Amazon vs. Antaios und der Glaube der Libertären

Ich mußte nicht wenig schmunzeln, als ich André Lichtschlags erste Kommentare (hier und hier) zur Causa Amazon vs. Antaios las.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Lini­en­treu zu sei­nen welt­an­schau­li­chen Grund­sät­zen kam der Her­aus­ge­ber von eigen­tüm­lich frei  bei­de Male mit Nach­druck auf das „pri­va­ter Unter­neh­men“ zu spre­chen, „zusam­men­zu­ar­bei­ten, mit wem sie wol­len“, als wäre dies die pri­mär zu ver­tei­di­gen­de Sache in die­ser „trau­ri­gen Geschich­te“. „So sind sie halt, unse­re Liber­tä­ren“, dach­te ich amüsiert.

Als schließ­lich auf ef der drit­te Kom­men­tar mit der­sel­ben Stoß­rich­tung erschien, muß­te ich fest­stel­len, daß Licht­schlag sei­ner­seits glaubt, die Lacher auf sei­ner Sei­te zu haben, denn er meint, einen „Trep­pen­witz“ ent­deckt zu haben:

Wenn sich näm­lich jetzt die Macher und Autoren des Antai­os-Ver­la­ges über ihren Raus­wurf beim kapi­ta­lis­ti­schen Rie­sen Ama­zon beschwe­ren, dann sind es mit­hin auch jene feis­ten aris­to­kra­ti­schen Geis­ter, die ganz wie ihre lin­ken pro­le­ta­ri­schen Brü­der seit Jah­ren gegen Markt, Libe­ra­lis­mus und Kapi­ta­lis­mus wet­tern. So sind aus­ge­rech­net eini­ge der Antai­os-Titel, die es nun traf, von genau die­sem anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Furor beseelt.

Die vom Aus­schluss durch den Kapi­ta­lis­ten Betrof­fe­nen bejam­mern nun, wie gut und gezielt ihre Bücher einst aus rei­nem Markt­kal­kül und Eigen­in­ter­es­se beim ame­ri­ka­ni­schen Megas­el­ler bewor­ben und ver­kauft wur­den. Wenn das Wört­chen wenn nicht wäre, dürf­te man sich vor Lachen dar­über gar nicht mehr einkriegen.

Nun war ich aller­dings doch etwas ver­blüfft über so vie­le Kurz­schlüs­se in so weni­gen Sät­zen, wie auch über den sti­cheln­den Ton­fall. Zunächst ein­mal kann man wohl nicht ernst­haft behaup­ten, Sezes­si­on und Antai­os wür­den sozia­lis­ti­sche Ideen ver­brei­ten oder gar die Markt­wirt­schaft per se ableh­nen. In der Tat steht unter den Autoren und der Leser­schaft die Flan­ke zum „liber­tä­ren“ Den­ken sperr­an­gel­weit offen (ich selbst darf mich dazu­zäh­len), auch wenn das Wirt­schaft­li­che nicht unser pri­mä­rer Acker ist. Am wei­tes­ten „links“ in die­sen Din­gen steht viel­leicht unser klu­ger advo­ca­tus dia­bo­li der sozia­len Fra­ge, Hei­no Bosselmann.

Es gibt hier offen­bar eine Men­ge an Miß­ver­ständ­nis­sen. Wenn Licht­schlag vom „Wet­tern“ gegen „Markt, Libe­ra­lis­mus und Kapi­ta­lis­mus“ spricht, dann klingt das in mei­nen Ohren wie der all­seits bekann­te Vor­wurf, jemand hät­te was Böses gegen „die Demo­kra­tie“ gesagt. Wenn nun jeder ande­re Vor­stel­lun­gen davon hat, was „Libe­ra­lis­mus“, „Kapi­ta­lis­mus“ oder „Demo­kra­tie“ eigent­lich sind, dann ist das Taub­stum­men­ge­spräch vor­pro­gram­miert. Aber es han­delt sich hier­bei eben nicht um fixe Grö­ßen, son­dern um Din­ge, die einem bestän­di­gen his­to­ri­schen Wan­del unterliegen.

Auf mei­ne Nach­fra­ge, wen er denn da nun im Sin­ne habe von wegen „feis­te aris­to­kra­ti­sche Geis­ter“ mit „anti­ka­pi­ta­lis­ti­schem Furor“ (etwas belei­digt, denn immer­hin habe ich eine gan­ze Men­ge Bei­trä­ge für ef  geschrie­ben), ant­wor­te­te Licht­schlag, er habe hier vor allem an die gesperr­ten Titel von Armin Moh­ler (er meint wohl Gegen die Libe­ra­len, ein Buch, das indes­sen gar nicht betrof­fen ist) und Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge (Die libe­ra­le Gesell­schaft und ihr Ende) gedacht.

Na – da muß ich bei allem Respekt sagen, daß sich Licht­schlag offen­bar gar nicht die Mühe gemacht hat, die­se Bücher auch zu lesen, dann hät­te er bemerkt, daß etwa der „Libe­ra­lis­mus“ den Klei­ne-Hart­la­ge aufs Korn nimmt, nicht deckungs­gleich ist mit der liber­tä­ren Idee, die eigen­tüm­lich frei pro­pa­giert. Sein Buch steht viel­mehr in der Tra­di­ti­on von „paläo­kon­ser­va­ti­ven“ Klas­si­kern wie James Burn­hams The Mana­ge­ri­al Revo­lu­ti­on und vor allem Sui­ci­de of the West (dt. Begeht der Wes­ten Selbst­mord?).

In letz­te­rem hat Burn­ham, wie Klei­ne-Hart­la­ge ein Rene­gat der Lin­ken, bereits 1964 den Kom­plex des „Libe­ra­lis­mus“ als eine Art Selb­st­ab­schaf­fungs­syn­drom beschrie­ben, das die innen- wie außen­po­li­ti­sche Abwi­cke­lung des „Wes­tens“ als Welt­macht zur Fol­ge hat – und, im his­to­ri­schen Kon­text der Schrift, ein Zurück­wei­chen gegen­über dem Welt­kom­mu­nis­mus. Burn­ham sah in den ame­ri­ka­ni­schen „libe­rals“ des­sen Kol­la­bo­ra­teu­re und Appeaser; bereits zu die­sem Zeit­punkt bezeich­ne­te „libe­ral“ einen „Lin­ken“ und weni­ger einen „Libe­ra­len“ oder gar „Wirt­schafts­li­be­ra­len“ in unse­rem Sinne.

Für Burn­ham wie für Klei­ne-Hart­la­ge ist der Libe­ra­lis­mus „die Ideo­lo­gie des west­li­chen Selbst­mords“. Burn­ham hat bereits damals jene libe­ra­len Ten­den­zen kri­ti­siert, die Schuld­ge­füh­le und das schlech­te Gewis­sen des Wes­tens för­dern, sei­ne Selbst­si­cher­heit unter­mi­nie­ren, mit­hin Selbst­haß und eine wach­sen­de Unfä­hig­keit zur Selbst­be­haup­tung zur Fol­ge haben. All dies steht heu­te in den Län­dern des Wes­tens in vol­ler Blü­te, gedeiht ins­be­son­de­re in den hege­mo­ni­al herr­schen­den Kul­ten des Anti­ras­sis­mus, Femi­nis­mus, der Min­der­hei­ten­rech­te und so wei­ter, die, wie Klei­ne-Hart­la­ge zeigt, an den Grund­la­gen sägen, auf denen Libe­ra­li­tät oder Libe­ra­lis­mus im klas­si­schen Sin­ne über­haupt erst mög­lich sind. Libe­ra­le tun sich bekannt­lich – sie­he Böcken­för­de-Dik­tum – schwer damit, den Ast zu über­bli­cken, auf dem sie sit­zen. Und genau hier müs­sen die Kon­ser­va­ti­ven einspringen.

„Liber­tä­re“ haben die Nei­gung, die­ses Krank­heits­syn­drom des Wes­tens im ame­ri­ka­ni­schen Stil als „Sozia­lis­mus„ zu bezeich­nen. Genau­er betrach­tet pas­sen die­se Kate­go­rien der Ver­gan­gen­heit aber nicht mehr so recht,  um das heu­te den Wes­ten beherr­schen­de, kom­ple­xe Sys­tem zu beschrei­ben. Wenn man pole­misch von einer „EUdSSR“ spricht, soll­te man wis­sen, daß es sich hier eben doch um etwas qua­li­ta­tiv und struk­tu­rell ande­res han­delt, als um die Sowjet­re­pu­bli­ken der kom­mu­nis­ti­schen Zeit. Alt­meis­ter Ernst Nol­te hat den Begriff des „Libe­ris­mus“ vor­ge­schla­gen, um eine Abgren­zung zum klas­si­schen Libe­ra­lis­mus zu schaf­fen. Ein zuge­ge­ben nicht gera­de zün­den­des Schlag­wort, das sich wohl kaum durch­set­zen wird, aber ein Ver­such unter vie­len, die­ses Sys­tem, für das die alten Begriff­lich­kei­ten nicht mehr tau­gen, auf einen Nen­ner zu bringen.

Die „Neue Welt­ord­nung“, von der hier die Rede ist, ist weder Kapi­ta­lis­mus noch Libe­ra­lis­mus noch Sozia­lis­mus, ist weder „links“ noch „rechts“ im alt­her­ge­brach­ten Sin­ne. Ver­ein­facht könn­te man sagen, daß im Wes­ten wirt­schaft­lich der Kapi­ta­lis­mus und kul­tu­rell der Mar­xis­mus gesiegt hat – denn die oben erwähn­ten radi­ka­le­ga­li­tä­ren Min­der­hei­ten­kul­te – Ersatz für die alte „revo­lu­tio­nä­re Klas­se“ des „Pro­le­ta­ri­ats“, Ramm­bö­cke und Brech­ei­sen, um gan­ze Schich­ten und Mehr­hei­ten zu ent­eig­nen und zu ent­ker­nen – sind im Kern nichts ande­res als Per­mu­ta­tio­nen und Deri­va­te, mei­net­we­gen auch Häre­si­en mar­xis­ti­schen Denkens.

Hier sprie­ßen die Trep­pen­wit­ze nun wie Schwam­merl aus dem feuch­ten Wald­bo­den. Wenn etwa die Kri­tik an der „Neu­en Welt­ord­nung“ und die maß­lo­se Selbst­be­rei­che­rung der Rie­sen­kon­zer­ne und über- und trans­na­tio­na­len Hoch­fi­nanz als “anti­ka­pi­ta­lis­ti­scher Furor“ schub­la­di­sier­bar ist, dann soll­te sich Licht­schlag (unter ande­rem) auch mal sei­nen Stamm­au­tor Axel B.C. Krauss vor­knöp­fen, des­sen Posi­tio­nen und Ana­ly­sen von denen Klei­ne-Hart­la­ges nicht all­zu weit ent­fernt sind.

Das bedeu­tet nun nicht, daß es kei­ne rech­te oder kon­ser­va­ti­ve Kri­tik an der „liber­tä­ren“ Idee gäbe, ganz im Gegen­teil. Licht­schlag hat in weni­gen Sät­zen gezeigt, wie wenig die­se dazu taugt, die Wirk­lich­keit zu beschrei­ben. Sie beher­bergt auch aller­lei rut­schi­ge Abhän­ge, die zu all dem füh­ren, was auch in eigen­tüm­lich frei scharf und bestän­dig kri­ti­siert wird. Die Ayn-Rand-Bril­le, auch eine Vari­an­te poli­ti­scher Roman­tik, die den Anar­cho­ka­pi­ta­lis­mus, die Selbst­herr­lich­keit des Unter­neh­mers, und den Glau­ben, daß „Gier gut ist“ ver­herr­licht, blen­det ihre Ver­tre­ter, ver­strickt sie in aller­lei Wider­sprü­che (in wel­che, neben­bei gesagt, heu­te frei­lich aus­nahms­los alle ver­hed­dert sind, die sich um eine kohä­ren­te poli­ti­sche Erfas­sung der Lage bemü­hen) und spinnt Illu­sio­nen über sich selbst.

In sei­nem ers­ten Bei­trag zur Amazon-vs.-Antaios-Kontroverse schrieb Lichtschlag:

Und doch: Solan­ge Dis­kri­mi­nie­rung und Ver­leum­dung von pri­va­ten Unter­neh­men und Ein­rich­tun­gen wie Goog­le, Wiki­pe­dia und Ama­zon aus­ge­hen, soll und muss dies ihr gutes Recht blei­ben. Es wird dann eben zu einer Her­aus­for­de­rung für alle Ange­grif­fe­nen, der sie sich ohne all­zu gro­ßes Weh­ge­schrei zu stel­len haben. Ja, es ist unge­recht, wenn lin­ke Spin­ner es ein­fa­cher haben. Aber die Geschich­te ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße und der Markt, wo er noch frei ist, bie­tet immer Lösungen.

