mit Beiträgen über Alain Soral und Pier Paolo Pasolini. Besonders interessant ist ein erstmals auf Deutsch publiziertes Interview mit Pasolini aus dem Jahr 1974.
Die Leser seiner „Freibeuterschriften“ werden mit seinen Gedanken zum „Totalitarismus der Konsumgesellschaft“, zur „falschen Toleranz“ und zum „Faschismus der Antifaschisten“ bereits vertraut sein; nichtsdestotrotz lesen sich seine Analysen auch nach 40 Jahren schockierend aktuell.
Das Werk Pier Paolo Pasolinis übt seit gut zwei Jahrzehnten eine schier unerschöpfliche, widerspruchsgeladene Faszination auf mich aus. Er gehört zu jenen Autoren, die unmöglich auf einen einzigen Nenner zu bringen sind oder in eine Schublade passen. Im März hatte ich Gelegenheit, seinen Film “Das Evangelium nach Matthäus“ (1964) auf der Leinwand zu sehen. Ein aufwühlender, einzigartiger Film, der ästhetisch tief in jahrtausendealten europäischen Traditionen wurzelt, das paradoxe Wunder eines von religiöser Wucht beseelten Werkes aus der Hand eines selbsterklärten Atheisten und Marxisten.
Derselbe Mann war auch imstande, die „120 Tage von Sodom“ des Marquis de Sade zu verfilmen, sein letzter, radikalster und am meisten mißverstandener Film. Ich bin mir sicher, daß der vom Christentum faszinierte Marxist Pasolini der Prophezeiung des katholischen „Reaktionärs“ Nicolás Gómez Dávila am Ende seines Lebens resigniert zugestimmt hätte: „Marx und die Evangelien werden verblassen. Die Zukunft gehört der Pornographie und Coca-Cola“.
Es war mitten in den „anni di piombo“, den „Jahren des Bleis“, in denen links- und rechtsterroristische Akte Italien erschütterten, als Pasolini konstatierte, daß der linke Antifaschismus auf ein Phantom der Vergangenheit fixiert sei, das ihn daran hindere, die „erste, wahre Revolution von rechts“ zu erkennen. Was er hiermit allerdings meinte – befangen in marxistischer Terminologie und zu einem linksintellektuellen Publikum sprechend – hat mit der politischen Rechten im eigentlichen Sinne oder im Sinne ihres Selbstverständnisses wenig bis gar nichts zu tun.
Im Gegenteil räumt diese „Revolution“, die in erster Linie eine technologische ist, die „überkommenen gesellschaftlichen Institutionen“ wie „Familie, Kultur, Sprache, Kirche“, mit deren Verteidigung die Rechte im allgemeinen assoziiert wird, radikal ab, um an ihre Stelle die Herrschaft des totalen Konsums zu setzen. Die Welt soll also in einen totalen Supermarkt verwandelt werden, um auf eine Formulierung von Houellebecq anzuspielen, der in vielerlei Hinsicht, etwa in der Kritik der sexuellen Permissivität, ein Erbe Pasolinis ist.
Die neue bürgerliche Herrschaft braucht nämlich Konsumenten mit einer ausschließlich pragmatischen und hedonistischen Mentalität; denn der Zyklus von Produktion und Konsum vollzieht sich am reibungslosesten in einer technizistischen und rein irdischen Welt.
Diese „Revolution“ bedeutet aber auch: Konformismus, Vermassung, Gleichmacherei, Sprachverlust, flächendeckende Medienindoktrination als Folgen, die Vernichtung der „verschiedenen Arten, ein Mensch zu sein“. Gemäß der marxistischen Terminologie setzte Pasolini hier den Begriff der „Bourgeoisie“ ein, die „das ganze Universum nach ihrem Bild umzugestalten“ sucht.
