tut gut daran, die bekannten, politisch-polemischen Schlagworte „Sozialismus“ und „Kapitalismus“ genauso wie „links“ und „rechts“ zu vermeiden.
Nach diesem Verzicht eignet sich dann Werner Sombarts Werk Die drei Nationalökonomien (1930) hervorragend dafür, um wieder eine vernünftige Ordnung ins eigene Denken zu bringen.
Sombart unterscheidet in diesem Buch zwischen einer richtenden, ordnenden und verstehenden Nationalökonomie. Richtende Nationalökonomien wurden vor allem von Philosophen entworfen. Sie sind auf einen höchsten Zweck ausgerichtet, der außerwirtschaftlich sein müsse. Eine liberale Ordnung wird diesem Ansatz zufolge also eingerichtet, um die individuelle Freiheit des Einzelnen zu verwirklichen. Eine sozialistische Ordnung hingegen entsteht als Resultat der Anstrengung, eine auf Gleichheit basierende Gesellschaft zu erreichen. Darüber hinaus kann es aber auch beinahe beliebig viele andere Entwürfe, z.B. ganzheitliche (Othmar Spann), geben, die alle von dem gesellschaftlichen Ziel abhängen.
Ein Volk, das keinen besonderen Willen zur Macht hat, wird daher auch eher zu einer Bedarfsdeckungswirtschaft neigen als eines, das imperialistische Ziele durchsetzen will und deshalb auf Gewinnmaximierung und Expansion setzen muß. Sombart betont nun allerdings, daß die ordnende Nationalökonomie inzwischen eine größere Rolle spielt als die richtende. Das Prinzip der ordnenden Nationalökonomie sei die „Auflösung der Natur in Zahlen“. Auf der Basis von naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten wird also versucht, die Methoden zum bestmöglichen Gedeihen der Wirtschaft zu finden. Der Grundfehler dieses Ansatzes ist die Annahme, es lasse sich jede beliebige Wirtschaftsform und Welt mit der dafür nötigen mathematischen Genauigkeit herstellen. Die Wirtschaft ist aber ein Feld des Handelns. Niemand muß nach Gesetzmäßigkeiten agieren. Vielmehr besitzt jeder selbst in einer Planwirtschaft eine enorme Handlungsfreiheit in Bezug auf die Wahl seines Berufs, persönlichen Einsatzes etc. pp.
Aus diesem Grund plädierte Sombart für eine verstehende Nationalökonomie, die zugleich Erfahrungs‑, Kultur- und Sozialwissenschaft sein müsse. Nur so könnten der Geist, die Form und die Techniken der Wirtschaft zunächst analysiert und später natürlich auch verändert werden. Mit der europäischen Wirtschaftsgesinnung (Geist) hatte ich mich zuletzt bereits in meinem Beitrag über „Asketische Ethik und Größenwahn“ beschäftigt. An den verstehenden Nationalökonomen Max Weber anschließend, habe ich argumentiert, daß der Verzicht auf sofortigen Konsum und Reichtum, um in Zukunft etwas Großes zu schaffen, Europa einerseits über Jahrhunderte hinweg an die Spitze der Welt brachte und hielt. Andererseits aber hat gerade dieser Geist zu einer Machbarkeitsutopie verführt, die heute umso schädlicher ist, weil dem asketischen Fortschrittssystem der von Weber gesuchte religiöse Impuls fehlt und die Gleichheitsideologie das Bildungssystem zerstört hat.
Hinzu kommt, daß mittlerweile bezweifelt werden muß, ob der höchste Zweck unserer Wirtschaft tatsächlich noch ein höheres Ideal ist, wie sich dies Sombart vorstellte. Denn wofür arbeitet denn der flexible, weltweit einsetzbare Karrieremensch ohne Familie? Und wofür wollen Politiker Wachstum herstellen?
