edition nordost auf Youtube!

Am vergangenen Freitag stellten Kubitschek und ich in Wien das "Experiment" der belletristischen Buchreihe edition nordost vor.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Dazu ein­ge­la­den hat­te uns die Iden­ti­tä­re Bewe­gung Öster­reich, und dem­entspre­chend hat­ten wir das Ver­gnü­gen, vor einem zum Teil recht bunt zusam­men­ge­wür­fel­ten, über­wie­gend jun­gen Publi­kum spre­chen zu dürfen.

Von mei­ner Sei­te aus kann ich sagen, daß das einer der ent­spann­tes­ten und schöns­ten Vor­trags­aben­de war, an dem ich je teil­ge­nom­men habe. Auch das The­ma war ein wenig anspruchs­vol­ler als sonst üblich – und zunächst galt es, eini­ge Miß­ver­ständ­nis­se zu bereinigen.

Etwa, daß es natür­lich nicht dar­um gehen kann, hier einen Laden für poli­ti­sche Ten­denz- und Erbau­ungs­li­te­ra­tur auf­zu­ma­chen, ohne dabei aus den Augen zu ver­lie­ren, daß all die­se Bücher natür­lich etwas mit der Rech­ten im enge­ren oder wei­te­rem Sin­ne und ihrem, nen­nen wir es: “Welt­zu­gang” zu tun haben.

Inso­fern freut es mich fast, daß sich eini­ge Leser rat­los gefragt haben, was denn nun an dem Roman “Sie­ben Rei­ter ver­lie­ßen die Stadt”, dem “Star” der ers­ten Staf­fel, “kon­ser­va­tiv” oder “rechts” sein soll. Nun: “Wenn Ihr’s nicht fühlt, Ihr wer­dets nicht erjagen.”

Die Fra­ge nach der Schei­de­li­nie zwi­schen Ten­denz und Kunst, Erzäh­lung und Pro­pa­gan­da führt zum kom­pli­zier­ten Kern ästhe­ti­scher Fra­gen über­haupt, der immer wie­der von Neu­em frei­ge­legt wer­den muß. Und hier gibt es eine Men­ge Pro­ble­me, die nie letzt­gül­tig geklärt wer­den kön­nen. Glück­li­cher­wei­se, denn ihre Bewäl­ti­gung gehört zu den Sta­cheln, die im schöp­fe­ri­schen Pro­zeß uner­läß­lich sind.

Grund­sätz­li­ches dazu habe ich in mei­nen Kapla­ken­bänd­chen “Besetz­tes Gelän­de” im Hin­blick auf die Film­kunst geschrie­ben. Es wäre eine Auf­ga­be, ähn­li­ches für die Bel­le­tris­tik nach­zu­ho­len. Wesent­lich für mein Ver­ständ­nis ist, daß jeder wah­re Autor mit einer Hal­tung an die Wirk­lich­keit her­an­tritt, eine Per­spek­ti­ve ein­nimmt, und von hier aus gestal­te­risch ein­greift, bis er sei­nen Ton, sei­ne Form gefun­den hat, die im geglück­ten Fall nur ihm ganz allein gehört, die aber immer nur ein Stück­werk blei­ben kann.

Letzt­lich lehrt einen die Bekannt­schaft mit gro­ßen und unter­schied­li­chen Autoren, daß Stück­wer­ke auch das ein­zi­ge sind, was wir in die Hand bekom­men kön­nen. Das ist aller­dings, von der rich­ti­gen Sei­te betrach­tet, auch ein Grund zur Freu­de: mag die Welt zwar ein unbe­greif­li­ches und ver­gäng­li­ches Cha­os sein, es ist mög­lich, ihr Inseln der Ord­nung und des Sin­nes abzu­trot­zen, die selbst das Cha­os und die Ver­gäng­lich­keit emble­ma­tisch ein­fas­sen wie der Ring den Edel­stein, oder wie das Yin das Yang und umgekehrt.

Die stärks­ten Lese­er­fah­run­gen macht man mit Autoren, die einen Kos­mos für sich bil­den, in den man rest­los abtau­chen kann, und aus dem man ver­wan­delt wie­der her­vor­geht. Die Serie beginnt mit zwei­en, die mir beson­ders viel bedeu­ten: zum einen der all­seits bekann­te und von der “seriö­sen” Lite­ra­tur­kri­tik der Bun­des­re­pu­blik weit­ge­hend igno­rier­te und unter­schätz­te Joa­chim Fer­n­au, der einst die Best­stel­ler­lis­ten anführ­te, zum ande­ren der in die­sem Blog von mir schon seit Jah­ren emp­foh­le­ne fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler Jean Raspail.