Alles, was auf dieser Welt vital ist und anders ist, soll entwurzelt und in einen konsumierenden „Bourgeois” verwandelt werden: die süditalienischen Bauern ebenso wie das Lumpenproletariat der Vorstädte Roms, die neapolitanische Volkskultur ebenso wie die Menschen der Dritten Welt, für die Pasolini leidenschaftliche Sympathien hatte – und in die er auch wohl gewisse, eher romantisch zu nennende Hoffnungen setzte. “Bourgeois” meint im Wesentlichen, was „Tiqqun“ heute als „Bloom“ bezeichnen.
Pasolini scheute sich nicht, diesen Prozeß als wahre „anthropologische Mutation“, ja als „Völkermord“ zu bezeichnen. Der alte Faschismus habe die „Seele des italienischen Volkes“ nicht einmal ankratzen können. Der neue, „hedonistische Faschismus“ dagegen zerstöre sie radikal, ebenso wie die anderer Völker und Kulturen. In einem meiner frühesten Artikel für die Junge Freiheit habe ich anläßlich des 30. Todestags Pasolinis auf diese Zusammenhänge hingewiesen, und auch auf die zum Teil verblüffende Nähe zu liberalismuskritischen Köpfen der Rechten, wie Armin Mohler, Ezra Pound oder Jean Cau.
Das ist ein Punkt, den viele Libertäre, mögen sie sich auch noch so sehr gegen Egalitarismus und Sozialismus stellen, nicht verstehen können. Ein radikal entfesselter Markt, der keine Götter über sich anerkennt, ist noch effektiver in der Planierung der Kultur und der „Kulturen“ (wie Alain de Benoist sagen würde), als irgendein sozialistisches System. Und sein utopisches Endziel ähnelt demjenigen des Marxismus wie ein Ei dem anderen. Am Ende steht eine durchrationalisierte, durchökonomisierte, pazifizierte, post-historische, masseneudaimonistische Welt. Das ist auch eine Pointe der berühmten Rede des Fernsehmoguls aus Sidney Lumets Film „Network“ (1976), ebenfalls aus der Feder eines marxistischen Autors (Paddy Chayevsky).
Der Schriftsteller Ulrich Schacht formuliert es so – der „Kapitalist“ von heute sage:
„Konsumenten, aller Länder vereinigt euch!“ Die Erde muß planiert werden in ein gigantisches Kaufhaus. Der Mensch muß reduziert werden auf die Persönlichkeitsstruktur einer permanenten Produktions- und Konsumptionsmonade.
Die von Pasolini kritisierten Illusionen der Linken angesichts dieses Prozesses erinnern mich ein wenig an diejenigen unserer heutigen Libertären (die ungefähr für das stehen, was die Linke heute als „Neoliberalismus“ bezeichnet), zumindest in einem bestimmten prinzipiellen Sinn. Es sieht sozusagen die eine Partei nicht, daß sie nur die andere Backe der Zange spielt, und sie täuschen sich beide über die Natur der Zange. Pasolini schrieb 1973 über die Ausbreitung der Massenkultur:
Diese Lage der Dinge wird von der gesamten Linken akzeptiert; denn wer bei diesem Spiel nicht abseits stehen will, der hat keine andere Wahl, als es zu akzeptieren. Von daher rührt der allgemeine Optimismus der Linken, der energische Versuch, sich die von der technologischen Zivilisation geschaffene neue Welt anzueignen, die nichts mehr gemein hat, mit all dem, was davor war. Die Linksradikalen gehen in dieser Illusion noch einen Schritt weiter, indem sie dieser von der technologischen Zivilisation geschaffenen neuen Form der Geschichte geheimnisvolle Kräfte der Erlösung der Erneuerung zuschreiben.
Indem nämlich diese Entwicklung eine Explosion bewirken werde, die den letzten Funken „proletarischen Klassenbewußtseins“ entzünden und eine neue Welt möglich machen werde. Heute, mehrere Generationen später, haben sich hier die Akzente gewiß verschoben, gemäß einer siegreichen Tendenz, die wiederum von Pasolini an der Linken von 1968ff. kritisiert wurde. Wenn heute Linksradikale und Antifanten von Revolten und Aufständen träumen, dann sprechen hier in erster Linie verzogene, neurotisierte, wurzellose Bürgerskinder, Söhne und Töchter einer ultrapermissiven Konsum- und Wohlstandsgesellschaft, die allenfalls nach noch mehr Liberalisierung und nach noch mehr Staatsversorgung schreien.
