Neue Ordnung: Der NSU-Komplex kommt nicht zur Ruhe. Einen „monströsen Skandal“ nennt ihn Stern-Autor Hans-Ulrich Jörges und das Autorenpaar Stefan Aust und Dirk Laabs spricht von einem „beispiellosen Behördenversagen“. Herr Voss, was war Ihr Beweggrund, sich mit dem NSU-Phänomen so ausführlich zu befassen?
Voss: Sicherlich ein anderer Grund, als er es bei den Herren Aust und Laabs der Fall war. Während die beiden Journalisten im Bekanntenkreis des Trios oder des möglichen Umfelds damit hausieren gingen, daß sie den Schwindel einer angeblichen Terrorzelle aufzudecken suchen, um dann schließlich ein Werk zu veröffentlichen, das die staatlichen Thesen stützt, lautete mein Rechercheplan, möglichst viele Augen für die tatsächliche Involvierung staatlicher Stellen in Vertuschung und Inszenierung zu öffnen.
Das Werk der beiden mag umfangreiche Recherchen zu mehr oder weniger bekannten Personen und Sachverhalten beinhalten, bleibt im großen und ganzen aber hinter den Möglichkeiten zurück. Es ist unsere Pflicht, die richtigen Fragen zu stellen. Und die dürfen nicht davor zurückschrecken, auch „Vater Staat“ ins Visier zu rücken. Das Prinzip, daß die fütternde Hand nicht gebissen werden darf, zieht im konkreten Falle nicht mehr. Wir werden mit Unwahrheiten gefüttert, und wie wir sehen, beißt der Staat ja auch – oder außer Kontrolle geratene Institutionen.
Neue Ordnung: Liegt hierin der Grund, warum Sie Ihr Buch unter Pseudonym veröffentlich haben?
Voss: Nein, das war keine Bedingung für meine Veröffentlichung, aber ich sah tatsächlich keinen Vorteil darin, mich sofort für linke Kreise oder Behörden angreifbar zu machen. Mein Klarname ändert nichts am Inhalt des Buches, zu dem ich vor jenen einstehe, die von meiner Urheberschaft wissen. Sollte mein Name veröffentlicht werden, stünde ich ebenso dazu. Aber ein wenig Ruhe vor dem Gegeifer der Profiteure einer staatlich inszenierten Terrorzelle haben ich und meine Familie sicherlich verdient. Die Zeiten werden noch rauh genug werden.
Neue Ordnung: Gleich im Vorwort gehen Sie auf die Merkwürdigkeit von Entschädigungszahlungen für die Tötungsopfer ein, d. h. es wurden Steuergelder verteilt, obwohl noch gar kein Gerichtsurteil vorliegt. Irritiert Sie hierbei dieser ungewöhnliche Zeitfaktor?
Voss: Ich halte das nicht für eine Merkwürdigkeit, sondern für eine mehr oder weniger offensichtliche Form von Schweigegeldzahlungen. Wer hätte der Bundesrepublik Vorwürfe machen sollen, wäre sie nicht involviert? Es gibt zwar tatsächlich eine Möglichkeit, Opfer extremistischer Taten mit solchen Zahlungen zu bedenken; diese allerdings lange vor der Klärung der eigentlichen Urheberschaft zu leisten, ist schon harter Tobak. Außer natürlich, man geht davon aus, daß auch die Regierung in die mörderischen Geschehnisse involviert ist. Dann allerdings handelt es sich nicht nur um Schweigegeld, sondern auch eine Entschädigungszahlung vom Verursacher selbst.
Neue Ordnung: Sie stellen die Fülle von ungeklärten Fragen zum sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in einen größeren politischen Zusammenhang und erwähnen hierbei eine „Strategie der Spannung“. Was meinen Sie damit?
Voss: Die „Strategie der Spannung“ ist ein Begriff, der in Italien zu Zeiten des Ost-West-Konflikts entstand, als mutige Beamte in den 1970er Jahren die wahren Hintergründe einiger terroristischer Akte offenlegten – und dadurch Verurteilungen und Rücktritte erzwangen. Es zeigte sich, daß Teile des italienischen Staates für Terrorakte verantwortlich waren, einzig und allein, um eine Klima der Angst zu schüren und die Verfolgung politischer Opponenten forcieren zu können.
Ziel war, diese Opposition zu kriminalisieren und selbst in den Untergrund zu treiben; gleichzeitig machte das gesellschaftliche Klima ein Anwachsen regierungskritischer Kreise schwer, und die Bevölkerung war bereit, Freiheit in vermeintliche Sicherheit zu tauschen. Dieser perversen Strategie von Geheimdiensten und Regierungen sind allein in Italien mehr als zweihundert Menschen zum Opfer gefallen. Aber wer mag die möglichen Parallelen zum Oktoberfestanschlag oder den NSU-Morden leugnen?
