unter den Bedingungen politisierter Wissenschaft“ besprochen. Darin kritisiert Brodkorb die sogenannte “Herrschaft des Verdachts” als Mittel politischer Auseinandersetzung.
Die Besprechung durch Eichberg hat eine besondere Pointe, handelt es sich doch bei dem heute in Dänemark lebenden Soziologen um einen Großvater der sogenannten “Neuen Rechten”. Dieser ist schon seit geraumer Zeit nach Links übergelaufen, wo er weiterhin nationale und “volkhafte” Positionen vertreten hat (z.B. in der legendären Zeitschrift wir selbst, in der auch einige Sezessionisten frühe publizistische Erfahrungen sammelten). Sein Sinneswandel wird ihm, wie man auf Wikipedia nachlesen kann, von so manchem Linken nicht geglaubt: die “Herrschaft des Verdachts” gilt weiterhin, und prompt kam es in den Kommentarspalten von Endstation Rechts zu pawlowschen Reaktionen.
Leider ist Eichbergs Besprechung voll mit ärgerlichem Unfug, wovon ein paar Punkte hier kurz kommentiert seien.
1. Brodkorb hat den “Diskurs” über die “neurechte Mimikry” mit dem antisemitischen “Diskurs” vor 1945 der Fritsch, Dühring, Rosenberg usw. über die “jüdische Mimikry” verlinkt, woraus sich eine Pointe ergibt, die Eichberg so zusammenfaßt:
Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass dieses Entlarven selbst ein klassisch rechtes, insbesondere aber ein rechtsradikales Diskursmuster darstellt. Die Rechte hat eine tiefverwurzelte Tradition, die „bösen Anderen“ zu entlarven. Den Anfang machte wohl die französische konterrevolutionäre Rechte um 1800, denen die revolutionäre und demokratische Bewegung von 1789 als Maskierung von Freimaurern, Juden und letztlich des Teufels selbst erschien. Heute setzt sich das fort bei amerikanischen Republikanern, christlichen Fundamentalisten, Tea-Party und Sarah Palin, die in Barack Obama den Kopf einer sozialistischen Verschwörung sehen. Von links her drohe der Antichrist. (Diesem US-rechtsradikalen Konspirationsdenken steht in Deutschland der Entlarvungsspezialist Clemens Heni nahe.)
Das ist eine gewagte Behauptung, wenn man sich erinnert, daß der “Entlarvungs”-Terror vor allem in sozialistischen Ländern und insbesondere der stalinistischen Sowjetunion zum (von George Orwell zwiefach verarbeiteten) “Klassiker” wurde, wo er Qualitäten erreichte, die seither allenfalls von Pol Pots Kambodscha getoppt wurden. Nun zweifelt Eichberg daran, ob der Stalinismus denn überhaupt etwas “Linkes” sei, und schlägt hier eine alte Strategie der Linken ein, alles, was am Sozialismus mißlungen ist, durch die Hintertür kommenden rechten Prinzipien zuzuschlagen.
Dagegen ist die konservative Position, daß die Urmutter dieses “Diskurses” im Jakobiner-“Terreur” von 1792ff zu suchen ist. Diese hat freilich ihre Vorläufer in den Praktiken der Inquisition und Hexenverfolgung.
Was die USA betrifft, so ist die amerikanische Linke randvoll mit Verdachtsrhetorik, die sich bei ihr stets um einen wirklichen oder einen angenommenen “Rassismus” dreht. Das ist die hauptsächliche Keule, mit der in den USA jeder politische Opponent plattgemacht wird, insbesondere wenn Obama im Spiel ist. Amerikanische “liberals” (in unserem Sprachgebrauch: Linke) tendieren dazu, hinter jedem forscheren Republikaner und der Tea-Party insgesamt den Ku-Klux-Klan traben zu sehen. Als unlängst eine demokratische Kongreßabgeordnete von einem Geisteskranken niedergeschossen wurde, hatte die linke Presse ziemlich schnell Sarah Palin und die Rechte überhaupt als “indirekte” Schuldige ausgemacht, weil sie ein “Klima des Hasses” erzeugen würden. Auch sonst sind ihr Ängste vor weißen, kapitalistischen Dunkelmännern nicht fremd. Und zu Bush-Zeiten waren es die Linken, die einen neuen totalitären Faschismus in Gestalt der “New World Order” kommen sahen, ganz so wie sich die Gegenseite jetzt vor dem “Sozialismus” Obamas fürchtet.