Über Ras­pail wer­de ich dies­mal nicht viel sagen; ich habe ihn bereits an ande­rer Stel­le aus­führ­lich vor­ge­stellt. Ein gutes Por­trait des eigen­sin­ni­gen Autors gibt es auch im dies­jäh­ri­gen Juni-Heft der Sezes­si­on nachzulesen.

Fern­aus Erzäh­lung Haupt­mann Pax, auch bekannt unter dem Titel Bericht von der Grö­ße und Furcht­bar­keit der Män­ner, erschien erst­mals 1954, und ist in vie­ler­lei Hin­sicht unty­pisch für ihren Autor. Des­sen Stär­ke waren bekannt­lich die schnodd­ri­gen, tra­gi­ko­mi­schen Auf­be­rei­tun­gen der Welt­ge­schich­te: sei­ne Bücher über Deutsch­land, das anti­ke Rom und Grie­chen­land, die Preu­ßen oder die USA sind aller­dings auch vol­ler mal offe­ner, mal ver­deck­ter poli­ti­scher Kom­men­ta­re über die Gegenwart.

Als weni­ger geglückt gel­ten Fern­aus weni­ge Roma­ne und Erzäh­lun­gen. Aber auch hier ist ihm zuwei­len beacht­li­ches gelun­gen: Die jun­gen Män­ner (1960) bie­tet ein leben­di­ges Bild der Jah­re vor 1933, und der trü­ge­risch idyl­lisch beti­tel­te Roman Ein wun­der­ba­res Leben (1975) hat eine herz­zer­rei­ßen­de Wucht.

Haupt­mann Pax, die Geschich­te eini­ger deut­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner auf der Flucht durch die unend­li­chen Wei­ten Ruß­lands, basiert auf Tat­sa­chen­be­rich­ten, wird von Fer­n­au aber bewußt ins Arche­ty­pi­sche und Uni­ver­sa­le erho­ben. „Ich kann Dir sagen: was ich getan habe, kein Tier der Welt hät­te es fer­tig­ge­bracht!“ Die­ser stol­ze Satz eines ande­ren Über­le­ben­den aus Saint-Exupé­rys Roman Wind, Sand und Ster­ne könn­te auch Fern­aus Erzäh­lung als Mot­to voranstehen.

Nun aber zur Haupt­at­trak­ti­on die­ses Blog­ein­trags: Ein all­round-krea­ti­ver Kopf hin­ter der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Öster­reich hat zwecks Anre­gung des Lese­ap­pe­tits einen sehr schö­nen klei­nen Film zur nord­ost-Aus­ga­be von Haupt­mann Pax gemacht. Beson­ders bestechend sind hier die gelun­ge­nen drei­di­men­sio­na­len Ani­ma­tio­nen der Buchillustrationen.

 

 

Auch die Sie­ben Rei­ter wur­den wun­der­bar von einer deutsch-rus­si­schen Künst­le­rin illus­triert; für das Pro­mo­ti­ons­vi­deo hat der Gestal­ter aller­dings Aus­schnit­te aus rus­si­schen bzw. sowje­ti­schen Fil­men ver­wen­det, u.a. Sturm über Asi­en von Wsewo­lod Pudowkin.

 

Also: wem das “gefällt”, bit­te anschau­en, ver­brei­ten, wei­ter­lei­ten, bewer­ben, prei­sen, und vor allem die Bücher kau­fen und lesen!

You­tube-Kanal der edi­ti­on nordost

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (20)

Nils Wegner

29. November 2013 12:03

Eine sehr schöne Einlassung zum Thema; ebenso wie die Filmchen, besonders das zu den Reitern. Vermag tatsächlich den Leseeindruck aufzufangen und zu verstärken: "Die letzten Reiter" trifft "Die sieben Samurai", oder so ähnlich.

T.Gygax

29. November 2013 12:16

Der Kurzfilm über "Sieben Reiter" ist gelungen, Verknüpfung von Musik/Gesang und Bildern passen exakt zu Raspails Stil. Leider ist das französische Comic von Jean Terpant um vieles schlechter, das klappt einfach nicht, solch gehaltvolle Literatur auf das schlichte Comic-Niveau zu schieben.....Aber wenn es Raspail unter anderen Zielgruppen bekannt macht-warum nicht?

