ich kann mir auch schwer vorstellen, daß ein Schizophrener imstande ist, eine solche Aktion wie das Doppelattentat monatelang zu planen und im Alleingang durchzuführen. In dieser Hinsicht hielt ich ihn stets durchaus für “zurechnungsfähig”, also: schuldfähig.
Eine Vermutung ist, daß die Diagnose dem Zweck dienen soll, Breivik annähernd lebenslänglich wegzusperren, wozu das liberale norwegische Gesetz momentan keine Handhabe bietet. Womöglich wird sie aber auch benutzt werden, um die Islam- und Liberalismuskritik an sich zu pathologisieren, ganz nach alten Sowjet-Methoden zur Ausschaltung von Dissidenten, wozu es ja bereits Tendenzen gibt.
Es gibt nun leider keinen Weg mehr um Breivik herum; er hat als Quisling der Linken ein beträchtliches Gelände vermint und besetzt. Darum habe ich mich entschlossen, auch wenn es wenig Spaß macht, diesen durchaus ungewöhnlichen Fall frontal anzugehen, seine mediale Wirkung gründlich zu analysieren und seine Pathologie in einen erweiterten gesellschaftlichen Kontext zu stellen, denn diesen hat Breivik ebenso wie der U‑Bahnschläger, der jugendliche Amokläufer und der Sauerlandterrorist, ebenso wie Emma West und Armin Laschet.
Das scheint mir ein legitimer und gebotener Ansatz zu sein. Als Vorbild dienten mir dabei Bücher wie Götz Eisenbergs “Amok – Kinder der Kälte” und Gerd Koenens exzellentes Terror-Psychogramm “Vesper, Ensslin, Baader”. Hier galt es, den Nagel punktgenau einzuschlagen. Ob mir das gelungen ist, mögen die Leser des Anhangs zu den Fjordman-Aufsätzen selbst entscheiden. Wo diejenigen, die heute die rationale Diskussion um vitale Fragen verweigern und ersticken wollen, mit einfachen Antworten um sich schlagen, sind wir unabhängigen Publizisten diejenigen, die die komplexen Fragen stellen. Mehr können wir heute nicht tun.
Lektüre:
Fjordman: Europa verteidigen. Zehn Texte, hier einsehen beim Verlag und hier beim Internet-Laden.
Manfred Kleine-Hartlage: „Neue Weltordnung“. Zukunftsplan oder Verschwörungstheorie?
Martin Lichtmesz: Die Verteidigung des Eigenen. Fünf Traktate.