Neue Ordnung: Ähnlich urteilte der US-amerikanische Völkerrechtler und frühere UNO-Mitarbeiter, Professor Dr. Alfred de Zayas. Es bestünde angesichts der politisch-psychologischen Lage Deutschlands seitens diverser Akteure gewissermaßen ein strategisches Dauerinteresse, so de Zayas im Interview*, die „Gefahr von rechts“ auch geheimdienstlich am Leben zu erhalten …
Voss: Tatsächlich ist in dieser Hinsicht viel passiert und einige verschwörungstheoretisch anmutende Thesen konnten in den letzten Jahren durch Unterlagen, Aussagen und Eingeständnisse belegt werden. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, daß ein Großteil der Deutschen kein Interesse hat, eine Mündigkeit zu erreichen, offensichtliche Verbrechen von Staatsseite auch als solche zu benenne. So sehr man auch Traditionen und das arteigene Wesen der Deutschen abzuschaffen sucht, die tiefsitzende Michelsmütze und die Staatshörigkeit scheint ihnen nicht ausgetrieben werden zu können.
Neue Ordnung: Die offizielle NSU-Version lautet: zehn Morde, zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle werden dem Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zugeschrieben. Sie dagegen äußern den Verdacht, daß „hier etwas konstruiert“ würde. Herr Voss, wer konstruiert hier etwas und in welchem Interesse?
Voss: Mit der bewährten Cui-bono-Methode stellt man fest, daß sowohl die offiziöse Bundesrepublik als auch die politisch links stehenden Kräfte – wobei dieses Feld von Jahr zu Jahr mehr Strömungen und Parteien umfasst – einen großen Nutzen aus der NSU-Schöpfung ziehen. Die Republik kann sich wieder an den nationalen Buhmännern austoben, deren Thesen nun unisono nicht mehr erwähnt werden, wenn nicht gleichzeitig auf den „Rechtsterrorismus“ der drei Jenaer hingewiesen wird. Während europaweit nationalkonservative Strömungen an Zulauf gewinnen, schafft es die Bundesrepublik stets auf neue, die Leiche eines deutschen Nationalbewußtseins weiter zu fleddern.
Am meisten profitieren jedoch die Linken – und damit meine ich nicht nur die gleichnamige Partei. Vollkommen absurde Anschuldigungen ohne jegliche rechtsstaatliche Schuldsprüche oder gar fortgeschrittene Ermittlungen führten zu politischen Veränderungen. So hat Thüringen unmittelbar nach der Bekanntgabe der „Dönermörde“ – die noch gar nicht ermittelt waren – die Bereitstellung von Landesmitteln zur Bekämpfung der kriminellen und gewalttätigen Linksextremen eingestellt und statt dessen den Etat zur Bekämpfung der Rechten massiv aufgestockt. Von wem die Vereine und Zusammenschlüsse „gegen rechts“ geführt sind, die nun mit Geld überhäuft werden, liegt auf der Hand.
Dieser Trend zur Verharmlosung des Linksextremismus ist aber ein bundesweites Phänomen, das sich seit dem Auftauchen des NSU massiv verstärkt hat. So wundert es nicht mehr, wie aktiv die Linken in den Untersuchungsausschüssen sind, wenn es um die Aufklärung des NSU-Umfelds und um die „Szene“ an sich geht. Da sind dann Persönlichkeitsrechte für Rechte nicht mehr gefragt! Der Prozeß in München wird ein übriges tun, um alles zu durchleuchten, was politisch zu weit von der linken Mitte weg ist. „NSU-Watch“ schreibt fleißig mit und stellt die eingefärbten und mit Schwerpunkten versehenen Protokolle der Presse zur Verfügung, die dann wieder ohne Schuldsprüche von der „Terrorbraut“ und „Drahtzieherin“ Beate Zschäpe berichtet.
Teil 2 des Gesprächs folgt morgen.
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Andreas Walter
Ich weiß nicht, ob es diesen Spruch schon gibt und falls ja dann von wem, doch ich möchte trotzdem noch mal daran erinnern:
Linksextreme hassen den Kapitalismus, doch sein Geld nehmen sie gern'.
Daher frage ich mich oft, ob nicht auch das schon konstruiert ist, es politisch links und politisch rechts im Grunde gar nicht gibt, es sich dabei lediglich um gespaltenes, spaltendes Denken handelt, mit dem, wenn bewusst eingesetzt und auch noch gefördert, man sogar die ganze Welt in zwei Heerlager (durch einen Eiserner Vorhang) spalten kann. Eine Nation sowieso. Zum Vorteil derer, die davon profitieren. Eben der berühmte Dritte, der sich dann freut.