Na! Es ist schon selt­sam, zu was für einer Art von Maso­chis­mus die tota­le Feti­schi­sie­rung und Ver­göt­zung des „pri­va­ten“ Unter­neh­mers in die­sem Fal­le führt. In dem Moment habe ich mir Licht­schlag vor­ge­stellt, wie eines Tages auch ihn die Fer­se des Goli­ath zer­quetscht, und er, vol­ler Bewun­de­rung für die Macht sei­nes Got­tes, noch bis in den Unter­gang an sei­nen Prin­zi­pi­en fest­hält und ihn bis zum letz­ten anbe­tet. Mal sehen, ob er das hero­isch durch­hält, wenn Ama­zon eines Tages auch ihn absägt. (Neben­bei eine sehr deut­sche, all­zu­deut­sche Eigen­schaft! Hät­te ich ihm gar nicht zugetraut!)

Denn es ist kei­nes­wegs aus­ge­schlos­sen, daß sein Ver­lag nicht auch in Zukunft ähn­li­che Schwie­rig­kei­ten wie Antai­os bekom­men wird. Und das weiß er auch selbst. Das von ihm mit­ver­ant­wor­te­te neue Buch von Akif Pirin­çci Deutsch­land von Sin­nen, wird vom Manu­skrip­tum-Ver­lag mit fol­gen­den, auch von Licht­schlag unter­schrie­be­nen Wor­ten bewor­ben: „Viel­leicht ist es das letz­te Buch sei­ner Art, denn das mei­nungs­po­li­ti­sche Zwangs­kor­sett wird täg­lich enger.“ Quod erat demonstran­dum! Pirin­çci zu boy­kot­tie­ren ist einst­wei­len nur ein­ge­schränkt mög­lich: wie Sar­ra­zin kommt auch er aus dem Estab­lish­ment (in die­sem Fall des Lite­ra­tur­be­triebs), und pro­fi­tiert von sei­ner bereits erreich­ten Pro­mi­nenz. Damit ist er in einer bes­se­ren und geschütz­te­ren Posi­ti­on als etwa wir sezes­sio­nis­ti­schen Freibeuter.

Tho­mas Hoof, der das Geleit­wort zu Pirin­çcis Buch schrieb, hat übri­gens letz­tes Jahr in der Druck­aus­ga­be des Zen­tral­or­gans der feis­ten Aris­to­kra­ten und pro­le­ta­ri­schen Brü­der einen her­vor­ra­gen­den und beun­ru­hi­gen­den Text über glo­ba­le Ent­wick­lun­gen geschrie­ben, die wohl nicht gänz­lich zusam­men­hang­los mit der hybri­den und schran­ken­lo­sen Ent­fes­se­lung von „Markt, Libe­ra­lis­mus und Kapi­ta­lis­mus“ sind.

Um hier also die nächs­te Poin­te auf­zu­grei­fen: die Libe­ra­lis­mus-Kri­tik etwa von Klei­ne-Hart­la­ge kommt zu dem Schluß, daß es kein Zufall ist, daß „lin­ke Spin­ner“, wie Licht­schlag ver­harm­lo­send, viel­leicht gleich einem pfei­fen­den Kind im fins­tern Wal­de sagt, in die­sem Sys­tem soviel Macht haben (und nicht etwa Liber­tä­re, oder erst recht Rech­te). Der „Kul­tur­mar­xis­mus“ (oder wie auch immer man es nen­nen will) hat die Funk­ti­on einer Dampf­wal­ze, um den Zugriff bestimm­ter, domi­nan­ter Seg­men­te von „Markt, Libe­ra­lis­mus und Kapi­ta­lis­mus“ noch tota­ler, glo­ba­ler, umfas­sen­der, unkon­trol­lier­ba­rer zu machen.

Vor allem des­we­gen, weil die Lin­ke durch den Abbau soli­da­ri­scher Struk­tu­ren jen­seits des Mark­tes Wider­stands­kräf­te auf­bre­chen hilft, die sich einer tota­len Öko­no­mi­sie­rung aller Daseins­be­rei­che wider­set­zen. Eine „rech­te“ Kapi­ta­lis­mus­kri­tik muß sich nicht gegen Super­märk­te an sich rich­ten; son­dern sie wehrt sich dage­gen, die gan­ze Welt in einen Super­markt und nichts als einen Super­markt (mit „Menschenrechte“-Zuckerguß) zu ver­wan­deln. Und sie kann es, sehr wohl mit einem alt­li­be­ra­len Impe­tus, für äußerst bedenk­lich erach­ten, wenn sich die Macht mono­pol­ar­tig in weni­gen, noch dazu pri­va­ten und in letz­ter Instanz kei­nem Gemein­we­sen ver­pflich­te­ten Hän­den konzentriert.

Hier knö­delt sich die Lichtschlag’sche Ver­wir­rung zusam­men wie in einem Woll­knäu­el, und er ver­sucht, die eige­nen Apo­rien mit einem Witz auf Kos­ten der Betrei­ber von Antai­os zu lösen: die Tat­sa­che, daß ein Kon­zern wie Ama­zon eine sol­che Vor­macht­stel­lung erringt, daß es ihm mög­lich ist, den frei­en Zugang ein­zel­ner Händ­ler zum Markt will­kür­lich zu ver­hin­dern und sie in ihrer Exis­tenz zu gefähr­den, ist ja wohl eher ein Punkt FÜR die Kri­tik, wie sie von uns „feis­ten aris­to­kra­ti­schen Geis­tern“ und gars­ti­gen Libe­ra­lis­mus­kri­ti­kern geleis­tet wird, die wir etwa auf die Gefahr sol­cher Mono­po­li­sie­run­gen hin­wei­sen. Zumal, wie der Fall zeigt, eine klei­ne Hebel­be­we­gung genügt, um aus einem sol­chen schein­bar a‑politischen Appa­rat ein Instru­ment poli­ti­scher Kon­trol­le zu machen.

Daß es nun aus­ge­rech­net ein paar libe­ra­lis­mus­kri­ti­sche Bücher erwischt hat, ist auch weit weni­ger ein „Trep­pen­witz“, als Licht­schlag annimmt. Man mag es iro­nisch sehen, daß die­ser Akt des Boy­kotts die in die­sen Büchern ent­hal­te­ne Kri­tik bestä­tigt – aber auch hier ist der, wenn auch bit­te­re, Lacher eher auf der Sei­te ihrer Autoren. Daß besag­te Bücher gewiß nicht wegen eines „anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen“ und gegen „den Markt“ gerich­te­ten Inhalts ver­bannt wur­den, zeigt sich schon dar­in, daß über Ama­zon lin­ke, links­ra­di­ka­le, anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche, anti­li­be­ra­le, kom­mu­nis­ti­sche Lite­ra­tur (bis zu den Wer­ken von Sta­lin oder Lenin) en mas­se und ohne Pro­ble­me erhält­lich ist. Und ich kann jetzt schon pro­phe­zei­en, daß wir es nicht erle­ben wer­den, daß ein lin­ker Ver­lag, egal wie scharf aus­ge­rich­tet er sein mag, einer sol­chen Maß­nah­me zum Opfer fal­len wird.

Es ist auch in kei­ner Wei­se ein Wider­spruch oder unzu­läs­sig, wenn ein Ver­le­ger, der ums Über­le­ben kämpft, und der will, daß sei­ne Ideen ver­brei­tet wer­den, ver­sucht, Instru­men­te wie eben Goog­le, Ama­zon und Face­book zu sei­nen Guns­ten zu nut­zen – erst recht, wenn er kaum mehr Aus­weich­mög­lich­kei­ten hat und sich der Spiel­raum für ihn immer wei­ter ver­engt, zu wel­chem Zweck die­se Instru­men­te ja auch flei­ßig von der geg­ne­ri­schen Über­macht benutzt wer­den. Die­se Erfah­rung hat auch eigen­tüm­lich frei mit Wiki­pe­dia gemacht.

Kann man im Fal­schen rich­tig leben, kann man den Tiger rei­ten? Es ist völ­lig legi­tim, jede Eis­schol­le, die sich anbie­tet, zu nut­zen, zumal, wenn man vom Geg­ner kein Fair­play erwar­ten kann. Das gebie­tet die Gegen­wehr. Wenn Ama­zon nun nichts wei­ter wäre als ein Markt­platz und nur ein Markt­platz, ideo­lo­gisch neu­tral, dann stün­de auch auf dem Rit­ter­gut nichts dage­gen, sei­ne Vor­tei­le wert­zu­schät­zen. Wenn nun Licht­schlag, viel­leicht ein wenig naiv, aufruft:

Mit ande­ren Wor­ten: Wo die Welt schlecht ist, lasst uns eine Bes­se­re bauen.

Dann kei­ne Sor­ge: das Rit­ter­gut arbei­tet bereits flei­ßig dar­an, und das belei­be nicht erst seit gestern.

Völ­lig absurd ist es indes­sen, mono­po­lis­tisch wuchern­de Kra­ken (wie eben Ama­zon, Goog­le, Face­book („She­riffs, die Welt zen­sie­ren“ und „dem Inter­net ihre Geset­ze auf­zwin­gen“) und so wei­ter) unter der „pri­va­ter“ Unter­neh­men zu betrach­ten, ganz so als hät­ten die schie­re Dimen­sio­nen ihres Macht­zu­wach­ses nicht eine immense poli­ti­sche Kom­po­nen­te, die sie zu glo­bal play­ers macht und zu effek­ti­ven Bünd­nis­part­nern für Staa­ten, Geheim­diens­te, NGOs und ande­re Clans der glo­ba­len Cosa Nostra.

Man kann Ama­zon nicht in den glei­chen Kate­go­rien fas­sen, wie etwa den Fall eines christ­li­chen Zucker­bä­ckers in den USA, der sich wei­ger­te, einem schwu­len Paar eine Hoch­zeits­tor­te zu backen, und der dar­auf hin die Peit­sche der Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­set­ze zu schme­cken bekam. Man muß hier auch die Macht­ver­hält­nis­se ins Auge fas­sen, und damit das Aus­maß der Frei­heits­er­wei­te­run­gen von eini­gen weni­gen auf Kos­ten vie­ler anderer.

Licht­schlag, auf den Knien vor der Gott­gleich­heit des „pri­va­ten Unter­neh­mers“, ist also sogar imstan­de, auch noch für die Dis­kri­mi­nie­rungs­kam­pa­gnen auf Wiki­pe­dia recht­fer­ti­gen­de Wor­te zu fin­den. Frei­lich, logisch ist es ja: wenn jeder alles dür­fen soll, dann „darf“ mich also auch jeder­mann „ver­leum­den“ und „dis­kri­mi­nie­ren“. Wie gesagt, so eine kon­se­quen­te Prin­zi­pi­en­treue hat auch etwas Rüh­ren­des. Ich fin­de sie vor allem unsinnig.

Und auf der ande­ren Sei­te muß­te auch Licht­schlag um Hil­fe rufen, Alarm schla­gen, einen „Skan­dal“ mel­den, sich an die Öffent­lich­keit wen­den, um gegen die Mei­nungs­ma­fia von Wiki­pe­dia anzu­tre­ten. Aber nun: Mit wel­chem mora­li­schen Recht denn? „Skan­dal“, das ist eine mora­li­sche Kate­go­rie, die nichts mit abso­lu­tem lais­sez-fai­re zu tun hat. Wie geht das zusam­men? An wen appel­liert er hier? Wer soll ihn hören?Wer soll ein­schrei­ten? Hier muß es etwas geben, daß über dem blo­ßen Markt steht, und sei es nur als ethi­sches Prinzip.

Wie gesagt: es gibt heu­te kei­nen rein „pri­va­ten“ (Groß-)Unternehmer mehr, und das gilt erst recht, wenn er eine solch unge­heu­re Macht­fül­le erlangt hat. Ich kann genau­so gut sagen: die Fede­ral Reser­ve Bank „kann und soll machen, was sie will“, sie ist ja auch mehr oder weni­ger ein pri­vat geführ­tes Unter­neh­men, aber mit wel­chem Recht beschwe­re ich mich dann, daß sie einen „Krieg gegen die Mensch­heit“ führt? Wen inter­es­siert das denn, wenn die Selbst­herr­lich­keit des pri­va­ten Unter­neh­mers obers­ter Gott ist?

(Ich sage: einen Dreck „kann und soll sie machen, was sie will“, und mit ihr zusam­men all die ande­ren Kra­ken von dem glei­chen Kali­ber, die kei­ne Ruhe geben, ehe sie den gan­zen Erd­ball beherr­schen und auf­ge­fres­sen haben. Der­sel­be Blitz des Herrn soll sie tref­fen und stra­fen, wie jener, der den Turm von Babel zum Ein­sturz gebracht hat. Wenn die­ser Wunsch nun einen feist-aris­to­kra­tisch-pro­le­ta­ri­schen Radau­bru­der aus mir macht, sei’s drum!)

