Kai Voss zum „NSU-Phantom“ – „Der Staat verbirgt, was wir herausfinden müssen“, Teil 2

Wir geben an dieser Stelle den 2. Teil (zu Teil 1) eines Gespräches mit Kai Voss (Das NSU-Phantom) wieder, das dem soeben erschienenen 1. Heft des Jahrgangs 2015 der Zeitschrift Neue Ordnung entnommen ist. Die Fragen stellte Heinrich Formanek.

Neue Ordnung: Was meinen Sie mit „NSU-Watch“?

Voss: Diese Vereinigung entspringt dem Antifa-Verein „Apabiz“, der die Rechte an dem angeblichen Bekennervideo an „Spiegel-TV“ verkaufte.

Ein absur­der Han­del mit Beweis­ma­te­ri­al, was aber weder die Jus­tiz noch das Bun­des­kri­mi­nal­amt zu stö­ren scheint. Dabei ist das soge­nann­te Beken­ner­vi­deo gar kein Bekennt­nis und wur­de noch nach der Ver­haf­tung Zsch­ä­pes ver­teilt. Die Urhe­ber­schaft liegt mei­ner Mei­nung nach an einer ganz ande­ren Stel­le – wie Sie in mei­nem Buch nach­le­sen können.

Neue Ord­nung: Ihre Indi­zi­en­ket­te ist ja so etwas wie der Gegen­ent­wurf zur Ankla­ge. Auf fast 300 Sei­ten spü­ren Sie rei­hen­wei­se Wider­sprü­chen und Unge­reimt­hei­ten auf – so zum Bei­spiel im Hin­blick auf die umstrit­te­nen Todes­um­stän­de von Böhn­hardt und Mund­los. Wie im berühm­ten Wie­ner Spio­na­ge­film „Der Drit­te Mann“ spielt auch hier ein nebu­lö­ser „Drit­ter Mann“ eine zen­tra­le Rol­le. Welche?

Voss: Bei dem Tod der bei­den Män­ner in dem Wohn­mo­bil spricht nichts – aber auch gar nichts – für einen Selbst­mord. Allein die Ankla­ge behaup­tet dies, kann das aber auch nur tun, indem anfäng­li­che Beob­ach­tun­gen, die von einem flüch­ten­den drit­ten Mann berich­te­ten, unter­bun­den werden.

Ehr­li­che Ermitt­lung wür­de fest­stel­len, daß die Situa­ti­on nicht stimmt und auch das Per­sön­lich­keits­pro­fil der bei­den Uwes nicht für einen Selbst­mord spricht. Dann müß­ten aber Recher­chen in Rich­tung einer Fremd­ein­wir­kung begin­nen. Tat­säch­lich geben sich Ermitt­ler und Main­stream-Medi­en erheb­li­che Mühe, den absur­den Sui­zid nach und nach glaub­haft zu reden. Will man die Feh­ler im NSU-Mär­chen auf­rol­len, muß man genau beim Ende anfan­gen. An den Gescheh­nis­sen ist rein gar nichts stim­mig. Das kommt nicht von unge­fähr: Die Unge­reimt­hei­ten hier und die Art, wie sie ver­schlei­ert wer­den sol­len, zie­hen sich durch die gan­ze Geschich­te der angeb­li­chen Terrorzelle …

Neue Ord­nung: Wie gewich­ten Sie bei­spiels­wei­se den Fakt, daß an kei­nem der 26 Tat­or­te DNA-Spu­ren von Mund­los und Böhn­hardt gefun­den wurden?

Voss: Den gewich­te ich unge­fähr genau­so stark, wie den Umstand, daß an kei­nem der Tat­or­te Fin­ger­ab­drü­cke der zwei „Ter­ro­ris­ten“ gefun­den wur­den. Oder daß es zwar hun­der­te Zeu­gen­aus­sa­gen gibt, sich aber nur die wenigs­ten und die­se wahr­schein­lich eher zufäl­lig „irgend­wie“ mit der öffent­lich kol­por­tier­ten Geschich­te in Ver­bin­dung brin­gen las­sen. Vom selt­sam zusam­men­ge­zim­mer­ten Motiv der drei von der Sze­ne gelös­ten Dau­er-Urlau­ber ganz zu schwei­gen. Die­se Geschich­te paßt vorn und hin­ten nicht, und eine ver­meint­lich kri­ti­sche Pres­se­land­schaft kommt ihrer auf­klä­re­ri­schen Auf­ga­be nicht nach, son­dern macht sich mit­schul­dig am Ver­schlei­ern der wah­ren Umstän­de. Mit dem Buch woll­te ich die­ser Unge­rech­tig­keit etwas entgegensetzen.

