das der Differenzierung nicht nur fähig ist, sondern auch Willens, es sich selbst und den Zuschauern nicht allzu leicht zu machen mit der Interpretation eines ihnen fremden Phänomens. Auf dem “zwischentag” war der rbb – herausgekommen ist ein Scherbenhaufen.
Und doch – im Gespräch mit den Journalisten Adrian Bartocha und Helge Oelert dachte ich wieder für einen Moment: Diese Männer begreifen, daß wir genau und frei denken und angesichts der Lage im Land daran arbeiten, daß die Fakten auf den Tisch kommen und die Wirklichkeit so beschrieben wird, wie sie ist. Diese Männer werden am Schneidetisch nicht anders können, als meinethalben ein indifferentes Unwohlsein zum Ausdruck zu bringen und die Vielgestaltigkeit eines Denkmilieus zu beschreiben.
Wie naiv! Es kam erneut ganz anders! Und natürlich können diese Männer am Schneidetisch den inneren Befehl nicht verweigern, der ihnen das Gute und das Böse auseinanderflüstert, seit sie mitmachen dürfen. Daher: ein paar Sehhilfen, die Felix Menzel und ich heute Morgen zusammentrugen.
1. Das Anfangsbild mit Lackschuhen auf Fußabstreifer und Springerstiefeln im Hintergrund gilt als Klassiker der Suggestion: Kampfsau trifft Stichwortgeber – kenne ich seit zwanzig Jahren. Hat natürlich mit dem Habitus der Messegäste nicht das geringste zu tun.
2. Die Anmoderation ist bereits justiziabel, wir prüfen das: Ohne Konjunktiv wird behauptet, daß der NSU sich seine mörderische Ideologie aus Versatzstücken zusammengebastelt habe, die wir Aussteller und Organisatoren des “zwischentags” bereitgestellt hätten.
3. Mit Menzel und mir führten die beiden Redakteure jeweils ein rund 45-minütiges Gespräch. Die beiden kurzen Stellungnahmen sind Versatzstückchen, die den Schwerpunkt der Gespräche nicht widerspiegeln. Außerdem kann man aus jedem längeren Gespräch drei Aussagen destillieren, die sich zur Denunziation eignen. Mit dem Kern des Gesprächs hat das dann aber nichts mehr zu tun. Menzels Kernbotschaften waren:
+ Nur wer auf junge Leute setzt, kann die Zukunft mitgestalten;
+ Das Deutsche stehe an sich unter Generalverdacht (wiederum belegt durch die Anmoderation und den Beitrag);
+ Den “zwischentag” organisiert und in Ruhe veranstaltet zu haben, sei angesichts der politischen Atmosphäre eine große Leistung.
Meine eigenen Kernaussagen lauteten:
+ Der “zwischentag” und das Denkmilieu, das ihn trägt, soll für tausende, metapolitisch interessierte Leser eine Normalität sein und werden: treffen, präsentieren, zuhören, weiterdenken.
+ Kein Publizist (nicht einmal die beiden rbbler) kann letztlich mitentscheiden, wer ihn liest, wie er gelesen wird und was die “Praktiker” (also CDU-Politiker, NSU-Leute, Demonstranten o.ä.) aus seinen Texten saugen und umsetzen.
+ In keinem unserer Bücher und Aufsätze ist auch nur eine Zeile zu finden, die zur Gewalt aufriefe. Die Verteidigung des Eigenen ist die Auseinandersetzung mit Gegnern in einem geistigen Bürgerkrieg.
4. Insgesamt kommt die Messe, unser in jeder Hinsicht gelungener “zwischentag”, in dem rbb-Beitrag viel zu kurz, obwohl ich darüber sehr ausführlich berichtete. Das Interesse Bartochas und Oelerts richtete sich eben nicht auf dieses Ereignis, sondern auf die Verknüpfung der konservativen, jungen, neuen Rechten mit dem Irrsinn pathologischer Gewalt.
5. Dieser Sekundär-Denker aus dem Bundestag (dessen Name ich mir nicht merken kann) darf der Herrschaft des Verdachts wiedereinmal und wie immer unoriginell aussprechen: Egal, was wir denken und egal, was wir sagen – Leute wie dieser Sekundär-Denker blättern in ihrem Sekundär-Buch und quetschen ihr “Alles verdächtig” hervor.
6. Also, bevors zum Film geht: Lest, Leute, lest. Lichtmesz’ Verteidigung des Eigenen ebenso wie Deutsche Opfer, fremde Täter, die 50. Sezession oder den Konservativen Katechismus – Ihr werdet staunen, wie differenziert, genau und rücksichtslos gegen eigene Bequemlichkeiten da gedacht und argumentiert wird.