teil. Der Kongreß ist seit langem geplant und hat durch die Moschee-Besetzung der Gruppe “Génération Identitaire” eine besondere, geradezu elektrisierende Aufladung erfahren. Wir fahren dorthin, um das Auftreten, die Organisationsform, die Dynamik und die Stoßrichtung des “Bloc” kennenzulernen und an dem abzugleichen, was wir in Deutschland machen und noch machen könnten.
Was kennen wir aus Deutschland? Wir kennen rechte, konservative Theoriearbeit an und Debattenbeiträge über viele Aspekte, die nun von den “Identitären” aufgegriffen und zunächst einmal entschieden worden sind – entschieden nicht durch einen abschließenden, brillanten Denk-Beitrag, sondern durch eine Aktion, eine Feinderklärung und ein paar Bilder, Symbole und Schlüsselszenen. Martin Lichtmesz hat darüber ausführlich geschrieben.
In manchem ähneln sich der “Bloc Identitaire” und die “Casa Pound” aus Italien, über die wir eine frühe, sehr inspirierende Berichterstattung veröffentlichten. Dieses Gramscistische Konzept einer kulturellen, metapolitischen Eroberung des vorpolitischen Raumes ist seither zum Vorbild für nachahmende, je eigenständige Ausformungen in anderen Ländern geworden – wieder und erneut, muß man sagen, denn Gramsci taucht alle paar Jahre als Theoretiker eines Krieges um die Köpfe auf und gerät dort wieder aus der Mode, wo man aufgrund einer bestimmten Konsolidierung und Annäherung an bürgerliche Milieus Abstand zum “geistigen Bürgerkrieg” gewinnen will.
Jedenfalls – und das halten wir für das Entscheidende – haben wir es bei diesen Projekten vor allem mit Aktionsbündnissen zu tun, mit “Blöcken”, denen die Theoriearbeit und das Publizieren nur noch in Verbindung mit der direkten Aktion schmeckt. Den Grund dafür sprechen sie offen aus: “Reden spaltet, Aktion verbindet.”
Im Grunde sind derlei unhintergehbare Setzungen Machtdemonstrationen: nach Innen, weil die Kritiker und Haarspalter dort ruhighalten, w0 die Intensität der Ereignisse nur die Wahl zwischen Dabei oder Abseits läßt. Denn:
Hüten wir uns davor, die Wirkung des geschriebenen Worts, des luziden Gedankens, der Aufklärung zu überschätzen. Selbst wenn es sich nicht um das unerhörte und ungehörte Wissen von uns Wenigen handelte, sondern um Kenntnisse, die an Lehrstühlen erarbeitet und über ganze Semester ausgekippt würden: Was wäre all dieses Wissen gegen die eine Tat, die das, was man bloß wußte, verdichtet und übersetzt und mit einer Überzeugungskraft auflädt, die die Lektüre einer halben Bibliothek überflüssig macht!
Verbrämen wir niemals unsere lehrreichen Versammlungen und Gespräche: Sie gleichen dem Bau eines Museums, wenn sie nicht zum Bekenntnis und zur Tat beflügeln. Irgendeiner muß doch den Speer ein Stückchen weiterschleudern. Jeder muß doch dort, wo er steht, daran festhalten, daß es auch einen anderen Blick auf die Dinge gibt, eine rechte Sicht, und eine Art sich zu bewegen und überhaupt zu leben, die dazu paßt.
Das schrieb ich vor Jahren, als wir die “konservativ-subversive aktion”, die ksa, aus der Taufe hoben. Für unsere beste Aktion (die vor dem Wandbild Benjamin Jahn Zschockes in Chemnitz) bezahlten wir teuer. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die namhaft gemachten Protagonisten der “Génération Identitaire” für ihre Moschee-Besetzung ungeschoren davonkommen. Aber ganz egal, wie es ausgeht: Was wäre denn die Alternative? Hinterzimmer-Spott, Verzweiflung und Häme, Resignation, Zynismus, Abwendung oder eine dauernde Denk‑, Wahrnehmungs- und Äußerungsbremse, was nichts anderes ist als die beste Voraussetzung für eine parteipolitische Karriere?
