insbesondere der “Diskursanalyse” einiges steckt, das auch im Kampf gegen die “politische Korrektheit” von erheblichem Nutzen sein kann. Und nicht nur das: Ein Kommentator merkte an, daß der „Dekonstruktivismus“ theoretisch einem “radikalen Dezisionismus des Einzelnen sowie beliebiger Gruppen Tür und Tor” öffnen könne.
Einen ähnlichen Eindruck hatte schon Armin Mohler, der in den Achtziger Jahren im damaligen konservativen Zentralorgan Criticón regelmäßig über das “wilde Denken” französischer Postmoderner wie Derrida, Lyotard oder Clément Rosset berichtete, die ihm als legitime Erben Nietzsches und Schopenhauers erschienen.
In einem Interview (abgedruckt in dem leider vergriffenen Antaios-Band “Das Gespräch”), antwortete Mohler auf die Frage, warum denn die “Sinnfindung des Menschen” erst “durch nationales Selbstbewußtsein” ermöglicht werde, überraschend lapidar: “Weil wir es sagen.” Man mag darin in der Tat eine “dezisionistische”, “postmoderne” “Setzung” erkennen.
Der “Postmodernismus” hat auch eine stattliche Anzahl von scharfen Medienkritikern hervorgebracht, wie Paul Virilio, Jean Baudrillard (der als einer der ersten seiner Sparte in dem Essay “Die göttliche Linke” mit den “68ern” abgerechnet hat) und Guy Debord. Debords geniales und immer noch bedeutendes Hauptwerk “Die Gesellschaft des Spektakels” (1967) eignet sich unter anderem hervorragend als Gegengift zum laufenden “NSU”-Medienspuk und anderen “skandalokratischen” Hydraköpfen.
“Spektakel” bezeichnet eine Welt, die nur mehr aus wirtschaftlichen/kulturellen/politischen Kulissen und Inszenierungen besteht (Botho Strauß nennt sie die “sekundäre”), die alles und jedes zur “Ware” erklärt, und den einzelnen Menschen zum entwurzelten Konsumenten reduziert, dessen Existenz zunehmend von Surrogaten bestimmt wird. Von Debord führt eine direkte Linie zur Kulturkritik von Michel Houellebeq (“Ausweitung der Kampfzone”), Chuck Palahniuk (“Fight Club”), Giorgio Agamben (“Ausnahmezustand”, “Der Mensch ohne Inhalt”) und des französischen Autorenkollektivs “Tiqqun” (“Der kommende Aufstand”, “Anleitung zum Bürgerkrieg”).
Debord war ein kantiger Einzelgänger, der sich schwer in eine Schublade pressen läßt. Auch zum Thema “Einwanderung” hatte er Dinge zu sagen, die für einen als linksstehend wahrgenommenen Intellektuellen ungewöhnlich sind, die indessen auch vielen Rechten nicht gefallen werden, insbesondere der “Hakuna Matata, wenn es keine Moslems gäbe”-Fraktion.
Dabei hat der 1994 verstorbene Debord viele Argumente Richard Millets vorweggenommen (eine Millet-Auswahl wird im Juni in der Reihe “Antaios Essay” erscheinen). Bereits 1985 schien es ihm, als hätte die globalistisch-amerikanische Konsum- und “Spektakel”-Gesellschaft die französische Identität und Kultur weitgehend aufgefressen. Wie Millet beklagt er den Verfall der Sprache und des Denkens.
Nicht nur die Einwanderermassen seien Entwurzelte – die Autochthonen seien es im Grunde nicht weniger, und dies sei der eigentliche Kern des Problems, den keiner sehen wolle. Nach der Amerikanisierung des Lebensstils wolle man Frankreich in einen “Schmelztiegel” nach amerikanischem Vorbild umwandeln. Er rechnete damit, daß dieses Experiment zum Scheitern verurteilt sei und in einem “Blutbad” enden werde.
Besonders folgende Erkenntnis Debords hat gerade für Deutschland eine nicht zu unterschätzende Bedeutung und Aktualität:
Eine einheitliche und relativ zufriedene Gesellschaft ist einleuchtenderweise eher imstande, große Zahlen an Einwanderern aufzunehmen, ohne daß es zu Zusammenstössen kommt, als eine Gesellschaft, die sich selbst vollständig zersetzt.
