linken und rechten Denkansätze zu diesem Thema mit der Feststellung beginnen, in einer endlichen Welt mit begrenzten Ressourcen dürfe es kein unendliches Wachstum geben. Das ist natürlich richtig, doch es verleitet zu der vorschnellen Schlußfolgerung, wir müßten den Wachstumszwang brechen, um die Umwelt zu retten.
Das daraus resultierende Programm der Wachstumskritiker liest sich dann immer sehr ähnlich: Sie wollen den Menschen einen ökologisch korrekten Konsum verordnen und die Unternehmen dazu zwingen, auf umweltfreundlichere Technologien zu setzen. Überwacht werden soll dies von einem Staat, der einen mehr oder weniger sanften Totalitarismus grüner Prägung anwenden müßte, um zu erreichen, was sich die Theoretiker wünschen.
Praktische Beispiele, wie so etwas am Ende aussieht, gibt es wenige, aber es gibt sie: Das kleine, asiatische Königreich Bhutan, Bolivien und Ecuador haben entsprechende Vorhaben sogar in ihre Verfassungen aufgenommen. Das, was in diesen Ländern erstaunlich erfolgreich an Widerstand gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche und für den Umweltschutz geleistet wird, läßt sich jedoch aufgrund großer Unterschiede in Bezug auf die Bevölkerungsdichte, technologischen Standards und Durchschnittseinkommen nicht eins zu eins auf die wohlhabendsten Staaten der Welt übertragen.
Insbesondere greift eine Übernahme der Wohlstandsmodelle dieser Länder zu kurz, weil eine wachstumskritische Agenda Deutschlands oder Europas neben dem Umweltschutz noch für ganz andere Probleme Lösungen finden müßte. Welche dies sind, wird ersichtlich, wenn man sich die sogenannte „Ehrlich-Gleichung“ anschaut, die besagt:
Umweltauswirkungen = Bevölkerung x Einkommen (Konsum) x Technologie
Die größte Bedrohung für die Umwelt stellt dabei mittlerweile der westliche Reichtum dar, gefolgt vom weltweiten Bevölkerungswachstum. Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt durch ressourcenschonendere Technologien zu verringern, verspricht dagegen die geringsten Verbesserungen, weil diese sich viel schneller entwickeln müßten, als die Bevölkerung und Einkommen wachsen.
Die Anhänger eines „grünen“ Wachstums machen es sich deshalb deutlich zu einfach. In Erklärungsnöte geraten sie spätestens dann, wenn es darum geht, wie mit alternativen Technologien die Weltwirtschaft bis 2050 um das Fünfzehnfache wachsen soll. Dies wäre schließlich notwendig, damit die dann voraussichtlich neun Milliarden Menschen alle den gleichen materiellen Wohlstand erreichen könnten wie in den OECD-Staaten.
Tim Jackson stellt deshalb in seinem über weite Strecken lesenswerten Buch Wohlstand ohne Wachstum fest:
Die Wahrheit ist, dass es bislang kein überzeugendes Szenario gibt, das für eine Welt mit neun Milliarden Bewohnern stetig wachsende Einkommen mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit verbindet.
Genau dies ist aber die Position der Weltretter, die leider nicht nur von irgendwelchen unbedeutenden Randgruppen vertreten wird, sondern es bis in die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen geschafft hat: Die Vertreter dieser Position wollen einerseits Hunger und Armut bekämpfen, etwas für den Klima- und Umweltschutz tun und zugleich noch die liberalen Freiheitsrechte des Westens verteidigen bzw. sie sogar noch weiter ausbauen, indem etwa ein „Menschenrecht auf Einwanderung“ eingeführt wird.
Dem lediglich ein „Wir schaffen das nicht“ entgegenzuhalten, beweist zwar Realismus, führt uns allerdings nicht aus der allumfassenden Krise, in der wir stecken. Dies gilt sowohl für die ökologischen Probleme, den Umgang mit den Ländern der untersten Milliarde als auch eine kritische Perspektive auf die westlichen Überflußgesellschaften, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, daß hierzulande kaum einer mehr zur Verteidigung des Eigenen bereit ist.