Neue Ord­nung: Auch der Fall der 2007 in Heil­bronn erschos­se­nen Poli­zis­tin Kie­se­wet­ter steckt vol­ler Rät­sel: Laut Zeu­gen­aus­sa­gen sol­len nicht zwei, son­dern sogar fünf oder sechs Tat­be­tei­lig­te gese­hen wor­den sein. Des­wei­te­ren ist die Motiv-Fra­ge für den Mord völ­lig offen. Was heißt das?

Voss: Nun, wir müs­sen gespannt sein, ob der Unter­su­chungs­aus­schuß in Baden-Würt­tem­berg im Gegen­satz zu den bis­he­ri­gen Aus­schüs­sen etwas Sub­stan­zi­el­les zuta­ge för­dert. Der Poli­zis­ten­mord und die Umstän­de sind gro­tesk und für jeden klar den­ken­den Men­schen nach dem angeb­li­chen Selbst­mord von Jena der zwei­te Grund, schon ohne gro­ße Nach­for­schun­gen die offi­zi­ell erzähl­te Geschich­te in Zwei­fel zu zie­hen. Wie­der ein­mal fin­det man im übri­gen kei­ne Fin­ger­ab­drü­cke von Böhn­hardt und Mundlos.

Man fin­det DNS – auch von Kie­se­wet­ters Kol­le­gen, die zwar Urlaub hat­ten, aber am Tat­ort waren –, aber nicht von den bei­den Jena­ern. Man hat Aus­sa­gen von Zeu­gen, die blut­ver­schmier­te Män­ner gese­hen haben, die den Tat­ort ver­lie­ßen, aber kei­ne Aus­sa­ge paß­te auf die bei­den Uwes. Die ein­zi­gen Aus­sa­gen, die zur Theo­rie eines „NSU“ pas­sen, sind die zahl­rei­chen Aus­sa­gen über die unter­schied­lichs­ten Fahr­rä­der. Da an der The­re­si­en­wie­se aber ein Fahr­rad­weg ver­läuft, hal­te ich das nicht für ein schlag­kräf­ti­ges Indiz der Anklage …

Der von Main­stream-Medi­en und Ermitt­lern hoch­ge­fei­er­te Umstand, daß man in nie aus­ge­wer­te­ten Lis­ten das Kenn­zei­chen eines Wohn­mo­bils fand, das zur Tat­zeit in Heil­bronn gewe­sen und von den Uwes genutzt wor­den sein soll, stell­te sich im nach­hin­ein als falsch her­aus. Nicht nur, daß der Miet­zeit­raum nicht paß­te, nein, auch die Durch­su­chung der Lis­ten durch Drit­te brach­te den besag­ten Tref­fer eben nicht.

Neue Ord­nung: Dann die gera­de­zu absur­de Geschich­te aus einem Kas­se­ler Inter­net­ca­fé. Dort wur­de der Tür­ke Halit Yoz­gat erschos­sen; zur sel­ben Zeit war, welch selt­sa­me Koin­zi­denz, der Geheim­dienst­be­am­te Andre­as Tem­me am Tat­ort, will aber vom Pis­to­len­mord angeb­lich nichts mit­be­kom­men haben. Da stellt sich eine Rei­he von Fragen …

Voss: Man fragt sich wie bei allen Mor­den, wer denn der Täter war. Im Fal­le des erschos­se­nen Tür­ken in Kas­sel war die Täter­fra­ge für die Ermitt­ler schon gelöst. Nur ein Kun­de, der zur Tat­zeit im Café gewe­sen sein muß, mel­de­te sich tage­lang nicht bei der Poli­zei. Man fand her­aus, daß der ein­zi­ge gebür­ti­ge Deut­sche, der sich in dem Geschäft auf­hielt, ein V‑Mann-Füh­rer und Waf­fen­be­sit­zer war. Tem­me wur­de im fol­gen­den nicht nur vom Ver­fas­sungs­schutz geschützt, son­dern sogar vom dama­li­gen Lan­des­in­nen­mi­nis­ter selbst, der den Ermitt­lern die Ein­ver­nah­me der von Tem­me geführ­ten V‑Leute ver­bo­ten hat.

