Alain de Benoist unter Muslimen und Mauretaniern

Die "Mauretanier" von Hier & Jetzt haben in der neuesten Ausgabe ihrer "radikal rechten Zeitung"  den "Nouvelle Droite"-Vordenker Alain de Benoist interviewt,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

der auch in unse­rer Divi­si­on Antai­os einen ver­dien­ten Ehren­rang inne­hat.  Das Ergeb­nis fiel wie gewohnt quer­den­ke­risch aus, und war den Genos­sen von End­sta­ti­on Rechts gar eine Titel­zei­le wert: “Ich habe als Nach­barn lie­ber einen Mos­lem, der mei­ne Wer­te teilt, als einen Skin­head”, wird Benoist zitiert.

Wei­te­re von ER mit sicht­li­cher Genug­tu­ung her­aus­ge­pick­te Rosi­nen aus dem Inter­view lau­ten in vol­ler Län­ge so:

Die Frem­den­feind­lich­keit, die Isla­mo­pho­bie, der Haß auf den Ande­ren, die Phan­tas­men über einen ‚Kampf der Kul­tu­ren‘ und einen ‚kom­men­den Bür­ger­krieg‘ sind mei­nes Erach­tens die schlech­tes­te Art, sich den Pro­ble­men der Zuwan­de­rung zu stellen. (…)

Die Rech­te glaubt, daß die Iden­ti­tät eines Vol­kes etwas ist, das sich nie­mals ändert. Dabei ist in Wirk­lich­keit das Gegen­teil der Fall: die Iden­ti­tät ermög­licht es uns, uns dau­ernd zu ändern, ohne daß wir je auf­hö­ren, wir selbst zu sein. Die Iden­ti­tät ist nicht nur die Ver­gan­gen­heit. Ein Volk ist ein ‘his­to­ri­scher Weg’ (A. N. Whit­ehead), eine kol­lek­ti­ve, sich stän­dig erneu­ern­de Erzäh­lung. Zu glau­ben, daß unse­re Iden­ti­tät erhal­ten blie­be, wenn es kei­ne Zuwan­de­rer in Euro­pa gäbe, ist eine Illu­si­on. Falls es kei­ne Zuwan­de­rer in Euro­pa gäbe, wäre unse­re Iden­ti­tät eben­falls bedroht, da die Euro­pä­er heut­zu­ta­ge kom­plett unfä­hig sind, ihre Iden­ti­tät zu definieren. (…)

Die größ­te Bedro­hung ist kei­ne ande­re Iden­ti­tät, son­dern der poli­ti­sche Uni­ver­sa­lis­mus in allen sei­nen For­men, der die Volks­kul­tu­ren und unter­schied­li­chen Lebens­sti­le bedroht, und der sich anschickt, die Erde in einen homo­ge­nen Raum zu ver­wan­deln. Was nicht nur unse­re, son­dern alle Iden­ti­tä­ten zer­stört, ist die Logik des Pro­fits und des Kapi­tals, deren Trä­ger der nach­bür­ger­li­che und nach­pro­le­ta­ri­sche Tur­bo­ka­pi­ta­lis­mus ist, des­sen Aus­brei­tung zu einer Aus­trock­nung des kol­lek­ti­ven Unbe­wuß­ten mit sei­nen Arche­ty­pen und zu einer all­ge­mei­nen kul­tu­rel­len Ver­ar­mung zuguns­ten der allei­ni­gen Ver­en­gung auf die Wer­te des Mark­tes ist.

Für eine Gene­ral­kri­tik an Mon­sieur de Benoist ist hier kein Platz, nur für ein paar Bemer­kun­gen, die noch aus­zu­bau­en wären. Benoists gro­ße Stär­ke ist mei­ner Ansicht nach sei­ne Libe­ra­lis­mus­kri­tik, deren Kern und Stoß­rich­tung sich seit sei­nen frü­he­ren ins Deut­sche über­setz­ten Schrif­ten aus den sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jah­ren kaum geän­dert hat, und die ich auch im wesent­li­chen für zutref­fend halte.

