Post-rassischer Sozialismus

Auffallend geringes Medienecho fand in der deutschen Presse der  bisher größte konservative Protestmarsch in Washington, gerichtet gegen Barack Obamas Gesundheitsreform.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Immer­hin sol­len bis zu 75,000 Men­schen dar­an teil­ge­nom­men haben – ande­re Schät­zun­gen spre­chen gar von der zehn­fa­chen Zahl.  Die Demons­tra­ti­on war der bis­he­ri­ge Höhe­punkt der “Tea Party”-Protestaktionen, die seit April die­ses Jah­res am Lau­fen sind.

Der Name der losen Grup­pie­rung hat tra­di­ti­ons­rei­che Bezü­ge , steht aber auch als Kür­zel für “Taxes Enough Alre­a­dy” (Schon genug Steuern”).

Die Demons­tran­ten ver­zier­ten Oba­ma-Bil­der mit Haken­kreu­zen, Hit­ler­bär­ten, Che-Gue­va­ra-Müt­zen und Sowjet­sym­bo­len, warn­ten vor “Staats­so­zia­lis­mus” und Steu­er­erhö­hun­gen.  Unter den Paro­len: “It’s 1939 Ger­ma­ny all over again!” “Socia­li­zed Health does­n’t work.” “Oba­mu­nism.”  “Hide our Check­book!” “Oba­mac­a­re is elder­ly Geno­ci­de!” “Stop ens­la­ving my kids.” “Socia­lism is not freedom.”

Für den Kor­re­spon­den­ten der Süd­deut­schen Zei­tung ist das ein Beweis: “Das post-ras­sis­ti­sche Zeit­al­ter ist noch fern.” Der “abgrund­tie­fe Haß”, der dem Prä­si­den­ten ent­ge­gen­schla­ge, sei ver­mut­lich Zei­chen eines nicht über­wun­de­nen “Ras­sis­mus”. Ähn­lich bewer­tet die FAZ die Lage.  Kurz nach den Pro­tes­ten hat­te sich Ex-Prä­si­dent Jim­my Car­ter zu Wort gemel­det und in das­sel­be Horn gestos­sen: “Ich glau­be, daß die inten­siv zur Schau gestell­te Feind­se­lig­keit gegen Prä­si­dent Barack Oba­ma zu einem über­wäl­ti­gen­den Anteil auf der Tat­sa­che beruht, daß er ein Schwar­zer ist.” Und der berüch­tig­te Rever­end Jere­mi­ah Wright jr., Oba­mas ver­stos­se­ner Ex-Guru, äußer­te: “Die ras­sis­ti­sche Rech­te ist wütend, weil armen Leu­ten nun gehol­fen wer­den soll.”

Die dar­an anschlie­ßen­de Sze­ne auf Fox-News zwi­schen einer (blon­den, hell­häu­ti­gen) Mode­ra­to­rin  und einem (far­bi­gen) Professor:

MARC LAMONT HILL, Ph. D.:  Ich den­ke, daß Rever­end Wright abso­lut Recht hat, daß das The­ma Ras­se und Armut in den Dis­kurs über die Gesund­heits­re­form auf­ge­nom­men wer­den muß.
MODERATORIN:  Das hat er nicht gesagt, er hat gesagt, daß rei­che Leu­te ver­är­gert sind, weil armen Leu­ten gehol­fen wer­den soll. Wie kann er bloß so eine Aus­sa­ge machen?
HILL:  Die tie­fer­ge­hen­de Fra­ge ist doch: was bedeu­tet es, wenn alle Ame­ri­ka­ner Zugang zu Kran­ken­ver­si­che­run­gen haben? Und die Leu­te, die hier geop­fert wer­den müs­sen, sind eben zu einem gewis­sen Anteil die Wohl­ha­ben­den. Ich weiß nicht, ob sie Ras­sis­ten sind, ich wür­de sie nicht als ras­sis­tisch bezeichnen…
M:  Aber er schon!
HILL: Da stim­me ich ihm nicht unbe­dingt zu. Aber grund­sätz­lich gibt es ein Ras­sen- und Klas­sen­pro­blem, und da hat er Recht.

