Neubeginns. Manchmal holen sie sich dabei eine blutige Nase – oder man versteht ihre Verve nicht ganz: War es nötig, so zu poltern? Qualitätssicherung und Zurückweisung sollte auf dem Felde der Publizistik streng betrieben werden – zumal, wenn es sich um das Netz-Tagebuch der schönsten, besten und wahrsten Rechten handelt.
Warum also darf Martin Böcker, 1981, hier bei uns den Binnenpluralismus bis an die Grenze der Respektlosigkeit strapazieren und unter dem selbstgewählten, übertrieben forschen Titel Verwesung und Larmoyanz zwei Mal sich selbst und seine Vorsätze mit denen der Normalbürger verwechseln – und uns Jammerei und Defätismus vorwerfen? Stand er schon im Feuer?
Böcker darf, weil wir ihm den Zugang verschafft haben – in den Kreis derer, die über Dekadenz, Aussichtslosigkeit, Volkstod und den Widerstreit von Vision und Realität schon bis zur Ermüdung debattiert hatten, als Böcker gerade die Grundschule verließ. Er darf es, weil er uns kennenlernen soll.
Vorweg: Wir sind kein “Bund” und keine Gesinnungsgemeinschaft, sondern eine Gruppe, die wahlweise und je nach Situation als konservativ, rechts, nonkonform, Neue Rechte, Kalte Rechte, Sezessionisten usf. bezeichnet wird – und mit all diesen Zuschreibungen leben kann. Es kommt darauf nicht an, noch nicht.
Und nun, um es kurz zu machen: Böcker überschätzt sich und uns alle mit (damit meine ich: unser Volk), und er kennt auf der anderen Seite den Respekt vor dem alltäglichen Leben noch nicht (so scheint es jedenfalls). Er rügt reihum und übersieht das Geleistete, das tagtägliche Durchhalten, den zähen Aufbau (und damit meine ich im kleinen die vielfältige Verlags- und Strukturarbeit, von der er nun profitiert, und im großen die unzähligen Leute, die in der kleinsten Zelle des Volkes – der Famlie – Tag für Tag etwas für unser aller Zukunft tun). Er wettert zurecht gegen die Prediger der Aussichtslosigkeit und sieht den Ausweg doch nur dort, wo wiederum ich von einer totalen Kapitulation sprechen möchte – in der Akzeptanz der Überfremdung.
Das ist der gefährlichste, weil geschmeidigste Punkt in Böckers Pamphleten: dieser Verweis auf “das Realistische”, mit dem man leben müsse, und zwar nicht flennend, sondern zupackend, akzeptierend, weiterformend.
Aber nein: Nur wer tatkräftig ins Politische vorstößt und das Machbare betreiben muß, wird mit dem “Realistischen” liebäugeln und ihm verfallen. Aber wir? Wir Metapolitiker? Wir Begriffesetzer, Wirklichkeitsbeschreiber, Szenarienbauer und Prognosensteller? Wie weit sprängen wir denn, wenn wir bereits geistig abrutschten? Wer so denkt wie wir, der geht wohl von Realitäten aus, aber dann beginnt er zu setzen, zu entwerfen – große Loslösung, Sezession.
Und mit Verlaub: Böckers Entwurf wirkt nur realitätsnah oder irgendwie vernünftig. Das liegt an einer weitverbreiteten Harmoniesucht und einem weichen touch: Aus beidem erwächst der liebenswürdige Vorsatz, es doch immer wieder mit der Verständigung, der individuellen Ansprache, der Herausarbeitung von Gemeinmenschlichkeiten zu versuchen, wenn man dem Fremden in der U‑Bahn oder am Imbißstand begegnet. Böcker umtanzt die harten Kriterien: die der Unvereinbarkeit, der ethnisch-kulturellen Distanz, der Brückenkopfmentalität, der Dynamik der schieren Zahl, der Unter- und der Oberschicht.
Nun, es wird nicht lange dauern, dann hat Böcker die Fakten akzeptiert, und die daraus abgeleiteten Prognosen für die nächsten zehn, zwanzig Jahre. Ich bin gespannt, ob er dann immer noch meint, daß der Durchschnitt der Eingewanderten dem deutschen Durchschnitt entspreche, und ich bin gespannt, ob er seine Kinder dann nicht doch lieber dort zur Schule gehen weiß, wo “das Gleiche” ein wenig gleicher ist als anderswo. Vielleicht läßt er sich von dem Umstand überzeugen, daß der Wind sich dreht: Hier im Deutschlandfunk etwa, wo einem Sebastian Edathy in der Diskussion über die Minarett-Entscheidung die Gutmenschenrolle einfach absprach und ihm Wirklichkeitsverweigerung vorwarf.
Das Gute an den jungen Männern ist, daß sie ihre Lebenserfahrung noch vor sich haben und daß sie dabei hoffentlich begreifen, wieviel Anstrengung es kostet, etwas zu schaffen, zu erhalten und weiterzugeben. Der Respekt davor stellt sich nur bei Rüpeln nicht von selber ein. Das Leben (gerade das am metapolitischen Rammbock) ist eine Schule der Demut. Das meine ich gar nicht herablassend: Was mir mit 28 noch so an Machbarkeiten auf der Zunge lag! Wie konkret und nüchtern und damit lebensnäher und fruchtbar läuft das doch mittlerweile.
Nils Wegner
Nun, es ist gerade in der heutigen Zeit eben nicht leicht, von einer mit der Muttermilch aufgesogenen Ideologie des Abwägens, der Mehrheitsweisheit und der (auch und gerade marktwirtschaftlichen) totalen Berechenbarkeit aller Lebensfaktoren zum Irrationalismus zu finden, der ja eine genuin rechte gedankliche Triebfeder war und ist.
Dennoch darf und muss gegen die Larmoyanz in unseren Kreisen angegangen werden, und zwar so scharf wie nur irgend möglich. Allzuviele haben es sich auf dem Standpunkt "Es ist noch viel schlimmer" unheimlich bequem gemacht und pochen auf ihre "Ich habe es ja immer schon gesagt"-Wahrheit, ohne auch nur im Traum darauf zu kommen, ihre Kräfte einer möglichen Veränderung anheimzustellen.
Sicherlich, wenn diese Veränderung irgendwann kommen mag, stehen sie sogleich auf der "richtigen" Seite und frohlocken mit den Siegern, aber wie schal schmeckt ein Triumph, zu dem man selbst keinen Beitrag geleistet hat?
Wie dem auch sei; in jedem Fall finde ich den hiesigen Umgang mit dem Aufruhr, den Böckers Polemik scheinbar ausgelöst hat, sehr charmant. Bei den Kameraden von der anderen Feldpostnummer wird auf derartige Entwicklungen üblicherweise mit einer damnatio memoriae im Sinne von rigoroser Tilgung aller Hinweise auf eine Uneinigkeit reagiert.
Es ist schön, dass wir hier vernünftiger damit umgehen können.