In sei­ner speng­le­risch beti­tel­ten Schrift “Die ent­schei­den­den Jah­re” (Ori­en­ta­ti­ons pour des années décisi­ves) aus dem Jah­re 1982 beschrieb er Euro­pa im Griff einer Zan­ge, als deren Backen er den öst­li­chen Kom­mu­nis­mus und den west­lich-ame­ri­ka­ni­schen Libe­ral­ka­pi­ta­lis­mus nann­te. Letz­te­ren hielt Benoist für weit­aus gefähr­li­cher, denn er wür­de vor allem die See­len mor­den und kor­rum­pie­ren, wäh­rend der äuße­re Zwang der sozia­lis­ti­schen Sys­te­me die Wider­stands­kraft der Völ­ker nicht bre­chen kön­ne. Hier also “Dik­ta­tur”, dort “Unter­gang”: “Der Unter­gang ver­nich­tet aber unse­re Über­le­bens­chan­cen als Volk.”

Gegen­über solch dra­ma­ti­schen Wor­ten fiel das Schluß­bild des Büch­leins etwas anti­kli­mak­tisch aus: “Man­che kön­nen sich nicht mit dem Gedan­ken abfin­den, eines Tages die Müt­ze der Roten Armee tra­gen zu müs­sen. Wahr­lich kei­ne ange­neh­me Zukunft! Wir aber dul­den nicht den Gedan­ken, ein­mal bei Brook­lyn unse­re rest­li­chen Tage bei ham­bur­gers ver­le­ben zu müssen.”

Das ist natür­lich ein biß­chen unfrei­wil­lig komisch: Wenn man schon zwi­schen zwei Übeln zu wäh­len gezwun­gen wäre, dann also lie­ber mit der roten Müt­ze im Stech­schritt am Kreml für den Sozia­lis­mus zu mar­schie­ren, als beim McDonald’s unter Rap­mu­sik-Beschal­lung mit einer NY-Yan­kees-Cap auf dem Kopf sei­ne Cola zu schlür­fen und sei­ne Chi­cken McNug­gets® fut­tern zu müs­sen. Na schön. Die­sem Affekt ist Benoist auch treu geblie­ben, wenn er etwa im H&J-Inter­view beklagt, daß “unse­re Städ­te immer stär­ker an Los Ange­les oder New York” erin­nern, “nicht an Istan­bul oder Tunis.”

Nun, man soll­te Benoist ein­mal nach Neu­kölln, Frank­furt, Mann­heim oder Offen­bach ein­la­den, dann kann er immer noch ent­schei­den, ob ihn das Stadt­bild eher an Brook­lyn als an Istan­bul erin­nert. Aber das ist ja nicht wei­ter schlimm, oder? War ihm die “rote Müt­ze” wenigs­tens noch eini­ger­ma­ßen ein Greu­el, so scheint er nicht all­zu gro­ße Pro­ble­me bei dem Gedan­ken zu haben, sei­nen Lebens­abend even­tu­ell als gedul­de­ter Dhim­mi bei Döner und Fal­a­fel ver­brin­gen zu dür­fen, wäh­rend sei­ne Frau ein Kopf­tuch trägt und der Pari­ser Muez­zin vom Mina­rett der ehe­ma­li­gen Cathé­dra­le Not­re-Dame die pas­sen­de musi­ka­li­sche Unter­ma­lung liefert.

Dafür, daß Benoist in dem Inter­view die Rech­te anmahnt, “das Schlacht­feld zu ana­ly­sie­ren, wie es ist”, ist er sel­ber inzwi­schen erstaun­lich blind gewor­den für Front­ver­läu­fe, die vor sei­ner Nase lie­gen. Haben ihm etwa die Kra­wal­le in den Pari­ser Ban­lieues nicht gereicht, um die “Phan­tas­men” über den “kom­men­den Bür­ger­krieg” nicht all­zu phan­tas­tisch erschei­nen zu lassen?