M.L.: Ich mochte den Comic sehr gern, Raspail selbst hat sich enthusiastisch darüber geäußert.

Meyer

29. November 2013 12:21

Der Film zu Hauptmann Pax: Großartig!

albert

29. November 2013 13:21

Beide Filme sind sehr gut! Mehr davon...

yvonne

29. November 2013 15:25

Absolut klasse. Der Mann hat's voll drauf. würde ich mal sagen.

Stil-Blüte

29. November 2013 18:24

Überraschung!

Gefällt auch mir, obwohl ich in einer wehen Stunde 'Die sieben Reiter' abgewiesen hatte. Wegen irgendwelche Umstände kam meine Ablehnung der düsteren Burschen nicht zur Publikation. Jetzt bin ich froh darüber. Denn Film, Schrift und Lied erschließen mir neue Horizonte. Gerne würde ich CD's mit derartigen Liedern innerhalb einer Publikation erwerben. (Parallele dazu: Oft habe ich die 'Superillu' allein deswegen gekauft, weil eine wunderschöne DVD mit alten Märchenfilmen der DEFA dabei war, die ich dann meinen Enkeln geschenkt habe.) Etwas zum 'Aufheben' und Weitergeben ist immer sehr ersprießlich.

Die Schrift-Züge im 'Hauptmann Pax' fand ich graphisch und inhaltlich noch intensiver konditioniert. als bei den 'Sieben Reitern'

Rumpelstilzchen

29. November 2013 18:37

Vor mir liegt ein vergilbter Brief vom 19.4.1944 aus dem Reserve-Lazarett in Lemberg:

Sehr geehrte Familie R !

Ich habe die traurige Pflicht Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihr Sohn, der O.Gefr. T.R. am 19.4.1944 in unserem Lazarett an den Folgen seiner schweren Verwundung verstorben ist.
Ihr Sohn wurde am 18.4. 1944 abends bei einem Fliegerangriff auf den Flughafen Lembergs durch Bombensplitter schwer verwundet und sofort in unser Lazarett eingeliefert. Die Verwundung war sehr schwer. Ein Granatsplitter war über der Nase in die Stirnhöhle und das Gehirn eingedrungen. Meine Fachärzte haben Ihren Sohn sofort in Behandlung genommen und die starke Blutung zum Stehen gebracht. Der Splitter konnte wegen der schweren Gehirnverletzung nicht entfernt werden. Ihr Sohn war bei der Aufnahme bewußtlos und ist aus dieser Bewußtlosigkeit auch nicht mehr erwacht. Wenige Stunden nach der Aufnahme am 19.4.1944 um 3 Uhr 30 Minuten früh ist Ihr Sohn ruhig und schmerzlos und ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, eingeschlafen.
Zu diesem schweren Verlust spreche ich Ihnen mein herzlichstes Beileid aus.
Möge die Gewißheit, daß Ihr Sohn sein Leben für die Größe und die Zukunft unseres ewigen Deutschen Volkes hingab, Kraft geben und Ihnen ein Trost sein in diesem schweren Leid.
Die Beisetzung findet am 21.4.1944 vormittags 10 Uhr auf dem Heldenfriedhof in Lemberg mit allen militärischen Ehren statt.
Die Nachlaßsachen werden von uns in den nächsten Tagen abgesandt. Bei der allgemeinen Transportlage dürfte es jedoch noch einige Wochen dauern, bis Sie dieselben erhalten.
In herzlicher Anteilnahme grüße ich Sie mit Heil Hitler !
Dr. S. Oberstabsarzt

T.R. war der Sohn einer Mutter und 22 Jahre alt, als er starb. Er war der Onkel meines Mannes.
Ich habe Söhne in vergleichbarem Alter.
Ich werde meinem Mann Hauptmann Pax zu Weihnachten schenken. Das Buch wird ihn unterhalten.
Ich bin eine Mutter und mag einen anderen youtube Beitrag.
Keine Angst, nicht gesungen von Marlene Dietrich:
https://m.youtube.com/watch?v=HRhHpTRuBrk&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3DHRhHpTRuBrk

Gustav Grambauer

30. November 2013 10:08

@Rumpelstilzchen

Es gibt einen dritten Weg zwischen "Unterhaltung" und "Betroffenheit".