2. ist Eichberg der Ansicht,
… die Rechte – und zwar die Rechte insgesamt, nicht nur die Rechtsradikalen – (neige) dazu, Verschwörungen anzunehmen und also zu „entlarven“. Die bürgerliche Extremismusforschung steht als Entlarvungswissenschaft der epistemologischen Paranoia nahe.
Die Linke hat im Kontrast dazu eher eine habituelle Nähe zur Kritik. Statt zu entlarven, übt sie Kritik an Verhältnissen und Strukturen.
Ich habe keine Ahnung, wie das in Dänemark ist: aber in Deutschland sind heute eindeutig die Linken die “Entlarver”, und die Rechten diejenigen, fast die einzigen, die eine echte “Kritik an Verhältnissen und Strukturen üben”. Wie auch anders, wenn die “herrschenden Diskurse” immer noch überwiegend von Links und nach linken Spiel- und Sprachregeln geführt werden, auch wenn sich das seit Sarrazin langsam ändert.
Man könnte vielleicht sagen: wer das Bestehende verteidigt, neigt zum “entlarven”, wer es attackiert, neigt zum “kritisieren”.
Weiters wäre zu präzisieren, daß die Linke eine “habituelle Nähe” eher zum “Habitus des Kritischen” hat, was eben auch ihr hartnäckiges Selbstbild konstituiert, das sich auch noch im Zustand des absoluten Konformismus hält. So sehen sich Linke auch dann noch als Widerständler und Rebellen, wenn sie längst schon an der Spitze des Establishments sitzen und Andersdenkende verfolgen. “Kritik” als prinzipielle Haltung kann dann auch zum Selbstzweck werden, besonders wenn sie aus einer abstrakten Ortlosigkeit schöpft. Dieser “Habitus des Kritischen” läßt sich indessen vorzüglich mit der “Entlarver”-Pose verbinden.
3. These:
Kritische Diskursanalyse ist also etwas anderes als jene klassische „Ideologiekritik“, die inzwischen selbst unter Ideologieverdacht geraten ist, und dies zu Recht. Diskursanalyse ist eine Kritikmethode, der es vor allem um dreierlei geht: um begriffsgeschichtliche Herleitung, um den Vergleich von Diskursen und um das Finden von Mustern.
Aber: bloß, weil man meint, einen “Diskurs” oder ein “Muster” aufgespürt zu haben, hat man noch keine Aussage über seine Legitimität und seine Entsprechungen in der Wirklichkeit getätigt. Das scheint mir in der Besprechung nicht so recht herauszukommen. Irgendwann sieht man vor lauter “Diskurs”-Bäumen den Wald nicht mehr. Es gibt auch einen berechtigten “Verdacht”, weil es auch Verschwörungen, Verrat, bewußte Mimikry, Infiltrierung, Spionage, Unterwanderung und so weiter tatsächlich gibt. Das wäre von paranoischen Überwucherungen und Verallgemeinerungen zu trennen.
Ansonsten kann man leicht der Vorstellung verfallen, eine bloße Analogie wäre schon ausreichend, um eine Sache durch eine andere zu erledigen. Damit wäre man schnell bei jenem schematischen Wenn-Dann-Denken angelangt, das auch Mathias Brodkorb so gerne pflegt (und das ist durchaus “habituell links”). So kann man z.B. annehmen: weil der neue “Diskurs” über die Moslems diese und jene Ähnlichkeit mit dem alten “Diskurs” über die Juden hat, muß für diesen auch zutreffen, was man heute allgemein über jenen denkt. Das war im Grunde Kern der Debatte zwischen Clemens Heni und Wolfgang Benz.
Eichberg nennt noch ein Beispiel: Wenn die Antisemiten alter Schule den Juden “Unproduktivität” und “Parasitentum” vorwarfen, dann ähnle das Thilo Sarrazins Behauptung “deutsche Unterschichten, unerwünschte Einwanderer und insbesondere Moslems seien unproduktiv und müssten durch die Produktivität der weißen Mittelklasse-Normaldeutschen durchgefüttert werden.” Und schwupp, wie mit dem Zauberstab angerührt, ist Sarrazins Argument diskreditiert, weil als “Diskursmuster” – entlarvt.