Die heu­ti­ge Welt ist kein Kampf­platz zwi­schen dem „Staat“ und den „Pri­va­ten“, zwi­schen guten „Kapi­ta­lis­ten“ und bösen „Sozia­lis­ten“. Soviel soll­te klar sein. Das Bild ist viel kom­ple­xer, viel ver­wo­be­ner. Was macht es für einen Unter­schied, ob das Indi­vi­du­um oder das Inter­es­se einer schwä­che­ren Grup­pe von der Fer­se eines mäch­ti­gen „Pri­vat­un­ter­neh­mers“ oder eines mäch­ti­gen Staats­ap­pa­rats zer­quetscht wird? Das eine geht heu­te flie­ßend in das ande­re über, Staa­ten sind von Lob­bies und Ban­ken geka­pert und qua­si zum Pri­vat­be­sitz gewor­den, wäh­rend Unter­neh­mer und Kon­zer­ne Staa­ten im Staat bil­den und als auto­no­me poli­ti­sche Akteu­re agie­ren. Jeder­mann weiß es heu­te: „Govern­ments don’t rule the world. Gold­mans-Sachs rules the world!“ Und wie Stan­ley Kubrick ein­mal sagte:

The gre­at nati­ons have always acted like gangs­ters, and the small nati­ons like prostitutes.

(Neben­bei: daß es soweit gekom­men ist, ist his­to­risch gese­hen auch eine – wie­wohl unge­woll­te – Fol­ge des Sie­ges­zu­ges des Libe­ra­lis­mus und der Öko­no­mi­sie­rung aller Lebens­be­rei­che. Ob Licht­schlag den von ihm so glü­hend ver­ehr­ten „feis­ten aris­to­kra­ti­schen Geist“ Jean Ras­pail, und des­sen Roman Sire mit sei­ner Dar­stel­lung der sakral gebun­de­nen Macht auch ver­stan­den hat, und mit allen Impli­ka­tio­nen für ein Welt­bild, das den Markt zum obers­ten Gott macht?)

Wir haben es hier offen­sicht­lich mit einer Schief­la­ge in der liber­tä­ren Vor­stel­lungs­welt zu tun. In einer wacke­ren und unent­behr­li­chen Wei­se kämpft eigen­tüm­lich frei heu­te tag­täg­lich im Spek­trum derer, die sich gegen poli­ti­sche Kor­rekt­heit, „Tugend­ter­ror“, Dis­kus­si­ons­ver­bo­te, Mei­nungs­maul­kör­be, ega­li­tä­re Lügen und so wei­ter auf­leh­nen. Und auch auf die­sem Gebiet ist es ja auch zu aus­ge­spro­che­nen, von inter­es­sier­ter Sei­te mit­fi­nan­zier­ten Mono­pol­bil­dun­gen und Medi­en­kon­zen­tra­tio­nen gekom­men, die immer weni­ger und weni­ger Platz für Dis­sens lassen.

Nun scheint es mir so zu sein, daß man nicht gleich­zei­tig für einen abso­lu­ten „Might is Right“-Anarchokapitalismus ein­tre­ten kann, und eine abso­lu­te Mei­nungs­frei­heit ein­for­dern. Geld, Macht, Mei­nun­gen, Wirt­schaft, Poli­tik, das hängt alles aufs Engs­te zusam­men. Edward Ber­nays hat dies 1928 in sei­nem Buch Pro­pa­gan­da, das bis heu­te nichts an Gül­tig­keit ein­ge­büßt hat, mit lapi­da­rer Klar­heit beschrieben.

Und wenn man nun Bücher, also Mei­nun­gen, Gedan­ken und Ideen ver­kauft, dann ist das etwas ande­res, als wenn man mit Mar­ga­ri­ne, Autos oder Foto­ap­pa­ra­ten auf den Markt geht. Bücher sind kei­ne Waren wie alle ande­ren; die Qua­li­tät eines Buches bemißt sich auch nicht quan­ti­ta­tiv – etwa dar­an, wie­vie­le Tröp­fe und Analpha­be­ten es gekauft haben und in ihren Ike­a­re­ga­len ver­mo­dern las­sen. Bücher sind leben­di­ge Wesen; Bücher sind Waf­fen; Bücher sind Saat­gut; Bücher sind eine Gefahr für die Mäch­ti­gen. Ray Brad­bu­ry hat es eben­so gewußt wie Orwell oder Huxley.

Es gäbe zu die­sem The­ma noch eine Men­ge sagen, aber ich will für die­ses Mal zum Schluß kom­men. Mich erin­nert der gute, tap­fe­re und schät­zens­wer­te Licht­schlag, zumin­dest mit Kom­men­ta­ren wie den hier behan­del­ten, ein biß­chen an die Tea-Par­ty-Demons­tran­ten, die mit Ayn-Rand-Slo­gans in die Schlacht zie­hen, um gegen den „Sozia­lis­mus“ der Oba­ma-Admi­nis­tra­ti­on zu demons­trie­ren. Die­se wer­den von den Medi­en der ame­ri­ka­ni­schen „libe­rals“ behan­delt, als wären sie die Nach­fol­ger des Ku-Klux-Klans, bigot­te Ver­fech­ter „wei­ßen Pri­vi­legs“, Kryp­top­sy­cho­pa­then und über­haupt die wil­li­gen Hand­lan­ger und Sturm­trup­pen der „One Per­cent“, die auf Kos­ten der brei­ten Mehr­heit immer rei­cher und rei­cher werden.

In ers­ter Linie wird man in den Rei­hen der Tea Par­ty aber vor allem eher macht­lo­se Mit­tel­ständ­ler und Klein­bür­ger fin­den, die sich gegen ein dif­fu­ses, schlecht aus­for­mu­lier­tes, aber im letz­ten Grund berech­tig­tes Gefühl der Ent­eig­nung ihrer Klas­se (und übri­gens auch eth­ni­schen Schicht) weh­ren. Ayn Rand, die vor dem Kom­mu­nis­mus geflo­he­ne, wohl auch über­kom­pen­sie­ren­de Emi­gra­tin in den „Ame­ri­can Dream“, hat in ihren Büchern ruch­lo­se, ego­ma­ne, aber schöp­fe­ri­sche Her­ren­men­schen und Hyper-Indi­vi­dua­lis­ten geschaf­fen, die sich mit einer Art von ame­ri­ka­ni­sier­tem Nietz­sche- oder Stirn­er­tum über die läs­ti­gen, gleich­ma­che­ri­schen Erden­flö­he und Lili­pu­ta­ner hin­weg­set­zen, die sich aus klein­ka­rier­ten Moti­ven ihrer Selbst­ver­wirk­li­chung und Selbst­be­rei­che­rung in den Weg stellen.

Ich habe eine ein­ge­fleisch­te Schwä­che für die alte Ayn Rand, aller­dings vor­wie­gend aus lite­ra­ri­schen und cine­as­ti­schen Grün­den. Als Phi­lo­so­phin taugt sie nichts, und wahr­schein­lich noch weni­ger als Wirt­schafts­theo­re­ti­ke­rin. Aber sie ver­stand es, moder­ne Mythen des 20. Jahr­hun­derts zu schaf­fen, denen man eine gewis­se Attrak­ti­vi­tät, ja eine poe­ti­sche Wahr­heit nicht abspre­chen kann. Sie wird aller­dings bei ihren Schöp­fun­gen weni­ger an die mit­un­ter naiv wir­ken­den „Salz-der-Erde“-Typen und Klein­bür­ger gedacht haben, die in der Tea Par­ty so häu­fig sind, und die wenig Ähn­lich­keit mit einem John Galt oder Howard Roark haben.

Das trifft wohl eher noch auf die „Wöl­fe der Wall Street“ und die „One Per­cent“ zu, die heu­te die Geschi­cke der Welt steu­ern, und die ja kei­ne lin­ke Erfin­dung sind. Sie sind auch alles ande­re als Atlan­ten, die sich irgend­ei­ne Ver­ant­wor­tung auf ihre Schul­tern las­ten las­sen, im Gegen­teil, sie spie­len mit der Welt Fuß­ball, rei­ten sie zuschan­den, stür­zen Mil­lio­nen Men­schen ins Unglück und Armut.

Sie erin­nern dar­an, daß das Wort „pri­vat“ aus dem Latei­ni­schen stammt: „pri­va­re“ = „rau­ben“.  Wir wol­len all das im Auge behal­ten, ehe wir uns für das „Recht“ die­ser „pri­va­ten“ Mons­tren, tun und las­sen zu kön­nen, was sie wol­len, ins Zeug legen. Was ohne­hin über­flüs­sig ist: unse­re Zustim­mung oder Ableh­nung kann ihnen so egal sein wie die Mei­nung von Amei­sen. Jeden­falls ver­bes­sern wir unse­re Lage nicht, wenn wir auch noch artig ihr Recht aner­ken­nen, uns zu zer­quet­schen, womög­lich gar in der Hoff­nung, sel­ber ver­schont zu wer­den. Ich kann die Liber­tä­ren nur auf­ru­fen, ihre Göt­zen zu über­prü­fen und not­falls zu stür­zen, zumin­dest aber den berühm­ten, alten, erz­li­be­ra­len Grund­satz des Lord Acton nicht zu vergessen:

Macht kor­rum­piert, abso­lu­te Macht kor­rum­piert absolut.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (49)

Spielhahn

1. März 2014 01:39

Kurz gesagt: Ein absolut herrschendes Unternehmen ist kein Deut besser als ein absolut herrschender Staat. Ein Liberaler oder Libertärer, der das nicht erkennt ist entweder dumm oder verbohrt.

H. M. Richter

1. März 2014 08:43

Neben Dank eine - mir notwendig erscheinende - Ergänzung zu:

Sie erinnern daran, daß das Wort „privat“ aus dem Lateinischen stammt: „privare“ = „rauben“.

Privare - in seiner Grundbedeutung von eig. von etwas absondern - hat zwei Bedeutungsrichtungen:

Zum einen: berauben.

Zum anderen aber auch: befreien von etwas.

Thomas Bargatzky

1. März 2014 09:34

An Spielhahn: d'accord! Dem ist nichts hinzuzufügen.

Sternenfrau

1. März 2014 11:13

Am 27.2. gab es zum Thema Amazon-Antaios Verlag in der SZ und in der FAZ treffende Artikel (siehe Kubitschek Artikel zu dem Thema in der Sezession).

Dieser hier ist zwar bereits 2 Jahre alt, aber doch recht aufschlussreich:

https://www.zeit.de/2012/32/Zensur-Apple-Facebook-Amazon-Google

Ich habe Amazon gestern geschrieben und begründet, warum ich in Zukunft nichts mehr bei ihnen bestellen werde.

Wird denen zwar nicht sonderlich weh tun, aber mir war es ein Bedürfnis gegen diese widerwärtige Zensur ein Zeichen zu setzen.

Martin

1. März 2014 11:40

privat“ aus dem Lateinischen stammt: „privare“ = „rauben“.

"privare" hat auch die Bedeutung befreien, so wie privatio ebenso wie liberatio "Befreiung" heisst, während es für rauben sehr viele Wörter im Lateinischen gibt, rapere als verb dürfte das bekannteste sein. Ich bitte auch einmal die Bedeutung von "privatus" zu beachten ... aber evtl. wendet sich ja ein Altphilologe einmal zu Wort (ich habe auch nur ein Latinum eines Alt-BRD-Gymnasiums und möchte mich in diesen Dingen daher nicht zu weit aus dem Fenster legen).

M.L.: Ja, das weiß ich alles... aber ich kann keiner Pointe widerstehen, wenn ich sie einmal gefunden habe.

Zur Sache:

Ich habe es im vorherigen Thread bereits angesprochen. Für mich scheint Amazon ein Händler zu sein, der nach der Agenda "Geld machen", wo es auch nur auf der Welt möglich ist, so leicht und reibungslos wie möglich, vorgeht.

Sollte Amazon, worüber ich keine Kenntnis habe, bspw. in China oder Nordkorea tätig sein, dann würde Niemandem auch nur ansatzweise einfallen, Amazon für sein dort sicherlich limitiertes Angebot zu kritisieren, da jedem bekannt ist, dass es in diesen Ländern eine entsprechende Angebotskontrolle gibt. Amazon agiert dann dort so, wie es der dortige Markt für einen störungsfreien Handel erfordert.

Da Amazon in anderen Ländern noch wesentlich umfangreichere Angebotslisten führt als in Deutschland, lässt sich für mich daraus nur der Schluss ziehen, dass es in anderen Ländern als Deutschland eben keine solchen Marktbedingungen gibt, wie es sie nunmehr offensichtlich in Deutschland neuerdings gibt, sondern freiere.