Rudolf Steiners Formeln für gefallene Freunde, die im 1. WK als Soldaten gefallen waren; ob "Rückkämpfer" dabei waren, ist mir nicht bekannt:

Geister eurer Seelen, wirkende Wächter,
Eure Schwingen mögen bringen
Unserer Seelen bittende Liebe
Eurer Hut vertrauten Sphärenmenschen,
Daß, mit eurer Macht geeint,
Unsre Bitte helfend strahle
Den Seelen, die sie liebend sucht.

Aus dem Mut der Kämpfer
Aus dem Blut der Schlachten
Aus dem Leid Verlassener
Aus des Volkes Opfertaten
Wird erwachsen Geistesfrucht
Lenken Seelen geistbewußt
Ihren Sinn ins Geisterreich.

Würden Ihrem gefallenen Verwandten wahrscheinlich unendlich mehr helfen als "... wann wird man (frau???) je versteh`n".

- G. G.

Rainer Gebhardt

30. November 2013 11:24

Gibt es eine rechte Ästhetik? Gibt es eine linke Ästhetik? Wohin mit Celine? Zu den Linken (dort wird er aus bestimmten politischen Gründen auch gern gelesen)? Oder zu den Rechten, weil er ein Reaktionär war? Wohin mit Pound? Zur Avantgarde oder zur Klassik? Und wenn zur Avantgarde – zur linken oder zur rechten? Wohin mit Hemingway, der sich zeitlebens zu Pound bekannt hat? Zu den Linken, weil er für die Spanische Republik gekämpft hat? Oder zu den Rechten, weil er für archaische Männlichkeitsrituale (Kampf, Krieg, Jagen, Gefahr) plädiert hat?
Die Gedichte von G.Benn – läßt sich an ihnen eine rechte Ästhetik ablesen? Oder eher eine bestimmte Anthropologie? Und auf der Gegenseite: Sind die Liebesgedichte von Brecht links? Ernst Jünger, dessen Werk nach eigen Worten immer zwischen „magischem Leben und logischem Denken“ mäandert - wohin mit einem Text wie „Das abenteuerliche Herz“. Welche Ästhetik liegt diesem Text zugrunde? Dann aber wieder die politische Radikalität seiner Auffassungen im „Arbeiter“: In den Werkstättenlandschaften der Moderne habe die Kunst die Aufgabe die Arbeits- und Lebenswelt zu gestalten. Das hätte auch ins Konzept der marx./lenin. Ästhetik gepasst.

Linke oder rechte Ästhetik? Die Frage ist unerheblich: Weil man mit politischen Kategorien der Bestimmung dessen, was Kunst ist, keinen Deut näher kommt. Auch die Bewertung von Kunst anhand politischer Dichotomien ist sinnlos. Denn ob etwas Kitsch oder Kunst, Müll oder Meisterwerk, Qualität oder Mist ist, das ist kein politisches Problem. In linken Diskursen wird gegenwärtig verstärkt über ein sog. ’kollektives Überschreiten’ der ’ursprünglichen Ästhetik’ gegrübelt – was immer mit ’ursprünglicher Ästhetik’ gemeint sein soll, die Rede vom ’kollektiven Überschreiten’ meint die Unterordnung von Kunst unter politische Programme. Von Ästhetik kann dann überhaupt keine Rede mehr sein.

Ist eine politisch eingefärbte Rezeptionsästhetik noch denkbar (obwohl ich mir denken kann, wie sich einem Atheisten in Bachs h-moll-Messe die Haare sträuben, kann ich mir schon nicht mehr vorstellen, dass man Schuberts b-moll Sonate mit „parteipolitsch gespitzen Ohren“ hören kann), ist eine „Produktionsästhetik“, die sich an politischen Programmen entlang hangelt, absoluter Stuss. Es gibt keine faschistische oder kommunistische oder sozialdemokratische Ästhetik, die den Namen verdient. Aber es gibt rechten und linken Tendenzkitsch.

Mir ist es gleich, ob sich ein Künstler links oder rechts einordnet. Doch sobald ich spüre, daß einer thesengestützte Konzepte abliefert und seine politischen Ansichten nur ästhetisch verkleidet, geht bei mir der Vorhang runter.

Um mit Tschechow zu sprechen (zusammengefasste Antwort an einen Schriftsteller): Es kann ja sein, dass der Fortschritt uns eines Tages zu besseren Menschen macht. Aber wann wird das sein? In hundert Jahren, in tausend? Verschonen Sie mich also mit Ihren politischen Ansichten, die interessieren mich nicht. Und Ihr Buch wird dadurch keine Spur besser, dass ihm politisch fortschrittliche Ansichten und moralisch gute Absichten zugrunde liegen. Es reicht, wenn Sie die Augen aufmachen, wenn Sie beobachten und die Wahrheit schreiben. Und dazu brauchen Sie keine politische Gesinnung, Sie brauchen Aufrichtigkeit, Mut und Talent.