Dabei tele­fo­nier­te er mit wich­ti­gen Quel­len – er führ­te wel­che in isla­mis­ti­schen Krei­sen und min­des­tens einen in der rechts­extre­men Sze­ne – kurz vor und kurz nach der Tat. Die von Tem­mes Unschuld nicht über­zeug­ten Beam­ten obser­vier­ten ihn bei heim­li­chen Tref­fen mit sei­nen Vor­ge­setz­ten auf Rast­plät­zen. Auch Tele­fo­na­te wur­den zeit­wei­se abge­hört, deren Inhalt den Hauch geheim­dienst­li­cher Ver­tu­schung zu einem star­ken Mief anschwel­len lassen.

Tem­me sitzt bis heu­te nicht auf der Ankla­ge­bank, son­dern arbei­tet immer noch im Staats­dienst. Falls er nicht der Täter war, stellt sich trotz­dem die Fra­ge, was er weiß und was er beob­ach­tet hat.

Neue Ord­nung: Ein kri­ti­scher Blick in den Brand­schutt der Zwi­ckau­er Woh­nung von Bea­te Zsch­ä­pe wirft wei­te­re Fra­gen auf. Dort fan­den sich näm­lich Tat­waf­fen und die soge­nann­ten Beken­ner-DVDs. Nun ver­mu­ten Kri­ti­ker, daß sie even­tu­ell hin­ein­ge­legt wor­den sein könn­ten, um das Trio im Sin­ne der offi­zi­el­len Ver­si­on zu belas­ten. Ihre Vermutung?

Voss: Ich habe stre­cken­wei­se eine sehr auf­wen­di­ge Ermitt­lungs­tä­tig­keit der beauf­trag­ten Stel­len gese­hen, die jeden vor­ge­fun­de­nen Schnip­sel Papier mit Foto, Auf­fin­de­ort, Auf­fin­de­zeit und Auf­fin­der doku­men­tiert haben. Wis­sen Sie, bei wel­chen Punk­ten wir die­se Akri­bie nicht fin­den kön­nen? Bei der Auf­fin­dung der Waf­fen näm­lich, auf denen der gan­ze Indi­zi­en­pro­zeß fußt! In den mitt­ler­wei­le aus dem Aus­land digi­tal ver­brei­te­ten Akten fin­den wir merk­wür­di­ge Datums­an­ga­ben, kei­ne Auf­fin­der, Über­sicht­fo­tos mit geschwärz­ten Gesich­tern und als Orts­an­ga­be nur: „im Brandschutt“.

Neue Ord­nung: War­um ver­sagt hier die Ermittlungsarbeit?

Viel­leicht, so mei­ne Ver­mu­tung, weil die Auf­fin­der unter kei­nen Umstän­den in einem Aus­schuß oder Pro­zeß aus­sa­gen dür­fen, wie die Waf­fen wirk­lich an den Tat­ort kamen …

Voss: Die ver­meint­li­chen Beken­ner-DVDs sind noch offen­sicht­li­cher von inter­es­sier­ten Krei­sen in die Geschich­te „hin­ein­ge­schmug­gelt“. Die in Zwi­ckau flie­hen­de Frau – mut­maß­lich Zsch­ä­pe – hat­te kei­ne zu ver­schi­cken­den Umschlä­ge bei sich. Eini­ge wur­den unfran­kiert ein­ge­wor­fen, als Zsch­ä­pe schon in Haft war. Und außer­dem wur­de das Video, das mit­nich­ten Bekennt­nis­se zu den ein­zel­nen Taten ent­hält und auch nicht alle mitt­ler­wei­le zur Last geleg­ten Ver­bre­chen beinhal­tet, oft­mals als Kurz­fas­sung verschickt.

Die Fra­ge lau­tet also: Wur­den die­se Vor­schau­film­chen an die Medi­en ver­schickt, um einen Käu­fer zu fin­den? Und schlug „Spie­gel-TV“ als ers­tes bei den links­extre­men Ver­käu­fern zu? Hier­von gehe ich aus. Das bedeu­tet aber, da das Bun­des­kri­mi­nal­amt in Rich­tung „Apa­biz“ nicht ermit­telt, daß es hier­über eine Ver­ein­ba­rung gibt. Wie die­se aus­sieht, das müs­sen wir noch herausfinden.

Neue Ord­nung: Vor­wurf Ver­tu­schung: Da wur­den in diver­sen Ver­fas­sungs­schutz­äm­tern Akten zur NSU-Grup­pe geschred­dert, es wur­den dabei sogar Lösch­da­ten zurück­da­tiert, also Zeit­an­ga­ben gefälscht. Die amt­li­che Ver­tei­di­gungs­ant­wort der Geheim­dienst­ler: Die ver­nich­te­ten Akten hät­ten kei­ne Bezü­ge zum NSU gehabt. Eine Schutz­be­haup­tung, oder?

