der auch in unserer Division Antaios einen verdienten Ehrenrang innehat. Das Ergebnis fiel wie gewohnt querdenkerisch aus, und war den Genossen von Endstation Rechts gar eine Titelzeile wert: “Ich habe als Nachbarn lieber einen Moslem, der meine Werte teilt, als einen Skinhead”, wird Benoist zitiert.
Weitere von ER mit sichtlicher Genugtuung herausgepickte Rosinen aus dem Interview lauten in voller Länge so:
Die Fremdenfeindlichkeit, die Islamophobie, der Haß auf den Anderen, die Phantasmen über einen ‚Kampf der Kulturen‘ und einen ‚kommenden Bürgerkrieg‘ sind meines Erachtens die schlechteste Art, sich den Problemen der Zuwanderung zu stellen. (…)
Die Rechte glaubt, daß die Identität eines Volkes etwas ist, das sich niemals ändert. Dabei ist in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall: die Identität ermöglicht es uns, uns dauernd zu ändern, ohne daß wir je aufhören, wir selbst zu sein. Die Identität ist nicht nur die Vergangenheit. Ein Volk ist ein ‘historischer Weg’ (A. N. Whitehead), eine kollektive, sich ständig erneuernde Erzählung. Zu glauben, daß unsere Identität erhalten bliebe, wenn es keine Zuwanderer in Europa gäbe, ist eine Illusion. Falls es keine Zuwanderer in Europa gäbe, wäre unsere Identität ebenfalls bedroht, da die Europäer heutzutage komplett unfähig sind, ihre Identität zu definieren. (…)
Die größte Bedrohung ist keine andere Identität, sondern der politische Universalismus in allen seinen Formen, der die Volkskulturen und unterschiedlichen Lebensstile bedroht, und der sich anschickt, die Erde in einen homogenen Raum zu verwandeln. Was nicht nur unsere, sondern alle Identitäten zerstört, ist die Logik des Profits und des Kapitals, deren Träger der nachbürgerliche und nachproletarische Turbokapitalismus ist, dessen Ausbreitung zu einer Austrocknung des kollektiven Unbewußten mit seinen Archetypen und zu einer allgemeinen kulturellen Verarmung zugunsten der alleinigen Verengung auf die Werte des Marktes ist.
Für eine Generalkritik an Monsieur de Benoist ist hier kein Platz, nur für ein paar Bemerkungen, die noch auszubauen wären. Benoists große Stärke ist meiner Ansicht nach seine Liberalismuskritik, deren Kern und Stoßrichtung sich seit seinen früheren ins Deutsche übersetzten Schriften aus den siebziger und achtziger Jahren kaum geändert hat, und die ich auch im wesentlichen für zutreffend halte.
In seiner spenglerisch betitelten Schrift “Die entscheidenden Jahre” (Orientations pour des années décisives) aus dem Jahre 1982 beschrieb er Europa im Griff einer Zange, als deren Backen er den östlichen Kommunismus und den westlich-amerikanischen Liberalkapitalismus nannte. Letzteren hielt Benoist für weitaus gefährlicher, denn er würde vor allem die Seelen morden und korrumpieren, während der äußere Zwang der sozialistischen Systeme die Widerstandskraft der Völker nicht brechen könne. Hier also “Diktatur”, dort “Untergang”: “Der Untergang vernichtet aber unsere Überlebenschancen als Volk.”
Gegenüber solch dramatischen Worten fiel das Schlußbild des Büchleins etwas antiklimaktisch aus: “Manche können sich nicht mit dem Gedanken abfinden, eines Tages die Mütze der Roten Armee tragen zu müssen. Wahrlich keine angenehme Zukunft! Wir aber dulden nicht den Gedanken, einmal bei Brooklyn unsere restlichen Tage bei hamburgers verleben zu müssen.”
Das ist natürlich ein bißchen unfreiwillig komisch: Wenn man schon zwischen zwei Übeln zu wählen gezwungen wäre, dann also lieber mit der roten Mütze im Stechschritt am Kreml für den Sozialismus zu marschieren, als beim McDonald’s unter Rapmusik-Beschallung mit einer NY-Yankees-Cap auf dem Kopf seine Cola zu schlürfen und seine Chicken McNuggets® futtern zu müssen. Na schön. Diesem Affekt ist Benoist auch treu geblieben, wenn er etwa im H&J-Interview beklagt, daß “unsere Städte immer stärker an Los Angeles oder New York” erinnern, “nicht an Istanbul oder Tunis.”