Inselbauer

30. November 2013 12:38

"Hauptmann Pax" ist ein erstaunlich gutes Buch. Künstlerisch interessant finde ich vor allem das Pathos zu Beginn, das natürlich in die unmittelbare Nachkriegszeit passt, seine epische Radikalität im Kontrast zu den "amerikanischen" Dialogen, die den Hauptteil bestimmen. Wildes Pathos ist ein geheimes Reich in der deutschen Literatur, vor dem sich die Germanisten und etablierten Autoren in die Hosen scheißen, in dem es aber wunderbare Möglichkeiten des Ausdrucks gibt. Das Buch ist auch eine wunderschöne, faschistische Paraphrase auf Fadejews "Die 19", mit einer viel besseren Parabel und einer schlüssigen Vorgeschichte des zurückgenommenen BRD-Spießers.
Die Landser-Graphiken finde ich auch sehr schön. Was sich wohl der Alexander Kluge denkt, wenn er so etwas sieht (...)

M.L.: Wir sollten ihm ein Exemplar schicken...

yvonne

30. November 2013 13:49

@Rainer Gebhardt
Die Ästhetik ist zufällig eins meiner Lieblingsthemen und ich finde:
Ästhetik ist eine Formfrage. Dadurch steht sie eigentlich automatisch rechts. Linke Ästhetik kann es gar nicht geben. Allerdings linke Inhalte. Aber sie werden sich notwendig in rechter Form wiederfinden. Es ist auf jeden Fall möglich, Inhalte über den Weg der Kunst zu transportieren, darum auch politische. Aber entscheidend dafür, ob etwas Kunst ist oder nicht, ist nicht der Inhalt, sondern die – geführte - Form.
Sie fragen, welche Ästhetik den genannten Werken zugrunde liegt, doch sie meinen wohl eher, welche Werte dahinterstehen bzw. proklamiert werden und wie konsistent das sich zeigende Weltbild ist. Das ist ja was anderes.
Und ...einfach die Augen öffnen und die Wahrheit schreiben, klingt gut, aber so simpel ist es nicht. Wir sind immer geleitet von unserer grundsätzlichen Weltsicht, ob wir wollen oder nicht. Jedenfalls würde die Sache sonst auch ziemlich langweilig ausfallen.

Rainer Gebhardt

30. November 2013 14:29

@ Inselbauer

Inwiefern ist Hauptmann Pax" eine "faschistische Paraphrase auf Fadejews 'Die 19' "?

Das würde mich jetzt mal interessieren!

Inselbauer

30. November 2013 14:35

Es stimmt, man ist jetzt in Schnellroda so weit, Goodie-Bags an Prominente verschicken zu können. Das Paket an Kluge könnte das besagte Buch, ein Lichtmesz-T-Shirt, nationalphantastische Aufkleber, den Schrumpfkopf eines Rechtsradikalen und eine Dose Stiegl-Bier enthalten.
So kämpft der Gegner um die Meinungshoheit!
Ich selbst habe Ende der 90er- Jahre als "Verlagsmitarbeiter" eines feministischen Scheißverlags solche Bunches of Shit kompiliert. Legendär die Goodies für Ulrich Wickert, die neben feministischer Literatur auch extra kleine Kondome und ein gebrochenes Herz aus Schokolade umfassten.

Gustav Grambauer

30. November 2013 14:45

@Rainer Gebhardt

"In linken Diskursen wird gegenwärtig verstärkt über ein sog. ’kollektives Überschreiten’ der ’ursprünglichen Ästhetik’ gegrübelt – was immer mit ’ursprünglicher Ästhetik’ gemeint sein soll ..."

Es gibt in deutschen Sprachraum einen Schlüssel-Text, dessen Wirkungsmacht angesichts seiner Erbärmlichkeit schon erstaunlich ist:

https://www.litde.com/textsammlung-zur-deutschen-literaturgeschichte/friedrich-wolf-kunst-ist-waffe.php

Was für Wolf, beste Lunatscharski-Shdanow-Tradition und übrigens der Vater von Lubjanka-Mischka, 1928 noch "Brot" i. S. v. "ursprünglicher Ästhetik" war, wurde inzwischen längst zu nicht weniger als einer "Maslowschen Bedürfnispyramide" akademisch hochgezüchtet, womit über den Arbeiterklassen-Sozialismus hinaus nun auch mit dem Lumpenproletariats-Sozialismus via "Kunst ist Waffe" Nägel mit Köpfen gemacht werden können.