In der aktuellen Ausgabe der Foreign Affairs (März/April 2016) geht es um das für die nächsten Jahrzehnte angekündigte langsame Wachstum der Weltwirtschaft. Auch wenn die einzelnen Autoren die Dramatik dieses schleppenden Wachstums unterschiedlich einschätzen, besteht dennoch ein völlig sinnentleerter Konsens zwischen ihnen. Alle betonen, daß wir Wachstum brauchen, um den Fortschritt sichern zu können. Wohin wir jedoch schreiten und welches Ideal wir dabei anstreben sollen, kann niemand sagen. Bei den Wachstumskritikern, die die weltweite Verwirklichung der Gleichheitsidee anstreben, verhält es sich übrigens gerade umgedreht: Die Skizze ihrer heilen Welt trägt bereits sehr erkennbare Konturen, aber vor den brutalen Mitteln und Konsequenzen, die dafür in Kauf genommen werden müßten, schrecken sie zurück (Stichwort: Bekämpfung der Überbevölkerung – Teil V meiner Wachstumskritik).
Was ich damit meine, wird vielleicht anhand eines praktischen Beispiels deutlich. Im Dresdner Hygienemuseum kann man sich derzeit eine Ausstellung über „Fast Fashion“ anschauen. Angeklagt als Schattenseiten der Mode werden dabei insbesondere die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern sowie die Umweltverschmutzung. All das ist natürlich erschütternd und richtig, doch reicht es eben nicht aus, dem eine „Slow Fashion“ mit Bio-Baumwolle und Fair Trade entgegenzustellen, das Grundprinzip der Mode aber aufrechtzuerhalten, wie es in der Ausstellung geschieht.
Es ist für unsere heutige Zeit bezeichnend, daß unhinterfragt bleibt, was die Mode mit unserem Bewußtsein macht und warum wir modisch durch die Gegend laufen wollen. Das Grundprinzip der Mode ist die ständige Veränderung und Variation des Immer Gleichen, um die eigene Unruhe und Unzufriedenheit mit uns selbst mit Hilfe einer Souveränitätssimulation zu überspielen. Peter Sloterdijk schrieb vor einigen Jahren, die Aufgabe des Designs sei es, in einer Phase, wo eigentlich nichts zu machen wäre, das Richtige zu machen. Dies „klimatisiert nervöse Großgesellschaften und wirkt an der Feineinstellung von Illusions- und Elan-Systemen“.
Mit Elan (Wachstum) und Illusionen (Gleichheit) reagiert der Wohlstandsmensch auf seine eigene Unruhe und Orientierungslosigkeit. Diese Gemütsverfassung zu analysieren, ist nun notwendig, um die Wirtschaftsgesinnung unserer Zeit verstehen zu können. Als Einstieg in dieses Thema bietet sich das Buch Die Unruhe der Welt (2015) des Kieler Philosophie-Professors Ralf Konersmann an. Er widmet sich den philosophischen und religiösen Ursprüngen der Unruhe. Sowohl die Ideenliebe und das Zweifeln der Philosophen als auch die postparadiesische Vorstellung, es könne in der Vergangenheit oder Zukunft ein Ort der vollkommenen Ruhe gefunden werden, bringen verschiedene Unruhetypen hervor.
Die Unruhe gehört nun ebenso wie die asketische Ethik zu unserer europäischen Wesensart dazu. Sie ist eine Quelle des kreativen Schaffens, des selbständigen Aufbruchs, des notwendigen politischen Umbruchs und des intellektuellen Widerspruchs. Mit Anbruch der Moderne wurde sie jedoch entgrenzt. Seither haben wir das Gefühl für den stets mit ihr verbundenen Verlust verloren. Aus einem „Wir leben in unruhigen Zeiten und müssen zur Ruhe zurückfinden“ wird ein „Du mußt in Unruhe leben“, das sogar die Philosophen einschließt, die nicht mehr nur die Welt interpretieren, sondern verändern sollen.
