Mit frechem „Ego-Non!“ saß ich unlängst in zwei Sitzungen eines Forschungsseminars zum Thema „Rechtsextremismus“.
Der Auslöser des Seminars, mutmaßlich, die CAMPUS-Affäre; oder in den Worten eines Kameraden: nicht gegen ein Phänomen, sondern gegen Personen sei diese Wissenschaft gerichtet. Abzusehen also, daß etwas zu sagen war. Das Gefühl der beiden Dozentinnen: sicher kein gutes angesichts gleich dreier Bedenkenträger.
Während der erste Seminartag den „großen historischen Linien“ oder verschiedenen „historischen Wurzeln“ nachspüren sollte, versuchte man am zweiten einen politikwissenschaftlichen Zugriff auf aktuelle rechtsextreme Phänomene zu gewinnen: Erscheinungsformen, Wahrnehmung des Rechtsterrorismus, Verfassungsschutz. Geradezu fantastisch, dachte ich, wie die historische Konzeptualisierung rechtsextremen „Gedankenguts“ (immer dieser Begriff) schon am ersten Seminartag nicht nur völkisches Denken und Rassismus, nein: auch völlig undifferenziert Nationalismus oder gar den Konservatismus einfangen sollte. Das bedeutete, daß bereits die Infragestellung der „Konstruiertheit von Volk und Nation“ etwa verdächtig war. Selbstverständlich durften auch Feindbilder (Kommunismus) oder Verschwörungstheorien als „Kernelemente“ solchen Denkens nicht fehlen, was – wie konnte es anders sein? – an einem Meisterstück der politischen Mimikry veranschaulicht wurde: Manfred Kleine-Hartlages Büchlein über die Neue Weltordnung.
So gestaltete sich das Seminar dann auch im politikwissenschaftlich zweiten Teil als Problematisierung der Pressefreiheit, die ja auch für die Junge Freiheit gilt, der Versammlungsfreiheit, die ja auch für „Naziaufmärsche“ gilt, oder der staatlichen Unfähigkeit, die NPD endlich zu verbieten. Exklusion und Inklusion sind die wissenschaftlichen Umschreibungen für diejenigen, die noch drin und diejenigen, die schon draußen sind. Ich habe also gelernt, was ich ohnehin schon wusste. Ausschließungstaktik wurde dann auch fast hilflos wirkend besonders gegenüber den „Störenfrieden“ im Seminar geübt, die zum Teil nicht einmal mehr ihre Argumente zu Ende sprechen konnten. Eine Methode mit System. Man kennt es aus anderen Zusammenhängen. Doch wenn dieses Muster im akademischen Umfeld Schule macht, braucht auch das Plädoyer eines der Pflichttexte für die rechtliche Exklusion imaginierter Nazis nicht mehr zu verwundern.
Hinweise darauf, daß die Seminarleitung letztlich ein Feindbild zeichnete, wurde von dieser als Unsinn abgetan: „Das ist Ihr Jargon!“ – natürlich. Doch Widerspruch blieb – nicht nur bei den „Störenfrieden“, die sich Anmerkungen über die Absurditäten und magischen Assoziationsketten nicht ersparen konnten. Dabei hätte es so schön und ruhig sein können, wurde doch bei Kaffee und Kuchen ein sorgsam aufeinander abgestimmtes, in sich stringentes Feindbild nach bester akademischer Manier konstruiert: der Rechtextremist, der unterschwellig und ganz bewußt unterhalb der justiziablen Schwelle sein Unwesen treibt. Der die Junge Freiheit liest. Und der von Carl Schmitt und Ernst Jünger ideologisiert ist. Diesen zu erkennen, erfordert dann allerdings ein derart aufgeweichtes Begriffsspektrum, daß man eher fragen muß: Wer gehört in einer pluralen Gesellschaft denn nicht mehr dazu? Und so kam am Ende Nazi raus, wo vorher Nazi reingesteckt wurde. Na Bravo!
Zugegeben: Der hier beschriebene Ablauf war abzusehen. Er war kalkulierbar. Und weil er bestätigt wurde, darf man befürchten, daß er repräsentativ ist: als eminenter Widerspruch von Weltanschauung und Wissenschaft. Zu vermuten wäre, daß die Seminarleitung eine legitime „Standortgebundenheit des Seminars“ (die Freiheitlich Demokratische Grundordnung) mit einem „weltanschaulich-heilsgeschichtlichen Demokratismus“ verwechselte. Ja, mein Jargon. Die Absicht der weltanschaulichen Erziehung im Hintergrund (mit einer Heilsgeschichte zur Demokratie und den gefährlichen, ja pathologischen Abwegen) wirkte auf die Vorgehensweise. Die FDGO als Referenzmoment stellt die Frage: wer gehört nicht mehr dazu, zwingt zur Aufstellung klarer, justiziabler Kriterien. Für alle anderen gilt die Unschuldsvermutung. Bildet allerdings der Rechtsextremismus das Referenzkriterium, stellt sich die Frage anders: wer nämlich alles noch zu dieser mit Vorliebe pathologisierten Haltung gehört, zwingt zur Aufweichung harter Kriterien und ermöglicht die wildesten Assoziationen mit sogenanntem „rechtsextremistischen Gedankengut“ – und das alles unter dem Anschein wissenschaftlicher Legitimität. Dabei sollte Wissenschaftlichkeit doch darin bestehen, die Grenzen der gewählten Kategorien offen zu legen und diese zu diskutieren, nicht die eigenen Begriffe zu dogmatisieren. Doch diese Diskussion war ausdrücklich kein Thema des Seminars.
Wo immer möglich, mußte also Einspruch erfolgen. Nicht aus Spaß an der Provokation, sondern aus Gründen akademischer Redlichkeit, die etwas anderes ist als die intendierte weltanschauliche Erziehung, die bei der Konzeption des Seminars scheinbar die Feder führte. Denn erst dadurch blieb das Seminar nicht das, als was es geplant war, blieb keine Veranstaltung der Politischen Bildung, in der sich diesmal – gottlob! – zumindest nicht alle lieb hatten.