Von einer „proletarischen“ Bewegung kann hier keine Rede sein, auch nicht von einem „Klassenbewußtsein“. All das ist unendlich weit von der asketischen Linken früherer Zeiten entfernt. Was nach dem Kladderadatsch kommen soll, bleibt unklar. Über die Diffusität des eigenen Anliegens täuscht man sich mit einer opiatartigen Fixierung auf das „faschistische“ Krokodil hinweg, wahrscheinlich noch versessener als zu Pasolinis Zeiten. Wenn diverse rechtsextreme Gruppen, die nur einen kleinen Bruchteil ihrer antifantischen Gegner ausmachen, in diesem Zirkus mitspielen, dann tun sie nichts weiter, als den Kult um ein Phantom aus dem Gruselkabinett der Weltgeschichte seitenverkehrt zu adaptieren.
Weiterhin werden außereuropäische Einwanderer (die entgegen den Hoffnungen Pasolinis auch nichts weiter wollen, als am westlichen Konsumkuchen mitzunaschen) in den Status eines quasi-geheiligten revolutionären Subjekts erhoben und „kulturmarxistische“ Agenden verfochten, die indessen auch von den Reichen und Mächtigen massiv gefördert werden. Warum zum Beispiel sowohl Jeff Bezos als auch Mark Zuckerberg und Lloyd Blankfein emsige Propagandisten der „gay marriage“ sind – darüber wird auch auf der Linken nicht genügend nachgedacht.
Was hätte nun wohl ein Pasolini, der aus seiner Homosexualität nie einen Hehl gemacht hat, zu der Verbürgerlichung der Homosexuellen und zu ihrer Instrumentalisierung im Kulturkampf des Kapitals gesagt? Was zur Entwertung der Ehe zu einem Konsumartikel für die narzißtische Laune einer Minderheit?
Bevor ich zu den erstaunlichen Zitaten aus dem in Compact 3/2014 abgedruckten Interview mit Pasolini komme, will ich vorab folgende luzide Passage hervorheben, die wir uns gut merken sollten:
Ich würde nicht sagen, dass ein Lehrer, der von einem gewissen Linksextremismus angeregt ist und einem jungen Rechten sein Diplom nicht gibt, intolerant ist. Ich sage, dass er ein Terrorisierter ist. Oder ein Terrorist.
In der Tat: „Intoleranz“ ist letztlich eine zu harmlose und zu private Kategorie für diese Dinge. Wenn etwa Antifanten Autos unliebsamer Journalisten anzünden oder die Wohnhäuser unliebsamer Politiker mit Farbbeutelmenetekeln versehen, so sind das klare terroristische Akte, die der Einschüchterung, der Drohung und der Erzeugung von Angst und Druck dienen. Dasselbe beabsichtigen Antifajournalisten, die die Namen von meistens wehr- und machtlosen Menschen in einem verzerrten und verhetzenden Kontext „outen“, und sich dabei einen Dreck darum scheren, ob sie eine Karriere, eine Lebensgrundlage, eine Familie oder die Zukunftsaussichten eines jungen Menschen zerstören. „Google“ ist einer der besten Freunde ihrer Strategien – womit sich auch in diesem Punkt eine seltsame Allianz zwischen den Linksradikalen und den weltumspannenden meinungs- und bewußtseinsteuernden Monopolkraken ergibt.