Um aber auf die von ER hoch­ge­hal­te­ne Haupt­ro­si­ne zu spre­chen zu kom­men: Wel­cher gläu­bi­ge Mus­lim bit­te “teilt” denn “die Wer­te” aus­ge­rech­net von Alain de Benoist, der sein Leben lang gegen die “mono­the­is­ti­schen” Reli­gio­nen und den “Uni­ver­sa­lis­mus” zu Fel­de gezo­gen ist?? Ist er denn so naiv anzu­neh­men, daß er bei fort­schrei­ten­der mus­li­mi­scher Land­nah­me (die neben­bei völ­lig unab­hän­gig davon statt­fin­det, ob man den Natio­nal­staat für obso­let hält oder nicht) aus “eth­no­plu­ra­lis­ti­schen” Grün­den und um der “dif­fe­rén­ce” wil­len in Ruhe gelas­sen wird? Mir ist es bei­nah pein­lich, dies bei einem Mann von solch impo­nie­ren­der Bil­dung wie Benoist zu fra­gen, aber hat er denn einen blas­sen Schim­mer über die Natur des Islam?

Wie sehr Benoist die Lage unter­schätzt, wird etwa aus fol­gen­der Aus­sa­ge aus dem Inter­view ersichtlich:

Von dem Moment an, wo Mili­o­nen von Mus­li­men in Euro­pa woh­nen, die ja nicht alles Zuwan­de­rer sind, sehe ich nicht ein, war­um sie nicht auch ihre sakra­len Stät­ten haben sol­len. Die Juden haben ihre Syn­ago­gen, und nie­mand hat etwas dar­an auszusetzen.

Gespro­chen wie ein ech­ter Libe­ra­ler, Mon­sieur de Benoist! Schon der Alte Fritz hat ähn­lich gespro­chen. Nur, wie vie­le Mus­li­me gab es damals in Preu­ßen? Zwei Dut­zend, drei Dut­zend? Daß es in Frank­reich nur etwa 600.000 Juden gibt, die meis­ten davon völ­lig assi­mi­liert und euro­päi­scher Her­kunft und Prä­gung, dage­gen etwa 4.000 000 außer­eu­ro­päi­scher Mus­li­me ist in die­sem Ver­gleich wohl nur ein uner­heb­li­ches Detail. So spricht ein Mann, der sei­ne “Iden­ti­tät” durch Ame­ri­ka­nis­mus, McDonald’s und Super­märk­te bedroht sieht. Döner­bu­den, gekipp­te Stadt­vier­tel und in der Anzahl und archi­tek­to­ni­schen Grö­ße wach­sen­de Moscheen – kla­re Mani­fes­ta­tio­nen einer poli­ti­schen, mono­the­is­ti­schen, uni­ver­sa­lis­ti­schen Theo­lo­gie und eines poli­ti­schen Macht­wil­lens – beun­ru­hi­gen ihn offen­bar nicht. (Gün­ter Maschke in H&J 14/09: “Wir spre­chen unent­wegt von der isla­mi­schen Gefahr und ver­ges­sen dabei, daß die ande­re Backe der Zan­ge, in der Euro­pa steckt, die Ver­ei­nig­ten Staa­ten sind.”)

Benoist wei­ter:

Die Rech­te ver­mischt die Fra­ge der Zuwan­de­rung mit der des Islams – der eine Mil­li­ar­de Gläu­bi­ge welt­weit umfaßt‑, mit der Isla­mi­sie­rung – eine gerecht­fer­tig­te Reak­ti­on gegen den real­exis­tie­ren­den Mate­ria­lis­mus des Wes­tens -, mit der des Ter­ro­ris­mus – einer neu­en, nicht mehr tel­luri­schen Form des asym­me­tri­schen Krieges‑, was in der Rea­li­tät vier ver­schie­de­ne Fra­gen sind.