Voss: Es han­delt sich nach­weis­lich um eine Schutz­be­haup­tung. Ich füh­re im Buch alle Erkennt­nis­se zu über zwan­zig Spit­zeln aus dem Umfeld des angeb­li­chen „NSU“ auf und auch zu den Zuträ­gern, bei denen wir noch nicht über Klar­na­men verfügen.

Hier­bei wird offen­sicht­lich, daß die nach dem Ver­nich­tungs­ver­bot geschred­der­ten Akten Thü­rin­ger Spit­zel betref­fen, die im rele­van­ten Zeit­punkt aus der Sze­ne und wohl auch vom Trio berich­te­ten. Viel­leicht stan­den ja auch Zsch­ä­pe, Böhn­hardt oder Mund­los zumin­dest zeit­wei­se auf der Gehalts­lis­te der Diens­te. Foto­gra­fien, auf denen Zsch­ä­pe für die Poli­zei Kame­ra­den hand­schrift­lich iden­ti­fi­ziert, sind zumin­dest in den Akten erhal­ten. Ob das nur der Anfang einer Zusam­men­ar­beit war, ist der­zeit nicht her­aus­zu­fin­den – hun­der­te Akten zu dem Kom­plex wur­den näm­lich vernichtet.

Neue Ord­nung: Par­la­men­ta­ri­sche Unter­su­chungs­aus­schüs­se, die teil­wei­se noch andau­ern, oder neue, die in Bäl­de ihre Arbeit auf­neh­men wer­den, haben Tau­sen­de von Berichts­sei­ten pro­du­ziert, ohne die Kern­fra­gen zu beant­wor­ten. Haben sie den­noch Indi­zi­en in Ihrem Inter­pre­ta­ti­ons­sin­ne zu Tage geför­dert, Herr Voss?

Voss: Ja! Denn auch die Aus­re­den von staat­li­cher Sei­te sind sehr auf­schluß­reich und las­sen viel­fäl­ti­ge Ver­mu­tun­gen zu. Da fällt bei­spiels­wei­se die Tat­sa­che auf, daß eine Geheim­dienst-Mit­ar­bei­te­rin, die auf Befehl die VS-Akten in Köln schred­der­te, nicht vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss aus­sa­gen durf­te. Sie wur­de dienst- und rei­se­un­fä­hig geschrie­ben. Der dama­li­ge Aus­schuß­vor­sit­zen­de Edathy (SPD), der auf­grund von Ermitt­lun­gen wegen Kin­der­por­no­gra­phie bereits erpress­bar gewor­den war, sprach mit ihr unter vier Augen. Er gab natür­lich Ent­war­nung, woll­te über den Inhalt der Unter­re­dung aber nichts ver­laut­ba­ren las­sen … Wer’s glaubt, wird selig. Auch beim Auf­de­cken von Spit­zeln half der Bun­des­tags­un­ter­su­chungs­aus­schuß – wohl eher unfreiwillig.

Neue Ord­nung: Im Zusam­men­hang mit der Akten­ver­nich­tung im Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz sag­te Klaus Peter Frit­sche, Geheim­dienst-Koor­di­na­tor im Kanz­ler­amt: „Staats­ge­heim­nis­se dür­fen nicht bekannt wer­den, die Regie­rungs­han­deln unter­mi­nie­ren.“ Wie deu­ten Sie die­se Formulierung?

Voss: Ich deu­te sie ganz ein­fach so, daß die Herr­schen­den ver­ges­sen haben, daß die Staats­ge­walt vom Vol­ke aus­geht. Die­ser Sou­ve­rän darf also nicht von oben her­ab regiert wer­den und, abge­schirmt von „Staats­ge­heim­nis­sen“, alle Ent­schei­dun­gen mit­tra­gen müssen.

Wir machen die Aus­rich­tung unse­rer Poli­tik und damit die Zukunft Deutsch­lands – lei­der Got­tes – abhän­gig von einer Geschich­te, in der zu vie­le Geheim­nis­se auf­tau­chen. Wenn aber die Hin­ter­grün­de ganz anders sind, ja dann muß ich auch das Regie­rungs­han­deln und die ange­spro­che­ne Aus­rich­tung hin­ter­fra­gen. Hier besteht ein kla­rer und von Herrn Frit­sche rich­tig for­mu­lier­ter Inter­es­sen­kon­flikt: der Staat ver­birgt, was wir her­aus­fin­den müssen!