Es blieb und bleibt immer die Möglichkeit, ein Spur zu hinterlassen. Verdichtet: Es bleibt die Möglichkeit zur politische Aktion, zur Provokation, die uns zunächst nicht mehr verspricht als die Zusammenballung in einem Moment des Formungsvermögens.
Das ist es: Form, Formgebung, granitene Setzung als das, was ideell und geistig noch möglich ist, weil ansonsten in einer Massengesellschaft nichts mehr möglich ist. Und weil wir das einmal begriffen haben, ist der „jähe Sinn“ der politischen Aktion so elektrisierend: Er ist nur zu verstehen, wenn wir ihn uns als größtmöglichen Gegensatz zum sonstigen Zustand einer umfassenden Sinnlosigkeit vorstellen, wenn wir also nach diesem aufblitzenden Sinn hungern.
Das ist jetzt gut fünf Jahre her, daß ich das schrieb, und ich freue mich darüber, daß mein kaplaken, die Provokation, unter den jüngeren Lesern und Aktivisten Verbreitung gefunden hat. Die ksa war der Umsetzungsversuch solcher Überlegungen und einer gezeitenartigen Unzufriedenheit mit einem Leben als Verleger und Publizist. Vielleicht ist es typisch deutsch und typisch konservativ, die erruptive Kraft solcher Aktionen in etwas münden zu lassen, das Bestand hat.
Dies kann aber nicht nur Verlagsarbeit sein. Ich unterschreibe blind (und nach der Erfahrung mit dem “zwischentag” umso mehr) den Grundsatz, daß Aktion verbindet, während das Theoretisieren trennend wirkt. Ich sehe den zwischentag als eine uns gemäße Form der Besetzung öffentlichen Raumes an, der intensiven Einbindung eigentlich disparater Projekte für einen Tag und unter einem Dach. Auch das ist zweifellos eine Setzung.
Aber es juckt uns doch in den Fingern, wenn wir nach Portiers blicken. Auch deshalb fahren Martin und ich nach Orange.
E.
Richtig Herr Kubitschek, auch ich vermisse einen ansprechenden Aktionismus der konservativen Rechten. Jedoch ist die ganze Sache nun mal abhängig vom vorhandenen Personal, und da haben die Italiener sowie die Franzosen eindeutig den Vorteil auf ihrer Seite. So kennen wir in der Tat die rechte, konservative Theoriearbeit in Deutschland - Aktionismus nach dem Vorbild von „Bloc Identitaire“ und „Casa Pound“ kennen wir hier hingegen nicht. Einzelbeispiele ausgeklammert. Einer der entscheidenden Gründe dafür ist meines Erachtens nach, dass die beiden benannten Gruppen in anderen Gewässern ihre Anhängerschaft rekrutieren und zudem wissen, wie man sich interessant macht und ansprechend auf die Jugend wirkt. So wird bei „Casa Pound“ in Italien bspw. keine antiquierte Burschschaftsromantik zelebriert, sondern man versucht sich im hier und jetzt einzurichten, ohne jedoch die Geschichte aus den Augen zu verlieren. Man bindet Menschen zudem wesentlich intensiver durch gemeinsame Aktivitäten, Aktivitäten außerhalb der Theoriearbeit, wie z. B. durch Sport, Musik, Ausflüge, pol. Aktionen etc. Zudem beherrschen die Italiener den schwierigen Spagat Theoretiker und Praktiker in ihren Reihen zu vereinen. Im konservativen Milieu hingegen gibt es kaum handfeste Praktiker, aus diesem Grund beschränkt sich die Aktivität auch vornehmlich auf Theoriearbeit.