Nun, sind die­se Fra­gen wirk­lich so “ver­schie­den”? Oder han­delt es sich viel­mehr nicht um vier Strän­ge , die sich untrenn­bar zu ein und dem­sel­ben Pro­blem ver­floch­ten haben? Daß dies so ist, läßt sich völ­lig logisch aus­füh­ren: Ohne Zuwan­de­rung gäbe es in Euro­pa kei­nen Islam in die­ser Grö­ßen­ord­nung , und damit auch nicht die Kon­flik­te, die tag­täg­lich die Zei­tun­gen fül­len.  Die Isla­mi­sie­rung Euro­pas erfolgt ja nicht des­we­gen, weil mas­sen­wei­se Euro­pä­er aus Lei­den am geist­lo­sen Mate­ria­lis­mus kon­ver­tie­ren wür­den, son­dern weil brei­te, außer­eu­ro­päi­sche, mus­li­mi­sche Schich­ten durch Ein­wan­de­rung und demo­gra­phi­sches Wachs­tum immer mehr Raum ergrei­fen.  Ohne den Islam in unse­ren Mau­ern könn­ten wir ihn indes­sen auch ganz wun­der­bar “plu­ra­lis­tisch” dort ste­hen las­sen und respek­tie­ren, wo er zu Hau­se ist.

Der Import des Islams durch Mas­sen­zu­wan­de­rung hat schließ­lich auch zur Ver­schlep­pung des Ter­rors nach Euro­pa geführt, obwohl des­sen Gene­se, und hier ist Benoist recht zu geben, ganz woan­ders liegt, näm­lich tat­säch­lich vor allem in der ame­ri­ka­ni­schen und israe­li­schen Expan­si­ons­po­li­tik. Die Din­ge sind nun aller­dings, wie sie sind, und um Moral und nach “Recht­fer­ti­gun­gen” fragt kei­ner mehr, wenn es um die pure Selbst­ver­tei­di­gung geht.  Es ist selt­sam, daß Benoist hier die­sen Begriff der “Recht­fer­ti­gung” ins Spiel bringt, als müß­te man zur Beschrei­bung der Lage eine höhe­re, gar noch – wie der Aus­druck nahe­legt – mora­li­sche Legi­ti­ma­ti­on bemü­hen: Was Benoist hier meint, bedeu­tet ja nichts ande­res, als daß der Wes­ten auf­grund sei­ner geis­ti­gen Lee­re und sei­nes “real­exis­tie­ren­den Mate­ria­lis­mus” kei­ne Assi­mi­la­ti­ons­kraft mehr besitzt, und statt­des­sen nur Mas­sen anzieht, die haupt­säch­lich am Kuchen mit­es­sen wol­len, wenn nicht ihn sich gänz­lich unter den Nagel rei­ßen. Die Quit­tung für schwer­wie­gen­de Ver­säum­nis­se bedeu­tet aber noch lan­ge kei­ne Legi­ti­ma­ti­on. (Super­märk­te und Ein­kaufs­zen­tren gibt es übri­gens auch in isla­mi­schen Län­dern zuhauf.)

Die­se und ande­re Wirr­hei­ten Benoists kann ich mir nur dadurch erklä­ren, daß die­se gan­ze begriff­szi­se­lier­te Grü­be­lei über “Iden­ti­tät”, für die er inzwi­schen berüch­tigt ist, ihn all­mäh­lich den Wald nicht mehr vor lau­ter Bäu­men sehen läßt. Wenn Speng­ler sag­te, daß wer zuviel über Ras­se rede, kei­ne mehr habe (“Ras­se” bedeu­te­te für ihn in ers­ter Linie das “In-Form-Sein”), dann kann man mit glei­chem Recht fest­stel­len, daß, wer zuviel über “Iden­ti­tät” redet, offen­bar auch schon inner­lich ange­knab­bert ist, was sei­ne eige­nen Grund­la­gen betrifft. In einem alten Auf­satz des Staats­recht­lers Josef Isen­see aus dem Jahr 1986 fand ich die Bemerkung:

Ein Sym­ptom: das Wort Vater­land ver­schwin­det lang­sam aus dem poli­ti­schen Sprach­ge­brauch. An sei­ne Stel­le tritt eine neue, unpo­li­ti­sche Voka­bel, so hoch­abs­trakt wie die Sys­tem­theo­rie: Identität.