Neue Ord­nung: Herr Voss, bräuch­te es einen deut­schen Edward Snow­den, um Licht ins Dun­kel des NSU-Phan­toms zu bringen?

Voss:Die­sen gibt es! Seit Mit­te 2014 wer­den Akten zum NSU-Kom­plex ins Netz gestellt – für jeden abruf­bar. Der Blog­ger „Fata­list“ und ein „Arbeits­kreis NSU“ wer­ten die­se aus und kom­men zu dem glei­chen Schluß wie ich, näm­lich daß uns die Wahr­heit vor­ent­hal­ten wird und Akten und Tat­or­te mani­pu­liert wurden.

Neue Ord­nung:Eine letz­te Fra­ge hier­zu: Was ist Ihre Ver­si­on des NSU-Phan­toms? Was könn­te sich denn wahr­schein­lich wirk­lich abge­spielt haben? Herr Voss, ent­wer­fen Sie doch Ihre Deu­tung in gro­ben Zügen.

Voss: Eine schwie­ri­ge, aber nahe­lie­gen­de Fra­ge; die Ant­wort muß an die­ser Stel­le noch hypo­the­tisch aus­fal­len. Ich habe am Ende des Buches ver­sucht, eine alter­na­ti­ve Geschich­te zu umrei­ßen und den­ke, sie geht in die rich­ti­ge Rich­tung. Sie ist zumin­dest nicht weni­ger glaub­haft, als es die offi­zi­el­le Ver­si­on ist, aber sie ist noch nicht das sprich­wört­li­che „Gel­be vom Ei“. Kon­kret: Ich habe die Ver­mu­tung auf­ge­stellt, daß die drei im Unter­grund befind­li­chen Thü­rin­ger bewußt dort­hin getrie­ben wur­den. Hier­für spricht viel beim orga­ni­siert anmu­ten­den Unver­mö­gen der Behör­den beim Abtau­chen des Trios.

Wei­ter ver­mu­te ich, daß die Diens­te nicht lan­ge nach dem Unter­tau­chen ange­fan­gen haben, die Zel­le zu füh­ren. Ich ver­mu­te alte Stay-behind-Struk­tu­ren hin­ter dem gan­zen Gesche­hen. Hier­für spricht näm­lich eini­ges: Der Unter­schlupf des Tri­os war den Behör­den kei­nes­wegs unbe­kannt. Man hat sie nicht auf­flie­gen las­sen, weil man wuß­te, wo sie sind – und sie führ­te. 2011 ent­le­dig­te man sich der Zel­le und mit ihr einer gan­ze Rei­he von unge­klär­ten Mor­den. Hier­für spre­chen offen­sicht­lich ver­tusch­tes Wis­sen über die wah­ren Hin­ter­grün­de und die auf­fäl­li­gen Unstim­mig­kei­ten bezüg­lich einer Täter­schaft des Tri­os – und natür­lich die augen­schein­li­chen Insze­nie­run­gen beim „Selbst­mord“ von Böhn­hardts und Mundlos.

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Kai Voss: Das NSU-Phan­tom. Staat­li­che Ver­stri­ckun­gen in eine Mord­se­rie, Graz: Ares 2014. 288 S., 19,90 €, hier bestellen

Ein Jah­res­abon­ne­ment (vier Aus­ga­ben) der Neu­en Ord­nung kos­tet in Öster­reich 32 € inkl. Ver­sand, für deut­sche Leser kom­men 3 € hin­zu. Bestel­lun­gen sind hier mög­lich, die Anfor­de­rung eines (kos­ten­frei­en) Pro­be­hef­tes hier. Die Bespre­chung einer älte­ren Aus­ga­be fin­det sich hier.

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Kommentare (14)

Jonny

16. April 2015 09:58

Hier der besagte Blog des Fatalisten:

https://sicherungsblog.wordpress.com/

Teilweise etwas wirr, aber wer logisch und vor alle Dingen selbstständig denken kann, der findet sich dort auch zurecht.

derherold

16. April 2015 10:59

Etwas Neues aus dem Komödienstadl Es geht um den Überfall einer Sparkasse in Stralsund.

Da schreib ein Nachrichtenmagazin:
"Der Mann, der heute als Wachmann tätig ist – … -, erinnert sich wie viele andere Zeugen auch, dass die Täter “sächsisch” sprachen, für Mecklenburger klingt vermutlich auch das Thüringische wie sächsisch.”