Vorgestern habe ich in einer anderen Verständigung hier bei SIN den "Ingenieur der menschlichen Seele" Hacks erwähnt und deutlich gemacht, inwiefern er mir (u. a.) in meinen jungen Jahren über die Retorten-Natur des Sozialismus die Augen geöffnet hat. Der hatte sich sogar zu diesem Dictum verstiegen:

„Eingestandenermaßen ist die Kunst eine Waffe. Eingestandenermaßen ist ein Holzhammer eine Waffe. Nach Aristoteles folgt hieraus nicht, daß die Kunst ein Holzhammer sein müsse. Es folgt eher, daß die Kunst eine um so bessere Waffe sei, je bessere Kunst sie ist.“ (Hacks, Werke, Band 13, Eulenspiegel, Berlin, 2003, Seite 139 lt. Wikipedia)

Bei mir stehen alle Linken unter Agit-Prop-Verdacht bis zum Beweis des Gegenteils.

Falls jemand ein Paradebeispiel für nicht einmal ansatzweise kaschierten Agit-Prop sucht: "Sag mir wo die Blumen sind".

"Ist eine politisch eingefärbte Rezeptionsästhetik noch denkbar (obwohl ich mir denken kann, wie sich einem Atheisten in Bachs h-moll-Messe die Haare sträuben, kann ich mir schon nicht mehr vorstellen, dass man Schuberts b-moll Sonate mit „parteipolitsch gespitzen Ohren“ hören kann) ..."

Gehen Sie mal auf den Flohmarkt, vielleicht finden Sie noch ETERNA-Schallplatten aus der DDR. Köstliche Texte auf den Plattentaschen wenn man Sinn für Bizarres hat oder Hobby-Kunst-Historiker ist.

@yvonne

"Allerdings linke Inhalte."

Es gibt das linke Wort-Monster "Gedankengut", welches die Baukasten-Mentalität linker Gehirnverrenkungen für jeden noch Denkenden nicht nur in ihrer ganzen Sperrigkeit sondern vor allem in ihrer ganzen Absurdität aufzeigt.

"... einfach die Augen öffnen und die Wahrheit schreiben, klingt gut, aber so simpel ist es nicht. Wir sind immer geleitet von unserer grundsätzlichen Weltsicht, ob wir wollen oder nicht."

Ich sage immer: "'Keine Ideologie' ist auch schon wieder eine Ideologie". Da müssen wir alle aufpassen. Ein Ritt auf Messers Schneide.

- G. G.

Rumpelstilzchen

30. November 2013 14:54

@ Grambauer
Das ist ein guter Ansatz: zwischen Betroffenheit und Unterhaltung einen Weg zu finden und zwischen den Generationen eine Verbindung zu schaffen.
Ich erinnere mich gut an das Grauen, das in den Gesprächen aufschien, wenn Vater oder Großeltern von "dem Russen" erzählten.
Dann war das alles plötzlich kein Thema mehr. Der Wohlstand erfaßte Westdeutschland. Irgendwann wurde das Grauen zur Unterhaltung, zum Geschäft. Der Film "Anonyma-eine Frau in Berlin" von Färberböck weckte kurz den Gedanken: Kann ja nicht ganz so schlimm gewesen sein, wie die Alten das erzählt hatten.
Ja, und da stellt ein junger Mann in Danzig dieses Vergewaltigungsmahnmal "Komm Frau" auf und die Erinnerung kommt zurück.

https://m.youtube.com/watch?v=OXzbcrafKhE&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3DOXzbcrafKhE

Eine wirklich subversive Aktion.

Rainer Gebhardt

30. November 2013 16:00

@yvonne

Zustimmung! Und eine Anmerkung.

yvonne: "Sie fragen, welche Ästhetik den genannten Werken zugrunde liegt, doch sie meinen wohl eher, welche Werte dahinterstehen bzw. proklamiert werden und wie konsistent das sich zeigende Weltbild ist."

