Subversives aus Chemnitz

Der Versuch, Benjamin Jahn Zschockes Wandgemälde in Chemnitz vor der Übermalung zu retten, war die 4...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

kon­ser­va­tiv-sub­ver­si­ve akti­on (ksa). Was gibt es zu berich­ten? Zur Cau­sa “Wand­bild” ist alles gesagt, ganz ekel­haft ist der Brief, den Zscho­cke vor ein paar Tagen erhielt, und in dem Bür­ger­meis­ter Bert­hold Brehm ihm nicht mit­teil­te, daß man als Rech­ter auch in Chem­nitz nicht ein­fach so eine Wand voll­pin­seln darf. Viel­mehr erfuhr Zscho­cke, daß die Stadt von kei­nem Bild wuß­te und nun im Nach­hin­ein kei­ne bun­ten Tür­me auf ihrer Beton­wand dul­den möch­te. Dan­ke fürs Gespräch.

Heu­te also vor Ort: Felix Men­zel (blauenarzisse.de) seit 1.00 Uhr nachts, das Gebäu­de im Blick, aber irgend­wie ist klar, daß die bra­ven Hand­wer­ker mit dem Farb­kü­bel erst so um sie­ben anrü­cken wer­den. Wir andern sam­meln uns in Leip­zig, dann in Chem­nitz und tref­fen gegen fünf Uhr ein. Im Kof­fer­raum: Holz und Kar­tons und Palet­ten und Ben­zin für ein Feu­er auf dem Platz vor der Schu­le. Wir wol­len ein paar Bücher ver­bren­nen, unse­re eige­nen natür­lich, vor allem Sezes­si­on mit dem Bild­teil über das Wand­ge­mäl­de und ein paar Blaue Nar­zis­sen, deren Titel­bild von Zscho­cke gestal­tet wur­de.

Rund­gang um die Schu­le, mal hier gedrückt, mal dort gerüt­telt, und plötz­lich geht ein Fens­ter auf. Felix, ich und noch einer stei­gen ein, ste­hen vor dem Gemäl­de, rücken Tische, ver­bar­ri­ka­die­ren die ein­zi­ge Tür der Men­sa. Im Raum: ein Kaf­fee­au­to­mat, ein paar Salz­streu­er, ein Kopie­rer und das Mate­ri­al, mit dem das Bild ver­hüllt war – Stoff und Papierbahnen.

Im Flur geht das Licht an. Ein Zivil­be­am­ter führt die Mal­ertrup­pe her­an, drei Maler sind es, sie tra­gen eine Lei­ter, ein paar Abrol­ler, einen lan­gen Pin­sel (für die Ecken) und ein paar Eimer mit Far­be und Was­ser. Sie gucken, rüt­teln, lachen (bloß der Beam­te nicht) und gehen wie­der. Wir öff­nen die Tür und erbeu­ten den Malerkram.

Eine Sekre­tä­rin geht oben durch den Flur. Von drau­ßen kommt die Nach­richt, daß die Poli­zei ein­ge­trof­fen sei. Es dau­ert. Dann stei­gen zwei Beam­te die Trep­pe her­un­ter zur Men­sa. Sie schau­en und rüt­teln und gehen wie­der. Bei­de haben Bäu­che, die sich unter ihrem gelb­lich-brau­nen Hemd ziem­lich weit über den Gür­tel wöl­ben. Der Hemd­stoff ist so dünn, daß man in den Brust­ta­schen die Ziga­ret­ten­päck­chen erken­nen kann: der eine raucht Camel, der ande­re F6.

Jetzt pas­siert ganz lan­ge nichts. Felix ruft drau­ßen an und ver­langt einen Poli­zei­psy­cho­lo­gen und Kaf­fee. Bei­des wird uns ver­wei­gert. Wäh­rend wir war­ten, malen wir uns aus, wie wir alles ganz  toll hät­ten insze­nie­ren kön­nen: bei­spiels­wei­se auch als Maler ver­klei­det oder als NVA-Sol­da­ten oder als Polizeipsychologen.