Anfang der Sechziger Jahre hatte Pasolini, der als Skandalautor galt und diesen Ruf auch nach Kräften förderte, mehrere Hexenjagden und demütigende Diffamierungskampagnen seitens der damals noch mächtigen rechten und konservativen Presse erlitten. Er wurde mit rufschädigenden gerichtlichen Klagen überhäuft – unter anderem wurde ihm die Verführung Minderjähriger und die „Herabwürdigung religiöser Symbole“ zur Last gelegt. Es war wohl diese traumatische Erfahrung, die ihn für seine spätere Wahrnehmung der Ausgrenzungsmechanismen der heutigen Gesellschaft sensibilisierte. Er war in dieser Hinsicht unbestechlich. Auch nach der kulturellen Linkswende der Sechziger Jahre weigerte er sich, mit dem Strom zu schwimmen.
Aber ich habe gesagt, dass diese Ereignisse Terrorismus und nicht Intoleranz seien, weil für mich die wirkliche Intoleranz die der Konsumgesellschaft ist, die der von oben zugestandenen Freizügigkeit, die die wahre, schlimmste, hinterhältigste, kälteste und unerbittlichste Form der Intoleranz ist. Weil es eine Intoleranz ist, die die Maske der Toleranz trägt. Weil sie nicht wahr ist. Weil sie jedes Mal, wenn die Macht es nötig hat, widerruflich ist. Weil es der wahre Faschismus ist, aus dem sich der gekünstelte Antifaschismus ergibt: nutzlos, heuchlerisch, und im Grunde genommen vom Regime geschätzt.
Was Pasolini hier beschreibt, wird heute jeder am eigenen Leibe erfahren, der es wagt, sich auch nur einen Schritt weit vom Konsens der „politisch Korrekten“ zu entfernen. Und es handelt sich hierbei keineswegs bloß um den zufälligen Radau von „linken Spinnern“, wie einige Libertäre oder auch Konservative glauben, sondern es geht hier um eine Sache, die eine entscheidende systemische Rolle spielt.
Wichtig ist allerdings auch Pasolinis Beobachtung, daß diejenigen, die sich an diesem Spiel der Denunziation und Ausgrenzung beteiligen, zu einem guten Teil selbst Terrorisierte sind. Der Terror wird wie ein Stachel weitergegeben; darum gibt es bald niemanden, der ohne Stachel herumläuft. Wo der Stachel aber steckt, breiten sich auch Angst und Unsicherheit aus. So wird die Masse zur Konformität und zum Stillhalten erzogen.
Nun also Pasolini im Originalton.
Es existiert heutzutage ein veralteter Antifaschismus, der im Grunde genommen lediglich einen guten Vorwand bildet, um ein reales Antifaschismuspatent verliehen zu bekommen. Es handelt sich um einen billigen Antifaschismus, dessen Gegenstand und Ziel ein archaischer Faschismus ist, den es nicht mehr gibt und den es niemals wieder geben wird. Gehen wir von Fascista, dem jüngsten Film von [Nico] Naldini aus. Dieser Film also, der sich mit der Frage nach den Beziehungen zwischen einem Führer und der Masse beschäftigt, zeigt sowohl den Führer, Mussolini, als auch jene Masse als zwei absolut veraltete Figuren. Ein Führer wie dieser ist heutzutage absolut undenkbar, nicht nur aufgrund der Belanglosigkeit und Irrationalität dessen, was er sagt, sondern auch, weil es in der modernen Welt überhaupt keinen Platz, keine Glaubwürdigkeit für ihn gäbe. Alleine das Fernsehen würde ihn schon erfolglos machen, ihn politisch zerstören. Die Methoden dieses Führers waren für Podien, für Kundgebungen vor „riesigen“ Menschenmassen geeignet, aber sie würden auf einem Bildschirm keineswegs funktionieren.