Der einzige Vorwurf, den ich daher Amazon machen kann ist der, dass es ein opportunistisches Unternehmen ist, welches seine vormals akzeptierten Kunden auf Druck, von wem auch immer, kommentarlos fallen lässt wie eine heiße Kartoffel. Der Kernvorwurf ist aber gegen die Zustände in unserem Land zu erheben, die solche Vorgänge auslösen.

Ein sich jetzt gegenseitiges Anstänkern zwischen ef und Sezessions Lager ist vor diesem Hintergrund der Lage in unserem Land doch genau das, was die versammelte Linke und die institutionellen Kader der BRD richtig freuen wird.

Von daher: Bitte nicht die Gemeinsamkeiten über diesen Vorfall vergessen und in einen intellektuellen Kleinkrieg verfallen, dieser Ratschlag geht auch und insbesondere an Herrn Lichtschlag, der mit seiner "feisten" Ausdrucksart eben nur "schlaglichtartig" den Fall erfasst hatte, aber nicht vollständig.

M.L.: Ich weit entfernt davon, ef "anzustänkern", ich hoffe, das kommt klar zum Ausdruck. Ein paar Sticheleien als Retourkutsche habe ich mir aber erlaubt.

enickmar

1. März 2014 13:48

Ich denke auch, daß man die ganze Diskussuion stark abkürzen kann:
Die Entartungen der Aufklärung, Marxismus und Liberalismus, sind systematische Paradoxa (siehe u.a. auch Böckenförde Diktum).
In liberalen Systemen bilden sich durch die anthropologischen Konstanten immer entsprechend hierarchische Gesetzmäßigkeiten, „Aristokrtien“ und Machtstrukturen heraus. In diesem Moment sind solche Systeme aber nicht mehr liberal, sondern bis hin zum Paradox (a)sozial reguliert. So geht es auch beim hier diskutierten Fall, spätestens durch die Verknüpfung des Ökonomischen mit dem Soziologischem („Politischen“) durch und über Amazon, letztlich also gar nicht um den ökonomischen Markt, sondern, im existenziellen Sinn, um politische Macht. Hier gelten aber ohnehin andere Spielregeln als in der Theorie des liberalen Marktes. So ist natürlich die Polemik von Lichtschlag entsprechend albern.
D.h. man kann die ganze Diskussion mit der Frage abkürzen, welche „Aristokratien“ man sich durchsetzen läßt. Die des Geistes oder die des Geldes ?

Hermann Karst

1. März 2014 14:20

Ich hab’s gelesen. Und bin fast vom Stuhl gefallen. Wie vom Schlag gerührt. – Es war der Lichtschlag.

Nachden ich dann Lichtmesz zu dem Fall gelesen hatte, besserte sich mein Befinden merklich, hat er doch einiges Licht ins Dunkel gebracht.

Dann aber ging mir noch ein Licht auf, schlagartig.

Zwar weiß ich, daß bei den Libertären einige ideologische Pfosten tief und fest ins Pflaster gerammelt sind, das allein jedoch hat mir nicht recht geholfen, „Lichtschlag – die dritte“ zu verstehen. So eng an den Pfosten gekettet, mit der Stirn vorm Holz, ist der Mann doch sonst gar nicht, der ist doch eigentlich sehr locker. Was war denn da also los? Was sich mir als Vermutung aufdrängt, ganz unabweisbar: Lichtschlag muß bei Abfassung seiner dritten Einlassung zum Thema „Amazon versus Antaios“ betrunken gewesen sein. Ganz arg. Kann gar nicht anders gewesen sein.

Einen über den Durst zu trinken ist eine verbreitete Gewohnheit. Und dabei auch mal so richtig die Wutz rauszulassen, das kommt vor. Hinterher schämt man sich dann meistens ein bißchen und versucht sich an der Schadensbegrenzung. Wenn meine Vermutung zutrifft, dann ist anzunehmen – und ich rechne fest damit –, daß sich jener Zecher, wenn ausgenüchtert und wieder bei Verstand, noch einmal zu Worte melden wird, um den angerichteten Flurschaden zu reparieren.

Irgendwie. – Ich bin gespannt, wie er’s macht.

Meyer

1. März 2014 14:29

Der Fehler der Libertären ist an dem Satz "Might s right" leicht aufzugabeln. Es handelt sich dabei aus libertärer Sicht um eine Norm, ein Soll, ein anzustrebender Zustand, von dem sie meinen, er sei nicht verwirklicht, sollte es aber sein.

Faktisch ist es natürlich genau andersherum:
1. "Might is right." Macht formalisiert, festigt und erweitert seinen Zustand durch Normen und Sanktionen. Es "objektiviert" die Machtakkumulation.
2. "Might is right." Dieser Satz ist eine simple Feststellung: Wer Macht erworben hat, hat recht. Und zwar damit, wie er sie erworben hat. Es handelt sich um das ewige Gesetz des Stärkeren.

Dieses Verständnis von "might is right" ist ein empirisches, ein feststellendes, kein normatives; und als solches eine historische Linie, Teil der Betrachtungen der menschlichen Grundkonditionen und somit Basis allen Konservativseins. Niemand, der die Macht außer Betracht läßt, nennt sich zurecht "konservativ", sondern ist dessen direkte Negation.
Wer meint, sich äußern zu können, ohne den Aspekt von Macht (Verbrecher und Hure) als Kernthema zu behandeln, äußert sich nicht politisch, sondern äußert nur den Wunsch nach einer ihm genehmeren Welt. Traurig, aber auch unter "Konservativen" die eindeutige Mehrheit. Leicht zu erkennen: "Man müße ...", "Es sollte ...". Alles Blödsinn! So auch die Forderung es müßte mehr oder weniger Markt geben. Das ändert, selbst metapolitisch, überhaupt nichts - jemals.

Das zeigt nur an, wie wenig real diese äußernde Person lebt. Keine Selbstverantwortung, kein Handlungsgeist. Passiv, duldend, phlegmatisch.
Diese Leute nennen sich gerne "Konservative", Liberalkonservative", "Libertäre". Sie sind es aber nicht. In jenen stecken nicht die Charakterzüge, die Freiheit oder was auch immer _selbst!_ erzeugen zu können, noch nicht einmal die eigene. Ganz im Gegenteil: Sie stellen die Negation dieser Charakterzüge dar. Sie konsumieren Institutionen, die andere geschaffen haben, und beschweren sich auch noch, daß diese ihnen nicht perfekt passen: zu viel oder zu wenig Ausländer, zu viel oder zu wenig Markstwirtschaft.

Diese Gestalten sind der Grund, weshalb die paar Odysseusse dieser Welt sich so deutlich abheben. Dabei könnte scheinbar jeder einer sein.

M.L.: Gut, aber letzten Endes ist nicht daran zu rütteln, daß man an den meisten Umständen, in die man hineingeboren wird, wenig ändern kann. Man landet immer schon in einer fertigen Welt, die andere geschaffen haben, und diese Welt wird auch dann übermächtig bleiben, wenn man selbst die eine oder andere Insel einzurichten versteht.

Ohne Führerschein

1. März 2014 14:56

Herr Lichtschlag lässt nicht gelten dass Libertäre und Konservative/Rechte unter der selben Knute leiden. In einer auf mich fast infantil wirkenden Verschmitzheit macht er dies an antikapitalistischen Inhalten fest, deren Tenor ein Stück weit "Selbst schuld" lauet

Ich schätze ef sehr, im täglichen Gebrauch ziehe ich es der Sezession vor, da es i.d.R. handfester, weniger verkopft und näher am Tagesgeschehen ist.

Den alten Fluch der Libertären keine Moral jenseits der Gesetze des Marktes zu kennen, kann auch er nicht vertreiben. Die integrative Kraft der Liberalismus findet stets dort ihre Genzen, wo Ideologie beginnt. Der Liberalismus kann immer nur Versatzstück einer übergeordneten Instanz sein.

Was Amazon selbst betrifft so gehöre ich nicht zu den Boykotteuren. Amazon hatte letztes Jahr fast durchgehend schlechte Presse, geschürt von den selben Verdächtigen, die mutmaßlich für die Zenur der Antaios-Bücher verantwortlich ist.

Bei Amazon fiel mir bisher positiv ins Auge dass Renzensionen, insbesondere kontroverser Bücher, erfrischend offen ausfallen und auf mich keinen zensierten Eindruck machen. Ich nehme dies als Ausdruck des Neutralitätsgedanken wahr, muss allerdings erkennen dass dieser hier offenbar seine Grenze gefunden hat.

Interessant auch die Art wie Antaois abgewürgt wird. Nur die neusten Bücher wurden verbannt, das alte Angebot bleibt bestehen. So erweckt man bei der Kundschaft den Eindruck dass man nichts gegen der Verlag hätte sondern eben bloß nicht neues rausgekommen sei, der Verlag halt eingeschlafen oder tot sei. Das ist noch ein ganzes Stück perfider als einen ordentlichen Schnitt zu machen und den Verlag mit offenem Visier komplett rauszuschmeissen und dazu auch zu stehen.

Amazon hätte zwar die Macht sich dem zu widersetzen, tut dies aber aus offensichtlich opportunistischen Gründen nicht. Diese Rückgradlosigkeit kann man dem Unternehmen vorwerfen, das allerdings nur, wenn man - anders als Herr Lichtschlag - eine Moral jenseits der reinen Marktgesetze kennt. So irrt Herr Lichtschlag im Labyrinth zwischen magelhafter libertärer Ethik und pers. Moralvorstellungen umher und findet keinen Ausweg.

Amazon sollte nach Lichtschlag'scher Lesart eigentlich auf unserer Seite stehen, schliesslich lässt sich auch mit Antaios-Angeboten Umsatz und Gewinn steigern- das tut Amazon aber nicht. Der Liberalismus frisst seine Kinder zugunsten politische-korrekter Konformität und damit letztlich des Gewinns - das ist der eigentliche Treppenwitz.

Der Boykott bringt daher nichts, im Zweifel würde wohl jeder ausschliesslich Gewinnorientierte einknicken, wenn er ent. Angriffen ausgesetzt wäre. Besonders besorgniserregend dabei, dass die Denunzianten sich gleich das Großwild zum erlegen aussuchen und nicht erst mit dem Kleinwild (z.B. Buch.de) anfangen - man hat dort offenbar ein gutes Selbstbewusstsein und ent. Rückenwind. Da der Elefant ganz ohne Kampf, nur durch Drohgebährden, panisch in der Wald geflüchtet ist, dürfte das Kleinvieh kaum einen Gedanken an Widerstand verschwenden.

Ich rechne damit dass dies erst der Anfang einer Denuziationswelle war und weitere Ausschlüsse folgen. Das hat neben der wirtschaftlichen auch eine gesellschaftliche Dimension. Man wird vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen, an den Rand gedrängt und muss u.U. das Schicksal von Ufo-Verlagen (Kopp) teilen, um wirtschaftlich zu überleben.

Der einzigen pot. Ausweg aus der Misere sehe ich in Expansion und/oder Kooperationen mit anderen Betroffenen. U.U. gelingt es so sich als eine Art Anti-Amazon zu einer politisch-unkorrekten Ikone zu mausern.

Wenn man den Gedanken weiterspinnt sollte man sich u.U. das Modell des Compact-Magazins einmal anschauen, das über das Instrument der Stillen Teilhaberschaft (grauer Kapitalmarkt) Kapital zur Expansion eingesammelt hat (ja, so wie Prokon). Natürlich wäre das ein Risikoinvestment, aber auch eine Möglichkeit für "Überzeugungstäter" sich neben gelegentlichen Käufen und Abo einzubringen und den Einsatz im Spiel zu erhöhen. Vielleicht steigt Herr Lichtschlag ja ein - sei es als Kooperationspartner oder auch als Investor.

Eines aber liegt mMn auf der Hand: Es ist unsinnig wenn x "Paria-Verlage" jeweils für sich alleine den Kampf führen, dieselben Strukturen aufbauen und so Energie verschwenden, die anderweitig wesentlich besser investiert wäre.

Waldgänger aus Schwaben

1. März 2014 15:00


Noch ein Jahrhundert Leser – und der Geist selber wird stinken.
Daß jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf die Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken.

(Nietzsche - Also sprach Zarathustra, Vom Lesen und Schreiben)

Ich begrüße die "Zensur" durch Amazon auf Schärfste!

Das Mittel der Wahl zur Unterdrückung unerwünschter Meinungen ist heute nicht so sehr das staatliche Verbot oder der soziale Tod, sondern das Hochdrehen am Regler, der das Hintergrundrauschen steuert.
Sarrazins Buch, das wohl nur längst Bekanntes wiederholt und auswalzt rechne ich dazu.

Dieses Hintergrundrauschen verdirbt nicht nur den Leser, der kaum noch weiß wo das Wahre, das Gute, das Schöne zu finden ist, es verdirbt auch den Schreiber.