Die Bankräuber sprachen “sächsisch”. Treffer, (selbst-)versenkt.

Alexander

16. April 2015 10:59

Voss sagt:

Der damalige Ausschußvorsitzende Edathy (SPD), der aufgrund von Ermittlungen wegen Kinderpornographie bereits erpressbar geworden war, sprach mit ihr unter vier Augen. Er gab natürlich Entwarnung, wollte über den Inhalt der Unterredung aber nichts verlautbaren lassen …

Könnte es sein, daß Edathys Drohung "the whole story" zu veröffentlichen sowie die anschließende Verfahrenseinstellung gegen ihn auch mit Informationen über den "NSU" zusammenhängt?

Belsøe

16. April 2015 13:24

@Alexander

Ich glaube dass Edathys wichtigste Qualifikation für den Posten eben diese KP-Ermittlungen waren.

Möglich, dass der Mann (für den man ja angesichts der Lage keine weiteren Sympathien hegen mag) aber unterschätzt wurde. Das Auftauchen der umfangreichen Akten im Internet fällt zeitlich recht eng mit Edathys Absetzung und Verschwinden zusammen. Auch soll er im Rahmen seiner UA-Arbeit mit einigen Zeugen gesprochen haben, deren Ladung in protokollierte Sitzungen/Prozesstage verhindert wurde.

Nach wie vor würde es mich auch nicht groß wundern, wenn er doch noch zu dem Schluss kommt, sein ruiniertes Leben nicht mehr ertragen zu können.

Schon vor Jahren sind Leute aus dem Dunstkreis der Ermittlungen zum Heilbronn-Mord umgekommen (darunter damals schon mal ein als Selbstmord abgeschlossenes Verbrennen in Auto). Im NSU-Prozess hat sich das bloß fortgesetzt.

Aber wie ich schon zu Teil 1 kommentierte: wichtig sollte für den Bürger nicht sein, wer genau was getan hat. Die wichtigere Lektion ist, was für Strukturen es hier gibt und dass sie schon zur Gründung der BRD gehört haben. Siehe auch die Video-Tips in meinem anderen Beitrag.

Andreas Walter

16. April 2015 15:06

Da kenne ich aber auch noch eine andere "Geschichte", bei der man exakt das Gleiche erlebt wenn man nur mal anfängt sich genauer damit zu befassen.

Oder nehmen wir den Fall Nisman in Argentinien, den ich auch sehr genau verfolgt habe, einschliesslich seiner Vorgeschichte.

Auch die Brutkastenlüge und Saddams Massenvernichtungswaffen haben sich ja letztendlich irgendwann als Lügen entpuppt, durch die "man" etwas erreichen, andere manipulieren wollte und das in diesen beiden Fällen auch geschafft hat.

Lediglich in Deutschland kann oder will sich niemand vorstellen, wahr haben, dass es hier genauso läuft, vor allem wenn es um bestimmte Themen geht.

Allerdings enthält auch das was verschwiegen, nicht gesagt wird oder gesagt werden darf eine Information, ist eine Information, die man auswerten kann.

Im Lauf der Zeit entdeckt man dann irgendwann ein Muster, was sich ständig und an bestimmten Stellen wiederholt, und dann schreit es einen plötzlich aus allen Ecken an. Man kann anhand des Musters dann sogar irgendwann sehr wahrscheinliche Vorhersagen machen, auf was und wen man vermutlich stossen wird, obwohl man es noch gar nicht näher betrachtet, untersucht hat. Entweder in positiver oder negativer Korrelation.

"Ja ja, Herr Walter, sie glauben bestimmt auch an Nazis auf dem Mond?"

"Ne ne, Antworte ich da. Aber sie anscheinend an Nazis auf der Erde."

Waldgänger (e.B.) aus Schwaben

17. April 2015 07:54

Leben wir in einer Diktatur oder nicht?

Auch dei Sicherheitsorgane von an den sogenannten "westlichen Werten" orientierten Staaten bedienen sich mutmasslich der Methoden von Diktaturen, wie Entführung, Folter und Mord.
Manches wird vollständig aufgeklärt wie die

Versenkung_der_Rainbow_Warrior

Das meiste bleibt wohl ganz im Dunkeln oder es kann nur gemutmasst werden wie im Fall Ulrich Schmücker, der an den NSU-Komplex errinnert:
Schmücker-Prozess

Oder im Fall Barschel oder eben jetzt im NSU-Komplex.