Wenn man sich nun Vide­os vom Pro­test­marsch der “Tea Party”-Aktivisten ansieht, dann springt ins Auge, daß sich die Demons­tra­ti­on aus wohl min­des­tens 99% Wei­ßen zusam­men­setzt. Das gilt auch für die ande­ren “Anti-Healthcare”-Proteste, von denen Vide­os im Netz kur­sie­ren. Ande­rer­seits scheint es, daß die Schwar­zen sich gene­rell kaum an den Demons­tra­tio­nen betei­li­gen. Eine Stich­pro­be von einer “Pro-Healthcare”-Demo in Phoe­nix zeigt kaum ein Vier­tel Schwar­ze unter den Demonstranten.

Was sich hier all­mäh­lich zuspitzt, ist mit dem Schlag­wort “Ras­sis­mus”, oder der simp­len Fra­ge “Ist das Ras­sis­mus, Ja oder Nein?” längst nicht mehr zu fas­sen.  “Ras­sis­mus” ist in den USA media­ler Dau­er­bren­ner. Kri­tik an Barack Oba­ma wird inzwi­schen rou­ti­ne­mä­ßig als “ras­sis­tisch” oder “latent ras­sis­tisch” abge­wehrt, was nicht sel­ten hys­te­ri­sche Aus­ma­ße annimmt. Der jüngs­te Zwi­schen­fall betraf den aus dem Süden stam­men­den Kon­greß­ab­ge­ord­ne­ten Joe Wil­son, der Oba­ma offen die Wor­te “You lie!” an den Kopf gewor­fen hat­te. Die Medi­en iden­ti­fi­zier­ten die­sen Aus­bruch sofort als “ras­sis­tisch”, und ein far­bi­ger Kon­greß­ab­ge­ord­ne­ter ver­kün­de­te, wenn Wil­son nicht dis­zi­pli­niert wer­de, wür­den bald die “wei­ßen Kapu­zen durch das Land rei­ten.” Eine Kolum­nis­tin der New York Times stell­te nur auf­grund die­ser bei­den Wor­te fest, daß “es man­che nie­mals akzep­tie­ren wer­den, daß ein Schwar­zer Prä­si­dent ist” und glaub­te den “unaus­ge­spro­che­nen” Zusatz “You lie, boy!” gehört zu haben.

Unaus­ge­spro­che­ne, allen­falls auf ein paar Blogs geäu­ßer­te Gedan­ken, lagen aller­dings auch in der Luft, als bei der Ver­lei­hung eines MTV-Prei­ses an die (blon­de, hell­häu­ti­ge) Coun­try-Sän­ge­rin Tay­lor Swift  der (far­bi­ge) Rap­per Kanye West arro­gant das Mikro an sich riß, um zu ver­kün­den, daß die (far­bi­ge) Sän­ge­rin Bey­on­cé “eines der bes­ten Vide­os aller Zei­ten abge­lie­fert” habe. Prä­si­dent Oba­ma nann­te dar­auf­hin West einen “Idio­ten”. Wie­so fühlt sich der US-Prä­si­dent eigent­lich bemü­ßigt, sich zu einem sol­chen Vor­fall unter Pop­stars zu äußern?

Bekannt­lich haben vol­le 96% aller schwar­zen (und 43% aller wei­ßen) Wäh­ler für Oba­ma gestimmt. Wäh­rend sei­ne wei­ße Anhän­ger­schaft aller­dings rapi­de im Sin­ken begrif­fen ist, steht die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der Schwar­zen immer noch hin­ter ihrem Prä­si­den­ten.  In dem bril­lan­ten “paläo­kon­ser­va­ti­ven” Online-Maga­zin Taki­mag ver­neint Pat Buchanan einen “ras­sis­ti­schen” Hin­ter­grund von Oba­mas Popularitätsverlust:

Vor sechs Mona­ten betrug Oba­mas Zustim­mungs­ra­te 70 Prozent.
Ist sie nun auf 50 gesun­ken, weil Mil­lio­nen Ame­ri­ka­ner plötz­lich ent­deckt haben, daß Oba­ma schwarz ist?

Und nun der wesent­li­che Punkt:

Barack hat die Stim­me der Afro-Ame­ri­ka­ner im Ver­hält­nis 24:1 gewon­nen. Aber er hat unter Wei­ßen bes­ser abge­schnit­ten als der Süd­staat­ler Al Gore oder als John Ker­ry. Ein Grund dafür ist nach Ansicht der Mei­nungs­exper­ten, daß vie­le Wei­ße dach­ten, ein schwar­zer Prä­si­dent wür­de uns end­lich aus der Sack­gas­se der Ras­sen­po­li­tik hin­aus­füh­ren. Barack Oba­ma wäre ein “post-ras­si­scher (post-racial) Prä­si­dent”.

