Meine Lieblingsszene im Band über “Rechtsextremismus” ist die, in der die bauchnabelfreie blonde Magda mit dem Keltenkreuz um den Hals ihre Lehrerin provokant fragt: “Ist ja eine tolle Demokratie, in der niemand seine Meinung sagen darf. Was ist denn mit der Meinungsfreiheit in diesem System?” Darauf antwortet die Lehrerin: “Wer verbietet denn jemandem eine Meinung hier? Man sollte aber die Meinungsfreiheit nicht dazu ausnutzen, die Grundprinzipien der Demokratie auszuhebeln.”
Dabei hält die Lehrerin das Grundgesetz gleich einer Bibel vor sich her, an deren absoluter dogmatischer Wahrheit alles andere abzuprallen hat – die perfekte Illustration zu Josef Schüsslburners These, daß das Grundgesetz längst zum Gegenstand einer zivilreligiösen Fixierung geworden ist. Eine ähnliche Fetischisierung der Begriffe liegt der Rede vom “Extremismus” zugrunde. Dessen Problematik hat unlängst der Historiker Frank Sobich in einem Interview mit “Netz gegen Nazis” angesprochen: der Begriff “Rechtsextremismus” etwa sei als Definition “nicht hilfreich, weil er von einer imaginären politischen Mitte ausgeht. Wer aber definiert, wer dazu gehört und wer nicht?”
Das heißt also, um in unserem Bild zu bleiben, daß es entscheidend ist, wer die “Heilige Schrift” nun verbindlich für alle auslegt. Dabei gehört es selbstverständlich zur Strategie der Hohepriester, so zu tun, als gäbe es keine Auslegung, als wäre in Stein gemeißelt wie die zehn Gebote, wer ein “Demokrat” und wer ein “Extremist” ist. Das dient ihrer eigenen Machtsicherung.
Die “demokratische” Auffassung der herrschenden Eliten in Deutschland entlarvt sich momentan in geradezu realsatirischer Weise in den Reaktionen der Medien und Politiker auf die Minarett-Abstimmung in der Schweiz. Man zeigt sich heilfroh über die hierzulande mit eisernem Zügel gelenkte und im Zaum gehaltene, im Grunde schon post-demokratische Demokratie. Der NRW-Integrationsminister Armin Laschet etwa äußerte, daß es in Deutschland “glücklicherweise” keine solchen Volksabstimmungen gäbe. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy, mutmaßte, “eine Entscheidung wie in der Schweiz in Deutschland” sei “nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.” (Ein unbestätigtes Gerücht, das zwecks abschreckender Wirkung schon seit längerem in die Welt gesetzt wurde. ) “Undemokratisch” nannte das Minarettverbot auch der Architekt der Kölner Moschee Paul Böhm.
Besonderen Humor zeigte Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland: “Es zeigt sich, dass die europäischen Gesellschaften noch nicht ganz reif sind für die Zuwanderung und für die Einwanderung.” Die Immigration also quasi als Gnade, derer sich die Autochthonen als würdig erweisen müssen! Da steht die Welt auf dem Kopf und die hypertrophe Arroganz von Lobbyisten wie Kolat liegt offen zutage.
Überflüssig zu erwähnen, daß weder Herr Laschet noch Herr Edathy noch Herr Böhm oder Herr Kolat als “Extremisten” gelten, die “die Grundprinzipien der Demokratie aushebeln”?
Den Vogel schoß die Süddeutsche Zeitung mit einem süffisanten Kommentar ab, den man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen muß:
Außerdem ist das Ergebnis eine Art Kollateralschaden der direkten Demokratie. So kann es kommen, wenn das Volk nicht nur über Turnhallen oder Transrapidbahnen abstimmt, sondern über alles.
So unverblümt und unverschämt wurde dergleichen selten formuliert. Solange das Volk also über relative Belanglosigkeiten abstimmt, darf es ruhig ein bißchen Souverän spielen, der Spaß hat jedoch dann ein Ende, wenn es über Dinge mitentscheiden will, in denen es auf seine Souveränität wirklich ankommt. Dann muß es sich bevormunden und maßregeln lassen. Bravo. Das erinnert natürlich an die klassischen Zeilen von Brecht:
Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?
Muß ich noch dazusagen, daß auch der SZ-Kommentator, Herr Thomas Kirchner, nicht als anti-demokratischer “Extremist” gilt?
Selbstverständlich frönen nun landesübergreifend muslimische Gruppen ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem zähneknirschenden “Beleidigtsein” mit der Hand am Säbel. Auch das bereitet unserem sauberen “Liberalen” in der SZ Kopfzerbrechen, und er empfiehlt den Schweizern doch vor dem Säbelrasseln in die Knie zu gehen, um denen, die sie beschimpfen, zu beweisen, daß sie ja doch liebe, gute Menschen sind:
Nun wird ein Sturm der Entrüstung losbrechen, vor allem in der muslimischen Welt. Der schlimmste Fehler wäre es, wenn sich die Schweiz als Reaktion noch weiter verhärtet. Denn im Herzen ist dieses Land weltoffen und liberal.
Der Kommentator ist weiters der Meinung, das Bauverbot verstosse “gegen die Europäische Menschenrechtskonvention”. Ob das stimmt, oder ein weiteres Gerücht ist, kann ich nicht beurteilen. Angesichts eines solchen Präzendenzfalles stellt sich die Frage, ob und inwiefern denn dergleichen “Menschenrechtskonventionen” noch mit der Idee der “Demokratie” vereinbar sind – eine Idee, in der sich ausgerechnet die Schweizer mit ihrer jahrhundertealten republikanischen Tradition nichts ‚aber auch gar nichts von einer supranationalen Intelligenz oder irgendwelchen dubiosen internationalen Gerichtshöfen dreinreden lassen müssen.
Fazit: Die “Demokraten” sind heute nicht mehr demokratisch, die “Liberalen” nicht mehr liberal, die “Menschenrechtler” nicht mehr menschlich, die “wehrhafte Demokratie” wehrt sich nur mehr gegen wehrhafte Demokraten. Da sind des Kaisers neue Kleider und das Update von Orwells Newspeak. Das Satyrspiel wird dadurch komplett, daß die Linken und Liberalen nüchtern betrachtet nichts anderes betreiben, als einer expandierenden Macht Tür und Tor zu öffnen, die nicht nur im schroffen Gegensatz, sondern in militanter, unversöhnlicher Feindschaft zu ihren ureigenen Werten steht, denselben, von denen sie nun selbst verschlungen werden. Frei nach Moeller van den Bruck: am Liberalismus gehen nicht nur die Völker, sondern auch die Liberalen selbst zugrunde.
Da sägt sich eine verkommene, mit Blindheit und Feigheit geschlagene Klasse frenetisch den Ast ab, auf dem sie selbst sitzt, und Gott weiß, was für psychologische Dispositionen dahinter stehen. Vielleicht hofft man nur insgeheim, bei einem Machtwechsel als “Dhimmi” davonzukommen. Oder es sehnt sich womöglich der Schlamm, wie in Christian Krachts “1979”, unbewußt nach einer Eiszeit, die den matschigen Boden wieder gefrieren läßt. Die “weltoffenen” Appeaser, Schönredner, Selbsthasser und Kriecher werden ihren Cromwell oder ihren Khomeini wohl früher bekommen als ihnen lieb ist.