Von den USA will ich erst gar nicht anfangen.

Besteht also zwischen unserem Staat, Frankreich, den USA, und Nordkorea nur ein quantitativer Unterschied hinsichtlich des Ausmasses der Brutalität der Diktatur? Zumal es auch Zwischenstufen gibt, wie die Türkei oder Rußland.

Ich denke es gibt auch einen qualitativen Unterschied.

Solange freie Berichterstatung möglich ist, kann sich der Staat nur alle paar Jahre so ein Ding erlauben. Denn bei jeder Aktion riskisiert er, dass die Wahrheit oder Teile davon an's Licht kommen, wie jetzt im Falle NSU.

Wenige Fälle, können totgeschwiegen in den MSM und durch Lächerlichmachen derer, die nachfragen gehandhabt werden. Aber jedes Jahr einen NSU-Komplex, das ginge nicht.

Deshalb ist die freie Presse die Stützmauer gegen das Abgleiten in eine Diktatur. Die MSM bringen es nicht mehr, aber dafür haben wir jetzt alternative Medien, wie pi-news (was gerade mal wieder unter einem DoS leidet) oder eben sezession.de

Inselbauer

17. April 2015 11:33

Mam macht sich auch die den Rechten nur noch verhasst, wenn man zum hundertsten Mal darauf hinweist, dass die staatlichen Verbrechen bei der Inszenierung dieses Irrsinns ohnedies bereits längst gerichtsfest belegt sind. Eine Verdachtsdiskussion à la Ullrich Chaussy ("möglicherweise", "unaufgeklärt" usw.) ist überhaupt nicht mehr notwendig.
Man tut nichts, weil man die Hosen gestrichen voll hat.
Die Ursache dafür ist auch ganz einfach erklärt: Die Behörden haben vor dem 4.11. 2011 die Sache gut vorbereitet und Verdachtsmomente gestreut, die den Betroffenen einen Maulkorb auferlegen. Trotzdem wird man das Zeug hervorkramen, wenn jetzt die Legende vom "Trio" baden geht.
- Sollte Wohlleben den Mund aufmachen, tauchen plötzlich Videoaufnahmen seiner Person auf. Er wurde am 1.11. 2011 auf einen Spielplatz hinter dem "Terrornest" gelockt und vom Nest aus abgefilmt.
- Führende so genannte Symbolfiguren des rechten Lagers wurden um den 4.11. 2011 und davor z.B. von Corelli kontaktiert, wobei der Mann seine Spuren hinterlassen hat. usw.
Das Buch von Voss ist sicher ein guter Einstieg, allerdings enthält es eben diese Dinge nicht.
Es muss endlich ein Ende haben mit dem Verschwörungskram und der Schweigerei.
Wer auch nur ein wenig Liebe zu seinem Volk empfindet, muss endlich den Mund aufmachen oder als Publizist die harten Beweise veröffentlichen. Alles andere ist Bla Bla.

Inselbauer

17. April 2015 11:34

sorry, "Man macht sich auch bei den Rechten"

Der Gutmensch

17. April 2015 14:34

Schwierig, der Debatte zu folgen, da sie an zwei Stellen gleichzeitig geführt wird!

Irgendwie ist es rührend, dass man sich hier teils mit akademischer Präzision bemüht zu analysieren, in welchem Stadium der Demokratie wir uns nun befinden. Ich meine, dass lässt sich ohnehin nur ex post feststellen; aber immerhin hat sich die Kanzlerin persönlich zwischendurch mal dazu geäußert, damit das arme Volk wenigstens nicht dumm sterben muss: Wir leben in einer MARKTFÖRMIGEN Demokratie, lautete ihre Warnung!

Wer zugehört hat, hat sich schon damals verblüfft gefragt: Also - entweder Demokratie oder nicht Demokratie ... aber was soll ich denn bitte mit dem einschränkenden Hinweis auf den "Markt" anfangen? Kann man ihn mit "Macht" übersetzen?

Dann wären wir wieder da angekommen, wo ich im letzten Diskussionsstrang schon mal war: " (Deutsche) DEMOKRATISCHE (Republik)" sagen und zugleich im ersten Verfassungsartikel festhalten: "... unter FÜHRUNG der Arbeiterklasse ... zum Sozialismus".