Ich meinte nicht nur Werte, sondern auch: Welches Formprinzip, welcher erkenntnistheoretische Ansatz. Jünger z.B., der die Wirklichkeit als Symptome oder Ausdruck metaphysischer Sinnfiguren auffasste, war Platoniker. Da kommt man nicht nur zu anderen An- und Einsichten, man "bedient" sich auch anderer Formen der Wahrnehmung und Darstellung. Der viel gerühmte stereoskopische Blick Jüngers ("Zwei Augenpaare sind uns gegeben, ein körperliches und ein geistiges …") - das ist ja zunächst ein erkenntnistheoretischer Ansatz (im Sinne wenn nicht einer reinen Anschauung so doch eines morphologischen Denkens, wie es auch für Goethe kennzeichnend war), der dann im Text (v.a. "Das abenteuerliche Herz") auch formal durchschlägt. Und das heißt: Es gibt eine den Kunstwerken immanente Ästhetik. Nur, dass die rechts oder links sein könne, will mir irgendwie nicht in den Kopf. Freilich wird eine Ästhetik immer politischer werden, je kommentarbedürftiger die Kunst selber wird. Wobei die Kommentatoren der sekundären Welt angehören.

Zum Themenkomplex hier ein überaus tiefgründiges Buch einer Künstlerin: Anita Albus: "Die Kunst der Künste". Muß man lesen! Die Frau ist weder links noch rechts - sie einfach nur konservativ. Und das ist sie, weil sie den ganzen abendländischen Verstand noch beisammen hat. Und von solchen Leuten gibt es ja nicht mehr viele...

Revolte

30. November 2013 19:39

Mir fällt immer wieder auf, dass die Identitären ein ausgesprochen gutes Händchen für Ästhetik und Inszenierung haben, gemessen an dem, was ich da von anderen Rechten teils schon an Videoumsetzungen gesehen habe. *schauder*

Dabei fällt mir ein: Wird es eigentlich irgendwann eine Neuauflage der KSA geben oder ist das Projekt endgültig begraben?

yvonne

30. November 2013 21:22

@Rainer Gebhardt
Ich denke es mir so: Das Rechte stellt das Ganze über das Einzelne. Das Leitbild ist die Schönheit, dazu braucht es die Unterordnung. In der Verwirklichung der großen Form sieht es seinen Lebenssinn, sie ist für uns Rechte der geistige Lohn. Die Sehnsucht nach Schönheit entspringt dem Wunsch nach Transzendenz, denn in ihr findet sich ein erfahrbares Abbild des Göttlichen (im weitesten Sinne).
Das Linke stellt das Einzelne in den Mittelpunkt. Um ihm maximalen Raum zu geben, muss alles Umgebende, Einengende zerstört werden oder zumindest „dekonstruiert“. Das Leitbild ist die Freiheit (am Ende: zur Bedürfnisbefriedigung), der Weg dahin ist die Emanzipation.
Das ist nun mal eine Absage an die Ästhetik, die ja in die Form zwingt. In diesem übergeordneten Sinn steht sie deshalb für mich rechts.
Auf inhaltlicher Ebene, die im bewusst gestalteten Kunstwerk hinzu kommt, sowie stilistisch, kann die linke Weltsicht allerdings voll zuschlagen, in bunten Schrotthaufen, Collagen, Verfremdungen usw. Typisch scheint mir, wie die dann doch wohl empfundenen allgemeine Sinnlosigkeit, die aus der herbeigeführten Vereinzelung resultiert, nach besonders krassen Reizen verlangt, die eigentlich nur billige Effekte sind, aber dann dazu dienen müssen, dem Ganzen eine „kritische“ Dimension zu geben.

In Punkto „linke Ästhetik“ kommen mir immer die Neubauviertel in unserer Nachbarschaft in den Sinn: die einzelnen Häuser für sich genommen sind meist gar nicht so übel. War auch nicht billig, der Spaß. Aber so wie man sie dann in die Reihe gestellt hat, dicht beieinander und keins passt zum anderen. Und dann noch leicht schräg zur Straßenfront! Pluralistisch. Hässlich.

Übrigens war ich mal ein großer Fan der h-moll-Messe (und vieler seiner Kantaten), konnte alles mitsingen, richtig schlecht, aber auswendig. Bach habe ich absolut verehrt. Aber der christliche Glaube hat mich nie gepackt.

Gustav Grambauer

30. November 2013 23:03

@Rumpelstilzchen

"Ich erinnere mich gut an das Grauen, das in den Gesprächen aufschien, wenn Vater oder Großeltern von „dem Russen“ erzählten."