Das ist keine einfache Feststellung, oberflächlicher und rein technischer Art, sondern das Symbol einer totalen Veränderung unserer Art zu sein und zu kommunizieren. Das Gleiche gilt für die Menschenmenge, diese „riesige“ Menge. Es reicht, einen Blick auf diese Gesichter zu werfen, um zu sehen, dass „diese Menge“ nicht mehr existiert, dass sie begrabene Tote sind, unsere Ahnen. Das genügt, um zu verstehen, dass „dieser Faschismus“ niemals wiederkehren wird. Deshalb ist ein guter Teil des heutigen Antifaschismus, oder zumindest des sogenannten Antifaschismus, entweder naiv und stupide oder ein bloßer Vorwand und unehrlich; tatsächlich bekämpft er ein totes und begrabenes, veraltetes Phänomen, das niemandem mehr Angst einjagen kann, oder er tut so, als ob er es bekämpfen würde. Alles in allem ist es ein durchaus bequemer und billiger Antifaschismus.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der wahre Faschismus das ist, was die Soziologen viel zu brav „die Konsumgesellschaft“ genannt haben, eine Definition, die harmlos und rein informativ erscheint. Es ist weder das eine noch das andere. Wenn man die Wirklichkeit gut beobachtet und wenn man vor allem in den Gegenständen, der Landschaft, dem Städtebau und insbesondere in den Menschen zu lesen weiß, sieht man, dass die Folgen dieser unbekümmerten Konsumgesellschaft selbst die Folgen einer Diktatur sind, eines eindeutigen Faschismus. In dem Film von Naldini sieht man, dass die jungen Leute untergeordnet waren und Uniform trugen… Aber es gibt einen Unterschied: Kaum hatten die jungen Leute von damals ihre Uniform wieder ausgezogen und sich auf den Weg aufs Land und zu ihren Feldern gemacht, wurden sie wieder ganz die Italiener, die sie vor fünfzig oder hundert Jahren, also vor dem Faschismus, gewesen waren.
Der Faschismus hatte aus ihnen Marionetten, Diener gemacht – sie vielleicht auch zum Teil überzeugt – aber er hatte sie nicht wirklich im Grunde ihrer Seele, in ihrer Art getroffen. Der neue Faschismus dagegen, die Konsumgesellschaft, hat die jungen Leute grundlegend verändert, sie an der intimsten Stelle getroffen,
(…)
Es gibt aber auch noch diese bedeutendere Tatsache: Der Faschismus, den die damaligen Menschen gekannt hatten, ich meine diejenigen, die Antifaschisten gewesen waren und zwanzig Jahre lang Erfahrungen mit Faschismus, Krieg, Widerstand gemacht hatten, dieser Faschismus war alles in allem ein besserer Faschismus als der heutige. Ich denke, dass zwanzig Jahre Faschismus nicht so viele Opfer forderten, wie es die letzten Jahre taten.
Furchtbare Ereignisse wie die Massaker von Mailand, Brescia, Bologna [Bombenanschläge Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre] haben sich in jenen zwanzig Jahren nicht ereignet. Gewiss, es gab die Ermordung Mateottis [Giacomo Mateotti, sozialistischer Abgeordneter, 1924 von den Faschisten ermordet], es gab weitere Opfer auf beiden Seiten, aber Verbrechen von der Kraft, Gewalt, Bösartigkeit, Unmenschlichkeit und eisigen Kälte wie jene seit dem 12. Dezember 1969 (Bombenanschlag in Mailand) hatte es in Italien noch nie gegeben.
Was diese genannten Massaker betrifft, so war Pasolini überzeugt, daß sie Inszenierungen einer „Strategie der Spannung” (siehe übrigens auch hier und hier) waren:
Folgen wir den schwarzen Spuren. Ich habe diesbezüglich eine vielleicht etwas romantische Idee, die ich aber für wahr halte. Hier ist sie: Die Menschen an der Macht, und ich könnte sicherlich unverblümt Namen zitieren, ohne große Furcht, mich zu irren – sagen wir mal einige der Leute, die uns seit dreißig Jahren regieren – organisierten zunächst die Strategie der antikommunistischen Spannung und dann, als sich die Furcht vor der Umwälzung von 1968 und der unmittelbaren kommunistischen Gefahr gelegt hatte, organisierten diese gleichen Menschen an der Macht die Strategie der antifaschistischen Spannung. Die Massaker wurden also von den gleichen Personen ausgeführt, sie haben zuerst das Massaker der Piazza Fontana [in Mailand, 1969] begangen und es den Linksextremisten angehängt, anschließend die Massaker von Brescia und Bologna und es den Faschisten angehängt,womit sie eilig versuchten, ihre antifaschistische Unschuld wiederzuerlangen, die sie nach der Volksabstimmungskampagne und nach der Volksabstimmung brauchten, um die Macht weiter verwalten zu können, als ob nichts gewesen wäre.