Veränderung im modernen Sinn bedeutet jedoch, daß jede Generation wieder bei null anfängt und das Zerstören der Traditionen und des vorher Aufgebauten als Fortschritt feiert. Während Rainer Maria Rilke nach dem Anblick eines Kunstwerkes, das eine Aktivität auf den Betrachter ausübt, zu seinem berühmten Satz „Du mußt dein Leben ändern“ fand, resultiert die moderne Unruhe gerade aus einer Herkunftsschwäche und einem fehlenden Fundament.
Weder mit einem romantischen Eskapismus, der Ruhe verlangt, noch mit dem futuristischen Eifer, den Bauschutt der modernen Welt schnellstmöglich mit Räumfahrzeugen zu beseitigen, läßt sich diese Situation ändern. Walter Benjamin, der konservative Revolutionär unter den Marxisten, schrieb ziemlich am Ende seines Lebens:
Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotive der Weltgeschichte. Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse.
Nun mag mancher vielleicht das Gefühl oder die Hoffnung haben, daß immer mehr Deutsche und Europäer genau diese Notbremse ziehen wollen, weil die Globalisierung die staatliche Ordnung in einer nie dagewesenen Intensität in Frage stellt. Über den Widerstand dagegen und die spätere Wiederherstellung der Ordnung hinaus wird die entscheidende Herausforderung dieser anstehenden „konservativen Revolution“ die Lebensnormierung sein, die sich nicht über staatlichen Zwang, sondern nur eine kulturelle Einhegung der modernen Unruhe durch „Befristung, durch Strukturierung, durch Rythmisierung, durch Gestaltgebung“ (Konersmann) angehen läßt.
Andreas Walter
Oh je, da machen Sie aber ein Fass auf, Herr Menzel.
Ruhe Unruhe, schlafen wachen, Entspannung Anspannung, frieden und kriegen, der Mensch befindet sich nunmal unentwegt auch im Wechselspiel der Polaritäten. Das gehört wie Tag und Nacht, warm und kalt, Leben und Tod, hell und dunkel, lachend und weinend zu jeder Schwingung, Rotation, in der sich alles Lebendige, Aktive, Strömende, Rotierende, ja eben Seiende, Existierende nun mal befindet.
Was das Thema Notwendigkeit von Wachstum betrifft, so fallen mir dazu das Individuelle ein, vom Kind zum Erwachsenen also, dann jenes einzelner aber bestimmbarer Gruppen, durch überdurchschnittliche Vermehrung, und aus der Summe all dieser Gruppen und Individuen ergibt sich dann eben auch das Wachstum der gesamten Weltbevölkerung.
Welches wiederum Ressourcen verbraucht, in Form von Energie und ihrer Nebenerscheinungsform Materie.
Es gibt nun mal mindestens den biologischen Erhaltungsaufwand wie es auch einen altersspezifischen Wachstumsaufwand gibt, schon auf der rein materiellen Ebene. Ähnliches gilt jedoch auch für die Entwicklung des (an die geistigen Wesen gekoppelten) Geistes, wobei hier eine Berechnung des dazu nötigen Aufwands wohl um ein vielfaches schwerer ist. Gruppenidentität gehört hier auch dazu.
Und, um noch einen Draufzusetzen, es gibt sogar den von biologischen Wesen entkoppelten Geist in Form von beispielsweise einer Bibliothek, die auch einen Erhaltungsaufwand und, wenn gewünscht, sogar einen Wachstumsaufwand besitzt. Vor allem aber dadurch auch einen Wert.
Richtig, die NSA ist darum derzeit auch die grösste Datenkrake, die dem Rest der Menschheit, wo sie es eben technisch schafft, Energie, Lebensenergie absaugt. Oder auch Facebook, Google, usw.. Das ist die wahre Analogie aus dem Film Die Matrix. Es geht nicht um Strom (Batterie) oder Wärme, wie im Film dargestellt, sondern um Geist. Um Ideen und Wissen, um den Genius, um den der Rest der Welt derzeit von den VSA aus gebracht wird.
https://www.youtube.com/watch?v=IojqOMWTgv8