Nun, man sollte Benoist einmal nach Neukölln, Frankfurt, Mannheim oder Offenbach einladen, dann kann er immer noch entscheiden, ob ihn das Stadtbild eher an Brooklyn als an Istanbul erinnert. Aber das ist ja nicht weiter schlimm, oder? War ihm die “rote Mütze” wenigstens noch einigermaßen ein Greuel, so scheint er nicht allzu große Probleme bei dem Gedanken zu haben, seinen Lebensabend eventuell als geduldeter Dhimmi bei Döner und Falafel verbringen zu dürfen, während seine Frau ein Kopftuch trägt und der Pariser Muezzin vom Minarett der ehemaligen Cathédrale Notre-Dame die passende musikalische Untermalung liefert.
Dafür, daß Benoist in dem Interview die Rechte anmahnt, “das Schlachtfeld zu analysieren, wie es ist”, ist er selber inzwischen erstaunlich blind geworden für Frontverläufe, die vor seiner Nase liegen. Haben ihm etwa die Krawalle in den Pariser Banlieues nicht gereicht, um die “Phantasmen” über den “kommenden Bürgerkrieg” nicht allzu phantastisch erscheinen zu lassen?
Um aber auf die von ER hochgehaltene Hauptrosine zu sprechen zu kommen: Welcher gläubige Muslim bitte “teilt” denn “die Werte” ausgerechnet von Alain de Benoist, der sein Leben lang gegen die “monotheistischen” Religionen und den “Universalismus” zu Felde gezogen ist?? Ist er denn so naiv anzunehmen, daß er bei fortschreitender muslimischer Landnahme (die nebenbei völlig unabhängig davon stattfindet, ob man den Nationalstaat für obsolet hält oder nicht) aus “ethnopluralistischen” Gründen und um der “differénce” willen in Ruhe gelassen wird? Mir ist es beinah peinlich, dies bei einem Mann von solch imponierender Bildung wie Benoist zu fragen, aber hat er denn einen blassen Schimmer über die Natur des Islam?
Wie sehr Benoist die Lage unterschätzt, wird etwa aus folgender Aussage aus dem Interview ersichtlich:
Von dem Moment an, wo Milionen von Muslimen in Europa wohnen, die ja nicht alles Zuwanderer sind, sehe ich nicht ein, warum sie nicht auch ihre sakralen Stätten haben sollen. Die Juden haben ihre Synagogen, und niemand hat etwas daran auszusetzen.
Gesprochen wie ein echter Liberaler, Monsieur de Benoist! Schon der Alte Fritz hat ähnlich gesprochen. Nur, wie viele Muslime gab es damals in Preußen? Zwei Dutzend, drei Dutzend? Daß es in Frankreich nur etwa 600.000 Juden gibt, die meisten davon völlig assimiliert und europäischer Herkunft und Prägung, dagegen etwa 4.000 000 außereuropäischer Muslime ist in diesem Vergleich wohl nur ein unerhebliches Detail. So spricht ein Mann, der seine “Identität” durch Amerikanismus, McDonald’s und Supermärkte bedroht sieht. Dönerbuden, gekippte Stadtviertel und in der Anzahl und architektonischen Größe wachsende Moscheen – klare Manifestationen einer politischen, monotheistischen, universalistischen Theologie und eines politischen Machtwillens – beunruhigen ihn offenbar nicht. (Günter Maschke in H&J 14/09: “Wir sprechen unentwegt von der islamischen Gefahr und vergessen dabei, daß die andere Backe der Zange, in der Europa steckt, die Vereinigten Staaten sind.”)
Benoist weiter:
Die Rechte vermischt die Frage der Zuwanderung mit der des Islams – der eine Milliarde Gläubige weltweit umfaßt‑, mit der Islamisierung – eine gerechtfertigte Reaktion gegen den realexistierenden Materialismus des Westens -, mit der des Terrorismus – einer neuen, nicht mehr tellurischen Form des asymmetrischen Krieges‑, was in der Realität vier verschiedene Fragen sind.