Dar­an muß­te ich den­ken, als Benoist sei­nem Inter­view­er Arne Schim­mer den Rat­schlag gab, man soll­te, “wenn man Poli­tik macht, von einer poli­ti­schen Defi­ni­ti­on des Vol­kes aus­ge­hen.” Benoist wirft nun stän­dig mit die­sem “hoch­abs­trak­ten” Begriff der “Iden­ti­tät” um sich, und dabei ver­ste­he ich schon lan­ge nicht mehr so rich­tig, wen er denn über­haupt meint, wenn er von “wir” (plu­ra­lis auc­to­ris?) spricht und von wel­chem Stand­punkt aus er denn nun wirk­lich argu­men­tiert. Er redet immer noch ger­ne und zu Recht von “Völ­kern”, die “durch den Libe­ra­lis­mus zugrun­de gehen”, und von “Volks­kul­tu­ren”, die vom tota­len Markt zer­stört wer­den. Aber für wel­che “Volks­kul­tur” steht er selbst denn nun wirk­lich, als Fran­zo­se, als Euro­pä­er, als “Hei­de”?

In die­ser Lage sind Benoists Beleh­run­gen über den wech­seln­den Cha­rak­ter eines “Vol­kes” (die man auf ER cha­rak­te­ris­ti­scher­wei­se als kom­plet­te Negie­rung des eth­ni­schen Ele­ments der Iden­ti­tät miß­in­ter­pre­tiert) völ­lig unbrauch­bar und nicht dabei ein­mal beson­ders neu, kühn oder erhel­lend. “Ein Volk ist ein his­to­ri­scher Weg, eine kol­lek­ti­ve, sich stän­dig erneu­ern­de Erzäh­lung”, heißt es in dem Inter­view. Wenn das nun kei­ne Über­set­zungs­un­ge­nau­ig­keit ist, so sagt er also: “Ein Volk ist … eine sich stän­dig erneu­ern­de Erzäh­lung,” oder noch ver­ein­fach­ter: “Ein Volk ist eine Erzäh­lung.” Ha. Ein­mal bit­te kurz über die­sen Satz medi­tie­ren, und man ist mit­ten im Dschun­gel der Papier­ti­ger. (Ver­glei­che Jean Ras­pail: “La France est d’abord une patrie charnel­le.”)

Wäre es nicht rich­ti­ger zu sagen, ein Volk ist eine his­to­risch gewach­se­ne Grup­pe von Men­schen mit einem bestimm­ten gemein­sa­men Gen­pool, einer gemein­sa­men Spra­che, einem gemein­sa­men Bewußt­sein über sich selbst, und einer gemein­sa­men his­to­ri­schen Erzäh­lung? Daß all dies über Jahr­hun­der­te in Bewe­gung ist, leug­net kein Mensch, aber gleich­zei­tig wird man auch ein­räu­men müs­sen, daß mas­si­ve Ein­grif­fe in den Gen­pool, die Spra­che und die Kon­ti­nui­tät des his­to­ri­schen Nar­ra­tivs ein Volk eben auch zum Ver­schwin­den brin­gen können.

Was will uns Benoist also damit sagen? Zumal die­sel­be Melo­die vom “sich wan­deln­den Volk” heu­te genau von jenen gepfif­fen wird, die in Deutsch­land von einer “bun­ten Repu­blik” schwät­zen und in Frank­reich offen die geziel­te “métis­sa­ge” als rich­tungs­wei­send pro­pa­gie­ren. Wirk­lich kei­ner­lei Iden­ti­täts­pro­ble­me an die­ser Stel­le, kei­ne bedroh­ten “Volks­kul­tu­ren”? Wer genau­er hin­sieht, wird hier unschwer (neben­bei uni­ver­sa­lis­tisch begrün­de­te) Posi­tio­nen erken­nen, die eher aus Schwä­che, Ver­le­gen­heit, Oppor­tu­nis­mus und dem Wil­len zu Kapi­tu­la­ti­on erwach­sen als aus irgend etwas ande­rem. Und nun pfeift Benoist auf dem­sel­ben Loch wie die­se ver­haß­ten “Libe­ra­len”?