Wie kann man seine Konklusion auf heutige Verhältnisse anwenden?
Deshalb gibt es viel Hass, viele zutiefst schockierte Menschen und wenig, wenig Fähigkeit zu vergeben… Es ist nur so, dass dieser mal aufrichtige, dann wieder vollkommen unaufrichtige Hass ein falsches Objekt hat, nämlich die veralteten Faschisten, dabei müsste es die reale Macht sein.
Die „Antifaschisten“ von heute haben das immer noch nicht begriffen. Sie sind, konträr zu ihrem Selbstbild, nichts anderes als Spielfiguren und Handlanger dieser „realen Macht“.
Deutsche Erstübersetzung eines Interviews, geführt von Masimo Fini in L’Europeo, 26. Dezember 1974. Aus der französischen Ausgabe der Freibeuterschriften (Écrits corsaires, Flammarion, 1976) übersetzt von Philippe Guichard. Vollständig lesen in der Printausgabe COMPACT 3/2014 – hier bestellen.
Ein Fremder aus Elea
Maria als beleidigtes, störisches Kind. Josef als vielmehr zu den Engeln hingezogen als zu seiner Frau. Herodes als linkischer Weichling an der Zitze Roms. Johannes als Che Guevara- und Jesus als James Dean-Verschnitt
M.L.: Ihr Irrtum könnte nicht größer sein. Ich habe einen völlig anderen Film gesehen.
Alles sehr schlüssig, aber man kann nicht redlich sagen, daß es Pasolini bei all dem um irgendetwas Religiöses ging und daß er also aus der Rolle gefallen wäre.
Die Konsumgesellschaft hat sich bisher noch keinen neuen Menschen erschaffen. All die modernen Leiden, Hinfälligkeiten, Ungenügsamkeiten sind alt. Was den Leuten abhanden gekommen ist, ist ihr Selbstbewußtsein, als Folge der Verminderung ihrer individuellen Macht. Sie werden es aber wiederfinden, wenn ihnen klar wird, in welche Richtung sie sich aufmachen müssen, um die Zukunft zu bestehen. Noch befinden sie sich in einem Wagen, der ins Schleudern geraten ist und herumwirbelt. Wenn der ursprüngliche Schwung verbraucht ist, werden sie klarer sehen.
Armut zwingt zur Rationierung und Rationierung zwingt zur Rationalität.
Vielleicht ist es besser einen Besoffenen nicht anzusprechen, denn er stinkt zu sehr aus dem Maul.
Es nützt doch nichts, so lange der Leichtsinn gefahrenlos bleibt, kann man ihn nicht austreiben. Wenn er schließlich seine häßliche Fratze zeigt, gilt es sich darauf zu besinnen, was einzig Gedeihen spendet.
À propos. Von der Leyen ist charakterlich nicht geeignet Verteidigungsminister zu sein. Sie ist von einer schnodderigen, niedersächsische Pferdezüchterin-Arroganz, welche sich verhält, als würde sie in ihrer Bridge-Runde auf ihren Nachbarn schimpfen, dessen Hund ihr in den Garten gekackt hat.
Und Merkel ist auch nicht geeignet der Oberbefehlshaber im Kriegsfall zu sein. Wer Angst vor Retrievern hat, hat kein Gefühl für Gefahren.
Aber erklären tut das Vieles. Zunächst hat sie Röttgen gemocht, er sah so lieb und kuschelig aus, aber dann ist ihr eingefallen, daß Golden Retriever ja auch so aussehen.
Es ist nur eine Frage der Komfortzone, bis die Menschen wieder auf solche Dinge achten werden.