Für manche Deutsche ist selbst Pommern schon kurz vor Sibirien. Als es die Sowjetunion noch gab haben wir uns immer mokiert, wenn im Westfernsehen (z. B. bei Sportsendungen) irgendwelche Tschetschenen oder Tartaren pauschal als "Russen" bezeichnet wurden.

War es denn wirklich "der Russe"???

Die Geschichte der Sowjetarmee offenbart durch alle Ränge hindurch bis ganz nach oben zwei abgrundtief verfeindete Flügel, ganz grob gesagt einen russisch-weißrussisch-ukrainischen und einen kaukasisch-asiatischen.

In dem Buch "Die Revolution frißt ..." von Wolfgang Leonhardt gibt es eine aufschlußreiche Szene. Tulpanow, Hochkommissar der Sowjetarmee, fährt mit L., Gruppe Ulbricht, im Auto durch das kriegszerstörte Berlin und sagt zu ihm: "schauen sie mal, dort drüben sehen sie unsere größten Feinde". Leonhardt reibt sich die Augen, er sieht dort nur Sowjetsoldaten. Darauf T. zu ihm: "ja, sie sehen richtig: das sind unsere eigenen Reparationskommandos, wir bauen auf, die plündern aus".

In der Sowjetarmee gab es die Ehrenburg-Doktrin (wobei Ehrenburg so wie seine Chefs natürlich Aschkenase war), mit der vor allem die halbasiatischen und asiatischen Horden aufgehetzt wurden; die Berichte z. B. deutscher Frauen kennen wir alle aus entsprechenden Dokumentationen. Die Brutalität der Unterwerfung war keineswegs mit der "Unmittelbarkeit der traumatischen Erfahrungen" zu erklären: die Methoden wurden später unter Semjonow lediglich ins Wirtschaftliche hinein sublimiert.

Es gab aber z. B. auch den Petersburger Russen (!!!) Bersarin, der bildlich gesprochen sein eigenes letztes Brot mit den Berlinern geteilt hat. Der russische Kulturoffizier, der - oft bei aller marxistischer Verblendung -, die deutsche Kultur wie seine eigene kannte und liebte, war geradezu ein Typus an Hochbildung und Germanophilie.

Die meisten Russen sind von ihrem Wesen her gutmütig. Ich komme aus einer Fleischer-Familie. Gleich im Mai 45 fuhr bei uns ein P-3 vor und es entstieg eine Schar Rotarmisten, - Russen -, klar was sie wollten. Mein Großvater, gerade übrigens den Rheinwiesen entflohen, und dem klar war, wieviel Schiß die eigentlich hinter ihrem Hunger hatten, hat zum "Woschjd" drei Worte gesagt: "Ich - geh - Kommandantura". Daraufhin klickten die Sicherungen der Kalaschnikows wieder ein. Es wurde noch ein ausgelassener Abend (der Keller war voll, nicht zuletzt mit selbstgebranntem Schnaps). Meiner Großmutter haben sie unter Zieharmonika-Klängen beigebracht wie man Pelmeni macht, diese sind seitdem (und bis heute) ein Familiengericht an besonderen Anlässen bei uns.

Was das Denkmal in Danzig betrifft: wie wäre es, wenn die Polen erst mal ihre eigene Geschichte wie es immer heißt "aufarbeiten" würden bevor sie mit dem Finger auf andere zeigen?!

Die Sache hat noch einen anderen Aspekt. Egal unter welchen politischen Vorzeichen und ob von oben oder von unten stört es mich, wenn der öffentliche Raum von irgendwelchen Leuten verseucht wird, die sich anmaßen, für irgendetwas "Sensibilität" schaffen zu wollen. Die meisten "BRD"-Bürger haben sich schon so daran gewöhnt, daß sie diese Verseuchung als selbstverständlich hinnehmen und sogar überwiegend noch begrüßen. Jetzt also der Versuch, in Danzig "Denkmalpädagogik" als neues Spezialgebiet der "Erwachsenenpädagogik" zu betreiben, wobei man einmal gesehen haben muß, wie die dortigen Städte - so wie die Schweiz von erfrischenden Brunnen - von überwiegend stilistisch ehrbaren Denkmälern der örtlichen Honoratioren der Zeitgeschichte wimmeln. Noch.

- G. G.

M.L: Bitte beim Thema bleiben.

Martin Lichtmesz

1. Dezember 2013 06:52

Geschlossen, Dank an Alle.

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