Hier also, leicht gekürzt, sein Aufsatz “Notizen zur ‘Einwandererfrage’ ”.
Guy Debord: Notizen zur “Einwandererfrage” (1985)
An der “Einwandererfrage” ist alles falsch, wie an jeder anderen Frage, die in der heutigen Gesellschaft offen gestellt wird; und dies aus demselben Grund: Die Ökonomie – oder genauer gesagt, die pseudo-ökonomische Illusion – hat sie aufgeworfen, und das Spektakel hat sie übernommen.
Man diskutiert über nichts als Dummheiten. Soll man die Einwanderer beschützen oder sie eliminieren? (Natürlich ist der echte Einwanderer nicht derjenige Einwohner fremder Herkunft, der sich dauerhaft niedergelassen hat, sondern derjenige, der sich selbst als anders betrachtet, der von den anderen als anders betrachtet wird, und der auch entschlossen ist, anders zu bleiben. Viele Einwanderer oder ihre Kinder haben die französische Nationalität angenommen. Viele Polen oder Spanier haben sich schlußendlich in der Masse der einst andersartigen französischen Bevölkerung aufgelöst.)
Wie der radioaktive Abfall der Atomindustrie oder die Ölpest im Ozean (Dinge, die in der Regel mit bedeutend geringerem “wissenschaftlichem” Eifer als untragbar identifiziert werden) sind auch die Einwanderer ein Produkt des modernen Kapitalismus, das über Jahrhunderte, Jahrtausende, bis in alle Ewigkeit nicht entsorgt werden kann. Sie bleiben, weil es viel einfacher war, die Juden in den Zeiten Hitlers zu eliminieren als etwa die heutígen Mahgrebiner: denn es gibt in Frankreich weder eine Nazipartei noch den Mythos einer autochthonen Rasse.
Soll man sie also assimilieren oder die “kulturellen Unterschiede respektieren”? Eine falsche, unpassende Alternative. Wir sind nicht imstande, irgendjemanden zu assimilieren: nicht die Jugend, nicht die französischen Arbeiter, nicht einmal unsere Provinzbewohner und unsere alten ethnischen Minderheiten (Korsen, Bretonen), weil Paris, eine zerstörte Stadt, seine historische Rolle verloren hat, die darin bestand, Franzosen zu machen. Wie kann ein Zentralismus ohne Hauptstadt bestehen? Das Konzentrationslager hat aus keinem einzigen deportierten Europäer einen Deutschen gemacht. Die Ausbreitung des konzentrierten Spektakels kann nur uniformierte Betrachter erzeugen.
Um es einfach, in der Sprache der Werbung zu sagen: Man berauscht sich am lukrativen Begriff von den “kulturellen Unterschieden”. Was für Kulturen? Es gibt keine mehr. Keine christliche und keine moslemische, keine sozialistische und keine szientistische. Redet also nicht von Abwesenden. Ein einziger Blick sollte ausreichen, um mit voller Evidenz die Wahrheit aufzuzeigen, daß es nichts anderes mehr gibt, als die Erniedrigung jeglicher Kultur durch das globale (amerikanische) Spektakel.
Das Wahlrecht führt in keiner Weise zur Assimilation. Die historische Erfahrung zeigt, daß die Wählerstimme nichts bedeutet, nicht einmal für die Franzosen, die Wähler sind und sonst nichts (eine Partei = eine andere Partei; ein politisches Engagement = sein Gegenteil; und seit neuestem haben die Wahlversprechen, von denen jeder weiß, daß sie nicht gehalten werden, endlich aufgehört, enttäuschend zu sein, da sie sich ohnehin auf keinerlei relevante Probleme beziehen. Wer hat für die Verteilung von Brot gestimmt?). Unlängst wurden erhellende und ohne Zweifel noch heruntergerechnete Statistiken veröffentlicht: 25% aller “Bürger” zwischen 18 und 25 Jahren haben sich aus purem Ekel nicht in die Wahllisten eingetragen. Zählt sie zu den Abstinenzlern, die anders sind.