Seit langem schon hoffte deshalb ich auf die Wiedereiführung staatlicher Zensur. Nun kommt sie durch private Wirtschaft.
Unverhofft kommt oft, oder besser gesagt:

Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
(Hölderlin, Patmos)

Nun erhält der suchende Leser einen Hinweis wo er Wichtiges findet, nun weiß der Schreiber wie er und was er schreiben muss, um ernst genommen zu werden.

Danke, Amazon!

nino

1. März 2014 15:23

Wenn man jemanden beraubt, dann hat man ihn von seinem Eigentum befreit. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, muss man nicht so sehr auf der Bedeutung des Wortes rumreiten. Das Wörtchen befreien muss also keineswegs nur positiv konnotiert sein. Die Linke befreit ja auch seit Jahrzehnten das Individuum, bis von letzterem nichts mehr übrig ist, es keine Identität mehr hat.

Dass man die Freiheit nicht einfach so zum Götzen erheben kann, sollte eigentlich auch klar sein. Die Marktwirtschaft kann sich problemlos selbst vom Markt befreien, wenn man zulässt, dass ein Einzelner in eine Monopolstellung kommt.

Dass man die Freiheit um der Freiheit willen manchmal einschränken muss, ist doch wirklich keine gänzlich neu Erkenntnis, sondern eher schon fast eine Banalität, bei manchen aber offensichtlich noch nicht durchgesickert.

Rumpelstilzchen

1. März 2014 15:49

Zitat Lichtschlag:

Und doch: Solange Diskriminierung und Verleumdung von privaten Unternehmen und Einrichtungen wie Google, Wikipedia und Amazon ausgehen, soll und muss dies ihr gutes Recht bleiben. Es wird dann eben zu einer Herausforderung für alle Angegriffenen, der sie sich ohne allzu großes Wehgeschrei zu stellen haben. Ja, es ist ungerecht, wenn linke Spinner es einfacher haben. Aber die Geschichte ist keine Einbahnstraße und der Markt, wo er noch frei ist, bietet immer Lösungen.

Ähnlich argumentiert Jan Fleischhauer in der Spiegel Kolumne:
Die Mär vom armen Opfer Sarrazin ( 13.2.14) dort heißt es:
"Verführerische Opferidee -

Es wäre unsinnig zu leugnen, dass es nicht den Versuch gäbe, Diskursgrenzen abzustecken. Diese Art der Erledigung unliebsamer Auffassungen durch Ausgrenzung oder Tabuisierung gehört seit Aristoteles zum politischen Geschäft...
So tröstlich der Gedanke sein mag, dass einen höhere Kräfte niederhalten, so wenig hat dies in der Regel mit der Realität zu tun. Manchmal mangelt es einfach an Originalität oder dem Vermögen, seine Gedanken zu Papier zu bringen, wenn man nicht ausreichend Gehör findet."

So einfach ist es nun doch nicht. Vielen Autoren bei Antaios und gerade auch Herrn Lichtmesz mangelt es nicht an Originalität und sehr klaren Gedanken. Trotzdem dürfen sie nicht die Spiegel-Kolumne schreiben.
Ja, linke Spinner haben es einfacher.
Es ist ärgerlich, wenn ein Jakob Augstein in der Spiegelkolumne vom 24.2.14 ( Böser Geist der sozialen Kälte) die Deutungshoheit über Sarrazins Buch an sich reisst. Er schreibt:

" Sarrazin arbeitet am Fundament einer neuen nationalkonservativen Ideologie. Gegen Frauen, Homosexuelle, Muslime, Migranten und Linke. Sarrazin schließt die argumentative Versorgungslücke, die sich beim auf Ressentiments sinnenden Kleinbürgertum auftut. Er ebnet Gedanken und Argumentationsfiguren den Weg in die Mitte der Gesellschaft, die sich unlängst noch am rechten Rand herumgedrückt haben. Thilo Sarrazin ist der Vordenker einer reaktionären Renaissance."

Dies ist auch für einen Nationalkonservativen ärgerlich zu lesen.
Ich halte Sarrazin nicht für einen VORDENKER ( siehe Titel bei Antaios), ja noch nicht mal für einen Nachdenker.
Bei Antaios sind schon lange argumentative Versorgungslücken geschlossen, auf sehr kluge und differenzierte Art und Weise. Dies ist auch die eigentliche "Kränkung", dass qualitativ sehr gute und interessante Bücher nicht so diskursbestimmend wirken können, wie es ihnen zustände.
Dieses Ausgestoßensein kann man natürlich auch positiv sehen, nach dem Motto:
Das gibt es nur bei Sezession bzw. Antaios oder:
Diese Bücher bekommen Sie nicht mal bei Amazon
Apropos: wann erscheint das neue Buch von Herrn Lichtmesz ?

gerdb

1. März 2014 17:15

Die libertäre Ideologie mutet seltsam asozial an. Denn wer schützt denn den Libertären und sein Eigentum?
Insofern ist der Staat auch ein Schutzgeldeintreiber der seiner Funktion halbwegs nachkommt.
Quasimonopole der globalisierten Welt haben den freien Markt zu einem Witz degradiert.

Gold Eagle

1. März 2014 17:20

Nehmen wir einmal an, die Sezession hätte 13 Millionen Leser, soviel wie die Bild-Zeitung. Dann würden Sie ja wohl auch immer noch selber entscheiden, wer dort veröffentlichen darf und wer nicht. Sie würden wohl kaum Claudia Roth bitten, dort eine Kolumne zu übernehmen, oder? Sie würden diese Stellung dazu nutzen, um ihre Positionen zu verbreiten. Dass Spiegel, Stern und Bild eben ihre Meinungs in ihren Publikationen äußern, gehört eben auch zur Meinungsfreiheit. Das Ganze läuft doch auf den Vorwurf hinaus: Dass die anderen einfach mehr Leser haben und mehr Nutzer.

Amazon ist ein privates Unternehmen mit privatem Kapital und sie dürfen auf ihre Webseite die Bücher bewerben, die sie bewerben wollen. Es gibt doch kein RECHT auf Amazon seine Bücher abzusetzen. Woher sollte denn dieses Recht kommen?

Wenn es Amazon gar nicht gäbe, könnten die Bücher dort ja auch nicht beworben werden. Es hat auch niemand irgendjemanden gezwungen bei Amazon ein Profil einzurichten und dort Bücher und andere Güter zu bestellen. Das einzige Vergehen, das Amazon angelastet werden kann, ist der Umstand, dass sie eben einen besseren Service bieten als andere. Dasselbe gilt auch für google oder facebook. Niemand zwingt Sie sich bei Facebook anzumelden. Ich tue es nicht.

Bei der Kritik am Kapitalismus von Herrn Lichtmesz habe ich mir die Frage gestellt, in welchem anderen System es denn mehr Meinungsfreiheit gibt. Wo gibt oder gab es je eine diskritminierungsfreie Gesellschaft? War das unter dem Sozialismus besser? Da waren die Bücher gleich verboten. In der guten alten Ära des konservativen Absolutismus gab es die Karlsbader Beschlüsse und die direkte Zensur.

Es war doch eigentlich noch nie so einfach seine Meinung zu sagen, wie das heute der Fall ist. Innerhalb von 10 Minuten kann ich einen Blog einrichten und schon kann jeder, den es interessiert, lesen, was ich zur Welt zu sagen habe. In den kapitalistischen USA dürfen Sie sogar die US-Fahne und den Koran verbrennen, ohne dass das rechtliche Konsequenzen hat. Dass Amazon die Antaios Bücher nicht mehr listet, ist aus meiner Sicht eine unternehmerische Fehlentscheidung, aber kein Argument gegen den Kapitalismus.

Unbestreitbar haben Sezession und Antaios Nachteile in unserer linksgrünen Gesellschaft, die haben aber überzeugte Atheisten in einer sehr religiösen GEsellschaft auch. Stellen Sie sich mal vor, Deutschland wäre ein nationalkonservatives Land und ich würde einen Verlag gründen, der antideutsche Literatur vertreibt, dann hätte ich wohl auch Nachteile und würde möglicher Weise auf Amazon nicht gelistet und von der Mainstreampresse angegriffen, oder?

enickmar

1. März 2014 18:45

Golden Eagle:

Wollen Sie nicht begreifen oder können Sie nicht begreifen ?
Niemand sagt hier etwas gegen Kapitalismus im Sinne von Marktwirtschaft.
Damit Marktwirtschaft aber funktioniert darf sie nicht liberal sein (nur nebenbei bemerkt).
Und selbstverständlich hat Amazon das „Recht“ zu verkaufen was Amazon möchte.
Nur genauso selbstverständlich hat Antaios das Recht darauf frei zu reagieren, wie Antaios das möchte. Und die Reaktion von Antaios ist offenbar die, genau zu analysieren und zu benennen was hier vor sich geht und publizistische, ökonomische oder sogar rechtlich Gegenmaßnamen im Rahmen des Rechtsstaates einzuleiten. Wo ist das Problem ?
Wo das Problem der Sezessionisten liegt, kann man hier ja seitenweise nachlesen.
Also, wo ist das Problem der Libertären ?

Heinrich Brück

1. März 2014 19:16

Amazon wirtschaftet kleptoparasitär, ist also kein Unternehmen im
herkömmlichen Sinne. Solche unternehmerischen Ideen sind
undeutsch und kommen meistens aus dem Privatbankenbereich.
Nicht Amazon ist die Hure, denn dann könnte man wirklich lachen,
Justitia scheint die Hure zu sein.

Unke

1. März 2014 20:35

Es werde mir verziehen, wenn ich Windungen der Argumentation nicht en détail nachvollziehe.
Immerhin erfreulich, dass Lichtschlags Ausfall hier thematisiert wird -- obwohl ich nicht denke dass man nun ein Faß "sezession vs. ef" aufmachen sollte. Meine Anmerkungen:
1. Lichtschlag ist normalerweise sicher in Argument + Formulierung, allerdings ist er auch nur ein Mensch und kann sich schon einmal vergallopieren (dazu unter 3. und 4. mehr).
Mir ist auch noch ein "Streitgespräch" bei einer konservativen Veranstaltung (u.a. mit KH Weißmann, zu finden auf Youtube) in Erinnerung, bei dem er ebenfalls unter seinen Möglichkeiten blieb. (Das helle Köpfe sich in der Diskussion teilweise erbärmlich schlagen wurde an Stefan Blankertz deutlich, sein libertäres Manifest war für mich vor Jahren ein kleiner Augenöffner.)
2. Die libertäre Szene hat -ähnlich wie die "konservative"- durchaus eine gewisse Bandbreite, da hat halt auch jeder ein bisschen sein persönliches Steckenpferd. Bedauerlich ist, dass es in D nun einmal nur ein libertäres Periodikum gibt; da ist die Basis im "Land of the Free" schon größer. Nicht jeder Libertäre findet alles von und im "ef-Magazin" supi - auch wenn, das sei hier mal gesagt, in den vergangenen Jahren die Bandbreite bis fast zur Richtungslosigkeit ausgeweitet wurde (früher gab's mal einen klerikalen Einschlag -brrrr).
3. Ein -nachvollziehbarer- Grund seitens Lichtschlags scharf zu schießen wäre der ständige falsche Gebrauch des Begriffs "liberal" auf SiN, insbes. durch einen gewissen M.L.

M.L.: Ich benutze den Begriff, in Bezug auf das, was ich bezeichnen will, mit völliger Konsistenz, also insofern "ständig richtig".

Was dem Sozialisten die Gleichheit, das ist dem Libertären die Freiheit - und gegen dessen Kaperung und Umfunktionieren zum (konservativen / neurechten) Feindbild kann einem schon einmal der Kamm schwellen. Ich selbst habe hier schon wiederholt dagegen ankommentiert; ja, ich habe ja auch schon vermutet, ob dem nicht einfach nur eine falsche Übersetzung des amerikanischen "liberal" zugrunde liegt...
4. Der Libertäre und die Dogmatik. Das führt zuweilen zu bekloppten Resultaten, worauf z.B. P. Boehringer (der mit dem Bundesbank-Gold) hingewiesen hat.
Es ist komplette Idiotie in einem nichtlibertären Umfeld schädliche libertäre Grundsätze einführen zu wollen. Also z.B.: "Ich finde Personenfreizügigkeit supi, also her damit" - dabei aber vergessend, dass Libertäre das nur unter der Bedingung fehlener Sozialleistungen befürworten können; also ist diese Forderung (Personenfreizügigkeit) im konkreten hier und jetzt erst gar nicht zu stellen. Der Ex-Versicherungsvertreter Frank Schäffler sieht das anders - da fehlt's halt auch an ein paar IQ-Punkten; aber bitte, das ist meine persönliche Meinung.
Das dürfte denn auch einen Gutteil an Differenzen der Libertären untereinander ausmachen: wie sich im ungemütlichen Hier & Jetzt einrichten? Der eine findet Unternehmen als Wohlstandserzeuger gut, der andere möchte bestimmte Rechtsformen (Kapitalgesellschaften, sociétées anonymes) in einer libertären Welt lieber nicht haben (da es nur persönliche Verantwortung gibt und weder eine S.A.[R.L.] noch eine VEB oder sonst eine juristische Person Verantwortung übernehmen kann) -- das feige Agieren von Amazon in Sachen Antaios ist ja überhaupt nur hinter der korporativen Maske möglich.