Wie es auch sei: geschenkt, Mon­sieur de Benoist. Die Dis­kus­si­on dar­über, ob und wie ein Volk sich im Lau­fe der Zeit ver­än­dert, ist ange­sichts der Pro­ble­me, die sich uns (Deut­schen und Fran­zo­sen) stel­len, völ­lig sekun­där. Das ist ein typisch west­li­cher intel­lek­tu­el­ler Luxus, der etwa den Mus­li­men, und was da sonst noch an Völ­ker­mas­sen nach Euro­pa strömt, völ­lig fremd ist. Wir haben ein­fach kei­ne Zeit, über der­glei­chen zu sin­nie­ren, und uns dabei auch noch den schma­len Rest­bo­den unter den Füßen weg­zu­gra­ben. Ange­sichts etwa des die­ser Tage viel­dis­ku­tier­ten “Kamp­fes im Klas­sen­zim­mer” sind Benoists ver­meint­li­che “Schlacht­feld­ana­ly­sen” völ­lig nutz­los. Die­ses über­stra­pa­zier­te Gere­de über das Gefü­ge von “Iden­ti­tät” ver­ne­belt den Blick auf die wesent­li­chen Din­ge eben­so, wie der völ­lig über­flüs­si­ge, Gott­sei­dank aus der Mode gekom­me­ne Begriff vom “Eth­no­plu­ra­lis­mus”.

Das frap­pie­rends­te Sym­ptom dafür, wie sehr Benoist sich inzwi­schen von Wie­sel-Wor­ten den Kopf hat ver­dre­hen las­sen, ist sei­ne völ­lig unkri­ti­sche Ver­wen­dung von Kampf­vo­ka­beln lin­ker Pro­ve­ni­enz: “Frem­den­feind­lich­keit”, “Ras­sis­mus”, “Haß auf den Ande­ren”, der unver­meid­li­che “Skin­head” als Nega­tiv­po­panz und ins­be­son­de­re die Quatsch­phra­se von der “Isla­mo­pho­bie”, all das sind vage Begrif­fe ohne exak­te Defi­ni­ti­on, die in der Regel nur ein­sei­tig ver­wen­det wer­den, und die bei nähe­rer Betrach­tung schnell den Sinn ver­lie­ren, in dem sie von den Lin­ken und Libe­ra­len benutzt werden.

Auch Benoist hat den Kar­di­nal­feh­ler der Rech­ten began­gen, sich gegen den Vor­wurf des “Ras­sis­mus” zu ver­tei­di­gen, anstel­le den Begriff selbst zu demon­tie­ren, der heu­te nicht mehr als ein Schlag­wort und sozia­les Kon­strukt ist (genützt hat es ihm nichts, eben des­we­gen weil der Scho­las­tik des “Ras­sis­mus” kei­ne Gren­zen gesetzt sind). Nach­dem sein “Hei­den­tum” ja eher gefloppt ist, scheint es, als hät­te er jeg­li­che Hoff­nung auf ein erneu­er­tes und eigen­stän­di­ges Euro­pa aufgegeben,und sich ins­ge­heim der “Was fällt, soll man auch noch stossen”-Fraktion der dezen­ten Schlüs­sel­über­ge­ber ange­schlos­sen. Er soll es uns noch nicht gänz­lich hoff­nungs­lo­sen Wider­sas­sen dann aber nicht übel neh­men, wenn wir unse­re “rest­li­chen Tage” lie­ber nicht döner­m­amp­fend in Istan­bul, mit einer “erneu­er­ten kol­lek­ti­ven Erzäh­lung” in der Bir­ne  “ver-leben” wol­len (wenn unse­re neu­en Her­ren dann so gütig sind, es beim Mamp­fen zu belassen.)

Dann lie­ber her mit der “vieil­le droi­te”, die noch weiß, wer sie ist und wo sie steht, und die von die­sem Hügel aus noch kla­ren Sin­nes auf die gegen­wär­ti­gen und kom­men­den Schlacht­fel­der bli­cken kann.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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