Manche meinen, das Kriterium der Assimilation sei “die französische Sprache”. Lächerlich. Beherrschen etwa die heutigen Franzosen die französische Sprache? Können wir nicht vielmehr deutlich sehen, daß die sprachliche Artikulationsfähigkeit und die klaren Gedankengänge am Verschwinden sind, ohne das Zutun irgendeines Einwanderers?
Welche Lieder hören denn die jungen Leute heute? Wieviele Sekten, die unendlich lächerlicher als der Islam oder der Katholizismus sind, haben heute Macht über die Köpfe der zeitgenössischen gelehrten Idioten bekommen? Reden wir gar nicht erst von den Autisten und Grenzdebilen, an denen diese Sekten nicht interessiert sind, weil diese Rinder bar jeden ökonomischen Interesses sind; also überläßt man ihre Versorgung den öffentlichen Ämtern.
Wir haben uns selbst zu Amerikanern gemacht. Daher verwundert es nicht, daß wir all die Miseren und Probleme der USA auch bei uns antreffen, von der Drogenmafia über das Fast Food bis zur Ausbreitung der Ethnien. Auch Spanien und Italien sind an der Oberfläche (wenngleich ausreichend) amerikanisiert, aber ethnisch unvermischt geblieben. In dieser Hinsicht sind diese Länder um einiges europäischer geblieben (in dem Sinne, wie Algerien nordafrikanisch ist).
Wir haben dieselben Probleme wie die Amerikaner, ohne ihre Macht zu haben. Es ist keineswegs sicher, ob der amerikanische Schmelztiegel noch lange funktionieren wird (besonders im Hinblick auf die anderssprachigen Mexikaner). Dagegen läßt sich mit Sicherheit sagen, daß er bei uns nicht einen Augenblick funktionieren kann.
Denn es sind die USA, die das Zentrum der heutigen Lebensart sind, sie sind das Herz des Spektakels, dessen Pulsschlag bis Moskau und Peking gehört wird; und sie werden es nicht zulassen, daß sich irgendeiner seiner lokalen Subunternehmer selbständig macht (man muß verstehen, daß es sich hier leider um eine tiefergehende Art der Unterwerfung handelt, als jene, auf deren Zerstörung oder Abmilderung die übliche Kritik des “Imperialismus” abzielt). Hier sind wir nichts mehr: Kolonisierte, die nicht imstande waren, sich aufzulehnen, die großen Ja-und-Amen-Sager im Dienste der Entfremdung durch das Spektakel.
Woher also plötzlich dieser wiederentdeckte Anspruch auf Frankreich angesichts der Ausbreitung von Einwanderern jeglicher Couleur, als hätte man uns etwas gestohlen, das ansonsten noch ganz das Unsere wäre? Was wäre das denn eigentlich? Woran glauben wir denn, oder vielmehr, was geben wir vor, zu glauben? An einen Stolz, der für ein paar seltene Festtage reserviert ist, an denen sich die versklavten Ansässigen darüber beschweren, daß die Metöken ihre Freiheit bedrohen würden!
Die Gefahr der Apartheid? Sie ist gewiß real. Sie ist sogar mehr als eine Gefahr, sie ist ein bereits eingetroffenes Verhängnis (mit seiner Logik der Ghettos, den Konflikten zwischen den Rassen, und, eines Tages, seinen Blutbädern). Eine einheitliche und relativ zufriedene Gesellschaft ist einleuchtenderweise eher imstande, große Zahlen an Einwanderern aufzunehmen, ohne daß es zu Zusammenstössen kommt, als eine Gesellschaft, die sich selbst vollständig zersetzt.
Den frappierenden Zusammenhang zwischen der Evolution der Technik und der Evolution der Mentalitäten habe ich bereits 1973 beschrieben: “Eine Umwelt, die dadurch rekonstruiert wird, daß sie in allzu eilfertiger Weise der repressiven Kontrolle und dem Profit unterworfen wird, wird zur gleichen Zeit zerbrechlicher und lädt damit zum Vandalismus ein. Der Kapitalismus errichtet Imitate aus Plastikramsch in seiner Arena des Spektakels und bringt damit Brandstifter hervor. Ihre Kulissen werden so entflammbar wie eine französische Hochschule.”