Nun, sind diese Fragen wirklich so “verschieden”? Oder handelt es sich vielmehr nicht um vier Stränge , die sich untrennbar zu ein und demselben Problem verflochten haben? Daß dies so ist, läßt sich völlig logisch ausführen: Ohne Zuwanderung gäbe es in Europa keinen Islam in dieser Größenordnung , und damit auch nicht die Konflikte, die tagtäglich die Zeitungen füllen. Die Islamisierung Europas erfolgt ja nicht deswegen, weil massenweise Europäer aus Leiden am geistlosen Materialismus konvertieren würden, sondern weil breite, außereuropäische, muslimische Schichten durch Einwanderung und demographisches Wachstum immer mehr Raum ergreifen. Ohne den Islam in unseren Mauern könnten wir ihn indessen auch ganz wunderbar “pluralistisch” dort stehen lassen und respektieren, wo er zu Hause ist.
Der Import des Islams durch Massenzuwanderung hat schließlich auch zur Verschleppung des Terrors nach Europa geführt, obwohl dessen Genese, und hier ist Benoist recht zu geben, ganz woanders liegt, nämlich tatsächlich vor allem in der amerikanischen und israelischen Expansionspolitik. Die Dinge sind nun allerdings, wie sie sind, und um Moral und nach “Rechtfertigungen” fragt keiner mehr, wenn es um die pure Selbstverteidigung geht. Es ist seltsam, daß Benoist hier diesen Begriff der “Rechtfertigung” ins Spiel bringt, als müßte man zur Beschreibung der Lage eine höhere, gar noch – wie der Ausdruck nahelegt – moralische Legitimation bemühen: Was Benoist hier meint, bedeutet ja nichts anderes, als daß der Westen aufgrund seiner geistigen Leere und seines “realexistierenden Materialismus” keine Assimilationskraft mehr besitzt, und stattdessen nur Massen anzieht, die hauptsächlich am Kuchen mitessen wollen, wenn nicht ihn sich gänzlich unter den Nagel reißen. Die Quittung für schwerwiegende Versäumnisse bedeutet aber noch lange keine Legitimation. (Supermärkte und Einkaufszentren gibt es übrigens auch in islamischen Ländern zuhauf.)
Diese und andere Wirrheiten Benoists kann ich mir nur dadurch erklären, daß diese ganze begriffsziselierte Grübelei über “Identität”, für die er inzwischen berüchtigt ist, ihn allmählich den Wald nicht mehr vor lauter Bäumen sehen läßt. Wenn Spengler sagte, daß wer zuviel über Rasse rede, keine mehr habe (“Rasse” bedeutete für ihn in erster Linie das “In-Form-Sein”), dann kann man mit gleichem Recht feststellen, daß, wer zuviel über “Identität” redet, offenbar auch schon innerlich angeknabbert ist, was seine eigenen Grundlagen betrifft. In einem alten Aufsatz des Staatsrechtlers Josef Isensee aus dem Jahr 1986 fand ich die Bemerkung:
Ein Symptom: das Wort Vaterland verschwindet langsam aus dem politischen Sprachgebrauch. An seine Stelle tritt eine neue, unpolitische Vokabel, so hochabstrakt wie die Systemtheorie: Identität.
Daran mußte ich denken, als Benoist seinem Interviewer Arne Schimmer den Ratschlag gab, man sollte, “wenn man Politik macht, von einer politischen Definition des Volkes ausgehen.” Benoist wirft nun ständig mit diesem “hochabstrakten” Begriff der “Identität” um sich, und dabei verstehe ich schon lange nicht mehr so richtig, wen er denn überhaupt meint, wenn er von “wir” (pluralis auctoris?) spricht und von welchem Standpunkt aus er denn nun wirklich argumentiert. Er redet immer noch gerne und zu Recht von “Völkern”, die “durch den Liberalismus zugrunde gehen”, und von “Volkskulturen”, die vom totalen Markt zerstört werden. Aber für welche “Volkskultur” steht er selbst denn nun wirklich, als Franzose, als Europäer, als “Heide”?
In dieser Lage sind Benoists Belehrungen über den wechselnden Charakter eines “Volkes” (die man auf ER charakteristischerweise als komplette Negierung des ethnischen Elements der Identität mißinterpretiert) völlig unbrauchbar und nicht dabei einmal besonders neu, kühn oder erhellend. “Ein Volk ist ein historischer Weg, eine kollektive, sich ständig erneuernde Erzählung”, heißt es in dem Interview. Wenn das nun keine Übersetzungsungenauigkeit ist, so sagt er also: “Ein Volk ist … eine sich ständig erneuernde Erzählung,” oder noch vereinfachter: “Ein Volk ist eine Erzählung.” Ha. Einmal bitte kurz über diesen Satz meditieren, und man ist mitten im Dschungel der Papiertiger. (Vergleiche Jean Raspail: “La France est d’abord une patrie charnelle.”)