Dann geht alles ganz schnell: Zehn Mann pflan­zen sich vor der Tür auf, sie tra­gen schwar­ze Leder­hand­schu­he und Brust­pan­zer. Wir rufen abwech­selnd: “Das ist Kunst” und “Kei­ne Gewalt gegen Bil­der”. Aber es hilft alles nichts. Die Poli­zis­ten (die bis auf zwei jün­ge­re) alle eine Wam­pe haben, legen sich ins Gewicht und zer­ren die Tür auf. Es split­tert ein Besen­stil, und dann schwär­men sie aus und neh­men uns gefan­gen und fes­seln uns die Hän­de mit Hand­schel­len und Kabel­bin­dern auf den Rücken. Wir müs­sen auf dem Bauch lie­gen und schwö­ren, daß wir kei­ne Maschi­nen­ge­weh­re bei uns tragen.

Weil wir schwö­ren, wer­den wir nicht durch­sucht, son­dern ein­zeln in Poli­zei­fahr­zeu­ge geschleppt. Wäh­rend ich ein­stei­ge, hält mir ein Poli­zist schüt­zend die Hand über den Schä­del, damit ich mich nicht am Tür­rah­men ver­let­ze. Ich bin ihm sehr dank­bar, obwohl mich dabei sein Bauch berührt.

Wäh­rend ich lan­ge im Wagen sit­ze, tele­fo­nie­re ich mit Erik Leh­nert, einem Jour­na­lis­ten, einem Foto­gra­fen und mei­ner Liebs­ten: Ich habe das Han­dy in der hin­te­ren Hosen­ta­sche und kann es auch gefes­selt bedie­nen. Obwohl ich zwei­mal gefragt wer­de, fällt mir kein Rechts­an­walt ein, den ich so früh stö­ren möchte.

Dann fah­ren wir ins Revier. Es reg­net, dann schüt­tet es. Wir par­ken weit vor dem Gebäu­de, und alle Poli­zis­ten ren­nen durch den Regen unters Dach, man­che krei­schen dabei (wirk­lich!). Unter­wegs denkt einer an mich und dreht sich um. Aber ich ren­ne nicht, man soll ja als Kon­ser­va­ti­ver noch nicht ein­mal ren­nen, wenn man Gefahr läuft, den Bus zu ver­pas­sen (13. Regel des Kon­ser­va­ti­ven Katech­si­mus). Ich möch­te der Situa­ti­on ange­mes­sen ernst blei­ben, aber den Poli­zis­ten klebt das nas­se gel­be Hemd an den Bäu­chen, und das wird unauf­halt­sam zum beherr­schen­den Bild der nächs­ten Stun­de. Denn so lan­ge war­ten wir, jeder bewacht von zwei Poli­zis­ten, bis eine Kol­le­gin von ihnen die Aus­wei­se kopiert und uns wie­der aus­ge­hän­digt hat.

Unter­des­sen unter­hal­te ich mich mit einem klu­gen Wacht­meis­ter über die ethi­schen Gren­zen poli­zei­li­cher Loya­li­tät und über das rech­te Maß beim Über­ma­len von Wand­bil­dern in berufs­bil­den­den Schu­len. Wir fin­den nicht zuein­an­der, und als ich fra­ge, ob er mein Poli­zei­psy­cho­lo­ge sei, ant­wor­tet er: “Ja, wenn Sie das möch­ten.” Ich sage, daß ich sehr wohl zwi­schen BRD und DDR unter­schei­den kön­ne, und ich sage es (und mei­ne es) sehr ernst, und er ist erleichtert.

Danach: Abgleich der Per­so­na­li­en, Fra­gen zum Tat­her­gang, War­nung, noch­mals das Schul­ge­län­de zu betre­ten, und Aus­sicht auf ein Ver­fah­ren wegen Haus­frie­dens­bruchs. Wer­den sehen.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.