Nur, dass in der Bundesrepublik eben nicht das Proletariat die Demokratie mit dem festgelegten Ziel "Sozialismus" einschränkt, sondern der- oder diejenigen, die den "Markt" beherrschen (so die Kanzlerin höchstpersönlich!) wollen uns zur digitalen Wirtschaft 4.0 führen (So der EU-Kommissar Oettinger; und auch dem sollte man ab und an genau zuhören, auch wenn´s wehtut!)

Wer im Ergebnis einen qualitativen Unterschied erkennt, kann ihn mir gerne näher erläutern.

Vielleicht sollten wir auch endlich anfangen zu unterscheiden (die Linken machen das schon immer): Hier wähne ich eine pechschwarze Wirklichkeit, vor der ich eine höllische Angst habe - und dort ist der ideale Standpunkt, auf den ich mich nur zu dem Zweck stelle, damit es vielleicht doch nicht so bald wirklich wird!

Denn die Linken sind doch in Wahrheit nie von den Barrikaden heruntergekommen; sie gehen stets vom Schlimmsten aus und richten ihr Handeln danach aus. Gleichzeitig quälen sie ihren Gegner mitleidlos mit wechselnden Idealvorstellungen, die sie stattdessen verwirklicht sehen wollen.

Was kann man dagegen ausrichten?

Die offizielle Idealvorstellung, auf die man sich in der Bundesrepublik geeinigt hat, heißt ja immer noch: Grundgesetz. Damit kann man immerhin argumentieren; dagegen ist schwer etwas einzuwenden und es trägt einen ganz schön weit! Was das GG aber nun mit der Wirklichkeit zu tun hat, muss jeder für sich selber entscheiden - und im übrigen bedenken, dass sich die Wirklichkeit u. a. für die angstgesteuerten Linken immer komplett anders darstellen wird und dass man an der Front also immer nur um Kaisers Bart streiten wird.

Waldgänger (e.B.) aus Schwaben

17. April 2015 22:41

@Gutmenschn
Wer im Ergebnis einen qualitativen Unterschied erkennt, kann ihn mir gerne näher erläutern.

Gerne:
Wenn unser Hosenanzug (aka IM Erika, aka Frau Merkel) und der Gauckler (aka Bundespräsident) in allen Weihnachts-Ansprachen behaupten, dass 2+2=5 ist und alle Zeitungen dies drucken und wenn wir im Fernsehen und Radio städig hören: 2+2=5.
Dann darf ich immer noch auf ein Plakat schreiben:
2+2=4
und damit einsam durch die Ulmer Fussgängerzone marschieren.

Und in Dresden dürfen sich sogar 500 - 20 000 Menschen versammeln und rufen:
zwei und zwei ist vier.

Und die sezession.de darf einen Artikel schreiben, dass Heidegger und Lichtmesz schon bewiesen haben, dass 2+2=4 ist.

You got it?

Inselbauer

18. April 2015 02:41

Euch kann wirklich nur noch die Zurückweisung der AfD erschüttern.

Der Gutmensch

18. April 2015 08:59

Lieber Waldgänger,

wir haben uns mißverstanden, scheint mir. Stellen Sie sich auf den Standpunkt, der ihnen als der günstigste erscheint. Ich wollte nur anregen, allmählich zwischen formalem Standpunkt und den wirklichen Verhältnissen unterscheiden zu lernen; so, wie es die Linken ja schon immer getan haben.

Der DDR-mäßige, entscheidende Nachsatz zu unserem GG (also unserem Recht, uns auch auf den Standpunkt der Wirklichkeit stellen zu dürfen) ist nämlich bereits zu Papier gebracht worden, und zwar von der EU.

Gruß,

der Gutmensch.

Karl Martell

18. April 2015 10:10

@ Waldgänger (e.B.) aus Schwaben

In der Fußgängerzone stehen sie schon unter Beobachtung der modernen Blockwarte und Denunzianten. "Wir wissen wo dein Haus wohnt", Farbbeutel an die Fassade, Anrufe und Briefe an den Arbeitgeber usw.

Und die sezession, bzw. der Verlag stehen ebenfalls unter Beobachtung und Einschränkungen. Amazon? Kündigung von Veranstaltungsräumen?
Alles schon vergessen?

Marcus Junge

22. April 2015 11:46

Man kann viel über die Staatskasperletheateraufführung "NSU" schreiben, oder sich einfach nur dieses eine Bild ansehen. Motto: Sehen - verstehen.

https://www.wiedenroth-karikatur.de/02_WirtKari150421_NSU_Prozess_Zeugen_Todesfaelle_Corelli_Florian_H_Diabetes_Krampfanfall_Selbstmord_PKW.html

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