Martin Lichtmesz

1. März 2014 22:03

https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/10/02/amazon-verlaesst-deutschland-zu-viele-streiks-zu-hohe-kosten/comment-page-5/

Amazon: die Heuschrecken ziehen weiter...

Sternenfrau

2. März 2014 10:33

Reaktion von Amazon auf die Kündigung meines Amazonkontos wegen der Zensur von Meinungsfreiheit/Antaois-Bücher.

Ich habe um Auskunft gebeten, WER Amazon denn informiert/bzw. Anatols denunziert hätte und wieso sich ein mächtiger Konzern wie Amazon von (linken) Denunzianten beeindrucken lässt. Dies war die Antwort:

vielen Dank für Ihre offenen Worte. Im Rahmen unserer Teilnahmebedingungen zum Verkauf bei Amazon weisen wir Artikel aus, die nicht angeboten werden dürfen:

https://www.amazon.de/gp/help/customer/display.html/ref=hp_left_sib?ie=UTF8&nodeI...

Werden wir darüber informiert, dass ein Titel nicht den geltenden Bedingungen entspricht, so überprüfen wir dies umgehend.

Grundsätzlich zieht Amazon zur Überprüfung von Inhalten die offizielle Einschätzung der Stellen heran, die zu einer solchen inhaltlichen Bewertung berufen sind und die jeweiligen Produkte umfassend prüfen können: die Gerichte und Staatsanwaltschaften, sowie die Bundesprüfstelle jugendgefährdender Medien (BPjM). Der gesetzliche Jugendmedienschutz ist zentrale Aufgabe der BPjM. Aus diesem Grunde richten wir uns nach den Wertungen des BPjM, die für solche Entscheidungen einen gesetzlichen Auftrag hat.

Vielen Dank für den Hinweis auf die genannten Titel, die wir zur Überprüfung an die zuständige Abteilung weitergeleitet haben.

Viele Grüße
Kate Kimmel

Executive Customer Relations
Amazon.de
https://www.amazon.de

Der letzte Satz ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe keinerlei Titel genannt...

Ich bin der Meinung, dass möglichst viele Leser an Amazon schreiben und diesen Versand boykottieren sollten, auch wenn es an der Lage nichts ändern mag. Wissen soll Amazon zumindest, dass man derartiges Verhalten nicht billigt.

Gold Eagle

2. März 2014 11:25

Das Problem besteht nicht darin, dass man Amazon für diese Entscheidung kritisiert. Das Problem ist, dass das Herr Lichtmesz das mit einem Vulgär-Antikapitalismus verbindet.

M.L.: Wieder so ein grobes Mißverständnis... aber Sie sind nicht der erste Kommentator, dem offenbar die Fähigkeit zum sinnentnehmenden Lesen fehlt.

Amazon ist ein großartiges Unternehmen, das viele Freiheitsfreiräume eröffnet hat. Deshalb ist Amazon ja auch zum Ziel der Attacken von Öffentlichkeit und Gewerkschaften geworden, denn dass dort plötzlich Literatur beworben wird, die es anderswo nie in die Auslage der Buchläden schaffen würde, ohne dass die Antifa vor der Tür steht, haben die natürlich auch gemerkt.

Nun kann mann Amazon vorwerfen, dass sie eingeknickt sind, aber die eigentliche Ursache liegt doch nicht bei Amazon als privatem Unternehmen, sondern an den politischen Rahmenbedingungen. Amazon bietet in Saudiarabien mit Sicherheit auch keine islamkritische Literatur an. Ist das nun die Schuld von Amazon, dass dort die Wahabiten herrschen?

Darum ist es auch vollkommen nachvollziehbar, dass Amazon jetzt möglichst viele Bereiche aus Deutschland wegverlagert. Ich stelle folgende These auf: Wenn Amazon nicht erpressbar gewesen wäre, hätte es die Titel auch nicht aus dem Programm genommen. Darum ist die Kritik an dieser Handlung von Herrn Lichtmesz "Amazon: die Heuschrecken ziehen weiter…" vollkommen unsinnig.

M.L.: Haben Sie den Link denn überhaupt gelesen? Das bezog sich auf einen völlig anderen Kontext. Manchmal klatsche ich mir hier echt an den Kopf.

Das ist nämlich die beste Garantie dafür, dass Amazon in Zukunft solche Zugeständnisse nicht mehr machen muss.

Diese Kritik ist übrigens noch aus einem anderen Grund vollkommen unsinnig. Man kann sich nicht einerseits über Einwanderung aus Osteuropa aufregen und dann darüber beschweren, dass dort investiert wird. Wenn dort zusätzlich Arbeitsplätze geschaffen werden, dann kommen weniger nach Deutschland. Wenn dort die Menschen mehr verdienen, dann können sie anschließend mehr deutsche Produkte kaufen. Das Ergebnis ist: Mehr Arbeitsteilung, weniger Einwanderung. Einfache logistische Tätigkeiten nach Osteuropa zu verlagern ist also ökonomisch und sozial richtig, und im Falle von Amazon politisch auch noch nachvollziehbar.

M.L.: Ich habe mich noch niemals über Einwanderung aus "Osteuropa" aufgeregt, und die Mehrheit der Armutseinwanderer kommt auch nicht von dort. Ob alles andere so abläuft, wie Sie sagen, weiß ich nicht.

Belsøe

2. März 2014 12:01

Ich kann Libertäre nicht ernst nehmen. Zu sehr dünstet aus jeder Pore, dass sie dieser Idee nur deshalb nachhängen, weil ihre eigene (reale oder imaginierte) Stellung in einer libertären Gesellschaft eine der wenigen privilegierten wäre. Und selbige spätestens in der dritten Generation dann auch nicht mehr erarbeitet sondern überwiegend nur noch ererbt - von wegen might is right. Für Gutsbesitzer oder Kaufmannsstand mag das alles eine gewisse Romantik haben, besonders wenn sie der Fehlannahme erliegen, sie wären im jetzigen System die am allerschlimmsten geschröpften. So wie die Leute auch denken sie wären im Mittelalter in Rüstung herumgeritten statt ohne Zähne nach Ernteresten zu klauben, was für die meisten wohl eher zutreffen würde. Ich weiß jedenfalls illusionslos, dass ich diesen Leuten ohne Staat noch ekelhafter ausgeliefert wäre als ich es jetzt schon bin. Eine libertäre Herrschaft würde ich sogar bewaffnet bekämpfen, bevor sie zu der degenerierten Aristokratie verkommt die unausweichlich ihr Schicksal ist.

Edewolf

2. März 2014 13:26

Der Scherz Lichtschlags bestand doch ausschließlich darin, daß Amazon mit diesem Schritt "liberale", "kapitalistische", "gewinnmaximierende" - wie man es auch immer nennen will - Prinzipien über Bord geworfen hat. Und Opfer sind ausgerechnet diejenigen, die sich bis zu einem bestimmten Grad gegen diese Prinzipien aussprechen.

Vermutlich will Lichtschlag sagen: Wäre Amazon ein rein kapitalistisches Unternehmen, wäre das nicht passiert. Die Kritik der Rechten sollte sich also nicht gegen diese Prinzipien, sondern gegen etwas anderes richten. Aber Ihr Artikel geht ja in diese Richtung...

Irrlicht

2. März 2014 14:30

Unabhängig von den Ideologemen des US-Imports des Libertarismus möchte ich der in den Kommentaren vorgebrachten These widersprechen, die inkriminierte Handlung des Quasimonopolisten sei bloß der Anpassung an landestypische Verhältnisse geschuldet. Amazon verweist in Standardphrasen auf die Bedeutung von "offiziellen Einschätzungen" und hebt dabei die Bedeutung des BPjM hervor. Der FAZ-Journalist Lorenz Jäger ging dieser Spur nach, fragte bei der BPjM nach, und erntete ein klares Dementi seitens der staatlichen Behörde. Sie habe mit dem Fall nichts zu tun. Zudem sind die vom US-Konzern ausgelisteten Antaios-Titel weiter auf deutschen Buch-Portalen wie bol.de oder beucher.de erhältlich.

Martin Lichtmesz

2. März 2014 15:17

Hinz über Sarrazin:
https://jungefreiheit.de/kultur/literatur/2014/der-geaechtete/

Wenn die Medienangestellten keine oder bloß vorgetäuschte Priester sind, wessen Lied verbreiten sie dann? Wenn keine reinen Ideen, was bestimmt dann unser öffentliches und politisches Leben? Man muß die Dialektik von materieller Basis und medialem Überbau näher betrachten, als Sarrazin das tut. Der propagierte Gleichheitswahn führt, in die Praxis übersetzt, zu einem völligen Umbau der Gesellschaft, zur Zerstörung von familiären, regionalen und nationalen Strukturen und zur Atomisierung der Individuen.

Wer nach der Logik und den Interessen fragt, die durch diese Entwicklung bedient werden, stößt auf die Strategen und Nutznießer der Globalisierung, jener internationalen Entwicklung, welche die totale Mobilität von Menschen, Gütern, Rohstoffen und Kapital und letztlich die Vereinheitlichung der Welt zum Ziel hat. Für sie sind die Verteidiger der Nationalstaaten und der Volkssouveränität natürliche Feinde.

Es lohnt einfach nicht, sich länger mit den einzelnen sarrazinkritischen Medienvertretern auseinanderzusetzen. Vielmehr müßten die Strukturen, die international verflochtenen Pressekonzerne, die Multis, Stiftungen und Denkfabriken betrachtet werden, denen sie wissentlich oder unwissentlich dienstbar sind. Sarrazins neues Buch ist ein wichtiger Baustein, ein Schlußpunkt und vor allem eine Aufforderung an den politisch interessierten Leser, seinen Blick zu weiten.

enickmar

2. März 2014 17:10

Edewolf:

Das haben Sie gut erkannt. Aber genau dadurch wird ja auch das paradoxe der libertären Argumentation deutlich. In der “faktischen Realität” also im wirklichen Leben, in dem wir uns im Gegensatz zur “rein kapitalistischen liberalen ökonomischen Theorie” befinden, hat Amazon letztlich dann eben doch nach ökonomischen Prinzipien gehandelt, da der soziale Druck sich möglicherweise ökonomisch ausgewirkt hätte (Zumindest danach zu urteilen, wie sich der Fall derzeit darstellt).
Und genau deswegen sind ja auch sowohl die marxistische als auch die liberalistische Theorie/Ideologie Utopien.
Daher ist die Kritik an diesen auch berechtigt. Diese Kritik sagt aber deswegen nicht, daß nun alle soziologischen Einflüsse auf die freie Ökonomie richtig sind (z.B. im vorliegenden Fall). Sie stellt nur fest, daß diese unweigerlich vorhanden sind, teils auch vorhanden sein sollten und “politisch” berücksichtigt werden müssen. Welche Einflüsse vorwiegen sollen, ist eine rein politische Frage, der man aber in der Realität nicht ausweichen kann.
Insofern wäre sogar aus libertärer Sicht Kritik an Amazon angezeigt. Nämlich der Vorwurf die ökonomischen Prinzipien nicht gegen “sozial-politischen” Druck verteidigt zu haben.
Aus sezessionistischer Sicht ist diese Kritik dann politisch umso selbstverständlicher.

Gold Eagle

2. März 2014 17:25

Hinz: "Wer nach der Logik und den Interessen fragt, die durch diese Entwicklung bedient werden, stößt auf die Strategen und Nutznießer der Globalisierung, jener internationalen Entwicklung, welche die totale Mobilität von Menschen, Gütern, Rohstoffen und Kapital und letztlich die Vereinheitlichung der Welt zum Ziel hat. Für sie sind die Verteidiger der Nationalstaaten und der Volkssouveränität natürliche Feinde."

"Es lohnt einfach nicht, sich länger mit den einzelnen sarrazinkritischen Medienvertretern auseinanderzusetzen. Vielmehr müßten die Strukturen, die international verflochtenen Pressekonzerne, die Multis, Stiftungen und Denkfabriken betrachtet werden, denen sie wissentlich oder unwissentlich dienstbar sind. Sarrazins neues Buch ist ein wichtiger Baustein, ein Schlußpunkt und vor allem eine Aufforderung an den politisch interessierten Leser, seinen Blick zu weiten."

Vielleicht hat Herr Hinz nicht dieselben Bücher gelesen wie ich. Ich habe bei Sarrazin bisher nicht eine einzige Zeile gefunden, in der er die Globalisierung kritisiert.