Dank der Anwesenheit der Einwanderer muß man damit rechnen, daß die herrschenden Mächte auf breiter Basis eine Entwicklung fördern werden, wie man sie im Kleinen an den Zusammenstössen sehen kann, die von wirklichen oder falschen “Terroristen” oder den Fans rivalisierender Fußballclubs inszeniert werden. Man versteht gut, warum die verantwortlichen Politiker (die Führer des Front National eingeschlossen) allesamt daran arbeiten, den Ernst des “Einwanderungsproblems” herunterzuspielen. All die Dinge, die sie konservieren wollen, halten sie davon ab, einem einzigen Problem in seinem wahren Kontext ins Auge zu blicken.
Die einen tun so, als ginge es lediglich um den “guten Willen zum Antirassismus”, die anderen, als ginge es darum, Verständnis für ein wohlbemessenes Recht auf eine Art “legitimer Xenophobie” zu erheischen. Sie alle arbeiten zusammen, um diese Frage als die allerdringlichste erscheinen zu lassen, ja sogar als die einzige, die unter all den furchteinflößenden Problemen unserer Gesellschaft überhaupt noch Relevanz hat.
Das Ghetto der neuen Apartheid (in der Variante des Spektakels, nicht in der lokal-folkloristischen Südafrikas) ist bereits hier und jetzt, im heutigen Frankreich, eine Realität: die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist darin brutal eingeschlossen, und sie wäre es auch dann, wenn es keinen einzigen Einwanderer gäbe. Wer hat beschlossen, die Banlieues von Sarcelles und Minguettes zu bauen, und Paris und Lyon zu zerstören? Man kann nicht behaupten, daß sich keine Einwanderer an diesem infamen Werk beteiligt hätten. Aber sie taten es ausschließlich als Befehlsempfänger; das ist das übliche Schicksal des Lohnarbeiters.
Wieviele Fremde gibt es wirklich in Frankreich? (Und zwar nicht nur gemessen am juristischen Status, an der politischen Einstellung und der Hautfarbe). Offensichtlich sind es soviele, daß man sich zuerst eher fragen sollte: wieviele Franzosen gibt es noch und wo sind sie? (Und was kennzeichnet heute einen Franzosen?) Und wie wird es ihm gelingen, Franzose zu bleiben?
Wir wissen, daß die Geburtenrate sinkt. Ist das nicht normal? Die Franzosen können ihre Kinder nicht mehr erhalten.Sie schicken sie mit drei Jahren in die Schule, wo sie mindestens bleiben, bis sie sechzehn sind, damit sie zu Analphabeten ausgebildet werden. Und bevor sie drei jahre alt sind, finden sich mehr und mehr Leute, die sie “unaushaltbar” finden und mehr oder weniger brutal schlagen.
In Spanien, Italien, Algerien, bei den Zigeunern werden Kinder immer noch geliebt. Nicht so im heutigen Frankreich. Weder Mietwohnungen noch Städte werden für Kinder gebaut (was auch die Quelle der zynischen öffentlichen Rhetorik der Urbanisten ist, man müsse “die Städte den Kindern öffnen”). Auf der anderen Seite ist die Schwangerschaftsverhütung allgemein gebräuchlich und die Abtreibung straffrei. Heute sind fast alle Kinder in Frankreich Wunschkinder. Aber der Wähler-Konsument hat keinen freien Willen, er weiß nicht, was er will. Er “wählt” etwas, das er nicht liebt. Seine unzusammenhängende mentale Struktur läßt ihn sogar vergessen, daß er sich eine Sache einmal gewünscht hat, wenn er herausfindet, daß sie ihn enttäuscht.
Durch das Spektakel hat eine Klassengesellschaft systematisch versucht, die Geschichte zu eliminieren. Und nun tut man so, als würde man als einziges Resultat dieser Anstrengung die Präsenz so vieler Einwanderer bedauern, denn durch diese würde ja Frankreich “verschwinden”. Was für ein Witz. Frankreich verschwindet aus anderen Gründen, und, mehr oder weniger rasch, auf nahezu allen Ebenen.
