Der unglaubliche Mut der Neudeutschen

Das wäre doch mal eine Idee! Kubitschek, Lichtmesz und meine Wenigkeit veranstalten einen „Hate Poetry Slam“ (der dann freilich „Haßgedichteschlammschlacht“ genannt würde)...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

und lesen aus den Tira­den vor, die uns nicht gera­de tag­täg­lich, aber doch regel­mä­ßig errei­chen. All die­ser links­dre­hen­de und sonst­wie­tü­meln­de Quark, gerich­tet an „Faschist“ und „Fot­ze“, mit thea­tra­li­schen Ges­ten vor­ge­tra­gen! Wir drei säßen auf der Büh­ne auf einer hübsch treu­deutsch deko­rier­ten Bier­bank mit­ten in Ber­lin, trän­ken deut­sches Bier und deut­schen Wein und läsen genüß­lich vor! Wie wür­de unser Publi­kum wohl reagieren?

Okay, es wäre nach­ge­macht. Mely Kiyak, Deniz Yücel und Yas­sin Mush­ar­bash hat­ten die Idee, frei­lich lab­te man sich hier an „Hayat-Was­ser aus der Döner-Bude und Alko­hol“, den die „Vor­le­ser gleich brau­chen“: Es sind drei muti­ge Jour­na­lis­tIn­nen mit Wur­zeln in der Frem­de, denen „Men­schen unent­wegt ihre Ver­ach­tung entgegenbrüllen“.

Ja, es sind schlim­me Din­ge, die da phan­ta­siert wer­den, und die sich Zeit-Autorin Özlem Top­cu hoch­er­regt (freu­dig!) inmit­ten eines „soli­da­risch“ rasen­den Publi­kums im Kreuz­ber­ger Ball­haus Nau­nyn­stra­ße vor­le­sen ließ. (Die Zeit 15/ 2012, online nicht abruf­bar.) Die Leser der taz, der Zeit und der Frank­fur­ter Rund­schau, deren Wut­schrei­ben (so es sich nicht um ver­schrift­lich­te Papp­ka­me­ra­den han­delt) hier vor grö­len­dem Publi­kum zitiert wer­den, schimp­fen Kiyak eine „Esel­hir­tin“ aus einem „mit Zie­gen­ka­cke gepflas­ter­tem Land“ und fra­gen Yücel, wie man wohl „zwi­schen zwei Ehren­mor­den eine Kolum­ne schrei­ben“ kön­ne. Kiyak,  Yücel und Mush­ar­bash ver­ügen über die benei­dens­wer­te Fähig­keit, sich an die­sem Niveau berau­schen zu können.

Frau Top­cu schreibt, daß man die­se genia­li­sche Lesung auch „öffent­li­che Mas­tur­ba­ti­on“ nen­nen kön­ne und bekennt glück­lich, daß das anwe­sen­de Publi­kum „sich bepiss­te vor Lachen“.

Ja, ist das nicht wahn­sin­nig cool? Und gera­de­zu zum Schrei­en komisch, daß es anschei­nend stets Leser lin­ker Gazet­ten sind, die so unter­gür­tel­li­nig aus­tei­len, nach rechts wie nach den Neudeutschen?

Gera­de Frl. Kiyak, die doch genau weiß, daß es hier­zu­lan­de „all­täg­lich“ ist, daß „Men­schen, die nicht blond und blau­äu­gig sind, ange­pö­belt und ver­prü­gelt wer­den“ und daß einer wie Sar­ra­zin hier­zu­lan­de nie­mals ernst­haf­ten Wider­spruch ern­te­te, scheint wahr­haft über Gal­gen­hu­mor zu ver­fü­gen. Nein, so wit­zig und aber­wit­zig wag­ten wir nie­mals zu sein!

Frl. Kiyak übri­gens – woher nimmt sie die­sen Mut in Fein­des­land?! – hat sich auch mutig in einem neu­en Buch gegen die stin­ki­gen Alt­deut­schen zu Wehr gesetzt, eine Kurz­be­spre­chung des Ela­bo­rats – Nicol Lju­bic (Hrsg.): Schluß mit der Deut­schen­feind­lich­keit! Ham­burg: Hoff­mann & Cam­pe 2012. 205 S., 17.99 € –  fin­det sich in der aktu­el­len Sezes­si­on 47:

Was für ein kras­ser Genie­streich! Sieb­zehn Schrift­stel­ler mit deut­scher Staats­bür­ger­schaft erzäh­len von ihren Erfah­run­gen in einem Land, das sie Hei­mat nen­nen. Sie hei­ßen Bánk, Gore­lik oder Özdo­gan. Oder Mely Kiyak, die ihre auto­chtho­nen Mit­bür­ger nun wirk­lich kennt, die­se „beklopp­ten, schma­rot­zen­den, eit­len, ver­dor­be­nen, gei­zi­gen“, die­ses ver­kom­me­ne Volk, des­sen Teil sie nun ist. Vor allem fällt ihr auf, daß die­se Urein­woh­ner anschei­nend kei­ne Sei­fe benut­zen, sie stin­ken näm­lich und fal­len gene­rell eher läs­tig. Nicht alle Mit­au­toren (dar­un­ter auch „Ein­wan­der­er­toch­ter“ Petra Reski mit einem Ost­preu­ßen und einer Schle­sie­rin als Vor­fah­ren und „Ossi“-Ausländerin Clau­dia Rusch) sind ein­ge­schnappt oder zor­nig, aber doch die meis­ten. Nicht, daß die­se ten­den­zi­ell trot­te­li­gen Urdeut­schen immer bös­wil­lig wären! Aber dann fra­gen sie solch dum­me Sachen wie „Wo kom­men Sie eigent­lich her?“, haben kei­ne Ahnung, wie man die neu­deut­schen Namen kor­rekt spricht, schwär­men blö­de vom längst fremd­ge­wor­de­nen Abstam­mungs­land des Gegen­übers oder loben die akzent­freie Spra­che – oder ver­bes­sern, was Her­ta Mül­ler bit­ter beklagt, die Aus­spra­che! Hal­looh, geht´s noch?, so läßt sich der hier zuta­ge tre­ten­de Vor­wurf an die Bio­deut­schen sti­lis­tisch wie inhalt­lich zusammenfassen.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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