M.L.: Sinnentnehmendes Lesen ist wirklich nicht Ihre Stärke, wie? Genau dieses Fehlen beanstandet ja Hinz an Sarrazin, und dann auch noch in dem von Ihnen selbst zitierten Absatz. Um die weiteren Dimensionen von PC und "Tugendterror" zu verstehen, müsse man seinen Blick über Sarrazins Themenfelder hinaus auf die globalistische Weltpolitik richten.

Er nimmt sie als gegeben hin. Er kritisiert den Sozialstaat dafür, dass er die Leistungsfähigkeit unterminidert und damit die Wettbewerbsfähigkeit für einfache Tätigkeiten. Die Thesen, die Sarrazin zum Sozialstaat, zum Islam und zur Einwanderung vertritt, sind bei US-amerikanischen Denkfabriken, die Hinz erwähnt, Common Sense. Bei der Heritadge Foundation oder beim American Enterprise Institute nennt Sarrazin doch offene Türen ein. Warum sollten die ihn absägen wollen. Das macht doch gar keinen Sinn.

Für Thesen, die in Deutschland zu einem gesellschaftlichen Skandal führen, haben US-Ökonomen nur ein sanftes Lächeln übrig. Sarrazin hat ein Großteil seiner Thesen zu IQ und Wirtschaftsentwicklung aus US-amerikanischer Literatur, die dort natürlich ohne Probleme über Amazon zu bestellen ist. Die gesamte Soziobiologie kommt aus den angelsächsischen Ländern und verwendet wirtschaftsliberale Konzepte zur Erklärung der menschlichen Natur. Ich kann ohne Probleme auf Amazon.com tausende von englisch sprachigen Büchern finden, in denen dieselben Thesen vertreten werden, wie bei Sarrazin.

M.L.: Na und? Das weiß doch jeder. Der Punkt ist was? Sie bringen hier zwei verschiedene Geschichten durcheinander.

Warum sollten dieselben Medienkonserne, die kein Problem damit hatten und haben Samuel Huntington und Patrick Buchanan als Kommentatoren einzuladen, eine Verschwörung gegen Sarrazin anzetteln?

M.L.: Ja, warum eigentlich? Und das hat nun eigentlich wer behauptet? Langsam verliere ich die Geduld mit Ihnen. Übrigens ist ausgerechnet der seit seinen letzten Büchern ziemlich an den Rand gedrängte und geächtete Buchanan, der wie Sarrazin aus dem Establishment kam, ein denkbar schlechtes Beispiel.

Gold Eagle

2. März 2014 17:39

Da Herr Lichtmesz mir ja unterstellt hat, ich hätte den Beitrag zum Link nicht gelesen, kopiere ich die Aussage direkt heraus.

M.L.: Schön, daß Sie das noch nachgeholt haben, denn nun sehen Sie, daß das mit meiner Kritik an der Causa der aus dem Programm gestrichenen Titel rein gar nichts zu tun hat.

"Amazon wird Deutschland teilweise verlassen. Die Debatte über die Bezahlung und die Arbeitszeiten ist dem Konzern zu anstrengend. Fünf der acht Versandzentren und zwei Kundendienst-Zentralen in Deutschland will der Online-Händler zum kommenden Jahr schließen. Dafür sollen in Polen und Tschechien neue Logistikzentren und Arbeitsplätze entstehen."

Dieses Verhalten ist betriebswirtschaftlich volkommen nachvollziehbar und - das war mein erster Punkt - politisch sogar richtig, da der Konzern damit eher seine Unabhängigkeit behält als in Deutschland, wo man befürchten muss, dass Gewerkschaften die Betriebsräte gegen das Unternehmen instrumentalisieren.

Martin

2. März 2014 17:39

@Irrlicht

Zu den landestypischen Verhältnissen gehören auch Dinge und Zusammenhänge, die man nicht simpel auf einen staatlichen Verwaltungsakt oder einer etwaigen Äußerung der BPjM herunter brechen kann.

Fakt ist, dass über Amazon und seinem Konzernunternehmen zvab nach wie vor Literatur zu bekommen ist, bei der man eher zumindest nachvollziehen kann, warum sich manche darüber aufregen und über Amazon in anderen Ländern als Deutschland sind auch Werke von Autoren nach wie vor erhältlich, die hier unter den Antaios Bann fallen.

Inhaltliche Vorbehalte seitens Amazon scheinen mir daher ausgeschlossen. Hier lief eine konkret gegen Antaios gerichtete Aktion - von wem auch immer, warum auch immer - der Amazon im Sinne des geringsten Widerstandes nachgegeben hat (so zumindest meine Einschätzung).

@Golden Eagle

Ihr Vergleich von Amazon mit genuinen Presse- und Verlagsunternehmen ist unzulässig, da diese sog. "Tendenzträger" weitgehende, geschützte Rechte zur "Diskriminierung" und zum Ausschluss nicht passender "Meinungen" haben (das geht sogar soweit, dass bspw. Redakteure bei abweichender Meinungsäußerung selbstverständlich gefeuert werden können) und bei Amazon handelt es sich um einen Händler, ein Handelsplattform den/die man bei einer marktbeherrschenden Stellung durchaus in der Pflicht sehen kann, mit jedem zu kontrahieren bzw. Geschäftsbeziehungen nicht ohne wichtigen Grund abbrechen dürfen zu lassen. Diese Marktbeherrschende Stellung dürfte Amazon vermutlich (noch) nicht haben.

Übrigens: Wettbewerbskontrolle ist ein üblicher Bestandteil liberaler Theorien und soll sogar bei libertären Anschauungen vorkommen.

Urwinkel

2. März 2014 19:25

Lässt sich "der Glaube der Libertären" nicht in Romanform festnageln? So wie Tellkamps "Eisvogel"? Nach dem ganzen Geplänkel um Amazon riecht das Thema doch nach einer schreibenden Sommerbeschäftigung.

Zur Erklärung: Ich habe für das Romanschreiben keine Ader, aber ich würde das Buch kaufen und lesen. So wie den letzten Kracht und ganz viel Fontane.

Joseph von Sternberg

2. März 2014 19:46

Kann es sein das Herr Lichtschlag sich festgelegt hat - als er eine libertäre Zeitschrift gegründet hat? Ist er abhängig von seiner Schöpfung geweorfen... Ist ef ein Frankenstein, ein Golem? Wird er die Geister die er rief nicht mehr los? Ich meine Einzelkämpfer haben ja in USA ja immer die Tendenz mit Ayn Rand und Anarchokapitalisten zu starten - und sich dann zu weissen Nationalisten zu entwickeln... Beispiele: Matt Parrot, Greg Johnson und Ramzpaul. Selbst bei Fjordman kann man Entwicklungen in diese Richtung beobachten. Jim Goad entwickelt auch sukzessive Ansichten, die immer mehr in Richtung Weisser Nationalismus gehen.

M.L.: In unseren Breiten fängt diese Entwicklung eher mit "Counterjihad" an. Mir fällt auf, daß das alles Kopien von amerikanischen Vorbildern sind (die man also nur beschränkt übernehmen kann): Libertarismus, Counterjihad (Pi war auch schon mal mehr Neocon als heute), "weißer Nationalismus" (was auf Deutsch unendlich bescheuert klingt)... ich denke, man kommt irgendwann von verschiedenen eher abstrakten Ideologien zur "Verteidigung des Eigenen", wie man das dann auch nennen mag, und die müßte dann auch auf das Eigene zugeschnitten sein.

Wenn man aber nicht alleine ist, sondern eine Institution erbaut, die diese Prinzipien vertritt und auch doktrinär von der Utopie her deduziert, so hat man sich der Möglichkeit zur Entwicklung beraubt, oder diese zumindest erschwert.

M.L.: Na, "doktrinär" ist ef ja Gottseidank nicht, sondern trotz oder vielmehr wegen der libertären Basis eher undogmatisch und oft unterhaltsam wild gemischt, darum auch weniger langweilig als die meisten Blätter in Deutschland. Also in einem echten Sinne "liberal", den ich so aufgefaßt ja auch gut finde.

p.s. sind Libertäre eigentlich für Monopole - ich meine: entweder gibt es den Markt - oder das Monopol. Beides geht nicht. Oder irre ich mich da?

p.p.s. Im Übrigen: gegen Counter Currents finden durch Heidi "Lochkrapfen" Beirich konzertierte Versuche statt auch hier den Verlag von Amazon abzuschneiden. Komische zeitliche Koinzidenz!

KMac hat sich ja schon mal länger mit den Libertären auseinandergesetzt:
https://www.toqonline.com/blog/libertarianism-and-white-racial-nationalism/

Der Libertäre "Southern Avenger" Jack Hunter hat sich inzwischen zu etwas fast so korruptem wie einem David Berger der Paläokonservativen entwickelt...
https://www.counter-currents.com/tag/jack-hunter/

Unke

2. März 2014 20:16

@Urwinkel
So Sie des Englischen mächtig sind: Stefan Molyneux hat einen ganzen Sack an (kostenlosen) Büchern geschrieben.
Ayn Rand hat diverse Bestseller geschrieben, die mittlerweile auch passabel übersetzt vorliegen dürften (googlen Sie selbst).
Ansonsten geht mir diese bräsige Ignoranz ("ey Alder, was is'n dieses Libertär-Dingsbums eigentlich?") ziemlich auf den Senkel. Die kommt ironischerweise von Leuten, die null Bezug zur Vergangenheit haben, hinsichtlich der heutigen Zustände absolut clueless sind, einen Bildungsstand à la Klippschule aufweisen und in ihrem Leben offenbar nie Entschiedungen treffen, Verantwortung übernehmen oder sonstwie selbständig agieren mußten oder wollten.

Andi

2. März 2014 20:31

Ich kann Herrn Lichtmesz' Bewertung der Libertären (und Ayn Rands) wenig hinzufügen. Bloß literarisch, Welten-wünschend ist es ein Vergnügen, immer wieder mal ein paar Runden mit den Libertären zu drehen. Für mich jedenfalls ist es sogar ganz wesentlich, die Irrtümer meiner Kindergartenzeit neu aufzurollen und sie differenzierter zu bewerten. Wichtig bleibt, dass die Sezession sich hiermit einmal deutlich von der verschmitzt und schon in den Avataren der ef-Autoren angedeuteten subtil frivolen ef-Attitüde abgegrenzt hat. Im "American Dream" und auf den "aufgeklärten" neo-absolutistischen, weltenthobenen Warten hält es keine Philosophie lange aus. Die Ergüsse der Profitierenden regnen auf uns herab und entorten unser Dasein zunehmend. Die eingeklammerten Abschnitte im Artikel können also getrost entklammert und fett formatiert werden.

Martin Lichtmesz

2. März 2014 20:43

What happened to the American Dream?

https://www.youtube.com/watch?v=xkCscoOquk8

Rumpelstilzchen

2. März 2014 21:08

Harald Eia, ein norwegischer Komiker und Soziologe hat die Gendertheorie m. E. genial zerlegt und ad absurdum geführt.
https://www.lokalkompass.de/dortmund-city/politik/56-millionen-euro-gerettet-komiker-zerlegt-gender-forschung-in-norwegen-d206890.html
Da, wo Thilo Sarrazin seine Kritik an der Gendertheorie pedantisch mit IQ-Thesen aus der US-amerikanischen Soziobiologie belegt und immer wieder aneckt. Das ist traurig. Siehe das Interview: Thilo Sarrazin gegen Jakob Augstein (verlinkt auf PI. )
Ich bin zwar kein Medienvertreter, aber sarrazinkritisch. Nicht in der Sache.
Aber seine wissenschaftlich pedantische Art ( man möge mir verzeihen) wirkt oft kontraproduktiv.
Warum Konservative immer verlieren ? Vielleicht, weil sie zuwenig Humor haben, zu verbissen diskutieren. Das Gesicht von Jakob Augstein in o.g. Interview spricht Bände. Der Zyniker weiß, wo er seinen Gegner packt.

Irrlicht

2. März 2014 22:37

@Martin
Lorenz Jäger ist der von Amazon angegebenen Begründung nachgegangen ("offizielle Einschätzungen", BPjM), die sich als nicht stichhaltig entpuppte. Die Verantwortung für die inhaltliche Zensur ist insofern dem Versandkonzern selbst zuzuschreiben. Welcher machtvollen, im Dunkel agierenden Gruppierung Sie auch immer die "eigentliche" Verantwortung zuschreiben möchten, die Aktion ist offenbar weder staatlich orchestriert (wie so häufig in der Vergangenheit), noch ist die Gruppierung stark genug, deutsche Versender zur Zensur zu bewegen. Den Konnex zu anderer, Ihrer Ansicht nach "anstößigerer" Literatur stellen Sie selbst her, ich denke, dass sich Antaios mit seinem Programm einer klaren Schubladisierung entzieht. Und der Umstand, dass die Bücher z.B. auf amazon.com weiter erhältlich sind, ist eher mit der Irrelevanz der Verkäufe außerhalb des deutschsprachigen Raums zu erklären, zumal sie dort nicht von Amazon selbst angeboten werden.