Die Einwanderer haben das allerschönste Recht, in Frankreich zu leben. Sie sind die Repräsentanten der Enteignung; und die Enteignung ist in Frankreich zuhause, wo sie in der Mehrheit und nahezu universell ist. Es ist nur allzu bekannt, daß die Einwanderer ihre Kultur und ihr Land verloren haben, ohne einen Ersatz zu finden. Die Franzosen befinden sich jedoch in derselben Lage, was kaum zu übersehen ist.
Angesichts der Egalisierung des gesamten Planeten durch die Misere einer neuen Lebenswelt und eine durch und durch lügnerische Intelligenz, sind die Franzosen, die all dies ohne großen Widerstand (abgesehen von 1968) hingenommen haben, schlecht beraten, zu behaupten, daß die Einwanderer daran schuld seien, wenn sie sich in ihrem eigenen Land nicht mehr heimisch fühlen. Das Gefühl, keine Heimat zu haben, haben sie natürlich völlig zurecht. Denn in dieser schrecklichen neuen Welt der Entfremdung gibt es außer den Einwanderern niemanden mehr, der anders ist.
Auf der Erdoberfläche werden immer Menschen leben, sogar hier,wenn Frankreich lange verschwunden sein wird. Die ethnische Mischung, die dann herrschen wird, kann man nicht voraussehen, ebensowenig wie ihre Kultur oder Sprache. Die zentrale und profund qualitative Frage ist jedoch diese: wird es diesen zukünftigen Völkern durch eine emanzipierte Praxis gelingen, die gegenwärtige Technik zu beherrschen, die das Simulacrum der Enteignung ist? Oder werden sie von ihr noch hierarchischer und sklavischer beherrscht werden, als es heute der Fall ist? Man muß immer mit dem Schlimmsten rechnen und für das Beste kämpfen. Frankreich verdient gewiß eine Klage. Aber Klagen sind vergeblich.
Guy Debord schrieb diesen Text im Dezember 1985 für Mezioud Ouldamer, während dieser an seinem Buch “Le cauchemar immigré dans la décomposition de la France” (Der Alptraum der Einwanderung im Zerfall Frankreichs, 1986) arbeitete.
Zarathustra
blockquote> Hier sind wir nichts mehr: Kolonisierte, die nicht imstande waren, sich aufzulehnen, die großen Ja-und-Amen-Sager im Dienste der Entfremdung durch das Spektakel.
Dieser Gedankenblitz in dem vorstehenden Essay von Guy Debord erleuchtet schlagartig die Landschaft, in der das zeitgenössische Geschehen sich vollzieht.
Die implizite Frage darin, nämlich "warum ein Auflehnen heute nicht mehr stattfinden wird und stattfinden kann", führt direkt in das Zentrum eines Tabus, über das scheinbar Konsens herrscht und dessen Verlogenheit Ernst Nolte so wunderbar "dekonstruiert" hat, um im Jargon der Zeit zu bleiben:
Der epische Kampf zwischen partikulärer Identität (oder Kultur im deutschen Sinne des Begriffs) und Universalismus (der Unkultur des Imperium), der spätestens seit 1914 ein heißer Krieg geworden war, fand seinen tragischen Höhepunkt im Verlauf des Zweiten Weltkrieges. Der Kampf Deutschlands war nicht als ein Kampf für die Selbstbehauptung des partikularen Großraumes Europa erkannt worden, auch nicht in letzter Konsequenz von der deutschen Führung selbst, und war in den Worten Noltes trotzdem "die letzte Chance" der Auflehnung gegen das Unvermeidliche gewesen.
Europa hatte es vorgezogen, sich mit dem Imperium gegen sein eigenes gravitätisches Zentrum zu verbünden und den ordinären Sieg davonzutragen. Die Folge des Sieges war die Kolonisation durch das Imperium. Der Preis des Sieges war die Preisgabe der europäischen Kultur; ein Pakt mit dem Teufel und ein Wechsel auf die Zukunft Europas der nun zur Zahlung fällig wird. Das große "Ja-und-Amen" des Verrats.
Seither sind wir Europäer Kolonisierte, Entwurzelte, kultur- und heimatlos, Treibgut der Geschichte. Identitäre, die Identität herbei "bassen" wollen, tragische Figuren.
Identität heißt, Geschichte zu haben. Geschichte gibt es nicht mehr für Europa. Jeden Tag blinzeln mir letzte Menschen entgegen.
Oder nicht?