Es ist nun wohl nicht nur die Ver­un­si­che­rung durch die Wirt­schafts­kri­se, die den Zorn gegen Oba­ma und sei­ne Reform­plä­ne aus­ge­löst hat.  Der oben zitier­te Marc Lamont Hill hat­te durch­aus recht, daß hier noch tie­fer­rei­chen­de Ras­sen- und Klas­sen­pro­ble­me hin­ein­spie­len. Wäh­rend sich die wei­ßen Wäh­ler näm­lich ein Ende der Ras­sen­fra­ge und ihre Über­füh­rung in einen “post­ras­si­schen” Zustand erhofft hat­ten, sahen und sehen die Far­bi­gen in Oba­ma viel­mehr einen der ihren, der ihrer Ras­se in den USA inge­samt zu mehr Macht und Sta­tus ver­hel­fen wür­de.  Wer die US-Medi­en von den gro­ßen TV-Sen­dern bis zu den poli­ti­schen Blogs, in denen die ras­se­be­zo­ge­nen The­men wuchern, in den letz­ten Mona­ten ver­folgt hat, wird mer­ken, daß die Stim­mung in den USA eher “hyper-” als “post-ras­sisch” ist, mit stei­gen­der Tendenz.

Die über­wie­gen­de Mehr­heit der “Tea Party”-Demonstranten ist wohl nicht direkt “ras­sis­tisch” moti­viert. Die Pola­ri­sie­rung zwi­schen Schwarz und Weiß, die hier über dem Gesund­heits­re­form-Streit ange­heizt wird, hat jedoch ihre guten Grün­de. Es sind weni­ger die “Rei­chen” als eine brei­te wei­ße Mit­tel­schicht, die Angst davor hat, für Mise­ren zur Kas­se gebe­ten zu wer­den, die sie nicht ver­schul­det hat.

Ein signi­fi­kan­ter Pro­zent­satz der Men­schen, die kei­ne Kran­ken­ver­si­che­rung haben, ist his­pa­nisch ( 41,5 %) oder schwarz (19,9%).  Die Armuts­ra­te unter Schwar­zen beträgt über 40%, ganz zu schwei­gen von der Ver­bre­chens­ra­te. Eine von der New York Times ver­öf­fent­lich­te Sta­ti­sik zeigt, daß rund 60% aller pro Jahr began­ge­nen Mor­de in New York von Schwar­zen (Bevöl­ke­rungs­an­teil: 26%) ver­übt wer­den, rund 30 % von His­pa­nics. Die Opfer­quo­te unter Schwar­zen beträgt eben­falls im Schnitt 60 %.

All das sind Pro­ble­me, die längst nicht mehr der “Unter­drü­ckung” durch die Wei­ßen in die Schu­he gescho­ben wer­den kön­nen. Wer dar­über noch Illu­sio­nen hegt, soll­te sich die­sen Bericht eines links­li­be­ra­len Leh­rers zu Gemü­te füh­ren: “What it’s Like to Teach Black Students.”

Oder auch die­ses Inter­view, das in der Süd­deut­schen Zei­tung erschie­nen ist:

SZ: Sie glau­ben nicht, dass die Kin­der in der Schu­le mehr arbei­ten, weil sie ein Vor­bild im Wei­ßen Haus haben? Sind das also nai­ve Träume?
SHELBY STEELE: Ich fürch­te, es sind euro­päi­sche Träu­me­rei­en. In den Sech­zi­gern kam die Idee des Rol­len­mo­dells auf. Schwar­ze Kin­der ver­sag­ten, weil sie kei­ne schwar­zen Leh­rer hat­ten. Nun, wir haben schwar­ze Leh­rer bekom­men und schwar­ze Kin­der  ver­sa­gen immer noch.
Dann hieß es, es liegt dar­an, dass wir  kei­ne schwar­zen Bür­ger­meis­ter haben. Wir haben schwar­ze Bür­ger­meis­ter in jeder grö­ße­ren Stadt bekom­men, die Groß­stadt­schu­len schnei­den schlech­ter ab als je zuvor, und die Prü­fungs­er­geb­nis­se schwar­zer Schü­ler fal­len immer mehr ab.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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