Wäre es nicht richtiger zu sagen, ein Volk ist eine historisch gewachsene Gruppe von Menschen mit einem bestimmten gemeinsamen Genpool, einer gemeinsamen Sprache, einem gemeinsamen Bewußtsein über sich selbst, und einer gemeinsamen historischen Erzählung? Daß all dies über Jahrhunderte in Bewegung ist, leugnet kein Mensch, aber gleichzeitig wird man auch einräumen müssen, daß massive Eingriffe in den Genpool, die Sprache und die Kontinuität des historischen Narrativs ein Volk eben auch zum Verschwinden bringen können.
Was will uns Benoist also damit sagen? Zumal dieselbe Melodie vom “sich wandelnden Volk” heute genau von jenen gepfiffen wird, die in Deutschland von einer “bunten Republik” schwätzen und in Frankreich offen die gezielte “métissage” als richtungsweisend propagieren. Wirklich keinerlei Identitätsprobleme an dieser Stelle, keine bedrohten “Volkskulturen”? Wer genauer hinsieht, wird hier unschwer (nebenbei universalistisch begründete) Positionen erkennen, die eher aus Schwäche, Verlegenheit, Opportunismus und dem Willen zu Kapitulation erwachsen als aus irgend etwas anderem. Und nun pfeift Benoist auf demselben Loch wie diese verhaßten “Liberalen”?
Wie es auch sei: geschenkt, Monsieur de Benoist. Die Diskussion darüber, ob und wie ein Volk sich im Laufe der Zeit verändert, ist angesichts der Probleme, die sich uns (Deutschen und Franzosen) stellen, völlig sekundär. Das ist ein typisch westlicher intellektueller Luxus, der etwa den Muslimen, und was da sonst noch an Völkermassen nach Europa strömt, völlig fremd ist. Wir haben einfach keine Zeit, über dergleichen zu sinnieren, und uns dabei auch noch den schmalen Restboden unter den Füßen wegzugraben. Angesichts etwa des dieser Tage vieldiskutierten “Kampfes im Klassenzimmer” sind Benoists vermeintliche “Schlachtfeldanalysen” völlig nutzlos. Dieses überstrapazierte Gerede über das Gefüge von “Identität” vernebelt den Blick auf die wesentlichen Dinge ebenso, wie der völlig überflüssige, Gottseidank aus der Mode gekommene Begriff vom “Ethnopluralismus”.
Das frappierendste Symptom dafür, wie sehr Benoist sich inzwischen von Wiesel-Worten den Kopf hat verdrehen lassen, ist seine völlig unkritische Verwendung von Kampfvokabeln linker Provenienz: “Fremdenfeindlichkeit”, “Rassismus”, “Haß auf den Anderen”, der unvermeidliche “Skinhead” als Negativpopanz und insbesondere die Quatschphrase von der “Islamophobie”, all das sind vage Begriffe ohne exakte Definition, die in der Regel nur einseitig verwendet werden, und die bei näherer Betrachtung schnell den Sinn verlieren, in dem sie von den Linken und Liberalen benutzt werden.
Auch Benoist hat den Kardinalfehler der Rechten begangen, sich gegen den Vorwurf des “Rassismus” zu verteidigen, anstelle den Begriff selbst zu demontieren, der heute nicht mehr als ein Schlagwort und soziales Konstrukt ist (genützt hat es ihm nichts, eben deswegen weil der Scholastik des “Rassismus” keine Grenzen gesetzt sind). Nachdem sein “Heidentum” ja eher gefloppt ist, scheint es, als hätte er jegliche Hoffnung auf ein erneuertes und eigenständiges Europa aufgegeben,und sich insgeheim der “Was fällt, soll man auch noch stossen”-Fraktion der dezenten Schlüsselübergeber angeschlossen. Er soll es uns noch nicht gänzlich hoffnungslosen Widersassen dann aber nicht übel nehmen, wenn wir unsere “restlichen Tage” lieber nicht dönermampfend in Istanbul, mit einer “erneuerten kollektiven Erzählung” in der Birne “ver-leben” wollen (wenn unsere neuen Herren dann so gütig sind, es beim Mampfen zu belassen.)
Dann lieber her mit der “vieille droite”, die noch weiß, wer sie ist und wo sie steht, und die von diesem Hügel aus noch klaren Sinnes auf die gegenwärtigen und kommenden Schlachtfelder blicken kann.