Deshalb noch einmal zurück zur „Ehrlich-Gleichung“, aus der hervorgeht, wie schwierig die aus dem Wachstumszwang resultierenden, negativen Umweltauswirkungen mit einer grünen Politik bekämpft werden können. Vielmehr stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß sich die Faktoren „Bevölkerung“ und „Einkommen“ beeinflussen lassen.
Da es hier nicht um unsere eigene Bevölkerung geht, die ja schrumpft, könnte man zunächst meinen, wir könnten diesen Faktor vernachlässigen bzw. sollten uns einfach weiterhin darauf beschränken, Kondome für Afrika zu spenden. Aber das stimmt nicht ganz: Solange Staaten ihre Kinder- und Jugendüberschüsse (Youth Bulges) exportieren können, bestehen für sie keine Veranlassung und kein Anreiz, Maßnahmen zur Geburtenkontrolle einzuführen. Wenn Europa also seine Grenzen offen läßt, zerstört es nicht nur sich selbst, sondern trägt indirekt auch dazu bei, daß die Überbevölkerung weiter voranschreiten kann. Vor dem Hintergrund des hier beschriebenen Problemkomplexes ist es zudem absurd, Regierungen mit Entwicklungshilfe zu unterstützen, die nichts gegen die Geburtenexplosion in ihrem Land unternehmen.
Wenn nun von linker Seite das Argument kommt, die Jugendüberschüsse der Dritten Welt spielten eine untergeordnete Rolle, weil unser eigener Konsum die Hauptursache der Umweltschäden sei, so ist dies ein klassisches Eigentor, da die Menschen, die einwandern, genauso konsumieren wollen wie die Einheimischen. Alle Wachstumskritiker und ökologisch denkenden Menschen müßten allein deshalb für einen sofortigen Einwanderungsstopp nach Europa eintreten und sich darauf konzentrieren, wie die Lebensbedingungen der Migranten in ihren Herkunftsländern verbessert werden können.
Der für uns selbst unangenehmste Teil der Beschäftigung mit den Konsequenzen, die sich aus der „Ehrlich-Gleichung“ ergeben, betrifft jedoch den Faktor „Einkommen“ oder genauer ausgedrückt: den Konsum, den uns unser Einkommen erlaubt: Statt Verzicht zu predigen, der immer nur individuell, aber nie auf freiwilliger Basis kollektiv möglich ist, kommen wir bei dieser Debatte nur voran, wenn wir definieren, was Wohlstand für uns bedeutet, wie er gemeinschaftlich verwirklicht werden kann und welche alternative Politik sich daraus ergeben muß. Dies läuft auf die Frage hinaus, wie wir Deutschen in Zukunft eigentlich leben wollen. Entscheiden wir uns hier für ein individualistisches „Weiter wie bisher“, wird unsere Kultur unabhängig vom Ausmaß der Masseneinwanderung zugrunde gehen.
Anmerkung für die Diskussion: Meine eigenen Gedanken zum Wohlstandsbegriff und den Konsequenzen für eine alternative Wirtschafts‑, Sozial- und Familienpolitik erläutere ich noch ausführlich. Ich würde mich dennoch freuen, wenn gerade zu diesem Thema, das ich hier bewußt offen gelassen habe, ein paar kluge Anregungen kämen.
Erklärbär
Die "Ehrlich Gleichung" ist totaler Quatsch! Die funktioniert so überhaupt nicht! Wie schon in dem oberen Abschnitt erwähnt! Technologie wird auf Grund von wirtschaftlichen Interessen ausgebremst (siehe Automobilindustrie) und der Konsum wird durch Einwanderung von Fachkräften künstlich nach oben geschraubt! Das ist das Problem! Die Gleichung müsste ungefähr so lauten Umweltauswirkungen= Bevölkerung x Konsumzwang x (Ineffizienz bedingungsloser Vermarktung x Zeitverzögerung technologischem Fortschritt²). Eine Energiewende ist möglich aber nicht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der heutigen Zeit, in der der Fortschritt zurück gehalten wird und das wirtschaftliche Wachstum, entgegen der mittlerweile begründeten wissenschaftlichen Auffassung, unendlich voran zu treiben.