und lesen aus den Tiraden vor, die uns nicht gerade tagtäglich, aber doch regelmäßig erreichen. All dieser linksdrehende und sonstwietümelnde Quark, gerichtet an „Faschist“ und „Fotze“, mit theatralischen Gesten vorgetragen! Wir drei säßen auf der Bühne auf einer hübsch treudeutsch dekorierten Bierbank mitten in Berlin, tränken deutsches Bier und deutschen Wein und läsen genüßlich vor! Wie würde unser Publikum wohl reagieren?
Okay, es wäre nachgemacht. Mely Kiyak, Deniz Yücel und Yassin Musharbash hatten die Idee, freilich labte man sich hier an „Hayat-Wasser aus der Döner-Bude und Alkohol“, den die „Vorleser gleich brauchen“: Es sind drei mutige JournalistInnen mit Wurzeln in der Fremde, denen „Menschen unentwegt ihre Verachtung entgegenbrüllen“.
Ja, es sind schlimme Dinge, die da phantasiert werden, und die sich Zeit-Autorin Özlem Topcu hocherregt (freudig!) inmitten eines „solidarisch“ rasenden Publikums im Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße vorlesen ließ. (Die Zeit 15/ 2012, online nicht abrufbar.) Die Leser der taz, der Zeit und der Frankfurter Rundschau, deren Wutschreiben (so es sich nicht um verschriftlichte Pappkameraden handelt) hier vor grölendem Publikum zitiert werden, schimpfen Kiyak eine „Eselhirtin“ aus einem „mit Ziegenkacke gepflastertem Land“ und fragen Yücel, wie man wohl „zwischen zwei Ehrenmorden eine Kolumne schreiben“ könne. Kiyak, Yücel und Musharbash verügen über die beneidenswerte Fähigkeit, sich an diesem Niveau berauschen zu können.
Frau Topcu schreibt, daß man diese genialische Lesung auch „öffentliche Masturbation“ nennen könne und bekennt glücklich, daß das anwesende Publikum „sich bepisste vor Lachen“.
Ja, ist das nicht wahnsinnig cool? Und geradezu zum Schreien komisch, daß es anscheinend stets Leser linker Gazetten sind, die so untergürtellinig austeilen, nach rechts wie nach den Neudeutschen?
Gerade Frl. Kiyak, die doch genau weiß, daß es hierzulande „alltäglich“ ist, daß „Menschen, die nicht blond und blauäugig sind, angepöbelt und verprügelt werden“ und daß einer wie Sarrazin hierzulande niemals ernsthaften Widerspruch erntete, scheint wahrhaft über Galgenhumor zu verfügen. Nein, so witzig und aberwitzig wagten wir niemals zu sein!
Frl. Kiyak übrigens – woher nimmt sie diesen Mut in Feindesland?! – hat sich auch mutig in einem neuen Buch gegen die stinkigen Altdeutschen zu Wehr gesetzt, eine Kurzbesprechung des Elaborats – Nicol Ljubic (Hrsg.): Schluß mit der Deutschenfeindlichkeit! Hamburg: Hoffmann & Campe 2012. 205 S., 17.99 € – findet sich in der aktuellen Sezession 47:
Was für ein krasser Geniestreich! Siebzehn Schriftsteller mit deutscher Staatsbürgerschaft erzählen von ihren Erfahrungen in einem Land, das sie Heimat nennen. Sie heißen Bánk, Gorelik oder Özdogan. Oder Mely Kiyak, die ihre autochthonen Mitbürger nun wirklich kennt, diese „bekloppten, schmarotzenden, eitlen, verdorbenen, geizigen“, dieses verkommene Volk, dessen Teil sie nun ist. Vor allem fällt ihr auf, daß diese Ureinwohner anscheinend keine Seife benutzen, sie stinken nämlich und fallen generell eher lästig. Nicht alle Mitautoren (darunter auch „Einwanderertochter“ Petra Reski mit einem Ostpreußen und einer Schlesierin als Vorfahren und „Ossi“-Ausländerin Claudia Rusch) sind eingeschnappt oder zornig, aber doch die meisten. Nicht, daß diese tendenziell trotteligen Urdeutschen immer böswillig wären! Aber dann fragen sie solch dumme Sachen wie „Wo kommen Sie eigentlich her?“, haben keine Ahnung, wie man die neudeutschen Namen korrekt spricht, schwärmen blöde vom längst fremdgewordenen Abstammungsland des Gegenübers oder loben die akzentfreie Sprache – oder verbessern, was Herta Müller bitter beklagt, die Aussprache! Hallooh, geht´s noch?, so läßt sich der hier zutage tretende Vorwurf an die Biodeutschen stilistisch wie inhaltlich zusammenfassen.