Urwinkel

3. März 2014 00:16

"Ansonsten geht mir diese bräsige Ignoranz („ey Alder, was is‘n dieses Libertär-Dingsbums eigentlich?“) ziemlich auf den Senkel. Die kommt ironischerweise von Leuten, die null Bezug zur Vergangenheit haben, hinsichtlich der heutigen Zustände absolut clueless sind, einen Bildungsstand à la Klippschule aufweisen und in ihrem Leben offenbar nie Entschiedungen treffen, Verantwortung übernehmen oder sonstwie selbständig agieren mußten oder wollten."

Unke, erstmal Dank für die Lesehinweise. Es war mir tatsächlich nicht bewusst, was es so alles gibt und noch durchzuackern ist.

Jede Entscheidung hat weitreichende Folgen. Das Kind, das sich dazu entscheidet, sein Elternhaus zu verlassen, begeht eine Art Verrat am selbigen. Genauso sind gluckenhafte Mütter zu bewerten, die, bevor sie sich um ihre Menopause rum vom Gatten trennen, beflügelt vom diffusen Gedanken ein "neues Leben" basteln und das alte wegwerfen. Manchen mag das vorzeigbar gelingen, jedoch den wenigsten. Der Schaden, den solche zerrissene Bindung anrichtet ist nicht wieder gutzumachen. Jungs reagieren darauf mit Misogynie und Soziophobie. Mädchen warscheinlich mit Frigidität. Das ist ein Auswuchs des Liberalismus, der fälschlicherweise Freiheit genannt wird. Ich weiß, weg vom Thema, aber wichtig.

Trouver

3. März 2014 05:22

Nicht, also gar nichts würde die Amazon streichen, wenn sie keine staatliche Anweisung erhalten hätte.

Martin

3. März 2014 11:50

@Irrlicht,

sie haben mich, glaube ich, nicht richtig verstanden. Amazon hat selbstverständlich keine Pistole auf der Brust gebraucht, um diese Entscheidung (natürlich selber) zu treffen. Wie ich schon geschrieben habe, halte ich Amazon für einen opportunistischen Händler, der bereits bei Anzeichen von Schwierigkeiten lieber ein Fass zulässt, als es auf zumachen, zumal wenn es nicht wesentlich für das Geschäft ist. Da braucht es auch keine Dunkelmänner, da braucht es nur ein Klima der simplen Denunziation, welches von interessierter Stelle arrangiert wird und als allgemein bekannt in unserem Lande voraus zusetzen ist (Achtung Autobahn). Und das das Antaios Programm intellektuell nicht auf der Stufe des von mir erwähnten "Schlimmeren" steht, ja eigentlich überhaupt nicht ernsthaft in einen Zusammenhang gebracht werden kann, dürfte selbstredend klar sein, es wird aber von dem in unserem Land herrschenden Klima der Denunziation in die selbe Schublade gepackt, wie es auch bei Hexenjagden noch niemanden interessiert hat, ob da jetzt eine Hexe da ist oder nicht. Amazon hat ja auch jetzt nicht sein gesamtes Programm im vorbeugenden Gehorsam selber gefilzt oder zensiert, woraus man klar erkennen kann, dass der Laden selber keine eigene großartige Agenda außerhalb des Geldmachens hat, sondern es hat, und da muss es eben diverse "Tippgeber", wobei durchaus auch ein simpler Anruf aus einer staatlichen Behörde genügt haben kann, gegeben haben, jetzt erst einmal Antaios rausgeworfen, weil die Entscheidung aus irgendwelchen Gründen bequemer war, als sich damit ernsthaft auseinander zu setzen.

Einen Autor wie Sarrazin, der deutlich mehr Kohle bringt, würde Amazon aber sicher nicht so still und leise abservieren, dass dürfte auch klar sein, denn da rentiert sich dann der Kampf eher, als im Falle des Kleinverlags xy.

Amazon macht Geschäfte und ist bestimmt nicht im Auftrag des Herrn unterwegs, dass dürfte aus allem doch mehr als offensichtlich sein und ich glaube, dass ist einer der Hauptgründe, warum so viele in Deutschland ein Problem mit solchen Firmen haben, wo wir es doch in Deutschland gewöhnt sind, dass wirklich jeder, der eigentlich primär Kohle machen will, uns irgendwie dabei vorgaukeln muss, dass er/wir mit diesem Geschäft die Welt ein kleines Stück zu einem besseren Platz machen würden. Der deutsche braucht sein Wohlfühlgewissen und wird deshalb auch immer wieder so wunderbar von den Firmen eingeseift und er kann sich dann auch immer wieder so schön aufregen, wenn dann bei der einen oder anderen Firma herauskommt, dass die doch nur - und das geht ja jetzt nun wirklich nicht!- Geld verdienen wollten und bestimmt nicht die Welt retten wollten. But that´s the economy, stupid! (sehr frei nach B. Clinton).

Urwinkel

3. März 2014 13:03

Geld ist sublimiertes Schmiergeld. Der Altrocker Udo Lindenberg, macht vor, wie es sich auf dem Vulkan tanzen und dauerhaft im Hotel leben lässt.

Herzen sind nicht zu reparieren? Ei was! Das war mir neu. Bei aller Ironie ist dieses Lied ein hübscher Schlager geblieben:

Inga und Annette Humpe Ein Herz kann man nicht reparieren

https://www.youtube.com/watch?v=x9mKWUGlXOw

Martin Lichtmesz

3. März 2014 13:54

Jim Goad auf Takimag über die "diskriminierenden" Zuckerbäcker:
https://takimag.com/article/one_nazi_wedding_cake_to_go_please_jim_goad/#axzz2uu5vuR00

Irrlicht

3. März 2014 14:46

@Martin
Trotz Ihrer langen Apologie für den Globalisten verfehlen Sie ein wenig mein Argument: Wenn Texte mit der Thematik X zensiert werden, mit dem Thema Y aber nicht, ist die Tatsache, dass Y nicht zensiert wird, in Bezug auf X kein Argument für irgendetwas. Ihre weitergehende Prämisse ist nun, dass X von derselben Sorte wie Y, des angeblich "Schlimmeren", ist, oder zumindest im "Klima der Denunziation" so behandelt wird.

Im dieser Situation spricht das klare Dementi staatlicher Behörden und der Umstand, dass die deutschen Versender Antaios weiter in ihrem Programm haben, dagegen. In anderen Fällen, z.B. Anrufe der Polizei beim Vermieter bei Kündigungen von Räumlichkeiten , sind staatliche Stellen involviert. Der "Kampf gegen Rechts" ist schließlich keine private Veranstaltung und Gruppierungen, die sich offen zu Y bekennen, werden ganz anders angegangen. Zudem ist das "Klima der Denunziation" kein rein deutsches Phänomen, sondern in unterschiedlicher Ausprägung und mit jeweils leichter thematischer Verschiebung, in der ganzen "westlichen Welt" (d.h. im amerikanischen Einflussbereich) anzutreffen. Kaum verwunderlich, wenn zugleich fast alle Ideologeme ("Anti-Rassismus", "Gender Mainstreaming", "Anti-Homophobie") dort ihren Ursprung haben - auch der "Kampf gegen Rechts".

elf

3. März 2014 15:51

@Sternenfrau
Es lohnt nicht, über die Antwort von Kate Kimmel länger nachzugrübeln. Das selbe hat mir Kate auch geschrieben. Wahrscheinlich erfolgt die Antwort automatisiert an all jene Absender, welche in ihren E-Mail-Anfragen den Begriff "antaios" verwenden.

Was aber juckt es Amazon, wenn ein paar Kunden ihre Amazon-Konten kündigen, welche dafür aber ihre Bewegungsfreiheit einschränken, weil sie Sondergüter (und genau für diese lohnt sich die Nutzung dieser Handelsplattform) nunmehr aufwändig anderweitig besorgen müssen?

Konservative wollen sich immer gern gemütlich einrichten, auch bei einem Handelsriesen. Nunmehr neue Wege suchen zu müssen und letztlich welche zu finden, hält jedoch geistig rege und führt in dieser Hinsicht zu Vorteilen in der Flexibilität. Das ist kein Zynismus, sondern der Blick darauf, daß dem Unheil immer das Rettende zugleich erwächst, wenn man in seinem Handeln nicht nachlasse, sondern dieses mit jedem Ungemach noch verstärke.

Martin

3. März 2014 16:44

@Irrlicht,

letzter Satz von mir zu dem Thema:
Ich verteidige Amazon nicht, weswegen "Apologie" es nicht trifft, ich erwarte mir aber auch von Amazon rein gar nichts (außer schnelle Lieferung Mangelfreier Ware, sollte ich dort etwas bestellen) - und schon gar nicht in irgendeiner Form Rückgrat in politischen Auseinandersetzungen. Tschuldigung, zweiter Satz: Wir werden es nie erfahren, was denn jetzt der Anlass war, aber ein Dementi staatlicher Stellen auf Nachfrage ausgerechnet der FAZ ist in diesem Zusammenhang ... glauben Sie denen noch irgend etwas?

Schopi

3. März 2014 17:06

@ Belsøe

Ihren Kommentar habe ich mit Genuss gelesen, dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Es ist wie mit den Bildern von Cezanne, man muß die Fähigkeit entwickeln, sein "Sujet" von mehreren Ansichten aus zu interpretieren.

Stogumber

3. März 2014 19:23

Soweit die Konservativen nur ihrem Ärger Ausdruck geben, ist da gar keine Streitfrage.

Das Problem tritt erst in dem Augenblick auf, wo die Konservativen Amazon moralisch verurteilen. Dann stellt sich nämlich die Frage nach der moralischen Basis, von der aus sie argumentieren. Ist jeder Geschäftsmann verpflichtet, alle potentiellen Kunden gleichzubehandeln?

M.L.: Ein Allroundverteiler wie Amazon, der die Macht hat, die Markzugänge zu blocken, sollte das schon haben. Und natürlich verurteile ich das "moralisch", aus mehreren guten Gründen.

Oder nur ein "Quasi-Monopolist", und was ist das genau? Gilt das auch noch dann, wenn der Geschäftsmann glaubt, er werde u.U. mitverantwortlich für das Handeln des Kunden oder er werde jedenfalls in der Öffentlichkeit dafür verantwortlich gemacht? Alles interessante Fragen, und ich vermisse klare konservative Antworten.

Die klassischen Libertären argumentieren für meinen Geschmack zu naturrechtlich. Ich sehe es etwas pragmatischer, aber gebe ihnen in der Sache recht: Die beste gesellschaftliche Vereinbarung, die wir treffen können, ist die, dass jeder Geschäftsmann nach eigenem Ermessen diskriminieren darf!

rosenzweig

3. März 2014 19:57

Traditionelle Werte verteidigen und einer Marktökonomie huldigen, welche auf der Vernichtung dieser Werte beruht; das ist die merkwürdige Weltanschauung von Libertären wie Lichtschlag. Wie auch immer. Ansonsten der übliche Terror aufgekratzter Kinder mit Dauergrinsen im Gesicht. Und ihrer Medienflak. Das ist der Gulag als Farce. Ihr schwerstes Geschütz ist: "Ich mach dich arm". Eine Drohung, die bei den wackeren Konservativen hierzulande natürlich ihre Wirkung nicht verliert. Armut wäre das beste, was uns passieren könnte. Oder wenn die Russen einmarschieren. Da könnten sich unsere LBGTQXYZ Bataillone mal bewähren. Ich gebe ihnen 5 Sekunden.

Martin

3. März 2014 21:25

Frage:

Wenn ich bei Amazon, "Die Verteidigung des Eigenen" (von M.L.) aufrufe, dann erscheint: "Nur noch 6 auf Lager (mehr ist unterwegs)" - Das mit dem "mehr ist unterwegs" steht auch bei 2 weiteren Titeln von M.L.
Auch Titel von M. K-H. sind erhältlich bzw. steht dort auch "mehr ist unterwegs".

Wie ist denn so etwas zu verstehen?
Doch kein Boykott von Amazon oder nur Streichung der letzten 12 Titel und der Rest wird weiterhin verkauft? Sturm im Wasserglas?

M.L.: Die Streichung der 12 ist ja schon Boykott genug. Ansonsten: keine Ahnung, Amazon will ja keine Auskunft geben.

enickmar

3. März 2014 23:46

Stogumber:

Genau ! Und da wir alle geschäftig liberale Markteilnehmer sind, darf Amazon auch von uns allen diskriminiert werden. Vor allem dürfen wir auch dafür Gründe angeben, moralische oder unmoralische (oder auch gar keine, wie Amazon), wie es uns gerade paßt. Jetzt verstanden ?

Martin Lichtmesz

4. März 2014 10:10

Badeschluß, Karawane zieht weiter, Dank an alle!

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